Die Greuelmärchen des Dr. Johann von Leers Niedergang

Was er über die Wiener Vorgänge zu erzählen weiß

Dem Autor der berüchtigten Schmähschrift, Juden sehen Dich an", Dr. Johann von Leers , lassen die Lorbeeren etnes echten Goebbels- Journalisten nicht ruhen. Auf eine Lüge mehr oder weniger kommt es diesem Repräsentanten des neudeutschen Journalismus nicht an.

Er hat foeben in der gleichgeschalteten Preffe einen Artikel über die außenpolitische Lage geschrieben. Für die dicken Honorare, die dieser Sozialist" von den reichgewordenen nationalsozialistischen Verlegern bekommt, muß er auch fauft dice Lügen liefern. Deshalb beschäftigt er sich mit den blu­ligen Vorgängen in Wien auf seine Art.

Bisher hat eigentlich die ganze Welt, außer Deutschland , angenommen, daß Dollfuß als Opfer einer nationalsozia­liftischen Verschwörung gefallen sei. Das ist aber, wie uns Herr Leers belehren will, absolut unwahr. Die Sache habe sich ganz anders abgespielt. Aber lassen wir mal den Mann selbst sprechen. Er schreibt:

" Am Morgen des 25. Juli war es um 11 Uhr im Minister­rat zu schweren Zusammenstößen zwischen Dollfuß und Fey gekommen. Beide haben sich gegenseitig mit der Verhaftung bedroht. Auf 12 Uhr war die Mobilisierung der gesamten Heimwehr angeordnet. Dageschieht etwas Myste=

riöses: 140 Mann in Uniform des Bundesheeres und der Heimwehr besetzen das Bundeskanzleramt, tun dem im Volf wegen seiner viehischen Roheit verhaßten Herrn Fey gar nichts, ebenso wenig dem Sicherheitsdirektor Karwinsky , son­dern schießen lediglich Dollfuß nieder."

Nachdem Herr von Leers also gesprochen und sein Bedauern ausgedrückt hat, daß leider Vizekanzler Fey nicht ebenfalls abgefillt" wurde, schildert er in dieser wahrheitsgetreuen Art die Ereignisse weiter und schreibt dann noch folgende wunderbare Säße: Man sperrt die Aufständischen ein und hat damit einmal erst Leute ausgeschaltet, die sonst einiges

erzählen könnten. Mit großem Geschick beschuidigen dann

Herr Fey und der Minister Schuschnigg noch am gleichen Abend durch den Rundfunk die Nationalsozialisten dieser Tat, als ob gerade diese Herrn Fey leben gelassen hätten."

Diese Schilderung der Wiener Ereignisse am 25. Juli" aus der Feder des Herrn von Leers muß man zweimal ge­lesen haben. Hat er nicht die Dinge ganz ausgezeichnet ge­dreht? Dollfuß soll von Nationalsozialisten ermordet sein? Reine Spur! Ein Greuelmärchen! Die Dinge lagen, nachdem der nationalsozialistische Putsch. mißlungen war, natürlich ganz anders. Denn nicht Nationalsozialisten, sondern der Vizekanzler Fey war es, der Dollfuß verhaften wollte, und der dann etwas Mysteriöses" geschehen ließ. Er ließ 140 Mann in Uniform in das Bundeskanzleramt eindringen und Dollfuß erschießen. Nachdem das geschah, wurden die 140 Mann schnell eingesperrt, damit sie ja der Welt nicht ver­raten sollten, daß dieser ganze Mord und Putsch von der Heimwehr und Vizekanzler Fey inszeniert wurde. Und am Abend, so fantasiert Dr. von Leers weiter, geschah die große Gemeinheit: Fey und Schuschnigg versuchten, den blutigen Aufstand den Nationalsozialisten in die Schuhe zu schieben!

Zwar hat Herr von Leers bei der Schilderung dieser Ereignisse einige Kleinigkeiten" vergessen. So beispiels weise wird aus seiner Schilderung nicht ganz verständlich, warum denn eigentlich die Nationalsozialisten einen Auf­stand in Steiermark und Kärnten angezettelt haben und warum die Mörder von Dollfuß vor der Hinrichtung statt Seil Starhemberg" ausgerechnet Heil Hitler" gerufen haben.

