Deutsche   Stimmen. Bellage zur Deutsche Stimmen Bellage zur Deutschen Freiheit" Ereignisse und Geschichten

Donnerstag, den 23. August 1934

400 Jahre später

Die Vertreibung und die Rückkehr dec spanischen   Juden

In Spanien   gibt es kein Judenproblem. Aber für die Juden ist Spanien   seit dem Jahre 1492, seit ihrer vollkommenen Austreibung, ein Problem geblieben. Erst in jüngster Zeit scheint, hervorgerufen durch die deutschen Verhältnisse, die Lösung dieses Problems nähergerückt. Den Bannfluch, den die Juden bei ihrer Vertreibung aus Spanien   vor fast 400 Jahren gegen das Land geschleudert haben, und an dem die Nachkommen der spanischen   Juden, die Spaniolen, noch in jüngster Zeit festhalten, haben jetzt die geflüchteten deut­ schen   Juden gebrochen. Sie nügen die judenfreundlichen Er­klärungen und das Entgegenkommen der jungen Republik  aus und siedeln sich in großer Anzahl in Spanien   an. Die Zahl der Deutschen   in Barcelona   hat sich seit Januar 1933 um 2000 vermehrt und der größte Teil dieser Zugewan­derten besteht aus Juden, und auch da nur unter dem Druck eines anderen Landes, als Emigranten in das Land zurück­kehrten, das ihnen einst so schwere Schmach angetan hat. Valerio Marcu hat jetzt in einem zwar interessanten, aber nichtsdestoweniger zur Kritik herausfordernden Buch die Aera der Judenaustreibung aus Spanien   geschildert.

Als 1492, kurz nach der Entdeckung Amerikas   und dem Goldtaumel, der über Spanien   hereinbrach, die furchtbare Aktion gegen die Juden geführt wurde, blieb kein einziger Jude im Lande zurück. Das ist nicht hitlerisch, d. h. rassen­mäßig gemeint, sondern lediglich in religiösem Sinne. Denn damals war man noch nicht so weit, wie heute in Deutsch­ land  , die Juden aus rassischen Gesichtspunkten zu be­kämpfen. Getaufte Juden, auch zwangsweise getaufte, die man dann Maranen nannte, durften in Spanien   verbleiben und errangen späterhin sogar große Bedeutung. Auch der heutige Präsident der spanischen   Republik, Alcala Zamorra, ist ein Nachkomme alter Maranen, also ein Juden­stämmling". Die vertriebenen Juden, die nach Westen und Osten emigrierten, nach Holland  , der Türkei  , Kleinasien  , sogar bis nach Indien  , haben damals einen Bannfluch gegen die alte Heimat geschleudert. Niemals mehr sollte ein Jude spanischen Boden betreten. Selbst dann nicht, wenn man, was zwar unwahrscheinlich, aber immerhin möglich sei, ein­mal die Juden nach Spanien   zurückrufen würde. Dieser Bannfluch schloß mit den drei Worten: ,, Nie, nie, nie!".

1920,

Im Laufe der Jahrhunderte siedelten sich in Spanien  wieder einige Juden an, bildeten kleine, unbedeutende Ge­meinden, ein Nachkomme von Spaniolen aber, die ihr reli­giöses Zentrum in Saloniki  , einer Stadt mit 92 Prozent Jahrbuch jüdischer Bevölkerung,( Statistisches Griechenland  , heute zirka 70 Prozent), befand sich nicht unter ihnen. Das Edikt der Judenaustreibung war nicht widerrufen worden. Es bestand unter Alphons noch zu Recht, wenn es praktisch auch keine Anwendung mehr fand. Spanien   aber war trotz seiner überseeischen Schätze nach der Vertreibung der Juden zu voller Bedeutungslosigkeit herab­gesunken, Holland   und die anderen Länder, die die jüdischen Flüchtlinge aufgenommen hatten, blüten auf.

Als 1931 die spanische Republik ausgerufen wurde, war eine der ersten Regierungsaktionen die Aufhebung des

Wedekind   sah sie schon

Emigrantenschicksal

Judenedikts und die Aufforderung an die Judenschaft, nach Spanien   zurückzukehren. Die Regierung sandte ein Tele­gramm nach Saloniki, dem Zentrum der Spaniolen, in dem sie die Nachkommen der vertriebenen spanischen   Juden auf­forderte, wieder in ihre alte Heimat zu kommen. Man bot ihnen die sofortige Verleihung des Bürgerrechts an, jedweder Freiheit der Beschäftigung und Bestätigung, alle staats­bürgerlichen, wirtschaftlichen und politischen Rechte. Das Telegramm schlug unter den Spaniolen und in Saloniki wie eine Bombe ein. Lange Beratungen folgten im Synhedrion und schließlich telegrafierten die Rabbiner Salonikis ihre Antwort an die spanische Regierung. Das Telegramm ent­hielt nur drei Worte. Jené drei Worte, mit denen der jü­dische Bannfluch aus dem Jahre der Vertreibung gegen Spanien   schloß: ,, Nie, nie, nie!"

