Fretheil

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Dienstag, 4. September 1934

Chefredakteur: M. Braun

-

Nr. 204 2. Jahrgang

Ludwig Frank

Seite 2

,, Rüstungen

für den Saarputsch"

Hitlers,.Plan"

Wahlbericht

con der Wasserkante

Seite 3

Seite 6

Seite 6

Gefährliche außenpolitische Abenteurer

-

Rosenberg als geheimer Außenminister Scin Haß gegen Rußland Berlin und Tokio - Reichsgeld für Judenverfolgungen

( Von unserem Korrespondenten)

Paris , 3. September. Die deutsche Außenpolitik wird heute nur noch dem Namen nach von Herrn von Neurath, dem Reichsaußenminister, be­einflußt; ihr wirklicher Leiter ist der Chefredakteur des Völkischen Beobachters", Alfred Rosenberg , der im Hauptamt an der Spiße des Außenpolitischen Amtes der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei steht. Dieser Mann, wie sein Führer Adolf Hitler , wie Heß, Darre und andere, im Ausland geboren er ist Balte, hat nie ein Hehl aus seiner Feindschaft gegen Sowjetrußland gemacht. Seine Politik bleibt immer: Gen Ostland wollen wir reiten!" Weiter geht sein Streben dahin, Frankreich und England in ihren Kolonialgebieten Verwicklungen zu schaf­fen, die ihre Kräfte in Europa schwächen.

-

Ueber diese Pläne der von Rosenberg inspirierten deut­ schen Außenpolitik machen der Pariser Excelsior" und der Wiener Telegraf" interessante Ausführungen.

Der Berliner Korrespondent des Excelsior" Gorel ist der Auffassung, daß Alfred Nosenberg balb an Stelle Neuraths im Auswärtigen Amt in Berlin seinen Einzug halten werde. Man werfe Neurath vor, daß seine Tätig= feit als Außenminister aus einer Reihe von Mißerfolgen bestehe. Man habe unter seiner Amtsperiode nur einen Erfolg zu verzeichnen, die Aussöhnung mit Warschan. Diese aber sei Goebbels zu verdanken, der von Rosen­berg nähere Anweisungen erhalten habe. Neurath , ehes mals Botschafter in Rom , habe das Bündnis mit Italien zum Angelpunkt seiner Politik gemacht; nun aber kehre fich Italien gegen Deutschland . Wie dem auch sei, ob Neurath früher oder später gehe- tatsächlich bestimme heute schon Rosenberg Deutschlands Außenpolitik.

Zum Unterschiede von Neurath fei Rosenberg ein

Aftivist. Er träume von einem deutsch - englisch - japanischen Bündnis. Auf Italien lege er weniger Wert, daraus erfläre sich auch der aggressive Ton des Bölkischen Beobachter" gegen Italien . Es scheine, daß auch England Herrn Rosenberg etwas enttäuschen werde, sei es doch be: zeichnend, daß nun auch der Daily Chronicle" auf die Seite der Hitlergegner getreten sei. Günstiger schienen Rosenbergs Aussichten in Japan zu sein.

Eine japanische Militärmission nach der anderen treffe in Berlin ein. Was sie dort tun, sei in dichtes Dunkel gehüllt. Rosenberg habe veranlaßt, daß die deutsche Presse ihren Kampf gegen das japanische Dumping einstelle, ebenso habe er durchgesetzt, daß die Japaner nicht den anderen Nicht­ariern gleichgesetzt würden. Tag für Tag beinahe rühme der Völkische Beobachter" die japanische Politik im Fernen

Often. Der gemeinsame Haß gegen. Sowjetrußland gebe dem deutsch - japanischen Flirt das Gepräge. Dabei spielten auch gewisse Elemente der russischen Emigration eine Rolle. Man misse. daß in ihrer großen Mehrheit die russische Emigration einen Interventionsfrieg gegen Sowjetrußland ablehne. In dieser Beziehung sei Miljukow mit General Denekin und den Anhängern der Vereinigung für das junge Rußland", den Freunden des Großsürsten Kyrill, völlig einig. Aber in

einer Emigration gebe es immer Beute, die zu allem bereit Polen vor der Polen vor der Entscheidung

seien. Mit ihnen sei Rosenberg gut Freund.