Auch bleibt es nicht ganz verständlich, warum der neu­gebackene oberste Kriegsherr" Adolf Hitler den sogenannten Landesinspektor Habicht seines Postens enthoben hat, wenn die Nationalsozialisten solche Unschuldsengel warent und an der ganzen Verschwörung gegen Dollfuß Vize= fanzler Fen schuld sei. Aber wie gesagt, es kommt dem Leers auf eine Lüge mehr oder weniger nicht an.

Es verlohnt sich wirklich nicht, sich in eine Diskussion mit

einem notorischen Lumpen und Lügner, wie es Dr. Johann von Leers ist, einzugehen. Er weiß ja selber ganz genau, daß seine Schilderwng der blutigen Ereignisse in Wien eine faustdicke Lüge ist. Er weiß selber ganz genau, daß Dollfuß natürlich nicht durch die Heimwehr und seine Minister­follegen, sondern auf Veranlassung der Drahtzicher in München und Berlin ermordet worden ist.

Wenn wir troßdem die widerlichen Verleumdungen dieses nationalsozialistischen Schmierfinks wiedergeben, so ge­schieht das zu dem Zwecke, um zu zeigen, wie das Bolf in Deutschland betrogen wird. Die zahlreichen Leser des Dr. Leers, die in der deutschen Provinz diese Lügen lesen müssen, sind natürlich nicht in der Lage, fich über den Um­fang dieser Lügen und über die Drehs des Herrn von Leers Rechenschaft zu geben. Viele werden an die von Leers und der nationalsozialistischen Journaille verbreiteten Legende über die Blutschuld der österreichischen Regierung an der Ermordung von Dußfuß glauben, und wenn vielleicht in einiger Zeit von österreichischer Seite der Hitler - Regierung die Rechnung für ihre Untoten in Oesterreich präsentiert wird, dann werden Tausende von deutschen Spießern auf: richtig darüber empört sein, daß man wieder mal dem armen Deutschland so Unrecht tue.

Vorläufig hat diese ganze Gesellschaft das Monopol zu schreiben und darf das deutsche Volk betören. Aber, wenn einmal der Tag fommen wird, wo das deutsche Volf die Wahrheit erfährt, dann wird das Erwachen furchtbar sein. Die Leers und Genossen werden dann am eigenen Leibe die Rache des Volkes erfahren, wenn sie nicht gerade vor­her im Zuge irgendeiner neuen Säuberungsaktion" von ihrem obersten Gerichtsherrn" nach bewährten Vorbildern um die Ecke gebracht werden.

Die Peitsche

Unter Verantwortlichkeit des

Reichsführers"

Der Manchester Guardian" veröffentlicht den Bericht eines soeben entlassenen deutschen Schuhhäfts lings, in dem gesagt wird:

Es war nach Mitternacht , und die Beamten begannent mich zu schlagen, wenn sie mich fragten. Mein Kopf schmerzte. Um 2 oder 3 Uhr morgens las einer von ihnen ein Protokoll vor und sagte, ich solle es unterschreiben. Ich wollte es schon tun, als ich bemerkte, daß das Blatt geschickt gefaltet und die Kanten der Faltungen fast ansichtbar zusam= mengeklebt waren- derart, daß sie einen weißen Raum verdeckten, der mit Worten ausgefüllt werden konnte, welche ich nie unterzeichnet hätte, die aber doch mit meiner Unter­

der deutschen Presse Goebbels ' ,, Erfolge"

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In der Zeitschrift Die Wahrheit" werden interessante Mitteilungen über die von Tag zu Tag unhaltbarer wer= dende Lage in der Berliner Presse gemacht. Nach einer amt= lichen Statistik erschienen im Jahre 1932 im Deutschen Reich" 2703 Tageszeitungen, 1934 nur noch 1128. Von den 1575 Zei­tungen, die demnach zu erscheinen aufgehört haben, wurden 1248 durch Verbote beseitigt. Wochenzeitschriften erschienen im Jahre 1982 348, in diesem Jahre nur 217, von den 183 Monatszeitschriften bestehen noch 102. Die durchschnittliche Monatsgesamtauflage der deutschen Presse ist von einer Milliarde im Jahre 1932 auf 300 Millio nen im Juli 1933 zurück gegangen. Das Redaktions­personal, das 1932 19 200 Köpfe umfaßte, beträgt heute etwa 5000, demnach würde es 14 200 stellungslose Zeitungsange­stellte geben. Das genannte Blatt hebt den kolossalen Aus­schwung der Auslandspresse in Deutschland hervor, und zwar Basler, Prager, Züricher und Budapester Blätter, die erstaunliche Verkaufsziffern ausweisen.