Das war noch 1931. Fast 400 Jahre lang währte der Haß der orthodoxen Juden gegen das Land, das ihre Väter so menschenunwürdig behandelt hatte. Jetzt schreiben wir das Jahr 1934. Vieles hat sich in den drei Jahren geändert. Ein anderes Land hat das Erbe des einstigen Spanien   angetreten. Deutschland   hat seine Juden diffamiert. Und sie haben nun ihren Frieden mit Spanien   geschlossen. Sie wandern in großer Zahl hinüber und suchen sich dort eine neue Heimat.

Sie finden einen günstigen Boden. Vorerst drängen sie sich in den beiden Zukunftsplätzen Barcelona   und Madrid  . In Barcelona  , der Handels- und Industriestadt, die Geschäfts­leute und kleinen Gewerbetreibenden, in Madrid   die In­tellektuellen. Ins Innere, zu den Landstädten sind die Ein­wanderer noch nicht vorgedrungen. Tarragona  , Gerona  , Sabadell  , ja sogar Valencia   und Saragossa   sind bis heute von jüdischen Emigranten unbeachtet geblieben. Aber in Barce­ lona   entstehen bereits von Emigranten gegründete Geschäfte. Kleine Cafés und Konditoreien, Eisenhandlungen und Alt­eisengeschäfte, Marken- und Münzhandlungen, Laboratorien für Zahnpasten und Bodenwachs. Auch größere Geschäfts­leute wagen Gründungen, wie die neue ,, I berica Film A.-G." beweist, die schon ihren ersten spanischen   Film mit spanischen Schauspielern dreht, obwohl Direktor, Regisseur und Operateur kein Wort spanisch sprechen.

Die spanische Republik legt den neuen Zuzüglern nicht die geringsten Steine in den Weg. Im Gegenteil! Sie unter­stützt lebhaft die Bemühungen, neue Geschäftszweige in Spanien   erstehen zu lassen. Fast alle Berufe sind den Emi­granten offen. Keinerlei Einschränkungen sind sie unter­worfen. Sie stehen so in freier Konkurrenz mit den ge­schäftlich sehr geriebenen Katalanen, die ihre Geschäfte noch in althergebrachter Weise mit möglichst hohem Einzelgewinn zu machen suchen. Die Emigranten, die an eine moderne Geschäftsgebarung,., Dienst am Kunden", sorgfältige Be­dienung usw. gewöhnt sind, haben deshalb Aussichten, in Spanien   ihr Brot zu verdienen.

Die Welt ist rund und dreht sich. Oft dauert es sehr lange. Mit der Rückkehr der Juden nach Spanien   hat es Kurt Haas. 400 Jahre gedauert!

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Ein Blumenstrauß aus dem alten ,, Simplizissimus"

Am 24. Juli wäre Frank Wedekind   siebzig Jahre alt ge­worden. Für diesen blutvollen und genialen Gestalter deut­ scher   Dramatik hatte das Deutschland   der Vorkriegszeit keinen Bühnenraum. Erst als der Novemberwind von 1918 den deutschen Muff, das Wildenbruchsche Rittergerümpel und die Maiglöckchen- Literatur in die Ecken fegte, öffneten sich den Dramen des toten Dichters die Tore der deutschen Schauspielhäuser. Die klumpfüßige und potenzierte wild­gewordene Spießergesellschaft, die sich im Januar 1933 der Herrschaft über das deutsche   Volk bemächtigt hat, tat sein Werk wieder in Acht und Bann.

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Wedekind   gehörte für einige Zeit zum Mitarbeiterstab des ..Simplizissismus". Aus seinen Beiträgen läßt sich manches Angebinde für die mißratene Germanen- Garnitur winden, die Deutschland   aus der Zivilisation in das Mittelalter

zurückführt.

Mein Kampf"

Läßt du die Sozialdemokraten

In der tiefsten Hölle schmoren und braten, Dann baut dir die deutsche   Großindustrie

Ein Schloß am Rhein   und deine Poesie

Wird, wie es bei Julius Wolff   gewesen, Noch weit mehr gekauft als gelesen In Pergament, Juchten und Saffian.

