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Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutschen  Beilage zur Deutschen Freifieit". Ereignisse und Geschichten

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Freitag, den 17. August 1934

Blicke auf den braunen Film

Rust macht sich wichtig

Das Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen verlautbart: ,, Da es erforderlich ist, daß die Film­aufnahmen staatspolitischer und parteilicher Veranstaltungen durch Privatfirmen einheitlich kontrolliert werden, ersuche ich die Ortspolizeibehörden, die Prüfung derartiger Bild­streifen abzulehnen; solche Filme sind bei Vorlage unmittel­bar der Filmprüfstelle in Berlin   NW.   40, Königsplatz 6, ein­zusenden, die das weitere veranlassen wird."

Nazifilm in Japan  

In der ,, Berliner Montagspost" stellt ein Wilhelm Schulze  fest: ,, Besonders der deutsche   Film wirkt auf die Lebens­auffassung der japanischen Jugend im umformenden Sinne."

Boykott

Die Prager   Filmfirmen: Europa  - Film, Grandfilm, Lyra­film, Melodyfilm, Merkurfilm, PDC. Prag  - Paris   und Primus­film, die bisher auch deutsche Filme in die Tschechoslowakei  einführten, werden bis auf weiteres die Einführung deutscher  Filme einstellen. Von den 260 Filmen, die im kommenden Spieljahr, nach der Berechnung der Einfuhrkommission, auf­geführt werden sollen, werden maximal 100 deutsch   sein. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird aber die Zahl viel geringer sein, da mit einer höheren Einfuhr amerikanischer Filme als bisher gerechnet werden muß. Gegen die gleichgeschalteten Filme macht sich beim Publikum ein starker politischer Widerstand geltend. So wurde die verfilmte ,, Dreigroschen­ oper  " mit demonstrativem Beifall in jeder Vorstellung be­dacht.

Goebbels   gegen Rust  

Wie die ,, D. F." bereits mitteilte, wurde das sogenannte Kultur- und Lehrfilmwesen als Monopol der NSDAP  . über­antwortet. Die oberste Aufsichtsstelle ist das Propaganda­ministerium. Bisher unterstanden alle diese Fragen dem Rust  . Rust   gab sich Mühe, den fetten Bissen zu behalten, aber Goebbels blieb der Stärkere und läßt durch seine Presse­stelle folgende Siegesmeldung verlautbaren: ,, Im Zuge der

neuen

Aufgabenabgrenzung zwischen dem preußischen Kultusministerium und dem Reichspropagandaministerium hat das Kultusministerium, das die Betreuung der allge­meinen Kulturfilmfragen federführend dem Propa­gandaministerium überläßt, seine Beziehungen zur, Degeto' ( Deutsche Gesellschaft für Ton und Bild), Sit, Berlin  , gelöst."

Immer mehr Verbote

Verboten wurden folgende Filme: Roman Scandals" ( United Artists  , Neuyork), The Tamale vendor"( U. Edu­cational Film, Neuyork) ,,, Frühlingsstimmen  "( Ernst Wolff, Wien  ) ,,, Just imagine"( Fox- Film AG., Berlin  ).

Posten für braune Bonzen

Aus Bayreuth   wird gemeldet, daß dort die im Rahmen der Neuorganisation des staatlichen( das heißt Nazimonopols)

Filmwesens vorgesehene Bildstelle Nordbayern bereits in den nächsten Tagen feierlich eröffnet werden soll. Sie wird in einem Anbau der dortigen Hans- Schemm  (!)- Schule unter­gebracht und verfügt angeblich über einen Projektions- und einen Ausbildungssaal, sowie über sonstige durchaus hin­reichende Räume. Es soll möglich sein, hier etwa 20 Personen für den Film- und Lichtbilddienst an den Schulen und in den politischen Organisationen auszubilden. Auf alle mögliche Weise sind die Nazi, wie man sieht, dabei, sich systematisch aller Propagandamöglichkeiten zu bemächtigen.

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Reichsstelle für Unterrichtsfilm ein Geschäft! Die ,, D. F." berichtete kürzlich, daß Rust   den Obernazi Kapitänleutnant von Werner mit der Errichtung einer Reichsstelle für Unterrichtsfilm beauftragt habe. Nun wird bekanntgegeben, daß die ,, Reichsstelle" in Form einer Ge sellschaft mit beschränkter Haftung betrieben werden soll, der genannte Kapitänleutnant von Werner wird der Geschäftsführer sein. Der Reichsstelle sollen 23 Landes­bildstellen angeschlossen werden. Hinter dieser ganzen

Ein Gefangener

1100 reicht dem Tod die Hand

Von Ernst Toller  

Erst hört man den Schrei der armen Kreatur, Dann poltern Flüche durch die aufgescheuchten Gänge, Sirenen singen die Alarmgesänge,

In allen Zellen tickt die Totenuhr.

