Benjake

Nr. 187 2. Jahrgang

A produ0 sho

Fretheil

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Mittwoch, 15. August 1934

Drei Minister

Chefredakteur: M. Braun

50000 österreichische Legionäre?

Seite 2

Volksstimme" verboten

Seite 3

Immer neue Morde

im Hitlerreich

Seite 7

Wie Holland ucteilt

Seite 8

- Drei Lügner

Goebbels , Göring , Frick im Wettkricchen vor dem Führer" und im Wettlügen vor der Welt

Deutsche Freiheitssänger

oder einen Volksentscheid nicht zu fürchten, denn sie sei in den anderthalb Jahren seit der Machtergreifung beim Volke geblieben, habe sich nicht vom Volk entfernt und gebe ihm

Möglichkeit nehmen läßt, sich in der Presse oder in Ver­sammlungen oder durch Flugblätter zu dem bevorstehen­,, Es liebt der Knecht ein Freiheitslied... den Plebiszit zu äußern. Dieser Reichsinnenminister, der Die nationalsozialistische Reichsführung habe eine Wahl zuläßt, daß die Abstimmung unter dem Drucke unifor. mierter Parteitruppen stattfindet. Dieser Reichsinnen­minister, der zugibt, daß alle Wahlvorstände von Partei­fanatikern besetzt werden, die zu jeder Fälschung fähig und gewillt sind. Dieser Reichsinnenminister, der weiß, daß jeder Opponent Freiheit und Leben und Vermögen jeder Gegner der Diktatur als Volksfeind geächtet und riskiert. Dieser Reichsinnenminister, der billigt, daß ausgerottet wird, preist das deutsche Staatssystem als ein Vorbild der Demokratie.

auch jetzt die Möglichkeit, offen und frei in gehei= mer Abstimmung seine Meinung zu sagen, in der Ueberzeugung, daß jede Autorität vom Volke getragen sein müsse. Reichsminister Dr. Goebbels in Berlin .

Der Ministerpräsident Göring beschäftigte sich dann mit der Frage, die da und dort gestellt wird: Ja, warum denn überhaupt eine Volksbefragung?" Noch behauptet, so er= flärte Göring , die ganze Welt, daß hier ein deutsches Bolt lebt, unterdrückt durch Zwangsmaßnahmen, gedemütigt durch Tyrannen und ausgesaugt bis zum letzten! Nun wollen wir der Welt zeigen, daß dieses deutsche Volt das freieste der Welt geworden ist.

Ministerpräsident Göring in München .

... daß der Führer von vornherein entschlossen war, den Schritt der Reichsregierung in freier und geheimer Ab­stimmung durch das Volk sanktionieren zu lassen, wie er das in seinem auf dem Stimmzettel abgedruckten Erlaß vom 2. August an mich als den Reichsinnenminister ver: langte. Das ist echte und wahre Demokratie, an der andere Staaten, die ein Gewaltregiment führen und einer Volks:

Diese drei Redner und diese drei Reden sind eine politische Schande für das deutsche Volk. Welch eine Ver­achtung müssen die in freier Selbstbestimmung sich regie renden Völker der Erde mehr und mehr vor einer Nation empfinden, die von Leuten wie Goebbels und Göring und Frick sich beherrschen läßt.

Wie es in Wahrheit um die freie Abstimmung bestellt ist, dafür einige unzweideutige Zeugnisse aus dem Lager der Regierungspartei selbst. Die Essener National­zeitung", die dem Ministerpräsident Göring nahesteht, er­läutert seine schwungvolle Rede auf das freieste Volk der Welt wie folgt:

Wer am 19. Auguft zu bequem oder zu gleichgültig ist, seine gültige Stimme abzugeben, der stellt sich damit selbst außerhalb der deutschen Volksgemeinschaft."

Was das bedeutet, darüber kann man die hunderttausende abstimmung ängstlich aus dem Wege gehen, sich ein Muster Gefangenen, Gefolterten oder ihrer Existenz Beraubten fragen.

nehmen können,

Reichsminister Dr. Frick in Köln .

Drei Paladine des deutschen Führers" haben die Be­megung für das Plebiszit am 19. August eröffnet. Drei Minister, die jeden Tag durch ihre Taten tausendfach die Worte widerlegen, die sie der Welt vorzutragen sich erdreisten.

