Nr. 188 2. Jahrgang
Fretheil
Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands
Saarbrücken, Donnerstag, 16. August 1934 Chefredakteur: M. Bra un
Sensationelle Zuspitzung
Präsident Knox fordert
2000 Mann internationale Polizei
Seite 3
Oesterreich fürchtet Papens Ermordung
Außergewöhnliche polizeiliche Schutzmaßnahmen
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Wien , 15. August 1934. Der neue deutsche Gesandte von Papen ist nach einer Zwischenlandung in Berchtesgaden , wo er mit Hitler noch einmal über seine österreichische Aufgabe konseriert hat, hier eingetroffen. Die Bundesregierung hat außergewöhnliche Maßnahmen zum Schuße des deutschen Gesandten getroffen. Man erinnert sich nicht, daß jemals einem ausländischen Diplomaten so viel polizeiliche Aufmerksamkeit geschenkt worden wäre, wie dem des stammverwandten Deutschen Reiches.
Man glaubt nicht, daß dem Herrn von Papen Gefahren aus den Reihen seiner österreichischen politischen Gegner drohen, fürchtet aber, daß deutsche Nationalsozialisten oder ihre Beauftragten dem Vizekanzler a. D. das Schicksal be= reiten könnten, dem am 30. Juni seine nächsten Mitarbeiter verfallen sind, und dem er selbst nur mit knapper Not ent gehen konnte. Insbesondere die SS. und ihr Führer Himm= ler stehen in haßerfüllter Gegnerschaft zu Papen, und die österreichische Bundesregierung glaubt Beweise dafür zu haben, daß die SS. ihre Tätigkeit auch auf ausländische Staaten ausdehnt.
Man rechnet mit der Möglichkeit, daß eines Tages nationalsozialistische Mörder in den Uniformen von Heim: wehrleuten den deutschen Gesandten von Papen ermorden und entkommen könnten. Die deutschen Nationalsozialisten hätten mit dieser Tat, die ihnen nach dem 30. Juni und dem 25. Juli wohl jeder zutrauen wird, zweierlei erreicht: sie können den Mord auf die der öftereichischen Regierung nahe stehenden Kreise abwälzen und so der deutschen Reichsregie: rung Gelegenheit geben, bestimmte Forderungen wegen des Gesandtenmordes an Oesterreich zu richten, und sie hoffen dadurch einen Umschwung der Stimmung in Europa herbei: zuführen. Darin würden sich die Nationalsozialisten täuschen, aber das braucht die Erfüllung ihrer blutigen Absichten nicht zu hindern, denn es ist bekannt, wie wenig die National= fozialisten die Wirkung ihrer Taten auf die öffentliche Meinung Europas abzuschätzen wissen.
Wie verbrecherisch die Tätigkeit der deutschen National sozialisten im Auslande fortgesetzt wird, beweisen die Ver= haftungen in Komotan und Brür in der Tschecho= slowakei, wo kei dem ehemaligen Hakenkreuzler Krabet Bomben und Material für die Herstellung von Bomben sowie Chemikalien gefunden worden sind. Es handelt sich um dasselbe Material, das bei den terroristischen Aktionen in Oesterreich verwendet worden ist. Bei den neun Ver= hafteten fand man Material, das auf ihre Verbindung mit Nationalsozialisten in Dresden hinweist. Auch der Bezirksleiter der sudetendeutschen Heimatfront Minarz, der ver= haftet worden ist, soll mit einer nationalsozialistischen Zentrale in Deutschland Verbindung gehabt haben.
Den in dem jugoslawischen Lager in Warasdin unter: gebrachten 1230 österreichischen Nationalsozia= listen, die nach dem mißglückten Aufstand in Jugoslawien übergetreten sind, hat ein Spezialkurier aus Berlin 100 000 Mark zur Bestreitung der Unterhaltskosten über= mittelt. Auch das spricht für die Aufrechterhaltung der engen Beziehungen zwischen Desterreich und den deutschen Nationalsozialisten.
