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Fretheil

Nr. 196 2. Jahrgang

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Samstag, 25. August 1934 Chefredakteur: M. Braun

Geheime" Volksabstimmung

Seite 3

Geschichte des

österreichischen Naziputsches

Seite 4

Wandlung der Kommunisten

Seite 4

Erziehung zum Unmenschen

Seite 7

Kraft durch Freude

Seite 7

Marxistischer ,, Revolutionsplan" aufgedeckt

Dic Nationalsozialisten gegen in Aufstellung befindliche ,, rote Armeen" Wie der neue ,, Reichstagsbrand" Vorbereitet wird

Aus dem Reiche erhalten wir die ersten Alarm: meldungen unserer Freunde über Razzien der Geheimen Staatspolizei auf Organisatoren und Agitatoren der " Reinsager". Die Verhaftungen und Untersuchungen ers strecken sich keineswegs nur auf Margisten, sondern er: faffen auch bürgerliche Oppofitionelle. Im Gegensaße zu früheren Aktionen gehen die neuen Razzien ganz still vor sich. Die Presse erhält feinerlei Mitteilungen, und so erfahren zunächst nur die nächsten Angehörigen und Freunde von den Haussuchungen und Verhaftungen.

Wie versucht wird, die nationalsozialistischen Funk: tionäre aufzuputschen und verstärkten Terror gegen die Marristen zu rechtfertigen, dafür liegt uns heute eine bezeichnende Niederschrift aus führenden nationalsozia listischen Kreisen vor. Man redet den SS. - Leuten ein, es ftehe ein bewaffneter marristischer Aufstand unmittelbar bevor, und erreicht damit, daß die SS. - Leute, die zum großen Teil die Rache für bestialische Schandtaten zu fürchten haben, für jede Notwehr"-Aktion zu haben sind. Das Schriftstüd lautet:

Die oberste SS.- Führung verfolgt seit geraumer Zeit eine weitausholende marristische Offensive in Deutschland und sieht in dem Wahlergebnis vom 19. 8. 1934, das all diese Beobachtungen durch die Wirklichkeit weit übertroffen wor­den sind.

Durch unermüdliche Kleinarbeit ist es der SS. - Leitung in Verbindung mit der Geheimen Staatspolizei gelungen, den ganzen marristischen Aufmarschplan in Deutschland in Besitz zu bekommen. Nach diesem Plan arbeiten sich zur Zeit zwei große marxistische Armeen, deren Tätigkeit an den Wahlergebnissen genau nachgewiesen werden kann, entgegen und zwar schiebt sich die erste kommunistisch- sozialdemokratisch von Prag her geleitete Armee über das ehemalige rote Sach­ sen bis tief nach Mitteldeutschland hinein vor und gleichzeitig kämpfen sich im Westen Deutschlands die roten Agitatoren,

Gefahr ist deshalb zu unheildrohend, weil das Tempo und

die Berſeuchung der Bevölkerung nicht genau feftaus Die Zersetzung wächst

stellen

Wahrscheinlich warten die Gegner den Eintritt der kalten Jahreszeit und den Eintritt von Ernährungsschwierigkeiten ab, ehe sie das von innen heraus unterhölte natinolfozia­listische Regime offen angreifen. Es darf nicht vergessen wer­den, daß dieses zersetzende Verhalten der Marristen, einen Bismarck zur Strecke gebracht hat und daß der Kaiser Wil­ helm , der als oberster deutscher Kriegsherr über ganz Deutschland gebot, von diesem Kleinkrieg gestürzt worden ist.

Der Führer hat angesichts all dieser einwandfrei festge­stellten Tatsachen, ganz besonders nach der Bestätigung dieser Feststellungen durch den Wahlausgang, aus diesem Grunde den von Göring vorgeschlagene schlagartig einsetzende radi­fale Vernichtungsfeldzug noch in der Nacht zum 20. 8. 1934 gutgeheißen und ist dann bis ins Innerste getroffen auf Magenkrebsleiden(?) fich infolge der neuerlichen Auf­Anraten der Aerzte nach Berchtesgaden abgereist, da sein regungen wieder besorgniserregend bemerkbar macht.

Es wird schließlich angekündigt, daß genauere An­weisungen der Reichsleitung in den nächsten Tagen er­gehen. Höchste Alarmbereitschaft sei geboten. Bedingungs­lose Disziplin und der härteste Einsatz seien notwendig, um alle groß angelegten marxistischen Versuche, das Regime zu stürzen, unmöglich zu machen.

