Die Schweiz will nicht erlöst werden 24

Paris , 27. August.

Von unserem Korrespondenten Der Genfer Sonderberichterstatter des Jour", Michel Pobers, spricht in diesem Blatte von der Gefräßigkeit der Nazis", die die Schweizer für ihre Neutralität fürchten lasse und sie zwinge, ihre Abwehrmittel zu verstärken.

Am Schnittpunkt Mittel- und Westeuropas gelegen, Nach­barin dreier Diktaturländer, sei der kleinen Schweizer De­mokratie durchaus nicht wohl zumute. Sehr groß sei das Mißtrauen besonders der Bewohner der deutschsprachigen Kantone gegenüber der Politik des dritten Reiches".

Troß aller Freundschaftsbeteuerungen der Hitlerregierung sprächen zahlreiche alldeutsche Veröffentlichungen von der alemannischen Schweiz als einer Sektion des Deutschtums, die mit dem Deutschland von morgen vereinigt werden müsse. Man habe nicht gewisse Kundgebungen, z. B. die von Lör­ rach vergessen wenige Kilometer von der Schweizer Grenze wo man eine Abteilung Nazis mit dem Bundes­banner habe beobachten können, welche die deutschen Brü­der, die vom Mutterlande abgetrennt" seien, dargestellt hät­ten. Vergessen habe man auch nicht die Bildung einer Schwei­ zer Sturmabteilung in Berlin , die unter Führung eines dunklen Abenteurers stehe. Die zahlreichen Grenzzwischen­fälle hätten Anlaß zu einer Demarche des Bundespräsiden= ten Motta bei Herrn von Neurath gegeben. Der Pressekon flift- da die meisten Schweizer Zeitungen in Deutschland verboten seien, habe der Bundesrat seinerseits den Ver­trieb des Völkischen Beobachters" und andrer Hitlerblätter

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Der Mord am Rhein Nazipresse gibt ihn zu

Mannheim , 28. August. Die Straßburger katholische Zei­tung Elsässer Bote" veröffentlichte vor mehreren Tagen Beobachtungen, die ein Fischer auf der französischen Seite des Rheins am Kilometerstein 135,400 gemacht hatte: Der Fischer sah am gegenüberliegenden badischen Rheinufer sie­ben Männer auftauchen, von denen drei die Uniform der Nazis trugen. Die drei Uniformierten schlugen auf einen jungen Mann mit schweren Knüppeln ein. Der Unglückliche schrie mehrmals: Mama!"," Mama!" und rollte dann be= wußtlos die Böschung hinab... Der Mann fiel in den Rhein und wurde von der Strömung abgetrieben... Die Mörder beseitigten nach vollbrachter Tat in aller Ruhe die Blut­spuren und entfernten sich." Das Mannheimer Hafenfreuz­: ner" ver, ut Bericht ut cementieren und-be­stätigt ihn: Ein junger, etwas beschränkter Bursche von 18 Jahren... war von einigen Bauern dabei ertappt worden, als er in den Feldern am Rheinufer Rüben ausriß. Da dies nicht der erste schlechte Streich war, den der Bursche den betreffenden Landwirten spielte, fielen diese in ihrem Zorn über ihn her und verabreichten ihm eine gehörige Tracht Prügel. Die ergrimmten Bauern warfen dann den jungen Freymüller... in den Rhein ." Das Blatt behauptet, die Bauern hätten gewußt, daß der Junge schwim­men fonnte und sagt weiter, daß er wieder ans badische Ufer gelangt sei. Er nahm dann die Beine in die Hand, um sei­

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untersagen müssen habe die öffentliche Meinung sehr

Darstellung des entscheidenden Abschnitte der zeitgenössischen Geschichte. Es ist ein poli­tisch hochaktuelles und gleichzeitig historisch abgerundetes Werf.

erregt. Die Tätigkeit gewisser Hitleragenten, die die polis BRIEFKASTEN

tischen Flüchtlinge überwachten und eine recht ungeschickte Propaganda trieben, habe etwa zehn Ausweisungen möglich gemacht.