Da ist zunächst der Reichspropagandaminister Dr. Goebbels . Er wagt die Behauptung, das Volk könne offen und frei die Meinung sagen. Derselbe Reichs­minister, der jede deutsche Zeitung verbieten läßt, die auch nur die schwächste Kritik in ihren Spalten zu bringen sich erkühnt. Derselbe Reichsminister, der die angesehen­sten Zeitungen des Auslandes nicht über die Grenzen läßt, weil die Deutschen das nicht erfahren dürfen, was zur politischen Urteilsbildung Voraussetzung ist. Der­felbe Reichsminister, der beispielsweise bis zur Stunde. noch nicht erlaubt hat, daß irgendeine Zeitung in Deutsch­ land die Auflösung der österreichischen Legion mitteilen darf. Dieser Lügenpropagandist behauptet, das deutsche Bolk sei frei und offen in seiner Meinungsäußerung. Eine frechere Verhöhnung der gefesselten deutschen Presse, eine schamlosere Herausforderung der Weltöffentlichkeit, die die wahren Zustände kennt, ist nicht denkbar.

Der Ministerpräsident Hermann Göring versucht feinen gehaßten Konkurrenten noch zu überbieten. Er will der Welt zeigen, daß das deutsche Volk das freieste der Welt geworden ist. Dieser Ministerpräsident, der jeden ins Gefängnis oder ins Konzentrationslager werfen läßt, der die bescheidenste Kritik an dem korrupten Regierungssystem zu üben wagt. Dieser Ministerpräsident, der im Einklang mit dem Obersten Gerichtsherrn reihen­weise selbst konservative und katholische Kritiker der Regierung ohne Untersuchung und ohne Gerichts: perfahren hinmorden ließ. Dieser Ministerpräsident, der die preußische Polizei, die gesamte preußische Verwaltung und die preußische Justiz zu parteiischen Willkürorganen gemacht hat. Dieser Ministerpräsident, der jedes objektive Recht verspottet und verlästert, wagt zu sagen, daß das blutig terrorisierte deutsche Volk das freieste der Welt

geworden sei.

Der Reichsinnenminister Dr. Frick gar stellt die Bolksabstimmung der Welt als ein Muster wahrer Demokratie vor. Dieser Reichsinnenminister, der als Wächter über die Reichsverfassung die Beseitigung aller demokratischen Volksrechte mit seinem Namen gedeckt bat Diefer Reichsinnenminister, der dem Volke jede

Der badische Reichsstatthalter Wagner sagte in einer Rede in Wiesloch :

Wer zu Hause bleibt oder mit Nein stimmt, der handelt gegen Deutschland ,... der ist ein Feind unseres Volkes. Wer Sabotage an der Nation begeht, darf fich auch nicht beklagen, wenn er nicht mehr als Bruder und Freund des deutschen Volkes, sondern als dessen Feind behandelt wird."

Jm Montag" schreibt Friedrich Hussong : Nie wäre der Nichtwähler infamer, als er es diesmal wäre, nicht nur ein Drückeberger wäre er, nicht nur ein armseliger Schlemihl, der keine politischen Schatten wirft, wer hier fern bleibe, wäre ein Berräter an seiner Pflicht an Deutschland , an seinem Volk. Der Mann, der in diesen Tagen des Bekenntnisses nicht bekennte, die Fran, die an diesem Tage des Vertrauens nicht Treue hielte: sie schlössen sich aus der Ge= meinschaft ihres Volkes ans."

Jm Mannheimer Hakenkreuzbanner" wird auf der Titelseite, über vier Spalten hinweg, in großen Lettern die folgende Parole der Wahlfreiheit veröffentlicht:

Wer es versäumt, abzustimmen,... ist ein Verräter an der deutschen Gemeinschaft."

Die fast wortgetreue Einmütigkeit, mit der solche Drohungen in den deutschen Zeitungen ausgesprochen werden, läßt darauf schließen, daß die heiligen drei Nazi­könige, Goebbels , Göring und Frick selbst der deutschen Presse befohlen haben, alle einzuschüchtern, die am 19. August durch Fernbleiben gegen die Verlogenheit und die Heuchelei dieser Volksabstimmung protestieren wollen.

An demselben Tage, an dem der Reichsinnenminister Dr. Frick für die echte und wahre Demokratie" in seiner Rede zu Köln schwärmte, hat er den ganzen Staats­Rede zu Köln schwärmte, hat er den ganzen Staats­apparat für die parteiische Abstimmung mobil gemacht. Allen staatlichen und kommunalen Behörden wird in einem amtlichen Erlaß befohlen, die Abstimmung mit allen Mitteln zu unterstützen und zu fördern. Die Beamten, Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes werden um aktive Mithilfe" ersucht und können Dienst befreiung oder Urlaub bis zum 20. August

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Aufwärts!

