Jajar
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Nr. 198 2. Jahrgang
Chefredakteur: M. Braun
Gewaltige
Freiheitskundgebung
an der Saar
Seite 3
dasdriuz bru Und immer wir!
Bekanntlich sind wir paar Emigranten im Saargebiet
ganz einflußlose Leute, die lächerlichen Zielen nachjagen. Es ist deshalb kaum zu begreifen, daß kein nationalsozialistischer Würdenträger zu einer Rede den Mund öffnen kann, ohne sich in Wut und Haß gegen uns zu äußern. Am Sonntag haben wieder fünf Prominente der Prominentesten des dritten Reichs" gegen uns gedonnert. Soweit uns bekannt geworden ist. Vermutlich wird auch noch in allen anderen nationalsozialistischen Massenmeetings, über die wir keine Berichte gelesen haben, das ,, landfremde Gesindel an der Saar " hergenommen worden sein. Und das alles wegen ein paar ,, margistischen Deserteuren“ und„ jüdischen Bolkszersetzern"!
In Köln hat in Gegenwart des großen„ Führers" der Reichspropagandaminister„ mit Entrüstung" geschimpft auf die nichtswürdige Kumpanei“ von„ land- und volks: fremden Emigranten an der Saar ", auf uns„ asoziale und wurzellose Existenzen", die sich der deutschen Sprache bedienen, um dem Abbruch zu tun, was Herr Goebbels im Gegensatz zu uns unter deutscher Ehre" versteht. Der jaarländischen Regierungskommission sprach er seine aller höchste Unzufriedenheit aus, weil sie zu schlapp ist, um so etwas wie einen saarländischen 30. Juni zu veranstalten oder menigstens zuzulassen.
In Breslau hat der Dr. Len, dem wir, wie allen Alkoholikern, allerdings stets mildernde Umstände zu billigen, uns wieder einmal„ Lumpen und Schufte" ge= nannt. Wir sind ihm stets dankbar, daß er sich so unzweideutig von uns zu distanzieren pflegt.
Auf der Saarkundgebung in Ehrenbreit= ite in, wo alle Welt zuhörte, drückte man sich gebildeter aus, cher auch da konnte keiner das Wort nehmen, ohne daß er über die Rheinhöhen hinweg auf seine Art zu uns nach daß er„ froß unserer Emigranten" fiegen werde. Da ist weiter nichts übel zu nehmen. Peinlich fühlen wir uns nur berührt, wenn ein Landfremder, der auf böhmischer Erde aus tschechischem Blut erwachsen ist, so ohne weiteres uns Deutsche , deren Vorfahren schon vor einem halben Jahrtausend als freie Bauern deutsche Erde bebaut haben, als„ unser" anzusprechen sich erlaubt. Wir finden das etwas zu vertraulich.
lehnen wird:„ Wir haben bloß eine reinliche Trennung durch. Warum Papen nicht sprach
geführt zwischen der Politif, die sich mit irdischen
Dingen beschäftigt, und der Religion, die sich mit überirdischen Dingen beschäftigen muß." Jede Religion er- Auf einen Wink Frankreichs lichen Lebens zu durchdringen, was nicht zu hebt den Anspruch, alle Beziehungen des menschsaubere gesetzliche Trennung von Kirche und Staat wünschen. Gerade diese Trennung aber hat Hitler nicht durchgeführt. Der Reichsbischof der evangelischen Kirche fühlt sich als Be
auftragter des sehr irdischen totalitären Staates der Nationalsozialisten.
Hitler , der mit einer landläufigen platten Phrase der Religion nur überirdische Dinge" zuweift, reserviert den Kirchen aber dennoch so irdische Dinge wie Kirchensteuern mit dem Gerichtsvollzieher und staatliche Subventionen von vielen Millionen Reichsmart für Pfarrergehälter und Pfarrerpenfionen.
Paris , 28. August. Wie wir aus diplomatischen Kreisen hören, hat die Tats sache, daß Herr von Papen als Redner in Ehrenbreitstein genannt wurde, hier außerordentliche Verwunderung er= regt. Wenn man auch Herrn von Popen das Recht zubilligt, an dieser Veranstaltung teilzunehmen, so kann man doch nicht begreifen, wie er es mit seiner Stellung als dentscher Gesandter in Wien , also einer rein diplomatischen Mission, vereinbaren könnte, bei einer rein politischen Kundgebung, die noch dazu in erheblichem Maße gegen Frankreich gerichtet sei, sich rednerisch zu betätigen. Wladimir d'Ormesson sprach im Figaro" in diesem Zusammenhang von einer„ diplomatischen Unart". Wenn ein Diplomat, so sagt er, bei einer
Die volle Unterwerfung der„ überirdischen" Religion unter Propagandakundgebung als Redner auftrete, so sei das ein
den faschistischen Staat ist überhaupt erst die Vorausseßung dafür, daß die Kirchen toleriert werden. Das scheinen uns sehr irdische Geschäfte zu sein. Da der Reichskanzler durchaus als positiver Christ bewertet fein will, fordert er als Katho= lif einige Fragen heraus. Wann hat der angeblich so treue Sohn der katholischen Kirche zum letzten Male seine firchlichen Pflichten erfüllt? Wann etwa zum letzten Male kom= muniziert?
