Frankreichs   Finanzsorgen

Abwertung des Franken   abgelehnt T20 735 30ml

Paris  , den 30. Auguſt.

Von unserem Korrespondenten

Der Haushaltausschuß der französischen   Kammer wird sich in seiner Mitte September stattfindenden Sigung mit dem soeben fertiggestellten Haushaltplan für 1935 zu beschäftigen haben. Der französische   Finanzminister Germain Martin hat einem Redakteur des Excelsior" dazu erklärt, daß eine Einschränkung des Budgets unbedingt erforderlich sei. Denn darin bestände die einzige Möglichkeit zur Gesundung der Finanzen. Eine Erhöhung der Steuern werde kaum möglich sein, denn mehr als höchstens 46 bis 47 Milliarden werde das französische   Volk nicht aufbringen können.

Bei dieser Unterredung lehnte Martin eine Abwertung des Franken   sehr energisch ab. Denn, jo meinte er, eine Ab­wertung sei fein wunderbares Allheilmittel, das die wirt­schaftliche Lage eines Volkes bessere. Im Gegenteil, die ge­samte Wirtschaft würde dadurch nur aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Um zu einer Währung Vertrauen zu haben, sei eine feste Goldbasis unerläßlich. Wollte man diese Basis durch eine Abwertung erstüttern, so wäre die außenpolitische Rückwirkung geradezu katastrophal. Gerade in der achtzig­prozentigen Goldbasis, so sagte Martin, auf der der Franken  beruhe, liege ja das Prestige und die Kreditwürdigkeit, die Frankreich   in der Welt habe. Und gerade diese solide Basis sichere der französischen   Politik im Inneren und Aeußeren ihre Unabhängigkeit. Ein abgewerteter Franken wäre dem Pfund und dem Dollar tributpflichtig und man möge sich einmal überlegen, wie schädlich solche Abwertung angesichts der bevorstehenden Saarabstimmung sein müßte. Denn Dr. Schacht habe nicht, umsonst in seiner Leipziger Rede gesagt,

daß die Mark gegen jeden inflatorischen oder deflatorischen Eingriff geschützt werden solle.

Es wäre aber auch, so schloß der französische   Minister seine Ausführungen, ganz widersinnig, den Franken abzuwerten da ja ein effektiver Goldbestand von 80 Milliarden vorhanden Franzose seine Gehälter, Renten, Pensionen und Einkünfte sei. Und dieses Gold biete nicht allein die Garantie, daß jeder in wertbeständigem Gelde erhalte, dieses Gold sei zum Teil Frankreich   vom Auslande anvertraut. Und fein französisches Barlament, feine Regierung dürfe eine Abwertung, die einem Vertrauensbruch gleichfäme, beschließen.

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In einem Artikel der linksbürgerlichen Republique", der Polen   an gewisse Dankbarkeitspflichten gegenüber Frank: reich erinnert, findet sich ein Hinweis auf eine bisher nicht be fannt gewordene Anleihe, die die Bank von Frankreich fürzlich der polnischen Staatsbank bewilligt habe und die sich auf 500 Millionen Franken belaufen soll.

Der französische   Ministerpräsident Doumergue   hat die Ab­ficht, am Samstag oder Montag wieder nach seinem Landsih Tournefeuille   zurückzureisen, nachdem er seine Ferien auf einige Tage unterbrochen hat, um an dem Kabinettsrat und dem Ministerrat teilzunehmen. Im weiteren Verlauf seiner Ferien will er seinen Vorschlag zur Verfassungsreform weiter ausbauen. Er dürfte dann am 18. oder 20. September sich wieder durch den Rundfunt in einer Ansprache unmittel: bar an das französische   Bolf wenden, um ihm seine Ansichten über die erforderliche Entwicklung der Lage auseinander: zusetzen.

