HOIGÖN
மதமா
bu
Freihei
Ir. 202 2. Jahrgang
Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands
Saarbrücken, Samstag, 1. September 1934° Chefredakteur: M. Braun
Die Hochspannung
an der Saar
Seite 3
Das deutsche Arbeits
( zuchthaus Dokument)
Seite 4
Beandfackel
im Fernen Osten
Seite 7
Seite 8
Ribbentrops Aufstieg
Vom Hitler- Bedichter zum Rohstoffkommissar Im..dritten Reich" wird Byzantinismus belohnt
Es ist schon einige Monate her. 3um ersten Male vernahm eine größere Oeffentlichkeit etwas von Manfred von Ribbentrop. Seine Ernennung zum außenpolitischen Bevollmächtigten Hitlers erregte nicht geringes Entsetzen unter den alten Beamten und Diplomaten des Auswärtigen Amtes, die noch von Rosenbergs Englandreise her einen ehrlichen Horror vor den Extratouren Unerfahrener besaßen. Aber sie fonnten seine Reise zu einigen Regierungschefs und Außenministern Europas nicht verhindern. Der junge Aristofrat bewahrte geheimnisvolle Sonderbotschaften seines Füh rers in der Aktentasche. Ribbentrop besuchte auch Barthou , und die französische Presse berichtete von dem überaus höflichen Ablauf des Gesprächs.
Man hat die Resultate der Rundreise des aristokratischen Rultureuropäers nie so recht erfahren. Immerhin lief Herrn von Ribbentrops Portrait durch die Zeitungen und Illustrierten Journale der Welt. Man sah einen markanten Kopf mit ernsten Augen und ahnte tiefer unten den gutgeenen Gut. Als nach Hindenburgs Tod von einem groß Ministerwechsel und einem durchgreifenden Bot schafter- und Gesandtenschub die Rede war. wurde Herr von Ribbentrop bald als fünftiger Außenminister bald als Botschafter in Paris oder in London genannt.
Sunächst scheint es freilich bei Sonderaufträgen zu bleiben. Pariser und Londoner Blätter berichten von einer Reise des Herrn von Ribbentrop nach London . Er soll sich hier um Rohstoffe und Kredite bemühen. Man spricht von Kupfer und Nickel und andern Dingen, die die Rüstungsindustrie nötig hat. Daneben soll er erneut versichern. S'tler und Deutschland hätten nur einen Wunsch, mit größter Friedfertigkeit international mitzuarbeiten.
Uneingeweihte standen lange vor einem Rätsel. Welch besondere Verdienste um den„ Führer" hat sich Manfred von Ribbentrop erworben, daß er aus dem nicht ganz zweifelhaften Adelsklub bis zum tarpeiischen Felien emvorflimmen konnte? Warum liebt ihn der sonst so Mißtrauische?
Seit einigen Tagen wissen wir es. Der blinde Zufall hat uns eine Druckschrift in die Hände gespielt. Es ist ein Kurzdrama aus der„ Völkischen Reihe im Winterverlag". Dreißig Seiten bergen ein„ symbolisches Spiel in Bildern für Laienpiele der Jugend- und Werkbühnen". Es heißt„ Der Weg des Führers", nach dem Drama„ Der Spielmann", vom Autor zum 9. November 1933 selbst bearbeitet. Der Verfasser und Herausgeber: Manfred von Ribbentrop. Wir haben uns in fiebernder Neugier auf dieses Heft gestürzt und es brennenden Auges in einem Zuge heruntergelejen, morauf wir endlich in den Besitz aller Geheimnisse um die Sphinx Ribbentrop gelangten.
Das symbolische Spiel des außenpolitischen Beauftragten Adolf Hitlers beginnt mit einer Widmung. Ein Tangbelegtes Traumbild ist dem Dichter Wirklichkeit geworden, er zerot in Demut" dovan:
Das Vorbild war mir jedermann, Der Spielmann, der in deutschen Landen ericheint auf einem Hügel. Vor einem hochaufgerichteten Wer ist der Spielmann? Das Vorspiel enthüllt es. Er Atreuz fauert eine verhüllte Frauengestalt. Kaum blickt der Spielmann auf das Kruzifig, da löst sich eine Hand des Shetlands , grüßt den Spielmann, man hört seine flare
Stimme:
Weib, fiche, hier fommt Dein Sohn! sieh' hier deine Mutter....