Daß die Margisten alle Kräfte anspannen, um Hitler und sein barbarisches System zu vernichten, ist bekannt. Für jeden vernünftigen Menschen erweisen sich aber die vorstehend skizzierten Pläne" als, nationalsozialistische Erfindungen, als provokatorische Fantasien.

Wie die Geschichte des Reichstagsbrandes aber zeigt, sind leider nur allzu wenige Deutsche kritisch genug, um

Dr. Robert Ley , Präsident der Deutschen Arbeits­ front und Führer der politischen Organisation der NSDAP. , gesteht öffentlich zu, daß nationalsozia­listische A ntswalter mit revolutionären Marxisten sich verbündeten

München , 24, August. Der Stabsleiter der Obersten Leitung der PO. erläßt fols gende Anordnung: Ich habe festgestellt, daß mit dem Forts schreiten des Aufbaues der Deutschen Arbeitsfront einige wenige Kräfte versuchen, die Arbeit zu sabotieren. Es sind dies Kräfte. der alten Gewerkschaften und der alten Arbeits geberverbände, die in letzter Minute versuchen, den Aufbau zu verhindern, da sie wissen, daß hiermit ein für allemal ihre zersetzende Arbeit in den schaffenden Kreisen lahmgelegt ist.

Einige Amtswalter der Deutschen Arbeitss front haben sich diesen Kräften dienstbar gez macht. Ich sehe mich deshalb genötigt, die Parteigenossen Bruder, Krüger und Frauenstein ihrer Aemter in NSBO. und der Deutschen Arbeitsfront zu entheben, weil sie meine Anordnungen nicht befolgten. Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Ich bin gewillt, rücksichtslos gegen jeden innerhalb und außerhalb der Partei vorzugehen, der es versucht, den mir vom Führer gegebenen Auftrag zu sabos tieren. Wer sich zum Büttel unserer Gegner macht, hat auch die Folgen zu tragen. Ich bitte, die Anordnung allen Diensta stellen der NSDAP . und der Deutschen Arbeitsfront bekannta zugeben. gez. Dr. Robert Ley.

von ihren ehemaligen roten Genossen tatkräftigst unterſtüßt verbrecherische politische Provokationen der National Seine auswärtige Politik

und verstärkt, unaufhaltsam Mann um Mann erkämpfend bis nach Erfurt - Halle vor. Das Ziel ist klar.

Alle Industriereviere( Ruhrgebiet , Braunschweiger Braun­fohlengebiet, Mansfelder Revier und Sachsen ) sollen er: obert werden und damit quer durch Deutschland ein roter Keil getrieben werden, um den schwarzen Süden von dem protestantischen Norden zu trennen.

Die Marristen rechnen damit, daß in den Industriegebieten ihre früheren Anhänger restlos zu ihnen übergehen und daß sie sich nur in den Besitz der deutschen Waffenschmiede( Krupp in Essen, der Gewehrfabrik in Suhl und der Leunawerke bei Halle mit ihrer Giftgasfabrikation) zu setzen brauchen, um mit der gesamten Streitmacht nach Berlin vorzustoßen. Sie rechnen besonders damit, daß der schwarze Süden nur sehr matt das Hitlerregime verteidigen wird und mit wenigen roten Kräften in Schach gehalten werden kann. Der rote Generalstab rechnet weiter damit, daß in Berlin die ehemals roten Genossen durch Massenansammlungen auf den Straßen große nationalsozialistische Kräfte in Berlin festhalten

werden und daß von den ehemaligen roten Hochburgen Ham­ burg

, Kiel und Bremen kräftige Entlastungsstöße unternom­men werden. Die so zerteilten nationalsozialistischen Streit fräfte sollen fonzentrisch gefaßt, aufgerieben und Hitler restlos vernichtet werden. Weiter soll eine Spezialformation durch Versto: ung und Abriegelung des polnischen Korridors den etwaigen Zustrom nationalsozialistischer Kräfte aus Ost­ preußen zu Hitler verhindern.

Schlagartig sollen die deutschen Sender des Westens, Ham­burgs und Sachsens von den Roten besetzt und in Betrieb genommen werden und die Arbeiter und Bauern Deutsch­ lands zur Solidarität aufgerufen werden.

Das typische Merkmal der marristischen Umsturzpläne ist die behutsame Vorbereitung, die sorgfältige militärisch plan­volle Zersetzungsarbeit der deutschen Bevölkerung. Die eigentlichen Agitatoren sind nur in den allerfeltesten Fällen zu fassen, weil sie bis in die höchsten nationalsozialistischen Dienststellen ihre Leute haben, die nicht nur rechtzeitig war­nen, sondern auch mehr oder minder offen diese Staatsfeinde unterstützen.

