Jajar

Fretheil

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands  

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Nr. 198 2. Jahrgang

Saarbrücken  , Dienstag, 28. August 1934

Chefredakteur: M. Braun

Gewaltige

Freiheitskundgebung

an der Saar

Seite 3

Adolf der Fromme

Unsere Antwort auf die Rede von Ehrenbreitstein  

dasdriuz bru Und immer wir!

Bekanntlich sind wir paar Emigranten im Saargebiet

ganz einflußlose Leute, die lächerlichen Zielen nachjagen. Es ist deshalb kaum zu begreifen, daß kein national­sozialistischer Würdenträger zu einer Rede den Mund öffnen kann, ohne sich in Wut und Haß gegen uns zu äußern. Am Sonntag haben wieder fünf Prominente der Prominentesten des dritten Reichs" gegen uns gedonnert. Soweit uns bekannt geworden ist. Vermutlich wird auch noch in allen anderen nationalsozialistischen Massen­meetings, über die wir keine Berichte gelesen haben, das ,, landfremde Gesindel an der Saar  " hergenommen worden sein. Und das alles wegen ein paar ,, margistischen Deser­teuren und jüdischen Bolkszersetzern"!

In Köln   hat in Gegenwart des großen Führers" der Reichspropagandaminister mit Entrüstung" geschimpft auf die nichtswürdige Kumpanei von land- und volks: fremden Emigranten an der Saar  ", auf uns asoziale und wurzellose Existenzen", die sich der deutschen Sprache be­dienen, um dem Abbruch zu tun, was Herr Goebbels   im Gegensatz zu uns unter deutscher   Ehre" versteht. Der jaarländischen Regierungskommission sprach er seine aller höchste Unzufriedenheit aus, weil sie zu schlapp ist, um so etwas wie einen saarländischen 30. Juni zu veranstalten oder menigstens zuzulassen.

In Breslau   hat der Dr. Len, dem wir, wie allen Alkoholikern, allerdings stets mildernde Umstände zu billigen, uns wieder einmal Lumpen und Schufte" ge= nannt. Wir sind ihm stets dankbar, daß er sich so unzwei­deutig von uns zu distanzieren pflegt.

Auf der Saarkundgebung in Ehrenbreit= ite in, wo alle Welt zuhörte, drückte man sich gebildeter aus, cher auch da konnte keiner das Wort nehmen, ohne daß er über die Rheinhöhen hinweg auf seine Art zu uns nach daß er froß unserer Emigranten" fiegen werde. Da ist weiter nichts übel zu nehmen. Peinlich fühlen wir uns nur berührt, wenn ein Landfremder, der auf böhmischer Erde aus tschechischem Blut erwachsen ist, so ohne weiteres uns Deutsche  , deren Vorfahren schon vor einem halben Jahrtausend als freie Bauern deutsche Erde bebaut haben, als unser" anzusprechen sich erlaubt. Wir finden das etwas zu vertraulich.

lehnen wird: Wir haben bloß eine reinliche Trennung durch. Warum Papen nicht sprach

geführt zwischen der Politif, die sich mit irdischen

Dingen beschäftigt, und der Religion, die sich mit über­irdischen Dingen beschäftigen muß." Jede Religion er- Auf einen Wink Frankreichs  lichen Lebens zu durchdringen, was nicht zu hebt den Anspruch, alle Beziehungen des mensch­saubere gesetzliche Trennung von Kirche und Staat wünschen. Gerade diese Trennung aber hat Hitler   nicht durchgeführt. Der Reichsbischof der evangelischen Kirche fühlt sich als Be­

auftragter des sehr irdischen totalitären Staates der Natio­nalsozialisten.

Hitler  , der mit einer landläufigen platten Phrase der Religion nur überirdische Dinge" zuweift, reserviert den Kirchen aber dennoch so irdische Dinge wie Kirchensteuern mit dem Gerichtsvollzieher und staatliche Subventionen von vielen Millionen Reichsmart für Pfarrergehälter und Pfarrerpenfionen.