Massenflucht

Eine Klage des katholischen, in Duisburg erscheinenden Neuen Tag" gegen die Essener National- Zeitung" auf Unterlassung der Drohungen bei der Werbung von Abon­nenten wurde fürzlich von dem Landgericht Duisburg mit der Aufsehen erregenden Begründung abgewiesen, daß es eine fatholische Presse heute nicht mehr gebe". Gegen dieses Urteil hatte der Neue Tag" Berufung eingelegt. Bor dem Landgericht Düsseldorf , das sich nun­mehr mit dem Prozeß zu befassen hatte, erklärte der Ver­treter der National- Zeitung", des Göringblattes: Die Be­triebsabteilung der National- Zeitung" stellte bei den lau­fenden Ueberprüfungs- und Werbungsmaßnahmen fest, daß in bestimmten Gegenden, Stadtteilen und innerhalb eng be­grenzter Voltsteile und Volksschichten die Abbestellungen der National- Zeitung" außerordentliche Ausmaße annah­men." Man habe den Ursachen nachgeforscht; dabei habe sich die Tatsache ergeben, daß die Abonnenten zu dem katholischen " Neuen Tag" abgewandert waren. Die Klägerin legte dem Gericht eidesstattliche Erklärungen fatholischer Priester vor, die bewiesen, daß die Behauptung der Beklagten , es sei auf die Bezieher der National- Zeitung" ein firchenpolitischer Druck ausgeübt worden, unwahr sind. Dagegen fonnte der Prozeßvertreter des Göringblattes nicht widerlegen, daß Nazi- Werber Abonnenten des Neuen Tag" mit schwersten Terrormaßnahmen bedrohten. Das Gericht versuchte, einen Vergleich herbeizuführen, aber der Vertreter der Beklagten erklärte, daß dieser Streit als hochpolitische und staatspolitische Angelegenheit durchgefoch= ten werden" müsse. Das Urteil soll am 8. August verkündet werden.

ſchrift verfchen gewesen wären. Fünf Anaempaare hefteten Zu Dank verpflichtet"

sich gespannt auf mich. Ich legte die Feder meg und sagte: Es tut mir leid, aber ich kann ein Protokall dieser Art nicht unterzeichnen." Dann wurde ich in eine Belle ein geschlossen.

Der Verfasser des Berichts erzählt weiter, daß ihm ge­sagt worden sei, andere Häftlinge hätten bereits gestanden, daß er 500 Braunbücher besessen habe. Als er das bestritt, sagte," fährt der Bericht fort, einer der Beamten zu mir: " So. Du weißt also nichts?" und schlug mir mit solcher Heftigkeit über den Kopf, daß sich der Raum um mich zu dre­hen schien; ich siel zu Boden. man trat mich, als ich auf der

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Ruiniertes Geschäft und obendrein noch Be­strafung

Darmstadt , 6. August. Das hiesige Sondergericht ver urteilte Enoch Frankfurter zu sieben Monaten Ge­fängnis, weil er gejagt batte, die Judenboykottpolitik ber Regierung habe sein Geschäft ruiniert. Das Gericht erklärte, die Juden seien der Regierung zu Dank verpflichtet, daß fie überhaupt noch geduldet werden".

Erde lag. Steh auf!" brüllte einer. Die gleiche Frage wurde Drei Ehrenmänner

erneut an mich gestellt, und ich wurde wieder auf dem Kopf geschlagen, bis ich von neuem zusammenbrach." Die Ver­legungen des Gefangenen waren so schwer, daß er ins La= aarett geschafft werden mußte. Auch dort ließ ihn die Gestapo feine Rube. Se denken, Sie wären jetzt im Kran­fenhaus sicher?", sagten die Beamten. Warten Sie nur, bis Sie entlassen sind, dann werden Sie jeden Tag fünfzig mit dem Ochsenziemer bekommen das wird Sie schon zerm Sprechen bringen."

Der Manchester Guardian" fündigt an, daß er die Ent­hüllungen aus der Feder des entlassenen Häftlings forte sezen wird.

