,, Deutsche Freiheit", Nr. 195

ARBEIT UND WIRTSCHAFT

Der großzügige Schacht

' Aber niemand glaubt ihm mehr

Dr. Schacht, der heute im Auftrage Hitlers   die Wirt­schaftsdiktatur ausübt, hat in diesen Tagen wieder von sich hören lassen. Er hat zwar bisher keine Maßnahmen aufzu­weisen, die von einer Besserung der wirtschaftlichen Lage Deutschlands   Zeugnis ablegen wird. Im Gegenteil. Die wirtschaftliche Situ. tion wird im Zusammenhang mit den Devisenrepartierungen und dem Rückgang der Ausf hr immer bedenklicher.

Aber das beunruhigt nicht weiter. Denn Dr. Schacht, da er glaubt, dem deutschen   Volke neue Leiden aufbürden zu können. So erklärte er in einem Interview mit dem Ver­treter des tschechischen Blattes ,, Cemske Slovo" u. a. folgen­des: Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Baumwolle auf dem deutschen   Markt genau soverschwinden wird, wie ehemals der Rohr­zueker." Was geht auch den Reichsbankpräsidenten an, wenn der deutsche Arbeiter sich bald keine baumwollene Wäsche kaufen kann. Immerhin ist es für die weitere Ent­wicklung der Dinge im ,, dritten Reich" bezeichnend, daß Dr. Schacht es wagt, offen zuzugeben, daß durch die Devisenlage, die durch seine gewissenlose Reichsbankpolitik entstanden ist, in Zukunft mit einer noch wesentlichen Verschlechterung der Rohstoffeinfuhr zu rechnen ist. Es sind jedenfalls schöne

Die Sowjeteisenbahnen

Zahl der beför- 1913 1928 1929 1930 1931 1932 derten Tonnen

( in Millionen) Güterverkehr in Milliarden Tonnen 65,7 Beladene Waggons

( pro Tag)

132,2 156,2 187,6 238,2 254 267,9 93,4 113 133,9 151,9 169,3 32,4 38,7 46,3 49,4

31

25,2 24,5 32

50,8

Zahl der Fahrgäste ( in Millionen) 244 258 365 557 721 967 Zahl der Personen­km( in Milliard.) 51,8 61,8 84,1 Angesichts dieser ungeheuren beständigen Verkehrszu­nahme ist leicht verständlich, daß das Eisenbahnpersonal Sowjetrußlands nicht immer imstande ist, die von ihm ge­forderten Leistungen zu vollbringen. Die Krise, welche die Eisenbahnen der USSR  . zur Zeit durchmachen, ist eine Wachstumskrise und ist eher auf die erhöhten Anforde rungen, als auf Unfähigkeit des Personals zurückzuführen, wie es manche bürgerliche Blätter glauben machen wollen. Ein Vergleich des Verkehrs der Reichsbahn mit dem der Sowjeteisenbahnen zeigt die Leistungsfähigkeit des in Deutschland   und Rußland   verwendeten Materials.

Gesamtlänge des Bahnnetzes

Lokomotiven

Güterwagen

Tonnen- km( Milliarden)

Personenwagen

Wagen- km( Milliarden)

Personen- km( Milliarden)

Reichsbahn 1929, das Jahr mit der höchsten Verkehrsleistung

USSR.  - Bahnen

1932

83 000

24 08619 475

507 900

53 824

660 748

63 641

76,2

115

29 000 169,3 333

47

Millionen Pers.- km( pro Wagen) 738

84,1 2900

Hieraus ersieht man, daß die Leistungsbeanspruchung des russischen Materials zwei bis viermal größer ist als die des deutschen  . Die Krise im russischen Eisenbahnverkehr ist daher ausschließlich auf das zu stark beanspruchte und un­zureichende Material zurückzuführen.

Warburg   über Roosevelt  

Der amerikanische   Bankier verurteilt die Wirtschaftsexperimente

( MTP.) Mister James P. Warburg  , der bekannte ameri­ kanische   Bankier und Finanzdelegierte der Vereinigten Staaten   auf der Weltwirtschaftskonferenz, veröffentlicht im Amsterdamer Telegraf" einen aufsehenerregenden Artikel, in dem er die von dem Präsidenten Roosevelt   befolgte Wirt­schaftspolitik einer heftigen Kritik unterzieht. Diese Aus­führungen sind um so interessanter, als James P. Warburg  früher Finanzberater Roosevelts war.