Was trieb dich, Freund, dem Hein die Hand zu reichen? Das Wimmern der Gepeitschten? Die geschluchzten Hunger­klagen?

Die Jahre, die wie Leichenratten unsern Leib vernagen? Die ruhelosen Schritte, die zu unsern Häuptern schleichen?

Trieb dich der stumme Hohn der leidverfilzten Wände, Der wie ein Nachtmahr unsre Brust bedrückt? Wir wissen's nicht. Wir wissen nur, daß Menschenhände

Einander wehe tun. Daß keine Hilfebrücke überbrückt Die Ströme Ich und Du. Daß wir den Weg verlieren Im Dunkel dieses Hauses. Daß wir frieren.

Gründung steckt ein dunkles und merkwürdiges Geschäft. Dec ahnungsreiche Leers

Die ,, D. F." wies bereits darauf hin, daß der gesamte Lehr­und Unterrichtsfilm den Nazi- Gaufilmstellen ausgeliefert wurde. Hiermit läuft die neue GmbH. parallel. In Bayern  z. B. wurde die neue Zweigstelle der GmbH. bereits in Zu­sammenhang mit der Bayrischen Landesfilmbühne errichtet. Was sich materiell alles an Partei- und Privatgeschäften hinter dieser ganzen Sache versteckt, wird erst genau gesagt werden können, wenn die ganze braune Korruption aufge­flogen ist.

Filmverbot

Der Leiter der Filmprüfstelle, Regierungsrat Zimmermann, gibt unter dem Datum des 3. August amtlich bekannt, daß die öffentliche Vorführung des Metro- Goldwyn- Mayer  - Films ,, Manhattan Melodrama" verboten worden ist. Der Film hat 9 Akte, 2602 Meter.

Auch geistige Autarkie

Am internationalen Filmkongreß, der läßlich des Film- Biennales in Venedig   tagt, nahm Deutsch­ land   nicht teil. Nur einige deutsche Journalisten waren als ,, Beobachter" zugegen. Die Vertreter Italiens  , Gherardo Casini, Attilio Fontana und Carlo Bassoli, haben mit dem Oberregierungsrat Arnold Raether   verhandelt, um durch ihn Deutschland   zum Eintritt zu bewegen. Raether ist der Leiter der Abteilung Film der Reichspropandaabteilung und ein militanter Vorkämpfer für die Filmautarkie. Er ist als Zensor bisher immer auf das schärfste gegen den ausländi­schen, namentlich den französischen   Film aufgetreten. Er ist also besonders geeignet, Deutschland   international zu ver­treten. Bemerkenswert ist, daß die italienischen Vertreter bemüht waren, ihren faschistischen Kollegen in Braun zur Teilnahme an dem internationalen Kongreß zu bewegen, und das, obwohl die Vertreter der nichtfaschistischen Länder über ihre Bemühungen nicht sehr erfreut waren.

Er schlägt ihm den Schädel ein

Kriminalfilm und deutsche Wirklichkeit

geschichten

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Vor kurzem schrieb ein deutscher   Filmkritiker in der DAZ. unter dem Pseudonym ,,- ma" folgende heute beson­ders interessante Bemerkung über den Kriminalfilm: Haben Sie nicht einmal überlegt, daß in allen diesen Mord­gleich ob Film oder Roman der Beherrscher aller Rätsel nicht die Staatsmacht, sondern immer ein Privat­detektiv ist? Das bedeutet: die Uebernahme der Strafgewalt durch den Staat ist im Grunde für unser Ur- Rache­gefühl nur ein konstruktiver Notbehelf: Die da aufge­baute Maschinerie der Gerechtigkeit arbeitet zielsicher ohne jede Gefühlsbeteiligung. Statt Rache wird Gerechtigkeit ge­übt:

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Was unser Herz aber wirklich will, ist gerechte Rache. Bis zum Hals voll Wut, Tag und Nacht ruhelos unter­wegs, soll der Verlegte selbst oder sein Bruder mit rück­sichtslosem Zuhauen den Missetäter an Auge und Zahn persönlich züchtigen: Blut rache. Das gibt es nicht und kann es im Staat der Millionen nicht mehr geben. Aber unser Sinn bleibt hungrig nach dieser verlorenen Staats­gewalt des freien Mannes und seiner Sippe gegen den Uebeltäter. Ja, sogar ein Rest von Kritik lehnt die unbe­teiligten Gerechtigkeitsbeamten schon wegen ihrer per­sönlichen Fremdheit zur Tat als Rachewerkzeug ab. Darum zeichnen alle Kriminalgeschichten die Polizisten und die staatlichen Spürhunde liebend gern als unfähige, fantasie

