t
Englischer Brief
O. G. London , Anfang August 1934. Kurswechsel in der englischen Außenpolitik England und Hindenburgs Tod
Hindenburg war in England beliebt. Er galt als die letzte Bremse, als das letzte Fünfchen Anstand im deutschen Regierungssystem, das immer mehr und immer häufiger als Gangstersystem" bezeichnet wird. Viele Spalten, ja ganze Seiten widmete die englische Presse dem toten Reichspräsidenten, Berichte über den Tod, Leitartikel, ausführliche Lebenslaufdarstellungen, gelegentlich auch Beiträge der militärischen Mitarbeiter über den ehemaligen feindlichen Oberbefehlshaber.
Einig war sich die ganze Presse darüber, daß er ein tüchtiger, aber feineswegs genialer General war, daß die Schlacht bei Tannenberg faum sein alleiniges Werk war. Einig war sich die Presse im Lob seiner ersten Präsidentenperiode, wo er den Abenteurern von rechts nicht folgte. Einig war sie sich auch mit Ausnahme der„ Daily Mail", die wieder einmal cine hitlerfreundliche Periode hat, daß die Ernennung Hitlers , daß das Tolerieren aller Nazigewalttaten, daß vor allem auch das Glückwunschtelegramm nach dem 30. Juni im Widerspruch zu seiner früheren Haltung stünde, daß Hindenburg hier einen Weg gegangen sei, der seinem Volke nicht zum Segen gereiche. Und man fragte sich, wie kam das? Die Antworten waren verschieden. Die Times" glaubt, daß in den letzten zwei Jahren die geistigen Kräfte Hindenburgs versagten, daß er nicht mehr recht wußte, was er tat. Der„ Manchester Guardian" sieht den Grund in Hindenburgs Gebundenheit an die ostelbische Junkerklasse, die er vor Enteignungen und vor Enthüllungen( Osthilfestanda) schützen wollte, aber auch dieses Blatt lehnt ausdrücklich jede Möglichkeit persönlichen Interesses beim Reichspräsidenten ab. Man will nun einmal an den Charakter Hindenburgs glauben; die Illusion der Biederfeit, die 1932 die Hindenburgwähler beeinflußt hat, besteht in England weiter. Der Daily Telegraph " zwar hat in einem eindrucksvollen Artikel die Heroengestalt zerpflückt, aber auch dieses Blatt schwört auf den reinen Charakter des Mannes, den es als Typus des germanischen Stammesgößen fennzeichnet. In allen Blättern kehrt übrigens ein Gesichtspunkt wieder: die hölzerne Hindenburgstatue, die während des Krieges vor der Siegessäule in Berlin stand, und in die Nägel eingehauen wurden als Zeichen der Verehrung nach der Niederlage aber wurde sie als Brennholz benutzt. Das alles erscheint den Engländern nicht nur fremd und lächerlich, sie sehen darin ein Kennzeichen tiefsten Barbarentums, das bei einem afrikanischen Negerstamm verständlich wäre, aber nicht bei einem Kulturvolk. Daß diese Auffassungen von Deutschland , die begraben schienen, heute wieder wach werden und in vielen Taten des gegenwärtigen deutschen Regierungssystems ihre scheinbare Rechtfertigung finden, ist tief bedauerlich und schmerzlich für jeden, der das andere, das reine Deutschland vor Augen hat.
Ueber Hitlers überstürzte Machtergreifung, über die illegale Aneignung der Präsidentenbefugnisse, hat die englische Presse nicht zuviel gesagt. Man war etwas peinlich berührt über die Hast, aber man glaubt nicht, daß sich praftisch allzuviel ändert. Einige Blätter nehmen sogar an, daß Hitler jetzt noch mehr als nach dem 30. Juni Sklave der Reichswehr sei- ohne daß sie freilich diese Ansicht stichhaltig zu begründen vermöchten. Alle Blätter aber heben hervor, daß jetzt niemand mehr zwischen Hitler und der vollen Verantwortung stünde, daß die ganze Last des kommenden schweren Winters auf Hitler fallen würde und wird diese Last nicht zu viel für einen Menschen sein? Das„ Plebiszit" wird in der gesamten Presse als das bezeichnet, was es ist, als großer Humbug.