Eine Tatsache, die für die Methoden der Hitlerpropaganda in der Schweiz ziemlich bezeichnend sei, sei kürzlich von der Basler Nationalzeitung" aufgedeckt worden: es zeige sich, daß ein in einem großen Schweizer Wochenblatt erschienener Artikel, der den Gedanken der Schaffung von Befestigungen an der Schweizer Nordgrenze bekämpft habe, nur eine Wie­dergabe von entsprechenden Artikeln gewesen sei, die in der deutschen Presse erschienen seien...

Endlich habe und das habe am meisten die öffentliche Meinung Deutschland gegenüber beeinflußt die Schweizer Polizei am 24. Jult, einen Tag vor dem Mord an demt Bundeskanzler Dollfuß und dem Wiener Putsch geschmug­gelte Explosivstoffe entdeckt, die auf dem Bodensee von Deutschland nach Desterreich hätten geschafft werden sollen. Man müsse bis in die Kriegsjahre zurückgehen, um eine ähnliche brutale Verletzung der Souveränität der Schweiz zu finden. Der Schweizer Bundesrat habe deshalb in Berlin Schritte unternommen. Die von der Polizei von St. Gallen festgenommenen Verbrecher würden im Herbst vor Gericht erscheinen. Der Prozeß werde nur das Bewußtsein der Ge­fahr verstärken, die die neuen Methoden der auswärtigen Politik Deutschlands für die Schweizer Neutralität bedeu­teten.

nen erzürnten Verfolgern zu entfommen", womit das ,, Hakenkreuzbanner" zugibt, daß der Junge auch nach seiner unerwarteten Rettung vor der nationalsozialistischen Terror= folonne nicht sicher war und daß es nicht ihr Verdienst war, wenn es schließlich bei den Mißhandlungen und dem Mord­versuch geblieben ist.

Ein außenpolitisches Buch

Die Auswärtige Politik des Dritten Reiches . Von Dr. Max Beer . 171 Seiten, Preis: brosch. Fr. 5,-, in Leinwand gebunden Fr. 7,-. Polygraphischer Verlag A.-G., Zürich . 1934.

Selten läßt sich von einem Buche mit größerer Berechti­gung sagen, daß es zur richtigen Stunde erscheint, eine empfindliche Lücke ausfüllt und eine Tat ist:

Die auswärtige Politik des dritten Reiches" in folge= richtiger Zusammenfassung, übersichtlich und knapp, in fla­rem Aufbau der wesentlichen Tatsachen und Gedankengänge, mit ernster Ruhe und doch mit großem Schwung dargestellt, aus der Feder eines international anerkannten politischen Schriftstellers, der als hoher Völkerbundsbeamter in der Stresemann - Zeit, als publizistischer und außenpolitischer Ratgeber fast aller früheren deutschen Regierungen seit der Kriegszeit, in diplomatischen und journalistischen Streisen eine Autorität ist. Während des Krieges wurde er als Ver­fasser von Werken über den Kriegsursprung und die Kriegs­ziele bekannt, in denen er lebhaft die deutsche Politik ver­teidigte. Vor zwei Jahren erregte sein Völkerbundsbuch " Die Reise nach Genf " Aufsehen.

Auch die Schrift über die Auswärtige Politik des dritten Reiches", wenn sie auch in erster Linie ein sachlich und historisch eingestelltes Wert ist, geht von starf nationaler Gesinnung aus. Es ist die Arbeit eines deutschen Politikers, der aus seiner reichen außenpolitischen Erfah­rung schöpft, um das Land vor der Katastrophe zu warnen. Denn das Bild, das er von der deutschen Außenpolitik zeich­net, ist bei aller Mäßigkeit erschütternd. Wir erleben zunächst in großen Zügen die mühsame Wiederaufbaupolitik der Ersten Deutschen Republik", um dann in die überschwäng­lichen Visionen der außenpolitischen Doktrine des dritten Reiches" eingeführt zu werden. Wir erhalten einen fesseln den Einblick in die außenpolitische Propaganda und den außenpolitischen Apparat des neuen Deutschlands . In packen­den Schilderungen ziehen hierauf die sichtbarsten Mißerfolge der neuen Außenpolitif an uns vorüber: Der Austritt aus dem Völkerbund, der Bruch mit der Minderheitenpolitik und der Korridorpolitif, das Ringen um die Saarabstimmung, der österreichisch - deutsche Bruderkrieg bis nach dem Tode des Kanzlers Dollfuß . In sorgfältiger Analyse werden dann die außenpolitischen Initiativen des dritten Reiches", die als Erfolg wirfen konnten, geprüft und negativ beurteilt; das Konkordat, der Viermächepakt, das Polenprotokoll und die Wehrpolitif, deren gerechte Forderungen nachdrücklich unterstrichen, auf deren Gefahren aber flarblickend hinge­wiesen wird.