Bibelausgabe

der jüdischen Buch- Vereinigung

Die jüdische Buch- Vereinigung teilt mit: Als dritte Ver­öffentlichung unseres Jahresprogramms erscheint im Laufe des Monats September der erste Band der von der Jüdischen Gemeinde Berlin   veranlaßten großen deutschen   Bibel­Uebersetzung, der den Pentateuch enthält. Ihr be­sonderer Wert liegt in der getreuen Nachbildung des heiligen Textes und in ihrem leichtverständlichen Deutsch. Dafür bürgen die Namen der Uebersetzer: Elias Auerbach, Haifa  , Emil Bernhard- Cohn, Berlin  , Julius Galliner  , Berlin  , Sally Gans, Berlin  , Benno Jacob  , Hamburg  , Emil Levy, Berlin  , Georg Salzberger  , Frankfurt   a. M., Hermann Schreiber  , Pots­ dam  , Cäsar Seligmann  , Frankfurt   a. M., Max Wiener, Berlin  , dafür bürgt aber auch der Name des Redakteurs. Professor

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zu­

Leute, die von den treibenden Kräften der Geschichte keine Ahnung haben, erklären alles, was schief geht, mit Verrat. Zu diesen Armen im Geiste gehören die Klopf­fechter des Hakenkreuzes. Aber vielleicht hängt die morali­sierende Geschichtsphilosophie dieser Leute damit sammen, daß in ihren Reihen besonders viel Unlogisches, Hysterisches, Untreues, Unstetes beisammen ist. Ein Stück Selbsterkenntnis liegt in diesem Glauben an den Verrat und ein Stück unfreiwilliger Selbstkritik in Jeremiaden, wie sie Rasseonkel Leers in einem Leitartikel der, Deutschen Zeitung" vom 29. Heuert( Juli) anstimmt. Er klagt da:

,, Die Geschichte des deutschen   Volkes besteht aus lauter aneinandergereihten Dramen, am Ende jedes Dramas liegen die Toten auf der Bühne und die Ver­zweiflung hockt daneben und schluchzt. Das Nibelungen­lied ist, aus dem Volksgeist geboren, die tiefste Verkörpe­rung unseres Werdens. Zum Schluß sind sie alle tot..." Meint er die Toten vom 30. Juni? Ahnt er neue Abschlach­tungen?

,, Immer hebt es in unserer Geschichte mit hellen Fan­farentönen an, mit einem jungen, hellen, starken Jubel, immer sind dann Schatten da, mischen sich in Dunkel, ziehen herauf, umringen die leuchtenden Gestalten in der Mitte, dann ist irgendwo der Verrat da und dann das tragische Ende."

Meint er den Verrat Hitlers   an der Bewegung, an der SA.  , an der zweiten Revolution?

,, Das ist wie ein Verhängnis in unserem Volk... Un­treue und Mord stehen fast stets am Ende der großen Perioden unserer Geschichte." Das dritte Reich" bedeutet zwar keine große, sondern eine traurige Periode in der deutschen   Geschichte, aber das andere stimmt: Untreue und Mord stehen auch an diesem Ende. Noch vor Monaten gehörte Leers zu denen, die das ,, dritte Reich" nach Jahrhunderten berechneten, jetzt ist er bereits unter die Meckerer und Miesmacher gegangen, und prophezeit das heilige Ende der braunen Herrlichkeit findet in dem ganzen Artikel nicht ein Wort für den ,, Führer"... Wann flüchtet er zu den arischen Japanern?

Er habe wissen müssen...

Ε

los unbegabte Staatstrottel... So stellt jedes Kinoparkett Der Befähigungsnachweis

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vor einem Kriminalfilm... gleichsam eine einige Sippe wie in der Vorzeit dar, die auf privatem Kriegspfad zur Vollstreckung nicht zu anonymer Staatsgerechtigkeit ist, sondern unterwegs zur Vollbringung privater Rache. Blutrache natürlich darum immer gleich Mord. Und wehe dem Täter, der am Schluß nicht umge­der bracht wird! Der Staat mag Zuchthaus verhängen freie Mann schlägt, wenn er straft, dem Bösen abschließend den Schädel ein. So ist das merkwürdige und oft beklagte Interesse allen Publikums für die Kriminalgeschichte durchaus nicht krankhaft, sondern im Grunde eine höchst gesunde, wenn auch atavistische Erinnerung an jene Epoche, da der Mann noch frei war vom Staate und selber Herr racheübender Gerechtigkeit. Und gerade weil diese königliche Selbsthilfe nicht mehr geht, ist sie ewiges Sehnsuchtsthema aller Mordio- Kriminal­geschichten."