Zur Berufsstatistik der Emigranten

Die Pläne zur Unterbringung, Ansiedlung, beruflichen Um­schichtung der deutschen   Emigranten, die von den ver­schiedensten Hilfsorganisationen bearbeitet werden, bisher leider nur recht bescheidenen Erfolg aufweisen können, stoßen immer wieder auf die Schwierigkeit, daß es an einer Ueber­sicht über die persönlichen, sozialen, gesundheitlichen und be­ruflichen Qualitäten der Emigranten fehlt. Als ein Beitrag zu dieser immer dringender notwendigen Statistik ist die Untersuchung anzusehen, die von einer Pariser   Hilfsstelle vor furzem über die berufliche Vorbildung von 2300 Flüchtlingen angestellt worden ist. Die hier gewonnenen Zahlen lassen sich nicht ohne weiteres auf alle Gruppen von deutschen   Emi­granten übertragen, geben aber doch ein Bild über die fach­lichen Voraussetzungen bei der ganzen überwiegenden Zahl der Flüchtlinge, das von allgemeiner Bedeutung ist.

Das Verhältnis von Frauen und Männern( Kinder sind bei der Untersuchung nicht einbezogen worden) stellte sich so, daß Frauen und Mädchen mit 576 nur ein Viertel, Männer mit 1724 aber drei Viertel der Emigranten stellten.

So erklärt sich, daß im allgemeinen für Frauen, nament­lich für Haushalt und Wirtschaft viel eher als für Männer eine Arbeit zu finden ist. Diese Erfahrung wird allgemein, auch in anderen Ländern bestätigt, und es fann oft bei An­frage keine Frau gefunden werden, die zur Uebernahme von Hausarbeit bereit ist. Es sind naturgemäß nur eine fleine Zahl von alleinstehenden Frauen ausgewandert und die große Mehrzahl unter ihnen ist nach ihrer früheren Tätig­feit oder auch nach ihrer Gesundheit mit allen Mitteln be= strebt, eine andere Arbeit als die einer Haushalt angestellten zu finden. Soweit sie mit ihrem Manne oder ihrer Familie geflüchtet sind, versuchen sie verständlicherweise, mit ihnen an­sammen zu bleiben, was meist bei Haushaltsstellungen nicht möglich ist. Dabei fommt in Paris   hinzu, daß den Haus angestellten oft eine gesellschaftliche Rolle der Demütigung und Unterwürfigfeit zugemutet wird, wie sie den meisten Emigranten tief widerstrebt. Unter den weiblichen Emi­granten stellt charakteristischerweise ebenso wie bei den Männern die Gruppe der Frauen aus faufmännischer Tätig­feit die weitaus größte Zahl. Es sind 159, das sind 27,6 Pro zent der Frauen und 6,9 Prozent der Gesamtzahl, auf die sich die Untersuchung bezog. Die zweititärfite Gruppe unter den Frauen bilden die freien Berufe, die mit 121 Vertreterinnen 21 Prozent der Frauen und 5,2 Prozent der Gesamtzahl bilden. In dieser Gruppe find 60 Angehörige künstlerischer Berufe gezählt worden( 24 Schauspielerinnen, 6 Sängerinnen, 4 Pianistinnen und Violinistinnen, 6 Tänzerinnen), ferner

Pariser   Berichte

Mit durchschnittener Kehle

Ein Kapitalverbrechen wurde Donnerstag früh auf dem Holzplatz der Firma Dufour, 230, Rue de Tolbiac in Paris  , entdeckt. Als die Arbeiter den Platz betraten, um ihre Ar­beiten aufzunehmen, fanden sie den Nachtwächter mit durch­schnittener Kehle im Blute schwimmend tot auf. Die Mord­instrumente, ein großes Holzschneidemesser und ein eng­lischer Schlüssel wurden neben dem Toten gefunden. Von dem Täter selbst, der die Brieftasche des Toten geraubt hat, fehlt jede Spur, doch glaubt man, daß es sich um einen Racheakt eines entlassenen Arbeiters handelt.

4 Bibliothekarinnen, 12 Schriftstellerinnen, 10 Aerztinnen, 2 Zahnärztinnen und 2 Anwältinnen. Unter den Frauen be= fanden sich auch 45 Studentinnen, die damit 8 Prozent der Frauen bildeten. Pädagogischen Berufen( wie Sprach-, Musif-, Turn- oder Gymnastiklehrerin, Kindergärtnerin oder Hortnerin, Fürsorgerin) gehörten 11 Prozent der Frauen an, während 7 Prozent handwerkliche Vorbildung genossen hatten ( z. B. Schneiderin, Buchbinderin). Von den in Paris   befind­lichen Frauen hatten nur 5 Prozent in Deutschland   in eirem fremden Haushalt gearbeitet, während 20 Prozent bisher ohne einen Beruf gewesen waren, von denen die Mehrzahl ihre eigene Wirtschaft geführt hatte.