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Wenn wir uns auf zwei gefährlichen Wegen befinden," so sagt er ,,, so kommt das weniger daher, weil die Regierung ihre Aufgabe schlecht erfüllt, sondern weil das amerikanische  Volk vom Staat ein, Kalb mit fünf Füßen' erwartet hat. Wir haben vom Staat eine Erhöhung seiner Fürsorge und seiner Ausgaben verlangt, ohne daß die Steuern erhöht oder die Schuldenlast erleichtert wurde. Wir waren unersättlich, borniert und egoistisch und wir rechnen nun auf die Regie­rung, um uns tugendhaft, altruistisch und verständig machen zu lassen.

Wenn man Wunder verlangt, darf man nicht erstaunt sein, wenn einem die Heilmittel eines Scharlatans angeboten werden.

Gewiß, jedes Individuum muß für irgendeine Form der Regierung stimmen; aber es ist die Frage, ob eine Regierung ihre Kraft aus den demokratischen Grundlagen eines freien Volkes zieht oder aus der Schwäche, die sich in der Ueber­tragung der Rechte des Volkes an eine improvisierte Staats­tyrannei manifestiert."

Mister Warburg gibt seiner Ueberzeugung Ausdruck, daß zwischen einer Demokratie und einer Wirtschaftsdiktatur keine Kombinationsmöglichkeiten bestehen und daß die In­flation die Vereinigten Staaten nicht retten wird.

Welt- Getreidekonferenz

Die Gesamtheit der Getreidevorräte in der Welt belief sich nach dem Bericht des Generalsekretärs am 1. August 1934

Aussichten, die in naher Zukunft dem deutschen   Volke im ,, dritten Reich" blühen.

Um irgendwie eine Besserung der Wirtschaftslage herbei­führen zu können, will Schacht wieder Kredite vom Ausland bekommen. Um dem Ausland die Kreditgewäh­rung schmackhaft zu machen, gibt Schacht die Versicherung ab, daß man dem ,, dritten Reich" in bezug auf Rückzahlung unbedingtes Vertrauen schenken könne. ,, Wer mit Deutsch­ land   Geschäfte macht," so erklärte Schacht ,,, muß wissen, daß er seine Waren auch bezahlt bekommen wird."

Diese Worte stammen aus dem Mund eines Reichsbank­präsidenten, der noch vor kurzem selbst die Zinsen aus den Privatkrediten nicht zahlen wollte und nicht bezahlt hat. Eine solche Erklärung wagt Schacht in einer Zeit abzugeben, wo beispielsweise die englischen Baumwollgarn- und Kohlen­exporteure bei der englischen   Regierung stürmisch Maß­nahmen verlangen, damit das ,, dritte Reich" endlich die Schulden aus den Warenlieferungen bezahlt.

Dr. Schacht kann noch so viel um die Gunst des Aus­landes werben. Zu diesem Reichsbankpräsidenten, der das

Saarbrücken  , 24. August 1934

Kurzarbeiter in der Textilindustrie

Nach der neuen Faserstoff- Verordnung wird der Treu­händer der Arbeit die Genehmigung zu Entlassungen in den betroffenen Betrieben der Textilindustrie davon abhängig machen, daß im regelmäßigen Wechsel ein Teil der Beleg­schaft vorübergehend entlassen wird oder vorübergehend die Arbeit verrichtet. In diesem Fall darf, wie der Reichs­arbeitsminister in einem Rundschreiben hervorhebt, der Vorsitzende des Landesarbeitsamts die Durchführung der Krümper- Unterstützung genehmigen, ohne daß der Führer des Betriebes hierzu etwas Weiteres zu veranlassen braucht. Auch der Vertrauensrat des Betriebes braucht nicht gehört zu werden.

Weiter bestimmt die Faserstoff- Verordnung, daß für die Vorschriften über Kurzarbeiter- Unterstützungen für die bei Inkrafttreten der Verordnung übliche Stundenzahl auch die ,, in der Arbeitsstätte übliche Zahl von Arbeitsstunden" gilt. Betrug die übliche Arbeit in einem Betriebe vor Inkraft­treten der Faser- Verordnung 48 Stunden in der Woche und wird jetzt auf Grund dieser Verordnung die höchste Arbeits­zeit auf 36 Stunden herabgesetzt, so kann gleichwohl, wenn tatsächlich nur an drei Tagen in der Woche gearbeitet wird, der Gefolgschaft Kurzarbeiter  - Unterstützung gewährt werden.