Hinter den vielen sich überstürzenden Ereignissen der letzten Wochen wurde das praktisch vielleicht bedeutsamste Ereignis, der sichtbare Kurswechsel der englischen Außenpolitif, nicht genügend beachtet. In der englischen Außenpolitik standen verschiedene Kräfte gegeneinander. Das Foreign Office wahrscheinlich auch Außenminister Simon selbst hatte stets ein tiefes Mißtrauen gegen Nazideutschland und drängte auf Zusammenarbeit mit Deutschland . Sentimentale Pazifisten, die immer noch von der Abrüstungsmöglichkeit träumten, beinflußten die öffentliche Meinung, Vergnügungsreisende, die 10 Tage in Deutschland waren, schrieben begeisterte Briefe über die Friedensliebe der Nazis Die öffentliche Meinung legte das Foreign Office lahm. und über den moralischen Aufstieg Deutschlands unter Hitler .
Da kam der 30. Juni und mit ihm der radikale Umschwung der öffentlichen Meinung. Mit Macdonald selbst ging auch die Macdonaldrichtung in Urlaub. Englands Stellung zum Ostpakt war das erste Signal der neuen Richtung, Englands Beschluß zur Aufrüstung in der Luft war das zweite Signal. Und dann kam der Dollfußmord. Kurz darauf sprach Baldwin, der stellvertretende Ministerpräsident, im Unterhaus den bedeutungsvollen Sab:„ Wir müssen bedenken, daß Eng lands Grenze heute nicht mehr die Kreidefelsen von Dover sind, sondern der Rhein ." Auch andere Redner dieser Debatte, die sich um die Luftrüstung dreht, hatten Nazideutschland als den vermeintlichen Gegner im Auge. Mag Baldwins Ausspruch von der Rheingrenze auch nur rein technisch gemeint sein, er bleibt doch vielsagend; wahrscheinlich aber hat ihn Baldwin ganz bewußt als Warnung ausgesprochen. Die Chance, die Hitler in England hatte, ist vorläufig verspielt, um sie wiederzugewinnen müßte Hitler etwas mehr tun, als Herrn Ward Price , dem zweifelhaften, Daily- Mail" Korrespondenten. Täppische nichtssagende Friedensinterviews zu geben die von der gesamten englischen Presse
Einzelnen den Weg zeigt. Aber im Gegensatz zu dem pefftmistischen linken Flügel( Cripps, Laiki) geht das Programm von der Annahme aus, daß dieses Programm legal auf par= lamentarischem Wege zu verwirklichen sei, ohne daß es auf gewaltsamen Widerstand der kapitalistischen Kräfte stoße. Wie weit diese optimistische Auffassung Taktik ist man will den Konservativen nicht die Möglichkeit geben, das Schreckwie gespenst einer sozialistischen Diktatur aufzurichten weit die Labourführung wirklich an parlamentarische Verwirklichungsmöglichkeiten glaubt, sei dahingestellt.
Im Augenblick scheinen freilich die Chancen einer flaren Labourmehrheit bei der nächsten Wahl nicht allzu groß au sein. Die letzten drei Nachwahlen in verschiedenen Landesteilen haben jedenfalls der Labour Party im Gegensatz zu den vorhergehenden Nachwahlen keinen wesentlichen Gewinn gebracht. Die Regierung hat alle drei Wahlkreise gehalten.