Unter den männlichen Emigranten wurden 385, das sind 22 Prozent, als Facharbeiter und Handwerker ge­zählt, denen nur 1,7 Prozent ungelernte Arbeiter oder Lehr­linge vor beendigter Ausbildung gegenüberstanden. Diese Zusammensetzung läßt für die weitere Beschäftigung erhoffen, daß so gut qualifizierte Kräfte doch eine entsprechende Arbeit finden sollten. Recht schwierig bleibt die anderweitige Ver­wendung der Emigranten aus faufmännischer oder verwal= tungsmäßiger Beschäftigung, die nicht weniger als 37 Pro­zent bilden( 135 selbständige Kaufleute und 498 Angestellte). Dagegen stammen nur 17, das sind weniger als 1 Prozent, aus landwirtschaftlichen Berufen( Schweizer  , Landarbeiter, Vieh- und Geflügelzucht). Auch unter den männnlichen Emi­granten sind die freien Berufe mit 22,5 Prozent stark ver­treten. Unter ihnen befanden sich Architekten, Ingenieure ( 2,6 Prozent), Chemiker( 1 Prozent), Aerzte und Zahnärzte ( 2,5 Prozent), Rechtsanwälte( 3 Prozent), Schriftsteller und Journalisten( 4 Prozent), Künstler und Kunstgewerbler( 6,3 Prozent), unter denen sich 32 Musiker und 25 Schauspieler und Regisseure eingetragen hatten, Volkswirte, Fotografen, technische Zeichner, Apotheker, Kunsthistorifer. Wehr als 12 Prozent der männlichen Flüchtlinge hatten nach dem Ergeb­nis der vorliegenden Untersuchung eine akademische Vor­bildung gehabt, 8,7 Prozent waren Studenten. Unter den Flüchtlingen, die in Deutschland   in einer Amtsstellung tätig maren, stellten die entlassenen Gerichtsassessoren und Referen­dare sowie die Lehrer an staatlichen und Gemeindeschulen die zahlreichsten Gruppen dar. Zusammen ergaben sie nur 4,8 Prozent der Gesamtzahl der bei der Enquete berücksichtigten Flüchtlinge.

Die festgestellten Zahlen dürften Anhaltspunkte für die meiteren Schritte geben, die dringend für die Schaffung einer Existenz der noch unversorgten Flüchtlinge und ihrer Familien unternommen werden müssen, W. A. K.  

Deutscher   Klub

Am Samstag, dem 1. September: Geselliges Beisammensein mit Tanz( um 21 Uhr). Gäste sehr gerne willkommen. Eintritt für Mitglieder frei. Gastbeitrag 5,- Fr.

Am Montag, dem 3. September, um 21 Uhr Debatte über Herrn Streichers ,, Stürmer". Einleitendes Referat mit Zitaten. Am Dienstag, dem 4. September, 21 Uhr, Diskussion über den Antisemitismus und seiner Widerlegung. Einleitendes Referat vor Beginn der Debatte.

Am Montag und Dienstag Gastbeitrag: 2 Fr. Für Mitglieder freier Eintritt.

BRIEFKASTEN

Vier von der Wafferkante. Sie schreiben uns: Wir hatten, seits dem Hitler hier war, hier wieder einmal ein Fest, allerdings in Ileinem Format. Am Eingang von Streits Hotel am Jungfernsteg wurde eine Gedenktafel angebracht, zur Erinnerung daran, daß Hoffmann von Fallerslebens Deutschlandlied hier zum ersten Male

es war im Jahre 1841 öffentlich gesungen worden sei. Man sah bei der Feier die braune Bonzofratie Hamburgs  , und uns ficl beim Anblick dieser Herrschaften, die aus der freien Hansestadt. ein Flüstergefängnis gemacht haben, ein anderes Gedicht des Freiheits­dichters aus dem Vormärz   ein. Es lautet: Knüppel aus dem Sock