Sohn
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Volfes Not treiben. Sie gehen dann ab, unbändig lachend". Dann kommt ein spielender und singender Orgelsmann. Glaubt nicht, ihr armen Schafe mein, daß euer Hirt schlaft. Er wird, wenns nottut, munter sein in vollster Kraft. Da denken die Kinder jubelnd:„ Das war schön!" Alle GeProja fährt er fort:„ Wir müssen uns gesund denken, gesund heimnisse des Lebens fennt der Orgelsmann. In schlichter hoffen. Wenn wir das richtig wollen, sind wir schon halb ge= fund. Den Rest schafft der Glaube." Er zeigt dem Volte seine Hohe Mission:„ Es wird in ihm erwachen der Instinkt für das, worauf es ankommt letzten Endes, und das ist das Entscheidende." Heilmittel sind Scholle und Blut. Lezten Endes. Nun aber kommt der eigentliche Retter wieder. Der Spielmann! Er redet mit dem Arbeiter, dem Bürger, dem Landsfnecht. Nach zwanzig Zeilen Poesie sind die Unzufriedenen und die Wilden bekehrt. Alles reicht sich die Hand, der Klassenfampf ist zu Ende. Der Landsknecht gürtet sich:„ Wenn ihr uns braucht, so ruft uns jederzeit für Taten sind wir immer gern bereit." Kräftig und dankbar reicht ihm FührerSpielmann die Hand. Er hat einen feurigen Kämpfer gegen den Marxismus, denn der„ hat ihnen ein Grrlicht angezündet, das flattert wild und heiß und rot". Der Arbeiter ist ungemein zufrieden. Kraft und Freude haben begonnen. Auch die Frauen werden erweckt. Sie drücken das nur etwas peinlich aus:
Du hast die Sehnsucht, die zutiefft geschlummert, geweckt in uns und eine seltene Kraft geht von Dir aus du bist ein ganzer Mann.
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Aber der Priester bleibt noch im Zweifel. Da donnert ihn der Spielmann an:
So wurden sie, die sich zu Herrn gemacht,
in jenem von Gott auserwählten Land( spöttisch) aus die dann Gottes, welcher Hohn, zu Vampyren des Volkes!
Der Priester ruft schließlich erzweifelt:„ Barmherzigkeit!" Zwar verzeiht der Spielmann, aber er dürfe fürderhin keine „ Lauen, Müßgen, Faulen" mehr dulden. Daraufhin wird das Spiel ganz aftuell. Spielmann- Führer wird verraten! Er steht im Kampfe, mitten im Rugelregen", fommt ins Ge= fängnis, dann geht er wieder an die Arbeit, als ob„ nichts gewesen" wäre. So sieht die deutzwe Treue aus." Aus den Nebeln wallt die Bürgerbräurevolution von 1923.
Aber der Sieg muß ja doch kommen. Der Spielmann findet Meanner, denen rein deutsches Blut in den Adern rinnt. Das erwachte Deutschland rernichtet die Rassenmischung, denn fürchterlich rächt die Natur die Sünde durch den Niedergang des edlen Teils". Am Schluß erscheint der siegreiche Spielmann in schimmernder Wehr:
Rum Sieg und Frieden und zum neuen Krieg, So ewiger Kampf, seit Menschen dieser Erde Sich Untertan gemacht, bis einst sie scheiden, Der letzte Kämpfer ist der letzte Mensch, Wenn 60 Millionen nur den einen Willen haben, Fanatisch national zu sein-
Aus der Fauft werden ihnen die Waffen herausquellen. Mit dieser Apotheose endet Manfred von Ribbentrops Drama. Jetzt wissen wir um seinen Weg zum Führer. Diefer Pegasus birgt eine der vollkommenſten Sammlungen aller Plattheiten, aller Phrasen, aller Süßlichkeiten, mit denen uns der Aufbruch der deutschen Nation beschenkt hat. Welche Einheit mit der sprachbildnerischen Kraft Adolf Hitlers ! Das ist die Garde, die unser Fführer liebt. Ein Mann, der so
etwas schreiben kann, muß unter ihm zu etwas kommen. Die geistige Impotenz des Herrn von Ribbentrop ist frei
er Sonderbeauftragter wurde, um die Welt für Hitler zu gewinnen, nicht einmal so gescheit gewesen, die noch vorhandenen Exemplare seines Dramas( erschienen 1934) ein
Der von Christus Angerufene ist fortan Herz und roter lich noch größer, als es sein Spiel offenbart. Er ist, als Faden des Dramas, Ermahner, Befreier, Wegführer. Es wird nicht ausdrücklich gesagt, aber für jeden ist ein furzgeschnittenes Erlöserbärtchen auf der Oberlippe des Spielmanns sichtbar. Ja, er hat viel Bitteres erfahren, der Spiel
mann, aber er ist getrost.
Nur dies eine blieb,
Die Schatzkammer des Gemüts, der Seele, Es geht hier um die allerletzten Dinge.
Ich will einspielen mich in ihre Herzen, Hineinspieln tief in ihre Seelen,
Und da die letzte Wahrheit sagen.
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Gleich wie aus einem Brunnquell will im schöpfen, Kristallklar und farblos rein... Der Spielmann hat es zuerst sehr schwer. Es begegnen ihm einige böse Juden, die mit Entsezen Spott vor des
Schachts
totaler Reichsbankrott
Der tägliche Verzweiflungsruf des hitlerischen Reichsbankrotteurs
Wundervoll ist die Arbeitsteilung im„ dritten Reich". Der sogenannte„ Führer" predigt über himmlische Dinge, weil er von den Realitäten der Wirtschaft und der Finanz keine Ahnung hat, weil er überhaupt von nichts etwas weiß, was zur Führung eines modernen Staates notwendig ist.