Paris  , 28. August. Wie wir aus diplomatischen Kreisen hören, hat die Tats sache, daß Herr von Papen als Redner in Ehrenbreitstein  genannt wurde, hier außerordentliche Verwunderung er= regt. Wenn man auch Herrn von Popen das Recht zubilligt, an dieser Veranstaltung teilzunehmen, so kann man doch nicht begreifen, wie er es mit seiner Stellung als dentscher Gesandter in Wien  , also einer rein diplomatischen Mission, vereinbaren könnte, bei einer rein politischen Kundgebung, die noch dazu in erheblichem Maße gegen Frankreich   gerichtet sei, sich rednerisch zu betätigen. Wladimir d'Ormesson   sprach im Figaro" in diesem Zusammenhang von einer diploma­tischen Unart". Wenn ein Diplomat, so sagt er, bei einer

Die volle Unterwerfung der überirdischen" Religion unter Propagandakundgebung als Redner auftrete, so sei das ein

den faschistischen Staat ist überhaupt erst die Vorausseßung dafür, daß die Kirchen toleriert werden. Das scheinen uns sehr irdische Geschäfte zu sein. Da der Reichskanzler durchaus als positiver Christ bewertet fein will, fordert er als Katho= lif einige Fragen heraus. Wann hat der angeblich so treue Sohn der katholischen Kirche   zum letzten Male seine firch­lichen Pflichten erfüllt? Wann etwa zum letzten Male kom= muniziert?

Wann und wo hat er über den blutigen, mörderischen 30. Juni gebeichtet und ist ihm das tröstliche absolvo te aus priesterlichem Munde gesprochen worden?

Auch für die Ermordung der Katholikenführer Klausener und Probst, seiner als Märtyrer durch Beauftragte des fatho­lischen Reichsfanzlers gerichtete" Glaubensgenossen? Wurde der Katholik Hitler   auch absolviert für die wider strenge katholische Gebote durch seine Mietlinge erfolgte Einäsche­rung der Ermordeten? Oder gelten für den sogenannten Führer aller Deutschen   besondere firchliche Geseze? Es

wäre eine Beleidigung des Heiligen Vaters, das anzu­seiner Kirche. Wenn er mit frommem Augenaufschlag uns

nehmen. Der Katholik Hitler   untersteht also den Gesetzen

religiöse Predigten halten will, fragen wir ihn: Wie steht es so eifrigen positiven Christen wie Hitler   und Goebbels  , der mit der Erfüllung Deiner religiösen Pflichten? Wir sehen nach den Geboten der katholischen Kirche   in Todsünde lebt, nicht nur auf den Mund, sondern auf die Hände, und die zeigen nicht erst seit dem 30. Juni Spuren, die mit keinerlei religiösen Anschauungen zu vereinbaren sind. Aspirationen auf die Heiligsprechung scheinen uns weder

Die anderen Redner in Ehrenbreitstein   gingen natürlich Sitler noch Goebbels   noch andere Katholiken" der national­anders los. Der Staatsrat Simon sieht in jenen Emi­granten und Separatisten" vor allen Dingen Verräter an den Gefallenen des Weltkrieges". Der neue Saar­kommissar Staatsrat und Gauleiter Bürckel   nennt uns ,, baterlandslose Spekulanten". Uebersehen und übergehen kann uns keiner.

sozialistischen Führer erheben zu können. Uns scheint viel­mehr, daß ihnen die ewige Verdammnis sicher ist. Hat nicht der Katholik Hitler   den erklärten Todfeind des Katholizis­mus Rosenberg zum obersten Lehrer der nationalsozialisti­schen Weltanschauung" gemacht. Diesen Rosenberg, der in seinem überall in deutschen   Schulen als Erziehungsgrundlage benutzten Buche Der Mythos des 20. Jahrhunderts"

die katholischen   Lehren auf eine Stufe setzt mit dem Wunderglauben von Kannibalen und den Papst nicht höher einschätzt als die Medizinmänner" der Primitiven. Der Herr katholische Reichskanzler unterschäßt die wirk­lichen Katholiken in ihrer Urteilskraft doch sehr bedenklich, wenn er sie mit einigen rednerischen Formeln beruhigen will, die nichts anderes sind als längst überholte liberale Seicht­