Daß die Reichsregierung nicht wagt, der deutschen Oeffent lichkeit die Auflösung des nationalsozialistischen Aktionsbüros für Oesterreich in München , die Auflösung der österreichischen Legion und die Kaltstellung von Frauenfeld und Habicht mitzuteilen, erhöht hier das allgemeine Mißtranen und läßt die Frage offen, ob die Reichsregierung überhaupt in der Lage ist, ihre Politik der Kapitulation gegenüber Oesterreich durchzuführen. Die deutsche Presse und der deutsche Rundfunk segen jedenfalls ihre heftige Sprache gegen Oesterreich fort. So schreibt beispielsweise die „ Effener Nationalzeitung", die öfterreichische Verfassung sei ein Bastardwert, entstanden aus der Paarung von jüdischer Rabulistit mit jesuitischer Scheinheiligkeit.
Nach alledem befürchtet man hier neue schwere Zwischenfälle und will vor allem verhindern, daß die Atmosphäre durch einen Gesandtenmord heillos vergiftet wird
Autounfall Görings
Nur leichte Verletzungen
DNB. Obersalzberg, 15. Aug. Der preußische Ministerpräsident Hermann Göring erlitt am Dienstagabend um 19 Uhr auf der Fahrt von München nach Berchtesgaden , in der Gegend von Bad Aibling , einen Autounfall.
Beim Ueberfahren einer Bergfuppe fam aus der entgegengesetzten Richtung ein Laitwagen und gleichzeitig ein zweiter Kraftwagen, der in diesem Augenblick in unvorschriftsmäßiger Weise den Lastkraftwagen zu überholen versuchte. Die Fahrbahn wurde dadurch blockiert und ein Ausweichen unmöglich. Ministerpräsident Göring , der scharf rechts fuhr, versuchte an den beiden Kraftwagen vorbeizusteuern, was ihm aber infolge der Enge der Fahrbahn nicht gelang, so daß sein Wagen mit voller Wucht gegen das Lastauto prallte. Die linke Seite des Wagen des Ministerpräsidenten wurde vollkommen zertrümmert, die Insassen
wurden leicht verletzt. Ministerpräsident Göring erfitt eine harte Quetschung an der rechten Rückenseite sowie leichte Schnittwunden im Gesicht und an den Knien. Die Verletzten wurden durch das Begleitkommando dem Krankenhaus Rosenheim zugeführt, wo sofort Röntgenaufnahmen gemacht und Notverbände angelegt wurden. Die Aerzte konnten feststellen, daß zu besonderer Besorgnis kein Anlaß besteht. Nach mehrstündigem Aufenthalt im Krankenhaus konnte die Fahrt nach dem Landhause Görings in Obersalzberg fortgesetzt werden, wo der Ministerpräsident kurz nach Mitter nacht eintraf. Das Befinden des Ministerpräsidenten ist den Umständen entsprechend gut. Um 1 Uhr nachts stattete der Führer, der zur Zeit in seinem Heim auf dem Obersalzberg weilt, dem Ministerpräsidenten einen Besuch ab, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen.
..Wenn nicht Polizeigewalt das verhinderte"
An einem der vergangenen Sonntage fand in Saarbrücken ein großer Bekenntnistag der katholischen Jugend an der Saar statt. 50 000 Jungmänner und Jungmädchen marschierten durch die Straßen, lebendige Beugen ihrer Gesinnung.
Viele von ihnen wurden freilich durch die ihnen gebotenen Ansprachen bis zum Ingrimm enttäuscht. Sie hatten von autoritärer Stelle ein paar deutliche Worte über die Ermordung Dr. Klauseners, vor allem aber über diejenige ihres Führers Adalbert Probst erwartet. Plan überging aber, pon einigen belanglojen Sägen abge=
sehen, diese Peinlichkeit. Bischof Bornewasser von Trier begnügte sich mit einem Angriff auf die anti- hilterische katholische Neue Saar- Post".
Aber das Versäumnis wird jeht nachgeholt. Vor uns liegt die im Saargebiet erscheinende Neue Jugend". Hier lesen wir:
Rein Zweifel: Die Teilnahme am faarländischen Jugendtag wäre nicht so überwältigend gewesen, wenn die Fatholischen Jugendverbände in Deutschtortjebung siehe 2. Seite
Sozialisten!
Der Faschismus hat zur Wahl aufgerufen. Das terroris fierte deutsche Volk wird von seinen Vergewaltigern gefragt, ob es mit der famosen Selbsternennung Hitlers zum Reichspräsidenten einverstanden ist.