Sein Reichsbankpräsident und Wirtschaftsdiktator Schacht redet über die irdischen Dinge, die sich, wo und wie man sie auch ansieht, als ein totaler Reichs. bankrott offenbaren. Er hat sich den Titel eines Reichsbankrotteurs wohl verdient.
Daß er mit seinem Latein zu Ende ist, sagt er zwar nicht den Deutschen , aber vertraulich den Ausländern. Schon vor einigen Wochen hat er dem Botschafter einer fremden Macht erklärt, daß im Oktober mit einer Wirtschaftskatastrophe in Deutschland zu rechnen sei. Jn anderen Privatgesprächen mit prominenten Ausländern hat er sich dahin geäußert, er könne nicht mehr sagen, wie die Dinge in Deutschland noch zu meistern wären.
Jeden Tag redet er jetzt oder gibt Interviews und immer mit derselben Feststellung: Deutschland kann einstweilen nichts mehr an das Ausland zahlen. Seine neueste Bankrotterklärung ist ein Vortrag vor der zur Zeit in Bad Eilsen tagenden Internationalen Konferenz für Agrarwissenschaft.
Die langatmigen Darlegungen gipfeln in der Forde rung an das Ausland. mehr deutsche Waren zu kaufen. Als Gegenleistung schlägt er vor, daß das„ dritte Reich" eine Reihe von Jahren an das Ausland nichts bezahlt. Ein geschickter Psychologe ist Herr Schacht immer gewesen. Gröbere Leute als wir wählen allerdings das Fremdwort Psychopath.
Wörtlich sagte des„ Führers" Reichsbankrotteur:
Es wird daher nichts anderes übrig bleiben, als ihm ein mehrjähriges Vollmoratorium zur Erholung zu gewähren. Gleichzeitig wird man die Last der Auslandsverschuldung auf ein Maß zurückführen müssen, daß nach Ablauf des Moratoriums auf die Dauer getragen werden kann. Nicht ganz klar ist, ob Schacht unter dem„ Vollmora. torium" auch die Einstellung der Zinszahlungen, d. h. ihre Transferierung, fordert und ob er das Bollmoratorium auch auf die Warenschulden an ausländische Lieferanten ausgedehnt wissen will. Allein englische Exporteure haben 1 Million Pfund Sterling von deutschen Schuldnern zu fordern.
bankrotteur vor den ausländischen Sachkennern nicht geVon der„ marxistischen Mißwirtschaft " hat der Reichssprochen. Diese verlogene Phrase ist nur im Inland für diejenigen bestimmt, die nicht alle werden. Seit dem Ende der„ marxistischen Mißwirtschaft " im Frühjahr 1930 ist der deutsche Export gesunken bei chemischen Erzeugnissen um 31,9 v. H., Walzwerkerzeugnisse um 52, Eisenfertigwaren 58,6, Maschinen 56,5, elektrotechische Erzeugnisse 57, feinmechanische Produkte 61,5, Garne 37, Gewebe 52,1, Lederwaren 60, Musikinstrumente 78,4, Uhren um 99,3 v. H. Nur der deutsche Autoexport erhöhte sich gegen 1929/30 um 0,6 v. H. In derselben Zeit sind volle drei Milliarden
stampfen zu lassen. Ueberall im Reiche fann man den Hym- Devisen und Goldbestände der Reichsbank verwirtschaftet
nus, mit dem Hakenkreuz geschmückt, für 50 Pfennig kaufen. In Saarbrücken für 3 Franken.
Eine alte Weisheit in Liebesdingen lautet:„ Du sollit feine Briefe schreiben." Ein unbegabter Diplomat, der ebensolche Bekenntnisdramen veröffentlicht, blamiert die ganze Innung und sein Land. Manfred von Ribbentrop hat sich, wir wollen es nicht übersehen, schon im voraus mit dem Gelächter und dem Mißtrauen der Welt, abgefunden.
Und mögen bang fie nach den Mitteln fragen, So magit getrost du ihnen Antwort sagen: die erste Bedingung ist der Geist,
worden.
Go weit haben uns die Hitler und Schacht von der margistischen Mißwirtschaft in die Herrlichkeiten des „ dritten Reichs" hineingeführt.
Dr. Schacht trug seinen ausländischen Hörern eine Liste der Fehler vor, die in der Reparationspolitik seit dem Friedensvertrag von Versailles Deutschland gegenüber gemacht worden sind. Wir haben keinen Grund, dagegen zu polemisieren. Solche Kritik an den Unmöglichkeiten des Friedensvertrags und der auf im basierenden Repa rationspolitik ist von früheren Reichsregierungen glaub