Die Lage der NSDAP . ist keineswegs fo unerschütterlich wie allgemein angenommen wird, denn die margistische

sozialisten als von diesen verübt zu erkennen. Noch jetzt

gibt es harmlose Dummköpfe in Massen, die ernsthaft Von Dr. Max Beer glauben, der Reichstag sei von den Kommunisten als Fanal für einen kommunistischen Aufstand angezündet worden und Hitler und Göring hätten sich durch das Niederschlagen dieses Aufstandes", der niemals ferner war als im Februar 1933, um das Vaterland wohl ver­dient gemacht.

Bei den riesenhaft wachsenden Schwierigkeiten im Reiche ist bald ein neuer ,, Reichstagsbrand" fällig. Das vor­stehend veröffentlichte Schriftstück scheint Anhaltspunkte für die Methoden zu geben, nach denen diesmal gearbeitet werden soll. Nur deshalb sind solche Fantasien ernst zu nehmen Es gibt keine verbrecherische Verrücktheit, die dem nationalsozialistischen Banditentum nicht zuzutrauen wäre, wenn es darum geht, seine Macht zu erhalten und zu festigen und sei es auch nur noch für kurze Fristen

Steigende Besorgnis der Juden Feststellung der ,, Times"

London, 23. August. Der Berliner Korrespondent der Times" berichtet seinem Blatte über die Ergebnisse seiner Untersuchung der neuesten Entwicklungen in Deutschland . Er teilt u. a. mit, daß die maßgebenden jüdischen Kreise in Deutschland , die noch vor etwa sieben Monaten mit Bezug auf die jüdische Situation im dritten Reich" etwas Zuver­sicht zu fassen begannen, jetzt reservierter geworden und zweifellos von tiefer Besorgnis erfaßt sind. Der Korrespon­dent berichtet weiter, daß sich nunmehr die Kritik an dem Regime unter den Deutschen an die Oeffentlichkeit wagt. Der Hitlergruß wird immer weniger angewandt. Die armen Leute führen den Niedergang der Wirtschaft und besonders des Exports auf den Boyfott Deutschlands seitens der Auden im Ausland zurück, während die Vertreter der be­Juden im Ausland zurück, während die Vertreter der be­Hitte en Gesellschaftskreise die Stellung Deutschlands in der Welt für diese Erscheinungen nerantwortlich machen; alle aber jins verzagt und unglücklich.

Wir entnehmen diesen Abschnitt dem soeben im Polygraphischen Verlag A. G. in Zürich erschienenen Buche ,, Die auswärtige Politik des dritten Reichs". Eine ausführliche Würdigung der ausgezeichneten Arbeit werden wir folgen lassen. Wir können keine Rätsel lösen, und wir können nicht prophezeien, aber wir dürfen die Lehren zusammenfassen, die uns die auswärtige Politik des dritten Reiches" in die Zukunft mitgibt. Es ist nicht unsere Schuld, wenn ge maltigste Umwälzungen und Visionen nur außerordent lich einfache Wahrheiten zurücklassen.

Eine deutsche auswärtige Politik, die, anstatt den not* wendigen Kampf gegen Versailles zielbewußt und sach lich zu führen, in Verkennung der europäischen Wirklich keit und der diplomatischen Möglichkeiten, alle die Fehler wiederholt und steigert, die zu Versailles geführt haben, arbeitet, selbst wenn sie Deutschlands Bestes will, für die Gegner Deutschlands .

Eine deutsche auswärtige Politik, die den Völkerbunds­gedanken verneint und seine Verwirklichung nicht mit allen Kräften anstrebt, ist auf Grund aller geschichtlichen Erfahrung, auf Grund der moralischen Entwicklung Deutschlands und der Menschheit, zum Mißerfolg vera urteilt.

Eine deutsche auswärtige Politik, die einer allgemeinen internationalen Verständigung das im Weltkrieg und so oft in der Vergangenheit gescheiterte System der Kriegs­bündnisse vorzieht, ist nicht erfolgversprechender als ein anderes Hasardspiel.

Eine deutsche auswärtige Politik, die den Krieg als das entscheidende Mittel zur Reglung internationaler Streit­fälle betrachtet, müßte nicht nur im Gegensatz zu den inters nationalen Vereinbarungen stehen, die mit Deutschlands Zustimmung abgeschlossen wurden, sondern auch die Ents wicklung dieser bisher vorwiegend diplomatischen In­strumte zu einem internationalen Moralgesetz, das gerade Deutschland für seine Stellung in der Welt braucht, völlig