Sensationen in Fülle
Doch den Zeitungen fehlt es nicht an Stoff. England hat zur Zeit eine Hochsaison an Morden. Da sind die beiden Koffermorde von Brighton . Die sonst so tüchtige Kriminalpolizei hat immer noch keine Spur, die zur Ausdeckung des ersten dieser mysteriösen Morde führen könnte, noch immer hat sie den Kopf der ermordeten Frau nicht gefunden, noch immer hat sie keine Ahnung, wer die Tote ist und wo sie ermordet wurde. Der zweite Koffermord scheint ja mehr oder weniger aufgeklärt zu sein und der Täter ist in Haft. In London selbst wurden in den letzten Wochen zwei Aussehen erregende Morde begangen, einer an einem Schneider beim Maßnehmen, ein zweiter an einem Kinogeschäftsführer in beiden Fällen wurde die Kasse geplündert. Die Zeitungen sind voll von diesen und anderen Schreckenstaten.
Und nun ist auch das liebe Loch Neß Monstrum wieder aufgetaucht. 21 Leute haben es in den letzten Tagen gesehen und zum Teil fotografiert. Daß irgend ein großes Tier dort ist, scheint kaum mehr zweifelhaft, aber was es nun eigentlich ist, bleibt nach wie vor ein Rätsel.
ausgezeichnet werden.
Nichts Neues in der Innenpolitik
In der englischen Innenpolitik berricht tiefe Ruhe. Das Parlament und fast alle Minister sind in Ferien. Ter neuernannte Verkehrsminister Hore Belisha macht von sich reden. dadurch, daß er nach Wegen sucht, die zahlreichen Verkehrsunfälle zu verhindern. Ja. er hat sogar den ersten Augustmontag, einen allgemeinen englischen Feiertag, ge= opfert, um persönlich auf den großen Ausfallstraßen Lon dons nach dem Rechten zu sehen. So macht man sich populär und wird Anwärter aus den nächsten freiwerdenden Kabinettsposten.
Die Labour Party hat den Entwurf ihres neuen Programms vorgelegt, das auf dem kommenden Parteitag im Oktober beschlossen wird. Labour Parteiprogramme haben nichts mit deutschen Parteiprogrammen gemein. Da gibt es nicht lange wissenschaftliche Einleitung, die niemanden interessiert und im Anschluß daran ein grundsatzloses Potpourri von Tagesforderungen. Labour Programme find ge= wissermaßen fnapp dargestellte Regierungsprogramme. Sie enthalten die Prinzipien, nach denen sich die Partei richten wird, wenn sie die Regierung übernimmt. Sie sind daher stets auf furze Frist eingestellt und enthalten nur die nächsten Aufgaben. Trotzdem bringen sie nicht einen Haufen unzusammenhängender Ginzelforderungen, sondern nur die großen Hauptfnien der beabsichtigten Politik. Das neue Programm ist insofern radifaler als die bisherigen, als es weitgehende Sozialisierungsmaßnahmen fordert und im
Blick von draußen
Tatü tata Wilhelm lacht dazu
-
-
Deutsches Theater für Mussolini
A. Ph. Paris, 13. August. Von unserem Korrespondenten Frankreich macht Ferien, und in Paris gibt es schon recht sahlreiche Geschäfte, an deren verschlossenen Eingängen man ein Plakat mit der Inschrift findet Fermeture Anuelle". Auch in der Politik scheint nun Ferienstimmung zu herrschen. Es hat ja auch in den letzten Wochen und Monaten Sensationen und Aufregungen genug gegeben, nun sehnt man sich nach einer Ruhepause. Gewiß hier und da flackert wieder einmal die Flamme der politischen Leidenschaft etwas auf, aber es ist doch nicht das rechte Feuer, das in der letzten Zeit die Gemüter erwärmt und sehr oft erhitzt hat. Man kann sagen: es wird augenblicklich hier in der Politik Inventur gemacht, und während man nach einer Seeschlange Ausschau hält, die die Ferienmuße etwas beleben soll, und dabei auch dem Meeresungetüm von Loch Neß wieder seine Ausmerfsamfeit schenft, geht man gewissermaßen an den politischen Ausverkauf. Das heißt, man stellt noch einmal alles das aus, was an interessanten Resten vorhanden ist, und man kommt dabei zu der überraschenden Feststellung, daß auch ein solcher politischer Saisonausverkauf seine Reize hat und dem Interessenten manches zu bieten weiß.