Mit Erstaunen wird die Welt einen vermißt haben, der für die Saarkundgebung am Rhein   als Redner ange­kündigt war: der Vizekanzler a. D. von Papen, Gesandter und bevollmächtigter Minister in Desterreich. Er ist leider ganz plötzlich so schwer erkrankt, daß er die kleine und be­queme Fahrt von seinem Gute Wallerfangen   bei Saar­Sonntag selbst war von dieser anscheinend lebensgefähr beuteleien. lichen Erkrankung denn sonst hätte sich der Saarländer  von Papen gewiß die Beteiligung am großen Treueschwur nicht nehmen lassen nichts bekannt. Erst am Montag erfährt man den gesundheitlichen Zusammenbruch des Herrn von Papen. Vielleicht wird sich sein Zustand wieder ihm am 30. Juni von Parteigenossen seines geliebten Führers ausgeschlagen worden sind.

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Die war banal und ent­täuschte alle, die außenpolitisch irgendwelche Erklärungen erwartet hatten. Wir nehmen uns die Rede nur vor, um wieder einmal die Oberflächlichkeit und die Haltlosigkeit, auch die demagogische Unehrlichkeit aufzuzeigen, die Haupteigenschaften des sogenannten Führers aller

Deutschen   sind.

Seine Worte- Seine Werke

Da Hitler   um die in ihrer großen Mehrheit katholische Saarbevölkerung wirbt, hat er es diesmal sehr mit der

Ner Führer aller Deutschen  " gab sich dann etliche Mühe, den Gratis- Rheinreisenden auch einiges von den herrlichen Zeiten zu erzählen, in die es das deutsche Volf teils schon tief hineingeführt hat und noch immer tiefer hineinzuführen bestrebt ist. Mit so irdischen" Dingen wie Handels-, Zah­lungs- und Devisenbilanz beschäftigte er sich dabei nicht. Er wir viel zu rücksichtsvoll, den guten Leuten die fröhliche

Rheinlaune zu verderben. Dennoch war er so unvorsichtig,

an zwei Stellen seiner Rede aus seinem überirdischen Himmelflug in der irdischen Wirklichkeit vorübergehend zu

landen. Zunächst bei der Kriminalstatistik. Er berichtete, daß weniger Kriminelle gezählt werden als früher. Das ist die lautere Wahrheit. Die Kriminalistik ist gründlich gesäubert, weil sie die in der SS  . und in der SA. tätigen Kriminellen nicht erfassen kann.

Seit dem 30. Januar 1988 find in Deutschland   Sunderts tausende Spitzbuben, Defraudanten, Sittlichkeitsverbrecher, Berleumder, Einbrecher, Totschläger und Mörder straffrei geblieben, weil sie der Partei des deutschen   Reichskanzlers angehörten, weil ihre Untaten nachträglich für rechtens" erklärt oder im Uebereifer für den nationalistischen Staat geschehen amnestiert wurden.

Wir sind bereit, für diese Behauptung vor jedem gleichge­religiöse Mensch, gleich welcher Konfession, entschieden ab- schalteten Richter im Saargebiet den Beweis der Wahrheit

Abweichen von den diplomatischen Bräuchen, das man un= möglich dulden könne. Papens Auftreten als Redner in Ehrenbreitstein   sei nicht als Sonderfall zu betrachten. Es hondele sich um ein Prinzip.