Dr. Ley

Einen phänomenalen Säufer und Fresser Mästet die Arbeitsfront als halben Professor, Weil dieser Doktor vorzüglich düngt, n Wie denn seine Rede kräftig stinkt.

Deutsche Presse 1934

Einen Maulkorb laẞt euch reichen Aus dem stärksten Eisendraht.

Schließt den Bund mit euresgleichen do Für das Nazi- Triumvirat.

Maulkorb, Maulkorb über alles.

Wenn der Maulkorb richtig sitt, schlimmsten Falles­

Wird man immer

Noch als Hofpoet benützt.

Lametta Hermann

Der Menschheit Durst nach Taten läßt sich stillen,

Doch nach Bewunderung ist ihr Durst enorm.

Du vermagst ihr zu erfüllen

Beide Durste, seis in der Fliegeruniform,

Sei es in Seemannstracht, im Purpurkleide, Im Rokokokostüm aus starrer Seide, Sei es im Jagdrock oder Sportgewand, Lametta- Hermann mit der blutigen Hand! 30. Juni 1934

In der Politik, das muß man sagen, Geht ja freilich alles wie geschmiert: Unsere Größe liegt der Welt im Magen, Und damit man gänzlich nicht vertiert, Werden Schweine dauernd ausgeschlossen, Weil man ohnehin genug versaut. Hitlers   Tagebuch nach dem 30. Juni In der Stunde, da der Mensch sich sicher fühlt, Hat er schon so gut wie ausgespielt.

Der Sturz der Tyrannen

Ob du Minister oder sonst was seist: Es sinkt die Mörderhand, es siegt der Geist. Der erste Frühlingsturm der Zukunft fegt Euch in den Abgrund, drin sich nichts mehr regt, Und ihr im besten Fall noch als Genuß Der Kurzweil dient dem neuen Simplizissimus,

Jobs.

Die Stunden brüten schwer wie vor Gewittern. Die Riesenstadt brüllt mich hysterisch an. Und meine Nerven, die vor Spannung zittern Zieht die Ermüdung lähmend ihren Bann.

In grenzenloser Einsamkeit zu warten, In dem Gewimmel einer fremden Welt Sich wund zu sehnen nach dem Heimatgarten, Das ist ein Leben, das sich selber prellt. ( Indes zerstampfen teuflische Briganten Geheiligt Land, dem meine Liebe gilt). Dies tatenlose Schicksal der Verbannten.

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Ist Qual und Qual, die unaufhaltsam schwillt, In Seelen, die im Ohnmachtshaß verbrannten, Erstarrt die Welt zu einem Totenbild.

Siehe da

Theater!

Dort, wo Goebbels   nicht ist

ララ

S

Horatio.

Das außerordentliche Absinken des Berliner   Theater­Niveaus ist oft genug konstatiert worden. Am wichtigsten aber sind die Bestätigungen, die heute noch beamtete Ber­ liner   Schriftsteller dafür geben, und die die offizielle Zensur des Propaganda- Ministeriums und die inoffizielle der. Denunziation getarnt passieren. Erst neulich konnte man in der Nachtausgabe den Verzweiflungsschrei hören: ,, Wo ist eigentlich das Theaterpublikum geblieben?" Und jetzt liest man in der letzten Nummer der von Fritz Klein heraus­gegebenen Deutschen Zukunft" eine große Kritik des gewiß unverdächtigen Paul Fechter   über die Aufführung von Kean" auf der volkstümlichen Szene des ,, Rose- Theaters". Das Rose- Theater ist stets das Familientheater des Klein­bürgertums des Berliner   Ostens gewesen, das Theater der Familie Rose, die allein fünf Darsteller im Ensemble hat, und hat noch nie flaue Zeiten gekannt. Es genoß das Wohlwollen aller Zeitungen; besucht wurde es allerdings von der zehnten kritischen Garnitur. Jetzt wird es, da es sich in seiner ganzen Art trotz der Goebbelsschen Richtlinien nicht geändert hat( weil nämlich sonst niemand mehr hineinginge), von Herrn Fechter, Wedekind  - Biographen und früherem kritischen Star der ,, Deutschen Allgemeinen Zeitung, besucht und siehe da- er stellt fest: ,, Hier sieht man plötzlich, wo unser Theater geblieben ist, erlebt es un­vermutet wieder: Publikum aus dem Volk, das von selber kommt, nicht geschickt wird, das im Theater Theater sucht und findet." Und wenige Zeilen weiter: ,, Hier ist das noch nicht Künstliche, nicht zusammen­gebrachte Publikum." Die Anspielungen auf die ge­preßten, widerwilligen Massen, die die Veranstaltungen der ,, Kraft- durch- Freude"-Organisationen, die sinnlosen markt­schreierischen Zeitfestspiele der Thingplätze besuchen müssen, sind deutlich. Das Rose- Theater führt Goebbels   ad absurdum das ist das Fazit des Aufsatzes von Fechter, der wie alle Artikel der Zeitschrift aus der programmatischen Einstellung des Titels ,, Deutsche Zukunft" her geschrieben

ist.