Von allen Wünschen in der Welt Nur einer mir anjeßt gefällt,

Nur: Knüppel aus dem Sad! Und gäbe Gott   mir Wunschesmacht, Ich dächte nur bei Tag und Nacht, Nur: Knüppel aus dem Sad! Dann braucht' ich weder Gut noch Gold, Ich machte mir die Welt schon hold

Mit: Knüppel aus dem Sack! Ich wär' ein Sieger, wär' ein Held, Der erst' und beste Mann der Welt

Mit: Knüppel aus dem Sarf! Ich schaffte Freiheit, Recht und Ruh' Und frohes Leben noch dazu

Beim: Knüppel aus dem Sad! Und wollt' ich selbst recht lustig sein, So ließ ich tanzen Groß und Klein

Beim: Knüppel aus dem Sad!

nons

Märchen, würdest du doch mahr Nur einen einz'gen Tag im Jahr, O Anüppel aus dem Sad! Ich gäbe d'rum, ich weiß nicht was, Und schlüge d'rein ohn' Unterlaß: Frisch: Knüppel aus dem Sad Auf's Lumpenpad!

Auf's Hundepack!

Das flingt etwas derb. Aber sie dürfen uns glauben: die Ham burger Nein- Sager( und noch sehr viel andere dazu) möchten dieses Lied gegen ihre Unterdrücker nicht nur singen, sondern auch praf tizieren."

Begeisterter Nürnberger  . Wir bewundern Ihre Ausdauer. Tag­lich, lesen Sie Streichers Fränkische Tageszeitung", um, wie Sie schreiben, auf dem Laufenden zu sein; es sei heute auch egal, welche hitlerdeutsche Zeitung man lese. Aber nun schiden Sie uns folgende Ausschnitte aus Ihrem Leibblatt, die sich auf Hitlers   jüngsten Be such in Nürnberg   an der Seite Streichers beziehen: Langsam rollte der Wagen des Führers zur Ringstraße, in der Begeisterung stürmten die Massen mit hocherhobenem Arm auf den Wagen des Führers zu und nur im Schrittempo fonnte das Fahrzeug sich durch das Gewirr der Menschen bahnen. Der Führer, den Gauleiter Julius Streicher   begleitete, grüßte mit einem heiteren Lächeln nach allen Seiten. Mit dem Frankenführer und Ober­bürgermeister Liebel, welche Adolf Hitler   in das Atelier begleitet hatten, setzte der Führer dann die Fahrt zum Flughafen fort. Es war eine Triumphfahrt ohne gleichen! Ehe Adolf Hitler   sie aber antreten fonnte, ging ein Leuchten über sein Ge­sicht, als zwei niedliche kleine Kinder ihm zaghaft und unsicher vor freudiger Erregung Sträuße duftender Blumen überreichten. Auch ein strammer Knabe vom Deutschen   Jungvolf war beglückt, einen Blumenstrauß dem Führer geben und dafür den Druck seiner Rechten empfangen zu können." So feitenlang. Sie finden, daß es unter Wilhelm nie so byzantinisch hergegangen sei. Sagen wir auf Grund unserer Erinnerungen besser, daß es ebenso gewesen sei sogar noch in den Wochen vor dem bitteren Ende. Genau so treu, wie heute Hitler seinem Duzfreund Streicher in die Augen schaut, hat es Wilhelm mit seinen Paladinen getan. Nur die Sphäre des Geschmacks hat sich etwas verschoben.

2. 2., Bruxelles. Vielen Dank für das Gedicht. Sie werden es bald in den Deutschen Stimmen" finden: vor 15 Jahren schon wußte Mühsam um das Sterben auf der politischen Walstatt. Ihr langer Brief wird an zuständiger Stelle an der Saar   die gebotene Beachtung finden. Wir haben ihn weitergegeben.

Für den Gesamtinhalt verantwortlich: Johann is in Dude weiler; für Inferate: Ctto Rubn in Caerbrücken. Notation@ drud und Verlag: Verlag der Volksstimme GmbH. Saarbrüden& Schüßenstraße 5. Echließfach 776 Eaarbrüden.

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