Seht es wohl: das deutsche Volt hat im dritten Reich" fein Recht mehr, sich die Männer seines Vertrauens selbst zu bestimmen und zu wählen. Es darf zu einer bereits voll= zogenen Wahl nur noch Ja und Amen sagen.
Hitler stellt sich mit dieser Wahl zum ersten Mal seit seiner Machtergreifung selbst dem Volk. Zwar nicht ganz. Er ist vorsichtig. Er trägt vor sich her das Bild des toten Hinden= burg. Er beschwört das Volf im Namen Hindenburg8. Er will mit ihm die enttäuschten Massen des Bürgertums wieder einfangen. So sehr ist im Grunde seine Position schon erschüttert.
Für uns Sozialisten ist die Entscheidung flar. Nie war die Trennungslinie zwischen Kapitalismus und Sozialismus dentlicher. Die 20 Monate Faschismus haben gezeigt, wer Hitler ist und was er uns zu bringen hatte.
Wohin hat uns diese Voltsgeißel geführt? Das Volk ist unterdrückt, Tausende sind ermordet, gemartert und ge= schändet, Zehntausende schmachten in den Gefängnissen und Konzentrationslagern. Eine Tenerungswelle überzieht Deutschland und die Löhne sind bis an die Hungergrenze und über sie hinaus gesunken. Hitlers „ Sozialismus“ be= reichert die Kapitalisten und treibt die werktätigen Massen an die Schwelle des Untergangs.
Der Kapitalist Hitler ist zudem noch ein unbegabter Kapitalist. Er wollte die Großverdiener retten, und er wird diesen Winter die ganze deutsche Wirtschaft an den Abgrund treiben. Er hat sich als Retter gepriesen- er ist der Unter: gang. Der Untergang der Freiheit, der Untergang der Wirtschaft und der Untergang des Volkes.
Er sprach von Freiheit und er führte das Volk in eine furchtbare Despotie.
Er sprach von Frieden und führt uns an den Rand des Krieges.
Er sprach von Sozialismus und er führte uns in den finstersten Kapitalismus, den es seit Generationen gab. Es gab teine Jdee, die er nicht für sich in Anspruch nahm und es gab keine Idee, die er nicht schamlos verriet. Wir Sozialisten wählen selbstverständlich mit Nein- wo immer die Umstände es erlauben.
Wer Hitler wählt, wählt seinen eigenen Untergang! Wer Hitler wählt, wählt seine eigene Anechtschaft! Wer Hitler wählt, wählt für den Kapitalismus und gegen Sozialismus!
Wer Hitler wählt, wählt den Krieg!
( Ein im Reich illegal verbreiteter Aufruf)
Verschärfung im Fernen Osten
Das unter japanischer Protektion geschaffene Raiser reich Mandschukuo ist seit seiner Gründung der Mittelpunkt der Machtkämpfe im Fernen Osten. Hier stoßen die japanisch- russischen Gegensätze aufs schärfste aufeinander, wobei es vor allem um die Kontrolle der ost chinesischen Bahn geht.„ Daily Expreß " meldet: In Charbin hat der japanische Geheimdienst ein Komplott gegen sämtliche Mitglieder des mandschurischen Kabinetts und ihre japanischen Berater, darunter den Chef der japanischen Militärmission und den Oberkommandie: renden der japanischen Gendarmerie, aufgedeckt. Ueber 30 Sowjetrussen sind verhaftet worden. Nach einem offiziellen Communique planten die Verschwörer die Ermordung der genannten Personen. Einer von ihnen, der bei der Verwaltung der Östchinesischen Eisenbahn in Suisenho angestellt war und gedroht haben soll, den Japanern das Komplott zu verraten, wurde von seinen Romplicen erschossen. Die von der Geheimpolizei angestellten Ermittlungen führten auf die Spur der Vers schwörung und zur Aufdeckung. Das Komplott hat großes Aufsehen erregt und bildet ein weiteres Glied in der ends losen Rette der russisch - japanischen Zwischenfälle.
Ein anderes Glied ist eine von den japanischen Militärs behörden ausgegebene Erklärung, wonach die russischen