Nur Göring fehlte noch

Fast die gesamte deutsche Preffe veröffentlicht, offenbar auf Befehl der Reichspressekammer im Propagandaministerium, ein Photo aus Bayreuth , auf dem Hitler zwischen Goebbels und Papen zu sehen ist. Das Bild ist kein Schnappschuß die drei haben sich, was ihre Haltung verrät, hingestellt, um der Welt zu zeigen, daß sie das vollster Vertrauen zueinander haben: Hitler , der die Freunde und Mitarbeiter Papens ermorden ließ; Goebbels , der vor dem 30. Juni gegen Papen öffentlich hetzte und Papen der sich nie geniert.

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Zero- Nero

Professor Theodor Lessing über Hindenburg

Professor Th. Lessing ist am 31. August 1933 als Emigrant In Marienbad erschossen worden. Im Jahre 1925 hat er zur ersten Wahl Hindenburgs einen aufsehenerregenden Artikel im Prager Tagblatt" über Hindenburg veröffentlicht, der Anlaß gab zu einem wüsten Feldzug gegen einen der feinsten Denker des Nachkriegs- Deutschland. Dieser Artikel ist nicht nur als Charakteristik Hindenburgs ausgezeichnet und aufschlußreich, er ist auch in seinem Schlußgedanken geradezu prophetisch. Wir veröffentlichen nur den wesent­lichsten Teil des Lessingschen Artikels.

" 1

Es war an einem Jahrestag der Schlacht von Tannen­berg. Ich war aushilfsweise an einem Gymnasium der Stadt als Lehrer tätig und die Schulen sollten, Deutschland über alles" singend, an Hindenburgs, von der Stadt geschenkten Hause vorüberziehen. Die vielen Hunderte von hellbegeister ten Kinder gingen unter Führung der Lehrer froh jubelnd an dem alten Mann vorüber; der stand schwer und ernst auf der Bortreppe seines Hauses; wir hatten das Glück, gerade unmittelbar vor ihm zu stehen, als er die Hand hob und feine herzenswarme Ansprache an die Jugend begann. Ich möchte diesen Augenblick wohl noch einmal erleben; diese Mischung der Gefühle, Komik und Ergriffenheit, vollfom­mene Vereinsamung und Einssein mit allen den Kindern; herzliches Lachen des Uebermutes und geheiligte Demut; vor allem aber mein Erstaunen, denn diesen Grad von Kindlich keit hatte ich doch nicht für möglich gehalten. Hindenburg ( wir standen Auge in Auge) sagte voll tiefsten Ernstes:

Deutschland liegt tief danieder. Die herrlichen Zeiten bes Kaisers und seiner Helden sind dahin. Aber die Kinder, die hier Deutschland über alles" singen, diese Kinder wer­den das alte Reich erneuern. Sie werden das Furchtbare, die Revolution, überwinden. Sie werden wiederfommen, sehen die herrliche Zeit der großen, siegreichen Kriege. Und Sie, meine Herren Lehrer, Sie haben die schöne Aufgabe. in diesem Sinne die Jugend zu erziehen."( Die Bengels stupiten mit und feigten.) und Ihr, meine lieben Pri­maner, werdet siegreich wie die Väter waren, in Paris ein­ziehen. Ich werde es nicht mehr erleben. Ich werde dann bei Gott sein. Aber vom Himmel herab werde ich auf Euch

niederblicken und werde mich an Euren Taten freuen und Euch segnen."