Auf die großen politischen Zusammenhänge eingehend, be­leuchtet der Verfasser schließlich kritisch die Stellung des ,, dritten Reiches" innerhalb des europäischen Systems, vor= nehmlich sein Verhältnis zu Rußland , Italien , England, Frankreich . Er erreicht den Höhepunkt seiner Darstellung mit einer hinreißenden Schilderung der gerade für das Reich verhängnisvollen Großen Illuſion": Bündnispolitisches Denken statt völkerbundliches Denken. Nach eindrucks­vollen Formulierungen der wesentlichen Forderungen einer gesunden, europäisch eingestellten deutschen Außenpolitif, endet das scharfsinnige und aufwühlende Buch mit dem Tode Hindenburgs und der Uebernahme der Gesamtmacht durch Adolf Hitler . So bietet es eine in sich abgeschlossene

K. R., Brüssel . Der Chef des Ausländer- Departements beim bef gischen Justizministerium erklärte dem JTA.- Vertreter, Belgien set nicht mehr in der Lage, weitere Flüchtlinge aus Deutschland auf­zunehmen. Flüchtlinge, die in Belgien einer Beschäftigung nach­gehen, werden sofort des Landes verwiesen, es sei denn, daß sie neue Industriezweige in Belgien begründen. Gegenwärtig leben in Belgien etwa 1000 bis 1200 Flüchtlinge aus Deutschland .

2. v. C. Wir danken Ihnen für die Uebersendung des Posener Tageblattes", das bisher unbekanntes Material zur Familien­geschichte Hindenburgs veröffentlicht. Danach wählte der Vater des Generalfeldmarschalls beim Eintritt in das preußische Heer gerade ein Posener Regiment, weil in dieser Stadt zwei seiner Schwestern lebten, die beide nacheinander mit dem dortigen Medizinalrat Eduard Cohen verheiratet waren, der in London geboren war und sich später nach einem früheren holländischen Wohnort seiner Vor­fahren Cohan van Baren nannte. Mütterlicherseits stammte Hinden­ burg u. a. von der Posener halbjüdischen Kaufmannsfamilie Berger. Die von Angehörigen dieser Familie Berger errichteten zahlreichen wohltätigen Stiftungen bestehen heute noch und sind dadurch all­gemein bekannt, daß ihre Nutzung ausdrücklich Angehörigen jeder Nationalität und Konfession zugute fommen soll. Der letzte männ liche Vertreter der Familie Berger war um die Mitte des vorigen Jahrhunderts zusammen mit den Pojener Stadtverordneten Jaffe und Kazz Führer der Liberalen Partei in seiner Provinz und lang­jähriger Landtagsabgeordneter.