Die französische   Regierung sollte keine Zeit verlieren,#m in Berlin   und in den andern ausländischen Hauptstädten wissen zu lassen, daß sie in der offiziellen Teilnahme des deutschen   Gesandten in Desterreich an der Propagandakund­gebung in Koblenz   ein Abweichen von den grund= säglichsten diplomatischen Sitten sehe, und daß dieses Vorgehen sehr schnell internationale Auseinanders sezungen nach sich ziehen würde.

Ein solcher Schritt ist, wie wir hören, durch Vermittlung des deutschen   Botschafters in Paris   erfolgt. Herr von Papen wurde, im Einverständnis mit dem Führer, zum Berzicht auf seine Rede veranlaßt. Das war seine Er franfung".

anzutreten. Die Frist bis zum Abstimmungstermin am 13. Januar würde nicht ausreichen, auch nur ein Zehntel des Heeres von Zeugen zu vernehmen, die dem deutschen   Reichs­kanzler die Kriminalität in seinem Reiche aufzeigen würden. Niemals sind in unserem Deutschland   in Jahr en soviel gemeine und viehische Morde begangen worden wie in dem Deutschland   Adolf Hitlers   an einem Tage, ant 30. Juni, und über alle diese Mörder hat der oberste Ge­richtsherr schüßend seine Hand gehalten.

Wirtschaftlich hat der Reichskanzler den Saarländern leider gar nichts Verlockendes zu bieten. Nur das angebliche Sinten der Erwerbslosenziffer in Deutschland  . Aber auch da hütete sich der Reichskanzler Vergleiche zwischen der Erwerbslosigkeit, der Kurzarbeit, den Feierschichten und den Löhnen im Reich und dem Saargebiet zu ziehen.

Troß aller Retouchierungskünfte hätte er nämlich sonst zu dem Ergebnis kommen müssen, daß noch immer das saar: ländische Arbeitsvolk troß seiner nicht geringen wirtschaft­lichen Bedrängnis weit über den Arbeits- und Eins kommensverhältnissen in Hitlerdeutschland steht. Uebrigens vergaß der Reichskanzler selbstverständlich, oaẞ unter der legten marristisch beeinflußten Reichsregierung Hermann Müller   die Erwerbslosigkeit geringer war, als sie selbst nach den gefälschten amtlichen Statistiken jetzt noch in Deutschland   ist. Und wie hat der Reichskanzler seine Ver­minderung der Erwerbslosigkeit erreicht? Durch Lohn­senfungen für die Arbeiter und Staatssubventionen an die Unternehmer, durch Arbeitsstreckung und Zwangsarbeit zu Sklavenlöhnen, durch eine aus staatlichen Mitteln mit faulen Arbeitsbeschaffugnswechseln an die Reichsbank finanzierte Rüstungs- und Binnenfonjunktur, die jeßt aus Mangel an Rohstoffen zusammenbricht, durch eine Verschleuderung der Gold- und Devisenbestände bis zum Nullpunkt und durch einen autarkischen Wirtschaftswahn, der uns zwei Drittel des deutschen   Erports gekostet hat.

Darin hat der Reichskanzler allerdings recht, daß keine Regierung vor ihm diesen Weg zum Nuin der deutschen  Wirtschaft gegangen ist. Vor ihm war kein deutscher   Reichs: fanzler so unwissend und so gewissenlos, um der Parteis demagogie solche Triumphe und dem deutschen   Arbeits­volt solche verheerenden wirtschaftlichen Niederlagen zu bereiten.

Und dieser Führer zum deutschen   Reichsbankrott nimmt sich heraus, auch in dieser Rede anzukündigen, daß Deutschland  fich von der Weltwirtschaft loslösen werde, wenn die anderen sich nicht zu den hohen Einsichten des Herrn Adolf Hitler   aus Braunau   am Inn   bekennen sollten. Da kennen fie

uns schlecht," brüllte er, daß die Lautsprecher, sitterten. Wir vermuten, er kennt die anderen schlecht. Um so weniger