*
Sehr amüsant, aber nicht ohne ernsten Unterton ist eine Plauderei von Guermantes im Figaro". Er spricht von dem„ Lückenbüßer", dem Stellvertreter und meint damit Göring , der in seiner Brunfuniform heute Wilhelm II. zu überstrahlen sucht. Unter Blumen und Lorbeerschmuck habe Göring bei der Trauerfeier für Hindenburg im Krollsaal in seiner Uniform dagesessen, die aus mandelgrün und Silber zusammengesetzt gewesen sei. Er, der Verfasser, habe Wil helm II. auf seinen Reisen das Leitmotiv gebildet hätten. Uniform gesehen nahe der französischen Grenze. Damals sei der Kaiser im weißen Automobil angekommen, das, wie eine Walküre in der Sonne gefunfelt habe. Als das Auto sich feinem Bestimmungsort genähert habe, habe man die ersten sieben Töne des Trompetensignals aus„ Siegfried" gehört, die bei der Beschwörung des Feuers vorherrschten und für Wilhelm II. auf seinen Reisen das Leitmotiv gebildet hätten. Ein Kürassier in weißer Uniform habe den Wagenschlag geöffnet, und als Wilhelm II , ausgestiegen sei, habe des Raisers Uniform in der Sonne geleuchtet. Als er dann stolzen Blickes um sich geschaut habe, babe man in dem ganz nahen Walde keinen Vogel, fein Säuseln der Natur mehr gehört, wie es sonst zu vernehmen gewesen sei.
Guermantes schließt ironisch, General Görings Eleganz hat mir diese Szene wieder in die Erinnerung zurückgerufen. Aber in seinem Heim in Doorn fann jetzt Herr von Hohen zollern vergnügt lachen, der heute Hose und Rock wie Sie und ich trägt.
,, Solche Theaterstücke stehen heute in Deutschland in Ehren," meint André Pierre im Deuvre", wo er eine Schilderung der Deutschen Passion 1933" von Richard Euringer gibt. Die Lefer der Deutschen Freiheit" haben von diesem Kunstwerk" schon gehört. Der böse Geist verkörpert darin
-
-
Nazibomben
den Marrismus. Es ist nach dem Kriege. Eine Mutter weint um ihren Sohn, der auf dem Schlachtfeld geblieben ist. Der böse Geist( lies Marrismus) ruft ihr zu:„ Zurück, Weib!" Und verhöhnt das Opfer, das ihr Sohn mit seinem Leben für das Vaterland gebracht hat. In dieser Tonart geht es weiter. Ein Kriegsbeschädigter brüllt: Während die Soldaten sich an vier Fronten schlugen, haben ihnen die Literaten, die Verbrecher, die Demokraten, die Juden und die Marxisten den Hals gebrochen!" Am Schlusse erlöst der Nationalsozialismus das Volf.
Man braucht sich nicht zu wundern, meint der französische Kritiker, daß Minister Goebbels , der im deutschen Theaterwesen das große Wort führt, die außerordentlichen Verdienste der Deutschen Passion 1983" aus der Feder des hundertprozentigen Nazidichters Richard Euringer gerühmt hat.