Dies alles in tiefstemt, heiligstem Ernste! Man fühlte: dieser alte Mann glaubt Wort für Wort alles, was er da Ernstes: nach dem Tode kommt er zu Gott ; fißt auf einer sagt: da ist kein unlauterer Klang. Das glaubt er allen Wolfe; betrachtet sich von bevorzugtem Size aus Deutschland und segnet seine siegreichen Jungen. Der keckste von ihnen zeichnete nach diesem historischen Erlebnis" ein, Bild: Hin= denburg als Engel auf der Wolfe schwebend und unsere Prima segnend. Es wäre leicht gewesen, solchen Spott zu stärken; aber( und dies ist merkwürdig) es war feiner unter uns, der ihn nicht beleidigt verwarf. Wir fühlten: es ist.cht ritterlich, es ist gemein, dort mit Waffen des Geistes zu kämpfen, wo überhaupt gar keine Macht und Möglichkeit ge­geben ist, mit ähnlichen Waffen zu erwidern. Aber selbst im altpreußischen Adel und in jenem Junfertum, dessen geistige Ansprüche vollauf gedeckt sind durch wochentags die Kreuz­ zeitung " und Sonntags eine gute Predigt bei Herrn Pastor", selbst in jenem ganz von Tradition und Außenschliff lebenden Beamtenklüngel, der aus dem feudalen Korps der Universitäten oder aus dem für standesgemäß geltenden bevorzugten Regimentern seine geistigen Nachwuchs bezieht, dürfte die gleiche Geistesferne und Geistesfremde doch wohl nicht häufig sein. Als Hindenburg als Kommandeur in Oldenburg stand, hielt der Freund seiner Jugend, Wilhelm Jordan , einer der besten und größten Männer Deutschlands , dort in der Literarischen Gesellschaft " einen Liedervortrag aus den Nibelungen. Hindenburg wurde gebeten, diesen Abend zu protegieren". Er antwortete mit einem Brief, in welchem es heißt: Er habe als Militär leider keine Gelegen= heit gehabt, sich mit Literatur zu beschäftigen und könne daher die Nüglichkeit und den Wert des Abends nicht beurteilen. Es gehört doch immerhin ein gut Stück Barbarei dazu, um als Deutscher die Bedeutung des Nibelungenliedes nicht zu fennen; aber es bezeugt eine seltene Klarheit und Ehrlichkeit, daß ein braver Soldat das eingesteht. Aber wenn man die Anzahl der Bücher, die er in seinem Leben gelesen hat, gewiß zählen tann, er hat eine Beziehung zu den bildenden Künften,

die merkwürdig ist: er sammelt Madonnenbilder; es kommt aticht darauf an, von wem sie sind, es kommt nicht darauf an, moher sie sind. Er sammelt sie wie andere Briefmarken sam­meln und keineswegs etwa aus religiösem Triebe: ein Zimmer seiner Villa ist dazu bestimmt, nur Madonnenbilder aufzunehmen. Diese Erscheinung bietet dem Menschen­betrachter all die Freude, die das eng in seiner Grenze be= schlossene und seine Grenze naiv bejahende, unbefümmert sich selbst erfüllende Leben gibt. Klare, wahre, redliche und ver­läßliche Natur, ohne Problematik und Falschheit. So zeigt sich auch dieser Mann im Spiegel seiner Lebenserinnerungen.

Aber man soll sich dennoch sehr hüten zu urteilen: das ist ein ganzer und voller Mensch. Ich will nicht sprechen von der Unmenschlichkeit und dem warmherzigen Egoistentum dieser naiven Selbstgerechtigkeit. Von dem Augenblick, wo dieser unpolitischste aller Menschen zu einer politischen Nolle miß­braucht wird, wird ein anderes entscheidend: dieser Mann ist durch und durch Mann des Dienstes. Hier sind noch nicht einmal die Anfäße zu einer selbst entscheidenden und grübeln­den und wägenden Persönlichkeit. Hier wird immer die In­ſtruktion, die Ueberlieferung, der Consensus, das Man muß doch, Man darf doch nicht" das allein Wesentliche sein. Gi guter, treuer Bernhardiner ist der getreue Gfart", der brave Hort und Schirm" doch nur gerade so lange, als ein fluger Mensch da ist, der ihn in seine Dienste spannt un apportieren lehrt; in Freiheit würde aus ihm ein führungs. loser Wolf. Eine Natur wie Hindenburg wird bis zum Tode fragen: Wo kann ich dienen? Es ist gewiß ergreifend und rührend, daß während des Weltkrieges eine der übelsten und bösesten Naturen der Weltgeschichte gerade diese einfältigste und treugläubigste seinem Ehrgeiz und seinem Machtwillen dienstbar machte, gedeckt von der Flagge der nationalen Ideale. Aber da zeigt sich auch die Gefahr! Nach Plato sollen die Philosophen Führer der Völker sein. Ein Philosoph würde mit Hindenburg nun eben nicht den Thronstuhl be­steigen. Nur ein repräsentatives Symbol, ein Fragezeichen, ein Zero. Man fann sagen: besser ein 3ero als ein Nero. Leider zeigt die Geschichte, daß hinter einem Zero immer ein fünftiger Nero verborgen steht.

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Th. Lessing konnte nicht ahnen, wie sehr er mit seiner Prophezeiung recht behalten würde. Auf Zero, die Null, folgte Hitler , der Nero.