Geschichte des Nazi- Putsches
J. H. Die erste zusammenhängende Darstellung der Nazi- Revolte in Oesterreich , von einem unvoreingenommenen Beobachter, der viele bisher unbekannte Einzelheiten beizubringen vermag, findet sich im ,, Manchester Guardian". Der Wiener Korrespondent dieses großen englischen Blattes, das durch die unerschrockene Erforschung der Wahrheit seinen Weltruf begründet und immer wieder bewährt hat, veröffentlicht eine Reihe von Artikeln, die im folgenden wiedergegeben sind:
Man denkt kaum mehr daran, daß im September 1933 in Steiermark eine Verschwörung zum Sturz des DollfußRegimes und zur Ermordung des Bundeskanzlers bestand. Ein junger ehemaliger Angehöriger der Wehrmacht, Rudolf Dertil, der zur selben SS. Formation gehörte wie zehn Monate später der tatsächliche Mörder von Dollfuß , wurde dazu bestimmt, den Mord auszuführen. Der Sitz der Verschwörung war Schladming in Nordwest- Steiermark, ein deutscher Adliger, der nachher nach Deutschland entkam, der Führer der Sturmtruppen. Es war geplant, den jungen Dertil nach Wien zu schicken, wo er den Ranzler am 30. September ermorden sollte. Der Mord sollte das Signal zum Aufstand bedeuten. Dement sprechend ging Dertil am 30. September nach Wien , aber der Bundeskanzler war mit seiner Familie über das Wochenende nach Wolfpassing in Niederösterreich gefahren. Die Verschwörer in Steiermark warteten- ihrer Sache sicher auf die Nachricht von dem Mord. Als diese nicht eintraf, fabrizierten sie einen Bericht, Dollfuß sei ermordet, in Kärnten sei ein Aufstand ausgebrochen, und die Nazi- Sturmtrupps kämpften bereits in Judenburg in Steiermark . Der Aufstand brach zusammen. Aber drei Tage darauf( am 3. Oktober) gelang es Dertil, zu Dollfuß vorzubringen und im Parlamentsgebäude zwei Schüsse abzufeuern, die den Kanzler leicht verlegten.
Dertil wurde zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt, aber der Gerichtsvorsitzende forschte nicht nach dem Zusammen hang zwischen Dertil und den Verschwörern in Steier mark . Das war ein schwerer Fehler, da die Jdentität der Rebellen vom Juli 1934 mit den Verschwörern vom Sep tember 1933 jetzt festgestellt ist.
Einige Monate nach jenem Attentat wurde der mächtige und einflußreiche Landeshauptmann von Steiermark , Dr. Anton Rintelen , als österreichischer Gesandter nach Rom geschickt. Mussolini soll im August 1933 in Riccione zu Dollfuß gesagt haben:„ Schicken Sie ihn zu mir. Ich werde auf ihn acht geben." Rintelen war über zwei Jahre die große Hoffnung der Nazis. Sie hielten ihn für die Rolle geeignet, die Papen 1933 in Deutschland gespielt hatte. Skrupellos, energisch und geschickt, scheint Rintelen die Ranglerschaft erstrebt zu haben. Einst hatte er gehofft, dieses Ziel mittels einer Koalition von Christlichsozialen und Sozialdemokraten zu erreichen. Aber die Sozial demokraten mißtrauten diesem geriebenen Intriganten. Als er sah, daß er die Sozialdemokraten nicht seinem Ehrgeiz dienstbar machen konnte, vollführte er eine Rechtsschwenkung und verbündete sich mit den Nationalsozialisten Die Familie Rintelen stammt aus Westfalen . Rintelens Vater übernahm eine Professur an der Universi tät Graz . Anton Rintelen wurde 1876 in Graz geboren, besuchte dort die Schulen, wurde Rechtsanwalt und 1911 Professor für bürgerliches Recht in Graz. 1918 mwurde er in den steierischen Landtag gewählt, und 1919 wurde er Landeshauptmann. In dieser Eigenschaft erwarb er großen Einfluß auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens Steiermarks . Zuerst hielt er enge Verbindung mit dem Bankier Camillo Castiglioni , und die Alpine Montan gesellschaft geriet unter italienische Kontrolle. Mit Hilfe Castiglionis und italienischen Kapitals ging man an die Durchführung eines großen Elektrifizierungsplanes in Steiermark . Aber als die Castiglioni- Banken infolge un glücklicher Franken- Spekulationen im Jahre 1924 in
Straßburger Wochenschau
Saarländer und abstimmungsberechtigte Personen sind eingeladen
Schwierigkeiten gerieten, brach die ganze Unternehmung zusammen.