Hindenburgs Beisetzung im Ehrenmal von Tannenberg führte manchen ausländischen Journalisten zum ersten Male nach Ostpreußen , und so benußte der Sonderberichterstatter J.-J. Tharaud des Paris Soir" diese Gelegenheit, um sich über die Verhältnisse in der Ostecke des Reiches zu orientieren. Nach seiner Darstellung ist die Lage der Provinz, in der feine Industrie, nur Landwirtschaft vorhanden ist, geradezu verzweifelt. In Königsberg fürchte man die Einführung von Lebensmittelfarten und überhaupt der Zwangswirtschaft, wie sie zur Zeit des Krieges bestanden habe. Man sei auch in Sorge wegen der Deckung des Bedarfs an kleidungsstücken und kaufe sie schon jetzt für den Winter ein. Auch mit der Osthilfe habe man der Landwirtschaft nicht geholfen. Der Korrespondent erinnert daran, daß Hindenburgs Name in den Osthilfeffandal hineingezogen worden sei, als sich nämlich herausgestellt habe, daß man die vom Reichstage bewilligten Millionen nur einigen Großgrundbesißern habe zufließen lassen, darunter vor allem Hindenburgs Freunden. Hitler wolle wohl wieder zu den Methoden des Deutschen Ritterordens zurückkehren und Deutsche in Ostpreußen an= siedeln. Er verpflichte die Großgrundbefizer, auf ihren Gütern Arbeitslose aus ganz Deutschland unterzubringen. Erfreue sich der Besitzer der Freundschaft der braunen Machthaber, dann würde ihm die Hälfte der Steuern erlassen als Ausgleich für die Lasten, die die Unterbringung der landwirtschaftlich nicht vorgebildeten Arbeitslosen ihm quferlege. Im anderen Falle verteile man einen Teil seines Besitzes unter die Neuankömmlinge unter dem Vorgeben, der Grundbefizer sei unfähig, feinen Grund und Boden mit den ihm zur Verfüauna stehenden Arbeitskräften zu bewirtschaften.
Was Wunder, daß es in Ostpreußen zahlreiche Agrarier aäbe, die befürchteten, daß Hitler , um den sozialistischen Neigungen unter seinen Anhängern entgegenzukommen, zu Enteignungen übergehen könnte. Mit Hindenburgs Tode hätten die oftpreußischen Agrarier den letzten Schußwall gegen solche Bestrebungen verloren. Dazu sei ihnen die Ber waltung der Provinz völlig aus den Händen genommen; der Oberpräsident sei Nazi, alle Beamten feien es ebenso oder sympathisierten zumindest mit der Partei. Die Beamten, die verdächtig gewesen seien, dem Staat feindlich zu sein, seien furzerhand verabschiedet worden.
Kommt der Eintritt in den Völkerbund?
DNB. Paris, 13 August. Das Journal befaßt sich noch einmal mit der Frage des Eintritts Sowjetrußlands in den Völkerbund, der unwiderruflich im September erfolgen werde. Es handele sich augenblicklich nur noch darum, ob man Rußland den üblichen Formalitäten unterziehe, oder durch eine außerordentliche Prodezur den Eintritt beschleunigen wolle. Im ersteren Falle müsse das Eintrittsgesuch in der vorgeschriebenen Frist erfolgen und einem Prüfungsausschuß unterbreitet werden. Dieser Ausschuß habe sich mit der Frage zu beschäftigen, wie der Antragsteller bisher seinen internationalen Verpflichtungen nachgekommen sei. Im zweiten Falle werde ein Mitglied des Völkerbundes die Aufnahme beantragen und die Vollversammlung stimme sofort ab. Diese Prozedur wurde 1931 mit Merifo gewählt. Es stehe mit Sicherheit fest, schreibt„ Journal", daß man sie auch auf Rußland anwenden werde, einmal um die Sowjetregierung durch gewisse Fragen nicht in Berlegenheit zu bringen, dann aber auch um der ganzen Angelegenheit einen spontanen Charakter zu geben. Die schwierigste Frage sei vorläufig die Zuteilung eines ständigen Ratssises, wobei man auf den hartnäckigen Widerstand Polens stoße.
Werbt für die ,, Deutsche Freiheit"!