Wann und wo hat er über den blutigen, mörderischen 30. Juni gebeichtet und ist ihm das tröstliche absolvo te aus priesterlichem Munde gesprochen worden?
Auch für die Ermordung der Katholikenführer Klausener und Probst, seiner als Märtyrer durch Beauftragte des fatholischen Reichsfanzlers gerichtete" Glaubensgenossen? Wurde der Katholik Hitler auch absolviert für die wider strenge katholische Gebote durch seine Mietlinge erfolgte Einäscherung der Ermordeten? Oder gelten für den sogenannten Führer aller Deutschen besondere firchliche Geseze? Es
wäre eine Beleidigung des Heiligen Vaters, das anzuseiner Kirche. Wenn er mit frommem Augenaufschlag uns
nehmen. Der Katholik Hitler untersteht also den Gesetzen
religiöse Predigten halten will, fragen wir ihn: Wie steht es so eifrigen positiven Christen wie Hitler und Goebbels , der mit der Erfüllung Deiner religiösen Pflichten? Wir sehen nach den Geboten der katholischen Kirche in Todsünde lebt, nicht nur auf den Mund, sondern auf die Hände, und die zeigen nicht erst seit dem 30. Juni Spuren, die mit keinerlei religiösen Anschauungen zu vereinbaren sind. Aspirationen auf die Heiligsprechung scheinen uns weder
Die anderen Redner in Ehrenbreitstein gingen natürlich Sitler noch Goebbels noch andere„ Katholiken" der nationalanders los. Der Staatsrat Simon sieht in jenen Emigranten und Separatisten" vor allen Dingen„ Verräter an den Gefallenen des Weltkrieges". Der neue Saarkommissar Staatsrat und Gauleiter Bürckel nennt uns ,, baterlandslose Spekulanten". Uebersehen und übergehen kann uns keiner.
sozialistischen Führer erheben zu können. Uns scheint vielmehr, daß ihnen die ewige Verdammnis sicher ist. Hat nicht der Katholik Hitler den erklärten Todfeind des Katholizismus Rosenberg zum obersten Lehrer der nationalsozialistischen Weltanschauung" gemacht. Diesen Rosenberg, der in seinem überall in deutschen Schulen als Erziehungsgrundlage benutzten Buche„ Der Mythos des 20. Jahrhunderts"
die katholischen Lehren auf eine Stufe setzt mit dem Wunderglauben von Kannibalen und den Papst nicht höher einschätzt als die„ Medizinmänner" der Primitiven. Der Herr katholische Reichskanzler unterschäßt die wirklichen Katholiken in ihrer Urteilskraft doch sehr bedenklich, wenn er sie mit einigen rednerischen Formeln beruhigen will, die nichts anderes sind als längst überholte liberale Seicht
Mit Erstaunen wird die Welt einen vermißt haben, der für die Saarkundgebung am Rhein als Redner angekündigt war: der Vizekanzler a. D. von Papen, Gesandter und bevollmächtigter Minister in Desterreich. Er ist leider ganz plötzlich so schwer erkrankt, daß er die kleine und bequeme Fahrt von seinem Gute Wallerfangen bei SaarSonntag selbst war von dieser anscheinend lebensgefähr beuteleien. lichen Erkrankung denn sonst hätte sich der Saarländer von Papen gewiß die Beteiligung am großen Treueschwur nicht nehmen lassen nichts bekannt. Erst am Montag erfährt man den gesundheitlichen Zusammenbruch des Herrn von Papen. Vielleicht wird sich sein Zustand wieder ihm am 30. Juni von Parteigenossen seines geliebten Führers ausgeschlagen worden sind.
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Die war banal und enttäuschte alle, die außenpolitisch irgendwelche Erklärungen erwartet hatten. Wir nehmen uns die Rede nur vor, um wieder einmal die Oberflächlichkeit und die Haltlosigkeit, auch die demagogische Unehrlichkeit aufzuzeigen, die Haupteigenschaften des sogenannten Führers aller
Seine Worte- Seine Werke
Da Hitler um die in ihrer großen Mehrheit katholische Saarbevölkerung wirbt, hat er es diesmal sehr mit der
Ner„ Führer aller Deutschen " gab sich dann etliche Mühe, den Gratis- Rheinreisenden auch einiges von den herrlichen Zeiten zu erzählen, in die es das deutsche Volf teils schon tief hineingeführt hat und noch immer tiefer hineinzuführen bestrebt ist. Mit so irdischen" Dingen wie Handels-, Zahlungs- und Devisenbilanz beschäftigte er sich dabei nicht. Er wir viel zu rücksichtsvoll, den guten Leuten die fröhliche
Rheinlaune zu verderben. Dennoch war er so unvorsichtig,
an zwei Stellen seiner Rede aus seinem überirdischen Himmelflug in der irdischen Wirklichkeit vorübergehend zu
landen. Zunächst bei der Kriminalstatistik. Er berichtete, daß weniger Kriminelle gezählt werden als früher. Das ist die lautere Wahrheit. Die Kriminalistik ist gründlich gesäubert, weil sie die in der SS . und in der SA. tätigen Kriminellen nicht erfassen kann.