1926 wurde Rintelen Unterrichtsminister, einfach weil keine österreichische Regierung über den Landeshauptmann einer wirtschaftlich so bedeutenden Provinz hinwegmann einer wirtschaftlich so bedeutenden Provinz hinweg sehen konnte. Als Seipel das Kabinett umbildete, trat Rintelen zurück, und 1928 murde er wieder zum Landeshauptmann von Steiermark gewählt.
Bei der Bekämpfung des Nationalsozialismus stieß Dr. Dollfuß in Steiermark auf fast unüberwindliche Schwie rigkeiten. Die Erlasse und Instruktionen der Regierung blieben unbeachtet. Steiermark war die einzige Provinz, wo nationalsozialistische Beamte nicht behelligt wurden, und wo die Gendarmerie ihrem Chef nacheifernd unter Nazieinfluß stand. Mussolini , der die Gefahr erkannte, war es, der Dr. Dollfuß riet, Rintelen als Ge= sandten nach Rom zu schicken.
Dann kam die Zusammenkunft Mussolinis und Hitlers in Stra bei Venedig. Sowohl Rintelen und die österreichischen Nazis als ihre Lehrmeister in München bekamen Angst. Sie wußten, Hitler mußte Mussolini versprechen, den Nazi- Terror in Desterreich oder doch die finanzielle den Nazi- Terror in Desterreich oder doch die finanzielle und materielle Hilfe aus Deutschland einzustellen. Hitler versprach es, und die Aussichten Rintelens und Habichts begannen zu schwinden. Hitler hielt jedoch seine Unterführer nicht in Schach und der Terror wurde fortgesetzt. Berline: Manöver
Bundeskanzler werden. Die italienischen Zeitungen Schon Ende Juni ging das Gerücht, Rintelen werde äußerten sich nicht, da sie sich an die Abmachung Mussolinis und Hitlers hielten, über die Vereinbarung von Beobachter" erklärte, Rintelen werde Bundeskanzler Stra Stillschweigen zu bewahren. Aber der„ Völkische werden. Das Gerücht wurde in Deutschland in einer Form lanciert, daß es aussah, als ob Mussolini mit dem Wechsel im Bundeskanzleramt einverstanden sei.
Es wurde klar, daß die Münchener Zentrale der österreichischen Nazis zum letzten entscheidenden Schlag rüstete. Der Waffenschmuggel nach Steiermark nahm zu und nach 7. Juli hielt der Führer der österreichischen Nazi- Emi Tirol und Salzburg wurden Sprengstoffe geschickt. Am granten Alfred Eduard Frauenfeld , im Münchener Rundfunk eine Rede, die eine offene Aufforderung zur Revolution war. Das Wochenblatt der Tiroler Emigranten,„ Der rote Adler", erklärte, daß mit der bisherigen Taktik( Terror durch Bomben) eine tyrannische Regierung wie das Kabinett Dollfuß nicht zur Unterwerfung gezwungen werden könne. Mit schwächlichen Methoden
"
können wir nichts erreichen", hieß es in dem Artikel, der das Tiroler Volk zum Aufstand aufforderte. Dieses Blat. wurde in München gedruckt und in Zehntausenden von Exemplaren nach Tirol geschmuggelt.
Rintelen kam zuerst nach Graz und dann nach Wien . In Um den 20. Juli wurden die Nazis sehr aktiv und Dr. jenem Zeitpunkt wußte man in Berlin , daß in Desterverbreitete das Deutsche Nachrichten- Büro eine Meldung, reich ein entscheidender Schlag bevorstand. Am 24. Juli die einen„ kommunistischen " Aufstand in Wien an= kündigte. Man wollte die Schuld den Kommunisten zu schieben, falls der Handstreich fehlschli je. Am 25. Juli, morgens 10.45 Uhr gab das Deutsche Nachrichten- Büro in Berlin an die deutsche Presse die Instruktion aus, daß alle Nachrichten„ über die heutigen Ereignisse in Desterreich" in der Fassung des DNB. veröffentlicht werden müßten. Wiener Bundeskanzlerpalais perbreitete das DNB. eine Eine halbe Stunde nach der Ankunft der Putschisten im aus Wien datierte Meldung, die den Sieg der Revolution in überschwenglichen Tönen verkündete und den Tod des Bundeskanzlers mitteilte.