Je nach der Partei, der sie bisher angehört hätten, dem Pentrum, der Sozialdemokratie oder dem Kommunismus, würden sie unter bestimmte Paragrafen A, B und C fallen. Wenn sich solche Leute auf der Straße träfen, redeten sie sich zuweilen auf folgende Art an: Wie geht es Dir, Paragraf A?" Und Dir, Paragraf B?" So finde man selbst in Hitlerpreußen noch ein Mittel zum Lachen.
Tharaud schließt mit einer Anekdote.
Einige Tage nach Hindenburgs Tode hielten es der pol nische, litauische, lettländische und französische Konsul für richtig, in großem Staat dem Oberpräsidenten einen Beileidsbesuch zu machen. Nur der sowjetrussische Konsul war damit nicht einverstanden, weil ihm der Oberpräsident noch feinen Besuch gemacht hatte. Schließlich aber ging er doch in einfachem Straßenanzug mit seinen Kollegen mit. Zunächst mußten die Konsuln ein Svalier von SS- und SA.- Leuten passieren. Dann betrat der Oberpräsident das Zimmer, schlug die Hacken zusammen und sagte:" Sie wissen, meine Herren, unser Verlust..." und ohne noch ein Wort hinzuzufügen, drehte er den ausländischen Konsuln den Rücken. Da zoa der sowjetrussische Konsul seelenruhig eine Zigarette aus seiner Tasche und steckte sie in Brand, ohne sich um die wütenden Blicke der SS.- und SA.- Leute zu kümmern. Die Nazis haben sich noch nicht erholt...
*
Eine Bombengeschichte" erzählt der" our". Deursch land, so heißt es da, versendet waren ins Ausland, wie man weiß. Mitunter seltsame Dinge. Dieser Meinung fonnte am 29. Juli in Rom der Geschäftsführer einer Familienpension sein, die den lieblichen Namen„ Margherita" führte und dicht am Bahnhof liegt.
Am Abend zuvor hatten zwei junge Leute, die deutsch sprachen, bei ihm Zimmer genommen, wobei sie erklärten, sie hätten vor, die Küste des Adriatischen Meeres zu besuchen. Sie führten nur wenig Gepäck, aber zwei große Handfoffer mit sich. Der gute Wirt, ehrlich wie er war, dachte, die Gäste fönnten vielleicht einen größeren Posten von englischer Pfundnoten in ihren Koffern haben, und so öffnete er einen mit einem kleinen Schlüssel, den er wohl für solche Fälle ständig bei sich trug. Er fand sechs wunderschöne nes Pistolen, die recht gut eingefettet waren. Darunter, in Wel pappe verpackt, zwölf Handgranaten, oval wie Ostereier.. Die italienischen Zeitungen hatten seit dem 25. Juli fich in schärfster Weise gegen die Taten, Gedanken und sogar Sitten der„ Herren Nazis" gewandt. Unser wackerer Freund aus dem Margheritabause glaubte, in der kleinen Sendung eine Art Zündpulver, wenn man so sagen darf, für eine Antwort zu sehen, die ziemlich deutlich sein sollte. Er machte bei der Polizei Anzeige.
Diese fand in dem anderen größeren Koffer zwei Taucherfostüme, feine Schwimmanzüge etwa, sondern solche, mit denen man zwanzig Minuten unter Wasser bleiben kann, und vier Bomben, die viel größer waren als die anderen. Wollten die beiden prächtigen deutschen Nazijünglinge mit Dynamit im Adriatischen Meere fischen? Aber wozu hielten sie sich dann in Rom auf?
Da Mussolini in jenen Tagen sich in Mom befand und nach Riccione zu gehen pilegte, wo er, wie man weiß, oft allein in seinem Motorboot den Nachmittag zubringt, glaubten Leute mit Spürfinn, daß man beabsichtigt hätte, im Schuze der Nacht eine Bombe an fein Boot anzuhängen, falls man in Rom nicht hätte in seine Hände gelangen können,