Im letzten Jahre habe sich in Berlin eine AII russische faschistische Partei" gebildet, der es zwar an Mit­gliedern feble, die aber einen sehr rührigen Führer habe, einen gewissen Wonsvazki. der alle russischen Parteien ab­lehne. Vor einigen Jahren habe Wonsyazki ein dunkles und elendes Leben als Arbeitsloser in Paris geführt. Plötzlich sei er durch eine Heirat in Amerika reich geworden und habe einen beträchtlichen Ehrgeiz gezeigt. Rosenberg habe ihn gewinnen wollen und ihn nach der Mandschurei entsandt mit dem Auftrage, das Feuer zwischen Rußland und Japan zu schüren.

Wonsyazzki sei vor kurzem über Amerika in Charbin an­gekommen. In seiner Gesellschaft befänden sich zwei Deutsche , die zu Rosenbergs Stab gehörten. Der erste Besuch der dret habe der deutschen Kolonie in Charbin gegolten, die zwar an Zahl gering, aber sehr aktiv und hitlerfreundlich sei. Ihre Absicht sei, aus der Kolonie und den russischen Emigranten, die aus dem Baltikum stammten, eine Art Legion zu bil­den, mit der man auch die tollkühnen Burschen und die Frei­schärler der rein slawischen Emigration vereinigen wolle. Die Legion folle zur Verfügung der japanischen Militär­behörden stehen besonders aber zur Verfügung Berlins um im geeigneten Augenblick einen Grenzzwischenfall hervorzurufen, der dann weitere Folgen haben könne.

-

Man wisse noch nicht, was Japan von all diesen Plänen denke. Man glaube, daß es nicht gerade begeistert davon sei. So sieht der Aktivismus des Herrn Rosenberg aus, der sich lebhaft von den alten Methoden unterscheide, denen sich Herr von Neurath bediente." So der Bericht im Excelsior".

Antisemitische Fernwirkungen

Peiping, 3. Sept.( SU.) Die Antisowjetkampagne der Der Wiener Telegraf " veröffentlicht Mitteilungen über die Organisation der Hitlerpropaganda in Nordafrika und Palästina, die ihm sein Pariser Korrespondent macht.

Das Zentrum dieser Propaganda befinde sich in Berlin im außenpolitischen Amt der Nationalsozialistischen Partei, das Rosenberg unterstehe. Zweimal monatlich nähme Goebbels . an den Sitzungen in diesem Amt teil.

Rosenberg verfüge für die Propaganda in Französisch­Nordafrika, Aegypten , Syrien und Palästina über 3 Mil­lionen 360 Tausend Reichsmart monatlich. Das außen­politische Amt habe 60 Schriften in arabischer Sprache und in anderen orientalischen Sprachen herausgeben lassen zu dem ausschließlichen Zweck der nationalsozialistischen Propa­ganda. Das Ziel dieser Propaganda sei, die Welt des Islam gegen die Juden, Frankreich und England aufzuheben und gleichzeitig in Französisch- Nordafrika für den Kriegsfall

einen Aufstand vorzubereiten.

Wir zweifeln nicht an der Richtigkeit der vom Wiener Telegraf " gebrachten Meldung, die ja auch die seinerzeit von der Deutschen Freiheit" gemachte Mitteilung bestätigt, wonach die Judenpogrome in Constantine( Algier ) auf die Hitlerpropaganda zurückzuführen seien.

Drohungen der japanischen Presse

..Die ostchinesische Frage muß mit Gewalt gelöst werden" japanisch- mandschurischen Zeitungen nimmt mit jedem Tage zügellosere Formen an. Die Zeitungen verplappern sich dabei häufig und entlarven den Beweggrund der provokato­rischen Verhaftungen der Sowjetbeamten der Ostchinabahn und der gegen diese erhobenen niederträchtigen Beschuldi­gungen. Sie bestätigen dabei vollauf die Beurteilung der Vorgänge seitens der Sowietzeitungen und dem größten Teil der Weltpresse. Zum Beispiel schreibt die Zeitung Charbin­Simbun", die wütend ist über die Veröffentlichung der Einzelheiten über die Tokiver Verhandlungen durch die Sowjet- Telegrafenagentur folgendes: Man müßte die Frage der Oitchinabahn mit Gewalt liquidieren und jegliche Somietvorschläge von vornherein ablehnen." Eine andere topanisch- mandschurische Zeitung Manju Nippe" schreibt m

gleichen Tage: Nach Abbruch der Verhandlungen wird die Mandschurei alle Kräfte und Mittel aufbieten müssen, um die Ostchinabahn in eine schwierige Lage zu versetzen"; fie fährt dann fort:" Vor der endgültigen Lösung der Ostchina­bahnfrage ist es notwendig, alle Sowjetbürger aus dem Mandschukuogebiet zu entfernen." Deshalb also werden die Eisenbahner verhaftet, gefoltert und allerhand Märchen erdichtet." Die Liquidierung der Oftchinabahnfrage mit Ge­walt" ist nach Meinung des Blattes deshalb notwendig, weil es schwer zu garantieren ist, daß kein Krieg ausbrechen wird", jedoch die Ostchinabahn im Kriegsfalle von magistra ler Wichtigkeit sein wird". Auch die Charbin Simbun" Fortsetzung fiebe 2. Seite.