Der Putsch
ging von der Turnhalle des Deutschen Turnerbundes 1919 brachten die Putschisten ihre Deutschmeister- Uniformen. einer verkappten Nazi- Organisation aus. aus. Dorthin Um 11 Uhr morgens herrschte auf jenem Platz fieberhafte Bewegung. Vier Lastautos fuhren vor der Turnhalle auf. Der Kriminalbeamte Marek beobachtete dieses Treiben und warnte Fey,„ daß etwas im Tun sei". Aber als er zum zweitenmal die Telefonkabine betreten wollte, um nochmals zu warnen, nahmen ihn die Putschisten fest. Der diensttuende Polizeibeamte wurde ebenfalls entwaffnet. Polizeibeamte das Treiben der Rebellen deckten. Das Publikum ahnte von nichts, da sechs uniformierte
Die Zuverlässigkeit der Wiener Polizei war seit langem untergraben. Unter der Leitung Dr. Schobers war sie als seiner Opposition gegen Dr. Seipel wurde Dr. Schober in die„ beste Polizei der Welt" bekannt gewesen. Aber in politischen Vorbild ihres populären Chefs. Was 1929 alldas alldeutsche Lager gedrängt, und die Polizei folgte dem deutsch war, das mar 1934 nationalsozialistisch geworden.
hausplatz, war unzulänglich bewacht. Dr. Dollfuß verDas Kanzlerpalais, der herrliche Barockbau am Ballzichtete auf eine Leibwache, wie sie Mussolini oder Hitler posten, und im Innern befand sich eine Reserve von zwölf haben. Vor dem Palais stand ein militärischer DoppelMann. Aber sie waren nicht mit scharfer Munition versehen, da sie lediglich als Ehrenwache dienten. Unter diesen Umständen war es für die Verschwörer ein Leichtes,
in das Kanzlerpalais einzudringen und die Wache zu entwaffnen. Nur ein Korporal weigerte sich, sein Gewehr auszuliefern, und wurde von den Putschisten schwer mißhandelt. ( Ein zweiter Aufsatz folgt.)
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die Einheitsfront der Sozialisten und linientrenen Kommunisten ein wichtiges Propagandainstrument genommen wurde, sich zu behaupten vermag. Wie wenig an der Nazifreundlichkeit der Autonomisten zu zweifeln ist, erleuchtet schon aus der Tatsache, daß der Generalrat Heil, der aus der Autonomistischen Landespartei ausgeschlossen wurde, diesen seinen Ausschluß in einem offenen Brief an verschiedene
Zeitungen auf den Umstand zurückführt, daß er eine eindeutige antifaschistische und prodemokratische Haltung eingenommen habe.
Das Groupement de Strasbourg der Union Franco. Sarroise veranstaltet am Sonntag, 19. August, nach mittags 5 Uhr, im Hotel du Romain am Alten Kornmarkt eine Versammlung, zu der alle Saarländer und alle abstimmungsberechtigten Personen eingeladen sind. Ein gründlicher Kenner des Saarproblems wird über das Thema„ Die Saar - ,, Mesti" in Schiltigheim länder und die Abstimmungsfrage" sprechen. Dem Vortrag folgt eine freie Diskussion.