Wenige Tage, nach dem-ma in der DAZ. so mord­philosophisch geschrieben hatte, wurde die racheübende Ge­rechtigkeit aus einem Sehnsuchtsbild des Films zur Tatsache der deutschen   Wirklichkeit. Mord als ,, königliche Selbst­hilfe" mags in anderen Ländern nur noch im Film geben; in Deutschland   ist man weiter, da gibts bereits die Blutrache, die es bis vor dem Krieg nur in Albanien   gegeben hat. Nun regiert sie das Deutsche Reich.

Dr. Torczyner von der Universität Jerusalem, der die einzelnen Teile zu einer stilistischen Einheit zusammenge­fügt hat.

So wird diese Uebersetzung die unvergleichliche Schönheit und Großartigkeit der Heiligen Schrift uns aufs neue nahe­bringen. Damit wird erreicht werden, daß die Bibel nicht nur bewundert, sondern auch gelesen und immer wieder ge­lesen wird.

Der frühere Intendant des Altonaer Nazitheaters, Kurt Gerdes, ist vom Nazi- Oberbürgermeister Brix fristlos entlassen worden. Gerdes, ebenfalls ein brauner Ehrenmann, rächte sich, indem er grob- fahrlässig unwahre oder gröblich entstellte Behauptungen aufstellte", die ,, geeignet waren, das Ansehen der hinter der Reichsregierung stehenden NSDAP  . zu schädigen". Als ob an diesem ,, Ansehen" überhaupt noch etwas zu schädigen wäre!

Weiterhin hat Gerdes an den Ministerpräsidenten Göring  einen Beschwerdebrief gerichtet, in dem er gegen Brix die schwersten Vorwürfe erhob. Die Große Strafkammer des leicht Landgerichts Altona verurteilte nun Gerdes fertiger Falschanzeige zu 300 Mark Geldstrafe.

wegen

In der Urteilsbegründung heißt es nach den Berichten reichsdeutscher Blätter wörtlich: Unfähigkeit als Schau­spieler und Intendant sei an sich kein Grund zur fristlosen Entlassung. Wesentlicher seien die Verfehlungen des Gerdes auf sittlichem Gebiet, worunter seine Unparteilich­keit als Vorgesetzter leiden mußte. Er habe( wortwörtlich!!) wissen müssen, daß er als Mitglied der NSDAP  . den Intendantenposten erhalten habe..."

Nun hören wir endlich auch aus amtlichem Mund, nach welchen ,, sachlichen" Gesichtspunkten im ,, dritten Reich" Intendantenposten besetzt werden. Gemeinnut geht vor Eigennut. Wer es nicht glaubt, richte die Blicke nach Altona  !

Die Ursache

,, Liliencron   ist Zeit seines Lebens der alte Offizier ge­blieben... und das ist es auch, was ihn uns heute lieben läßt, was uns noch heute oft seine Ferse( soll wohl heißen Verse) in die Hand drückt."( ,, Nordschlesische Ztg.") Da haben wir es! Wäre Liliencron   nur ein lumpiger Ge­freiter gewesen, so würde kein gleichgeschalteter Hahn mehr nach ihm krähen!

Auch die Ausstattung wird allen Ansprüchen genügen. Das Die ausgerichtete Gesinnung

Buch wird in einer edlen Antiqua auf holzfreiem Papier ge­druckt und in ein schmiegsames Leinen gebunden. Neben dieser allgemeinen Ausgabe wird eine Anzahl von Exem­plaren auf handgeschöpftem Bütten in Halbleder handge­bunden und vergoldet. Wie alle Veröffentlichungen der JBV., so wird auch die Bibel nur an Mitglieder abgegeben. Interessenten erhalten nähere Auskunft bei der Jüdischen Buch- Vereinigung. Berlin   W. 15, Pariser Straße 7

,, Kreisführer Dr. Friedrich erklärte vor der Studenten­schaft in Hannover  , daß vor allem für nationalsozia listische Ausrichtung der heutigen Studenten ge­sorgt werden müßte... Jede an der Führung geübte Kritik wirke sich schädigend... aus. Darum sei es besser, mit der Führung zu irren, als gegen sie recht zu behalten." Berliner   Zeitungsnotiz.