Seit dem 30. Januar 1988 find in Deutschland Sunderts tausende Spitzbuben, Defraudanten, Sittlichkeitsverbrecher, Berleumder, Einbrecher, Totschläger und Mörder straffrei geblieben, weil sie der Partei des deutschen Reichskanzlers angehörten, weil ihre Untaten nachträglich für„ rechtens" erklärt oder im Uebereifer für den nationalistischen Staat geschehen amnestiert wurden.
Wir sind bereit, für diese Behauptung vor jedem gleichgereligiöse Mensch, gleich welcher Konfession, entschieden ab- schalteten Richter im Saargebiet den Beweis der Wahrheit
Abweichen von den diplomatischen Bräuchen, das man un= möglich dulden könne. Papens Auftreten als Redner in Ehrenbreitstein sei nicht als Sonderfall zu betrachten. Es hondele sich um ein Prinzip.
Die französische Regierung sollte keine Zeit verlieren,#m in Berlin und in den andern ausländischen Hauptstädten wissen zu lassen, daß sie in der offiziellen Teilnahme des deutschen Gesandten in Desterreich an der Propagandakundgebung in Koblenz ein Abweichen von den grund= säglichsten diplomatischen Sitten sehe, und daß dieses Vorgehen sehr schnell internationale Auseinanders sezungen nach sich ziehen würde.
Ein solcher Schritt ist, wie wir hören, durch Vermittlung des deutschen Botschafters in Paris erfolgt. Herr von Papen wurde, im Einverständnis mit dem Führer, zum Berzicht auf seine Rede veranlaßt. Das war seine„ Er franfung".
anzutreten. Die Frist bis zum Abstimmungstermin am 13. Januar würde nicht ausreichen, auch nur ein Zehntel des Heeres von Zeugen zu vernehmen, die dem deutschen Reichskanzler die Kriminalität in seinem Reiche aufzeigen würden. Niemals sind in unserem Deutschland in Jahr en soviel gemeine und viehische Morde begangen worden wie in dem Deutschland Adolf Hitlers an einem Tage, ant 30. Juni, und über alle diese Mörder hat der oberste Gerichtsherr schüßend seine Hand gehalten.
Wirtschaftlich hat der Reichskanzler den Saarländern leider gar nichts Verlockendes zu bieten. Nur das angebliche Sinten der Erwerbslosenziffer in Deutschland . Aber auch da hütete sich der Reichskanzler Vergleiche zwischen der Erwerbslosigkeit, der Kurzarbeit, den Feierschichten und den Löhnen im Reich und dem Saargebiet zu ziehen.
Troß aller Retouchierungskünfte hätte er nämlich sonst zu dem Ergebnis kommen müssen, daß noch immer das saar: ländische Arbeitsvolk troß seiner nicht geringen wirtschaftlichen Bedrängnis weit über den Arbeits- und Eins kommensverhältnissen in Hitlerdeutschland steht. Uebrigens vergaß der Reichskanzler selbstverständlich, oaẞ unter der legten marristisch beeinflußten Reichsregierung Hermann Müller die Erwerbslosigkeit geringer war, als sie selbst nach den gefälschten amtlichen Statistiken jetzt noch in Deutschland ist. Und wie hat der Reichskanzler seine Verminderung der Erwerbslosigkeit erreicht? Durch Lohnsenfungen für die Arbeiter und Staatssubventionen an die Unternehmer, durch Arbeitsstreckung und Zwangsarbeit zu Sklavenlöhnen, durch eine aus staatlichen Mitteln mit faulen Arbeitsbeschaffugnswechseln an die Reichsbank finanzierte Rüstungs- und Binnenfonjunktur, die jeßt aus Mangel an Rohstoffen zusammenbricht, durch eine Verschleuderung der Gold- und Devisenbestände bis zum Nullpunkt und durch einen autarkischen Wirtschaftswahn, der uns zwei Drittel des deutschen Erports gekostet hat.
Darin hat der Reichskanzler allerdings recht, daß keine Regierung vor ihm diesen Weg zum Nuin der deutschen Wirtschaft gegangen ist. Vor ihm war kein deutscher Reichs: fanzler so unwissend und so gewissenlos, um der Parteis demagogie solche Triumphe und dem deutschen Arbeitsvolt solche verheerenden wirtschaftlichen Niederlagen zu bereiten.
Und dieser Führer zum deutschen Reichsbankrott nimmt sich heraus, auch in dieser Rede anzukündigen, daß Deutschland fich von der Weltwirtschaft loslösen werde, wenn die anderen sich nicht zu den hohen Einsichten des Herrn Adolf Hitler aus Braunau am Inn bekennen sollten. Da kennen fie
uns schlecht," brüllte er, daß die Lautsprecher, sitterten. Wir vermuten, er kennt die anderen schlecht. Um so weniger