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Frühlingsstimmen"

Was die zarten Braunen verletzt

zur

Die zuständigen deutschen Filminstanzen haben den öster­reichischen Film Frühlingsstimmen" Auf­führung in Deutschland   nicht zugelassen. In der Begründung des Aufführungsverbotes heißt es: ,, Dem auf Paragraf 12, 7 des Lichtspielgesetes vom 16. Februar d. J. gestützten An­trag des Reichsministers für Propaganda, die Zulassung des Films ,, Frühlingsstimmen" zu widerrufen, war stattzugeben. Er verletzt das nationalsozialistische Empfinden und ist ge­eignet, die öffentliche Ordnung zu gefährden. Gemäß den in der Entscheidung der Filmoberprüfstelle vom 21. April d. J. entwickelten Grundsätzen ist zu beanstanden, daß der Film in tragenden Rollen früher in Deutschland   tätig ge­wesene Darsteller zeigt, die von der Bewegung abge­lehnt werden. Es kommt hinzu, daß einer der nicht­arischen Darsteller in einer gemütvollen väterlichen Rolle als Familienoberhaupt einer deutschen Familie gezeigt wird. Sein ausgesprochen nichtarisches Aussehen verletzt den deutschen Besucher. Es sind daher bei weiterer Vorführung des Films auch Ruhestörungen zu besorgen, wie die gegen den Film bereits eingetretene Protestbewegung belegt."

Erst wird Protest organisiert, dann unter Berufung auf den Protest verboten. Ein gemütvoll- väterlicher Jude: so etwas erschüttert die Grundpfeiler des nationalsozialistischen

Staats.

Japanische Bibliotheken für Neuyork und Paris   Die Kloake

Der japanische Außenminister hat einen Plan zur Er­richtung großer japanischer Bibliotheken in verschiedenen Weltstädten entworfen. Diese Bibliotheken sollen den Ge­lehrten und Studierenden des Auslands die Möglichkeit geben, die Literatur und alles notwendige Informations­material an Ort und Stelle vorzufinden. Zur Durchführung des Planes wurden bisher 100 000 Yen zur Verfügung ge­stellt. Die erste Bibliothek dieser Art soll in Neuyork er­richtet werden, als erste europäische   Hauptstadt soll Paris  eine japanische Bibliothek erhalten.

Hebräische Universität in Jerusalem  

Gegenwärtig tagt in Zürich   unter dem Vorsitz von Prof. Ch. Weizmann das Kuratorium der hebräischen Universität Jerusalem. Zahlreiche jüdische Gelehrte aus vielen Ländern, besonders aus den Vereinigten Staaten  , England und Palästina nehmen daran teil. Auf der Tagesordnung steht u. a. die Erweiterung der Universität Jerusalem, besonders hinsichtlich der medizinischen Fakultät und die Schaffung neuer Lehrstühle und Berufung neuer Professoren, die zum größten Teil aus Deutschland   erfolgen soll

,, Dr. Broher und Dr. Mayer: Ihre Auffassung ist richtig. Graf Pestalozza war einer der prominentesten Abgeordneten der Bayrischen Volkspartei. Er hat eine Freundschaft mit dem Juden Mayer, der junge nichtjüdische Mädchen be­trunken machte. Der sie dann kreuzigte und ihnen die Wund­male Christi in den Körper schnitt. Und der sie dann am Kreuze schändete."

Was das ist? Nur eine friedliche Briefkastennotiz in einer reichsdeutschen Zeitung.

Ganze Arbeit!

,, Nachdem der Börsenverein der deutschen Buchhändler seine Mitglieder darauf hingewiesen hat, daß selbstverständ­lich die Schriften der Hochverräter Röhm und Genossen, auch nur soweit das Vorwort von ihnen stammt, durch den deutschen Buchhandel nicht mehr vertrieben werden dürfen, appelliert die Leitung der Reichsbahngesellschaft an den Bahnhofsbuchhandel, auf jeden Fall ebenso zu Völkischer Beobachter",

verfahren,"