Anwachsen der schwebenden Schuld des Reiches

Berlin, 14. August.. Am 31. Juli betrug die schwebende Schuld des Reiches 2360 Millionen gegen 2231 Millionen am 30. Juni. Die Zahlungsverpflichtungen aus unverzins­lichen Schatzanweisungen mit Gegenwert haben sich auf 1421( 1400) Millionen erhöht. Schaßanweisungen, die ohne Gegenwert begeben wurden, betrugen unverändert 55,9 Millionen. Der Umlauf an Reichswechseln stieg auf 400( 360) Millionen, die kurzfristigen Darlehen auf 44,7( 25,9) und die Beanspruchung des Betriebskredits bei der Reichs­bank auf 68,1( 23,0) Millionen. Zum Zweck von Sicherheits­leistungen waren 370,4( 365,9) Millionen Schabanweisungen begeben. Die dem Tilgungsfonds zugeführten Schazan­weisungen betrugen unverändert 236,3 Millionen. Der Umlauf an Steuergutscheinen betrug 1184( 1177) Millionen. Außerdem waven der Reichsbank als Sicherheit für die öffentliche Arbeitsbeschaffung 578( 600) Millionen Steuergutscheine überlassen.

Damit noch nicht genug: Staatsrat Görliger er klärte auf dem Tempelhofer Feld, die SA. werde am Sonntag dafür sorgen, daß kein ein ziger Wähler zuhause bleibt. Aber auch die SS. , die Hitlerjugend und alle Amtswalter der NSDAP. sind mobilisiert. So kommt denn landauf landab auf bei nahe jedes Haus ein Aufpasser. In voller Freiheit" geht

die deutsche ,, Demokratie" zur Wahl.

So verstehen die Goebbels, Göring und Frick das, was sie Freiheit nennen. Aber freilich, sie selber sind ja jämmerliche Knechte. Einer suchte den andern an wider­lichem Byzantinismus vor dem Führer" zu überbieten, um noch eine Weile in dessen Gnadensonne Amt und Gehalt sich zu sichern. Der gerissenste von den Dreien ist und bleibt Goebbels . Er hat verstanden, seinen neuesten Kniefall vor Hitler mit einem Stoß gegen seinen ver­haßten Konkurrenten zu verbinden, indem er von Hitler fagte:

Er habe sich nicht geändert, er sei geblieben, wer er war, er umgebe sich nicht mit Pomp und Prunt, mit blizenden Ordenssternen und Uniformen."

Das ist die einzige Stelle, an der der von ihm selbst redigierte Bericht verzeichnet: Lang anhaltender Beifall". Goebbels will, daß dieser Hohn auf Göring , den silbernen Schwan, überall verstanden wird, und er ist begriffen worden.

Einig waren die drei Minister in ihrem Lob auf die große Volksgemeinschaft, die unter Hitlers ruhmreicher Führung erreicht worden sei. Das aber ist die größte Lüge. Nie war Deutschland wirtschaftlich und kulturell so zerrissen wie jetzt. Stadt und Land, Bauern und Arbeiter, Autarkisten und Exporteure, Fertigindustrie und Schwer­industrie, Banken und Gewerbe, Inflationisten und Deflationisten stehen gegeneinander. Die Reichswehr miß­traut der SS. und diese wieder haßt die SA. Neid und Intrigen bis zum hundertfachen Mord an den Konkurs renten herrschen in den regierenden Cliquen. Der Staat steht im Kulturkampf gegen die katholische Kirche wie nie in der neueren Geschichte. Die evangelische Kirche wird von schwersten Krisen erschüttert, ist vom 3erfall bedroht. Nirgendwo ist freie Gemeinschaft. Ueberall ist bis zum Terror gesteigerter 3wang, und nur die Verlogenheit, die das ganze Volk von oben bis unten erfaßt hat, gibt sich vergebliche Mühe, über dieses deutsche Unglück hinweg­zutäuschen.

Die Hauptaufgabe der Minister ist, die Stichworte für die Lügen zu geben, und daß die Welt ihnen nicht glauben will, ist ihr Schmerz.

unter Fortzahlung des Gehaltes er ,, Frisch, fromm, fröhlich, frei" Abstimmungszwang für Turner

langen. So wird die ganze große Armee der Staats­und Gemeindebediensteten, dieser von den Regierenden und Gemeindebediensteten, dieser von den Regierenden abhängigsten Bevölkerungsschicht zur Einschüchterung und zur Kontrolle der erung losgelaffen

Berlin , 13. Aug. Zum bevorstehenden 19. August hat der Meichssportführer folgende Anordnung erlassen: Anläßlich