Gastfreund in der Schweiz ". Sie schreiben uns sarkastisch: End­lich ist es nun doch an der Zeit, daß den ausländischen Greuel­märchen bezüglich der Unwahrhaftigkeit der amtlichen deutschen Mel­dungen, die Erfolge in der Hitlerschen Arbeitsbeschaffungsschlacht be­treffend, entgegengetreten wird. Man muß auch mal, der Wahr­heit die Ehre geben, von den Siegen und Erfolgen sprechen, welche bis über die Grenzen Deutschlands hinaus, also sogar im Auslande, erstritten sind! So wurden z. B. eine beträchtliche Anzahl Beamten und Funktionäre der notleidend gewordenen schweizerischen Discont bank auf einstweilen fünf Jahre hinaus wieder nußbringender Ar­beit zugeführt und der Arbeitslosigkeit entrissen! Die schweize rische Nationalbank in Bern fonnte nämlich diese Glücklichen zur Bewältigung der enormen Arbeitsleistung, welche( ein voller Erfolg der Hitlerregierung!) durch die Einrichtung des schweizerisch­deutschen Verrechnungsverkehrs sich notwendig macht, neu einstellen! Wie man hört, sind Erwägungen im Gange, ob nicht in Gedenken an die diesbezüglichen Bemühungen des Osafs" und nunmehr fast neunzigprozentig anerkannten Reichsführers auch die betreffenden dankbaren Beamten und Familienmitglieder im Ver­fehr untereinander sich für die Folge mit dem Legionärgruß Heil Hitler" begrüßen wollen. Und dabei sprechen noch Emigranten­freise und im Reiche die ewig Gestrigen in unverantwortlicher Weise von erlittenen moralischen Verlusten des deutschen Volkes."

An mehrere. Was wir dazu sagen, daß vom Frühjahr 1936 an im dritten Reiche" die Namen der säumigen Steuerzahler veröffentlicht werden sollen? 1. Jst bis dahin eine unvorstellbare lange Zeit. Wer weiß, wer da noch lebt. 2. Die Arbeiter, Angestellten und Beamten sind mit ihren Steuern nicht rückständig, weil sie ihnen gleich an den Bezügen abgehalten wird; warum sollen die andern nicht auch so pünktlich zahlen? 3. Wäre es allerdings noch wichtiger, die Steuer­erklärungen zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen. Es wäre doch recht interessant, zu erfahren, welches Einkommen und welches Vermögen die Herren Hitler , Göring , Goebbels und andere ver­steuern, die vor einigen Jahren noch arme Schlucker waren und nun zu den Millionären gehören.

E. L. S. Ihr Brief enthält eine wertvolle Anregung. Wir werden von ihr im rechten Augenblick Gebrauch machen. Dank.

H. K., Basel . Wir danken Ihnen für Brief und Beilage: Illegale Grüße aus Wien ". Diese Zettelchen, gefunden auf der Wiener Ringstraße , lanen erkennen, daß die österreichischen Sozialisten auch unter Schuschnigg rege an der Arbeit sind. Den angedeuteten Auf­satz lasen wir, aber die hier vertretene Auffassung unterscheidet sich kaum von der unsrigen. Grüßen Sie den Autor.

Neuilly . Wir danken herzlich. Wird verwandt. Das Breslauer Stürmer"-Verbot und seine Begründung haben wir freilich schon veröffentlicht.

Literatur

Die neue Weltbühne( Prag X, 3izfova 4c). Die neue Nummer enthält einen Artikel von Ilja Ehrenburg über Sowjet­menschen. Ueber die deutsche Wahl schreibt H. Budzislawski in dem Aufsatz Die Neinjager", über italienische Politik J. Hal­perin: Mussolini sucht neuen Kurs". H. v. Gerlach berichtet über das echte Testament. Anton Kuh richtet einen Brief an Walter Rod c. Bauern erwachen" heißt ein Artifel von Heinz Pol . Außerdem bringt die Nummer einen Beitrag von Ernst Ettwalt, ein Gedicht Der Führerschein", Bemerkungen, Ant­wort und Gäsars Testament".

Europäische Hefte Nr. 19 erschienen. Aus dem Inhalt: Umschau; Willi Schlamm : Die Epoche des Dynamits; Adam Neu­ville: Ist Deutschland isoliert?; Mar Bergner: Deutsche Bauernnot; Paul Keri: Ungarn und die Habsburger ; Lord Byron : Der Mob und der Galgen; Notizen.

Für den Gesamtinhalt verantwortlich: Johann PiB in Dud­ weiler ; für Inserate: Ctto Kuhn in Eaerbrücken. Rotationsdrud und Verlag: Verlag der Volksstimme GmbH., Saarbrücken 3, Schüßenstraße 5. Schließfach 776. Saarbrücken .

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Von KLAUS BREDOW

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