Einheitsfront in Straßburger Beleuchtung
Die zwischen Sozialisten und Kommunisten geschlossene Einheitsfront, die sich vorerst in einem Kampfbündnis gegen Faschismus und Krieg ausdrückt, hat über ihre französische Gesamtwirkung hinaus in Straßburg noch besondere Folgen gezeitigt. Wie bekannt, gibt es hier eine nur für den Einheimischen zu begreifende Koalition auf dem Rathaus, die von oppositionellen Kommunisten, unter der Führung des Maire Hueber und Deputé Mourer, und autonomistischen und klerikalen Gruppen gebildet wird. Daß eine bestimmte Richtung der Autonomisten in deutschem Solde steht und reinste Hitlerpolitik betreibt, ist hier ein offenes Geheimnis. Ausgerechnet mit diesen Leuten aber bildet die KPO. eine Koalition. Solange die beiden anderen Arbeiterparteien im Kampfe miteinander lagen, stellte die KPO. tatsächlich für viele Arbeiter das Sammelbecken dar, in das sie
sich in ihrem Gefühl, der Einheit des elsässischen Proletariats
zu dienen, flüchteten, Durch die Einheitsfront sind aber diese Gefühle nun plötzlich in eine ganz andere Richtung getrieben worden. Mit Recht verlangen die beiden Einheitsfrontparteien, daß die KPO. erst ihr Bündnis mit den Autonomisten aufgibt, um bündnisfähig zu werden. Das nun will der KPO. keine Freude machen. Man wird gespannt sein dürfen, wie bei kommenden Wahlen die KPO., der durch
Die Schiltigheimer„ Mesti", eine der schönsten volksfest
lichen Veranstaltungen, die in der näheren Umgebung Straßburgs alljährlich abgehalten werden, begann am vergangenen Sonntag mit einem prächtigen Festzug, bei dessen Ausgestaltung die einheimische Gärtnerkunst in hervorragender Weise beteiligt war. Der Festzug trug das Motto: Die Wappen der elsässischen und lothringischen Städte. Es war eine Freude zu sehen, mit wieviel künstlerischer Hingabe dieser Gedanke versinnbildlicht war. Die ,, Mesti" lockte bei gutem Wetter große Menschenmengen nach Schiltigheim . Sie wird am Sonntag und Montag fortgesetzt.
Musikwoche
Mit einem Wagnerkonzert wurden die Konzerte des städtischen Orchesters unter Stabführung von Kapellmeister Muench am Mittwoch in der Orangerie beschlossen. Samstag, 25., und Sonntag, 26. August, gastieren die Don kosaken Platoff auf der Terrasse des großen
Orangerie- Restaurants.
Brandkatastrophe im Kalibergwerk Ensisheim
Im oberelsässischen Kalibergbaurevier ereignete sich am Montag eine folgenschwere Katastrophe. Bei Ausführung von Reparaturarbeiten in einer Tiefe von über achthundert Metern entstand plötzlich eine heftige Explosion, bei der sieben Arbeiter sofort getötet wurden, während drei andere mit schweren Brandwunden unter unsäglichen Schwierig
keiten den Schacht auf einem Seitenausgang verlassen konnten. Der Obersteiger Weber, einer der Schwerverletten starb nach seiner Einlieferung ins Krankenhaus, so daß die Katastrophe insgesamt acht Todesapfer forderte. Sie stammen alle aus der Ensisheimer Gegend, waren verheiratet und Väter mehrerer Kinder. Die Explosion entstand bei Schweißarbeiten, die an einem brüchigen Kabel vorgenommen wurden. Da die Rettungsmannschaften an den Brandherd nicht herankommen konnten, wurde der Schacht, nachdem noch drei Leichen geborgen waren, zugemauert, um so den Brand ersticken zu können. Die Beerdigung der geborgenen Opfer fand in Ensisheim am Mittwoch unter großer Anteilnahme der Bevölkerung und der Behörden statt. Sowjetrussen geben ihre Visitkarte ab
Auf überraschende Weise kamen die Straßburger am Dienstag zu dem gewiß nicht ungewöhnlichen Ereignis, die zu einem offiziellen Besuch nach Frankreich gekommenen sowjetrussischen Flieger. aus nächster Nähe kennen zu lernen. Die Russen starteten von Lyon aus am Dienstag zur Heimreise. Sie kamen aber über Straßburg in ein so schweres Unwetter, daß sie gezwungen waren, eine Notlandung auf dem Flugplats Polygon vorzunehmen. Die dreißig Flieger, an ihrer Spitze General Unschlich t₁ erregten in der Stadt selbstverständlich das größte Aufsehen. Ueberall wurden ihnen von einer rasch herbeigeströmten Menschenmenge herzliche Ovationen zuteil, die soweit sie von der Seite kommunistisch gesinnter Arbeiter kamen natürlich nicht nur den Fliegern, sondern auch Sowjetruẞland galten. Die Flieger in Begleitung höherer französischer Militärs, übernachteten im ,, Maison Rouge" und setzten am Mittwoch ihre Fahrt in die Heimat fort. Zum Abschied hatte sich auf dem Polygon schon in der Frühe des Mittwoch eine so große Menschenmenge eingefunden, daß die Polizei alle Mühe hatte, die Neugierigen zurückzuhalten. Die drei mäch tigen Flugzeuge starteten glatt und flogen zum Abschie noch eine Ehrenrunde über der ,, Wunderschönen", wobei sit oft in den niedrig hängenden Regenwolken verschwanden. Die Flieger hinterließen in Straßburg einen denkbar guten Eindruck.