Ausland wiederholt betrogen hat, besteht kein Vertrauen. Die enttäuschte ,, Planofront"

Deshalb werden alle Bemühungen des Dr. Schacht vergeblich bleiben.

auf etwa 1140 Millionen Scheffel, gegen 1120 Millionen am 1. August 1933. Für die Periode 1922-28 hatten die durch­schnittlichen Vorräte zu diesem Zeitpunkt nur etwa 625 Mil­lionen Scheffel betragen. Die Trockenheit in den Ver. einigten Staaten, die voraussichtlich sehr schwache Ernte in Kanada   und Australien  , sowie das geringe Ausmaß der euro­ päischen   Ernte werden wohl einen Rückgang der Weltvorräte herbeiführen, trotzdem werden die Vorräte im August 1935 noch beträchtlich über der Normalgrenze liegen.

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Die Delegierten sprachen sich allgemein dahin aus, daß trotz der schwachen Ernte von 1934 das Aufgeben jeder inter­nationalen Vereinbarung unvermeidlich ein Anwachsen der Weltvorräte nach sich ziehen würde. Das schwierige Pro­blem ist die Festlegung der Kontingente für die einzelnen Länder; es wird unbedingt eine größere Elastizität des Ver teilungssystems gefunden werden müssen. Argentinien   zum Beispiel hat eine Erhöhung seines Kontingents nachgesucht. Man ist der Meinung, daß die Verringerung der Ernte durch die Trockenheit eine Kontingentserhöhung ermöglichen und Die eine internationale Verständigung erleichtern wird. Einzelheiten der Frage sollen im Laufe der Konferenz be­raten werden.

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Die Klavierfabrikanten hatten ein großzügiges Programm aufgestellt, um den Schwierigkeiten dieser hart um ihr Be­stehen ringenden Branche zu begegnen. Von den 187 Wirt­schaftszweigen ist die Lage der Klavierindustrie auch heute noch außerordentlich trübe. Aus den allgemein bekannten Gründen sind die Ausfuhr und der Inlandsabsatz ganz erheb lich zurückgegangen, so daß schon viele Firmen zusammen­gebrochen sind. Während im letzten Vorkriegsjahr die deutsche Klavierindustrie 127 000 Instrumente herstellte, wo­von 76 000 Stück nach dem Ausland verkauft wurden, betrug die Erzeugung 1927 nur 18 000 und 1933 nur noch etwa 1300 Stück.

Um einem weiteren Verfall ein Ende zu bereiten und den beschäftigungslosen Arbeitern der Klavierindustrie wieder Arbeit zu geben, sollte mit Regierungshilfe ein Sofortpra­gramm von 20 000 Instrumenten durchgeführt werden. Diese 20 000 Klaviere und Harmoniums waren für Schulen be­stimmt, von denen nur wenige bereits ein Instrument be­sitzen. Die Finanzierung war in der Weise gedacht, daß die Reichsregierung von den 16 Millionen Reichsmark die Hälfte zur Verfügung stellt, davon 4 Millionen Reichsmark bei der Bestellung und 4 Millionen Reichsmark bei der Ablieferung, während für die restlichen 8 Millionen Reichsmark Wechsel mit einer Laufzeit von 24 Monaten auszugeben wären. Die zuständigen Ministerien haben jetzt jede Hilfe abge­

lehnt.

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Die Teuerung im dritten Reich"

( Sopade.) Ueber den Umfang und die Wirkung der Le bensmittelfeuerung haben die Handels- und Industrie kammern von Rheinland- Westfalen   Mitte Mai 1934 eine streng vertrauliche Eingabe an die Reichs regierung gerichtet. Der Eingabe ist eine Tabelle über die Preisbewegung der wichtigsten Lebensmittel beigefügt, die die Großhandelspreise vom 1. Januar 1934 mit denen vom 1. Januar 1933 vergleicht. Daraus ergibt sich eine Steigerung bei:

Butter

um 36 Prozent um 58

Schmalz

billigste Margarine

um 182

"

Kokosfett

um 121

"

Dele

um 138

"

Spect

um 26

"

Eter

um 39

um 18-29

Limburger Käse

um 38

"

Plockwurst

um 33

"

Gemüsekonserven

Kabeljau und Schellfisch um 50 Diesem vom Neuen Vorwärts" veröffentlichten interessanten Dokument entnehmen wir folgende Bemer­kungen:

Es ist ein Widersinn, daß in Deutschland   troh großer Kaufschwäche und troß Ueberfluß an landwirtschaftlichen Erzeugnissen eine Lebensmittelteuerung und auf dem Ge­biete der Fettversorgung sogar eine Notlage herrscht... Die prozentualen Steigerungen sind so stark, daß sie den Charakter einer Teuerung annehmen. Dieser Zustand ist je länger desto mehr unhaltbar... In feinem Lande, mit dessen Industriewirtschaft die deutsche zu konkurrieren. hat, herrschen so hohe Lebensmittelpreise wie in Deutschland  ... Da die wirtschaftlichen Verhältnisse durchweg Lohnerhöhungen nicht gestatten, bedeutet die eingetretene Lebensmittel­verteuerung eine einseitige Belastung der taufschwachen Schichten der Bevölkerung. Wenn zum Beispiel der Ruhrbergbauarbeiter bei 2-3 Feierschichten und nach Abzug der sozialen und steuerlichen Gefälle sowie der Wohnungsmiete einen Betrag von 70 bis 80 RM. für den Lebensunterhalt seiner Familie mit nach Hause bringt, so muß sich demgegenüber die Ver­teuerung der Lebensmittel, insondernheit der Fettver sorgung, auf das härteste auswirken, zumal wenn zu der Verteuerung auf dem Fettmarkt noch die Unterversorgung hinzutritt, die im rheinisch- westfälischen Industriebezirk seit Monaten anhält. 80-90 Prozent der Bevölkerung dieses Gebietes erreichen an Einkommen kaum mehr als das Existenzminimum..."

Besonders großen Umfang nimmt die Schilderung über die Margarineversorgung ein. Die Handelskam­mern stellen fest, daß durch die Haushaltmargarine zum Preise von 38 Pfg. nur etwa die Hälfte der Bevölkerung mit zwei Drittel ihres Fettbedarfs versorgt wird. Für den

Rest der Bevölkerung und den Rest des Bedarfs wird die Konsum- Margarine zu 66 Pfg. zu kaufen versucht. Bon dieser Sorte wird aber nur die halbe Menge als von der billigen Haushalt- Margarine erzeugt. Die Wirkung dieser künstlichen Verknappung wird von den Handelskammern folgendermaßen geschildert:

" Dadurch entsteht geradezu eine wilde Jagd nach - sobald dem bißchen Konsum- Margarine, die sie die Läden erreicht hat auch schon vergriffen ist. Frauen und Kinder laufen von Laden zu Laden, um irgendwo ein halbes Pfund der raren Margarine zu er­haschen. Die Folgen sind Erscheinungen, die an die In­flationszeit erinnern, indem die Hausfrauen Margarine hamstern und damit das Elend der anderen vermehren, oder gar nach bekannten Rezepten aus Kokosfett, Del, Rinderfett, Milch und einem Ei selbst Margarine kochen. Die Regierung darf sich nicht länger im unflaren darüber. sein, welche Kritik gegen die nationalsozialistische Staats­führung diese für die ärmeren Volksschichten unerträglichen 3ustände hervorbringen und wie start die Unzufriedenheit, ja Erbitterung steigt, wenn die Hausfrauen ohne Margarine heimkehren, während die wohlhabenden Schichten ihren Fettbedarf ausreichend in teurer Molkereibutter decken fönnen. Das Kapitel Fettnot ift ein gefundenes Freffen für die Miesmacher und politischen Hezz- Apostel, denen man die billige Möglichkeit, Unruhe zu stiften und ihr dunkles Handwerk zu betreiben, nicht lassen sollte. Die Erregung ist um so größer, weil niemand ver­steht, weshalb im Dritten Reiche diese unsoziale Unters versorgung mit Margarine stattfindet. Die Verständnis­losigkeit ist um so berechtigter, als die Margarine- Roh­stoffe nie billiger waren als gegenwärtig, eine Tatsache, die an sich eine ausreichende und preiswerte Margarine­versorgung der Bevölkerung sehr erleichtern würde. Bei den gegenwärtigen Margarinerohstoffpreisen von 10-12 Pfg. pro Pfund würde in freier Wirtschaft die Margarine für 25 Pfg. und darunter im Laden zu haben sein. Wenn dieser Preis auch aus Gründen des notwendigen Schußes der deutschen   Landwirtschaft nicht hergestellt werden darf, so bedeuten die enorm hohen Preise, wie sie ver­ordnet sind, doch eine derartige Ueberspannung des sozialen Leistungsvermögens, daß sie nicht aufrechterhalten werden können, um so weniger, als die Landwirtschaft an diesen überspannten Preisen gar kein Interesse hat...." Ueber die Wirkung dieser Zustände sagt die Eingabe: Die Regierung muß sich darüber im flaren sein, welch ein ungeheuerliches Maß von Unzufriedenheit und poli tischer Berbitterung dieser unhaltbare Zustand in der Bes völkerung, und gerade in den Arbeiterkreisen, die früher der marxistischen   Partei anhingen, hervorruft. Es gibt feinen wie auch immer gearteten Grund, der die Beis behaltung dieser fortgelegt beunruhigenden Zustände auf dem Lebensmittel: und Fettmarkt rechtfertigen fönnte..."

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