daß die deutsch - faschistische Außenpolitik gegen Italien und A. Sch. Wer hätte noch vor einem Jahr annehmen können, mit Polen gemacht wird? Daß der traditionelle faschistische Verbündete im Süden abgestoßen, daß der slawische Erbseind im Osten zum besten und letzten Verbündeten Hitlers er­hoben wird? Dieses frampfhafte Anklammern an Polen bei gleichzeitigem Bruch mit dem faschistischen Italien ist der beste Beweis für die Unberechenbarkeit der Außenpolitik des ,, dritten Reiches". Polen ist die letzte Hoffnung Berlins . Es soll den Nord- Ost- Paft zum Scheitern bringen, Frankreichs Stellung in Osteuropa erschüttern, die baltischen Länder von der Sowjetunion fernhalten, Verbündeter gegen die Sowjet­ union werden. Front gegen die Sowjetunion in der ersten Linie! Das Echo de Paris" hat vor einigen Tagen Polen als Italien des Nordens bezeichnet, d. h. als jene Macht, die zum Nordosten von Italien liegend, die italienische Poli­tif der gewagtesten Kombinationen, der Zweideutigkeiten und der widersprechendsten Verbindungen nach allen Seiten hin wiederholt. Indessen will das Hitlerdeutschland aus Polen das Japan des Westens machen: d. h. Polen als den Westnachbarn der Sowjetunion zu einer solchen angriffs= lustigen und gewaltsamen Politik gegen Rußland ver­anlassen, wie die die Japan vom Fernen Osten her betreibt. Das Hitlerdeutschland will eine polnisch- japanische Umflam­merung der Sowjetunion , die es mit allen Mitteln unter­stützen würde. Es strebt nach einem mittelosteuropäischen Block gegen Paris und Moskau , es sucht nach einem Ersatz für Rom , und hofft diesen in Warschau zu finden.

Das Spiel wird gleich zu Ende sein. Der unerträgliche Schwebezustand, in dem Polen die osteuropäische Politik be­reits seit neun Monaten hält, geht einer Lösung entgegen. Der September bringt die Entscheidung. Beide Großmächte, die durch die polnische Politik des Ausweichens und der Zwei­deutigkeit am stärksten gefährdet sind, Frankreich und die Sowjetunion , verlangen von Polen eine deutliche Antwort: für oder gegen das Ost- Locarno?

Frankreichs Beunruhigung wegen der polnischen Haltung ist längeren Datums. Bereits vor der Warschauer Reise Barthous hat die pariser Presse Polen gewarnt. Seit Juni ist Polens Haltung die Hauptforge der französischen Außen­politik geworden. Polen muß endlich wählen: zwischen der Politik Berlins , die auf die Kriegsvorbereitung hinausläuft, und der Politik der Stabilisierung des Friedens, die Paris und Moskau befolgen und der sich London angeschlossen hat. Diese Mahnung erflingt jetzt in der ganzen französischen Presse. Für oder gegen den Frieden das bedeutet heute für oder gegen das Ost- Locarno. Am 19. August hat diese Frage an Polen auch der offiziöse Temps" gerichtet. Das Ausweichen ist nicht mehr möglich.

-

Die Sowjetunion hat bisher auf Polen nur den diplo­matischen Druck ausgeübt. Die Sowjetpresse hat bisher die gefährlichen Tendenzen der polnischen Außenpolitik ver­schwiegen, sie wollte Polen auf keinen Fall reizen. Jetzt nennt auch sie die Dinge beim richtigen Namen und stellt Polen vor die Entscheidung. In der Jswestija" hat Radek einen Aufsatz veröffentlicht, der den eindrucksvollen Titel Das Gespräch, das das Wesen der Sache betrifft" trägt. Jetzt erklärt die Sowjetdiplomatie auch öffentlich: Jeder Versuch Polens , di: französisch- russfische Annäherung zu hinter­treiben, werde Polen in das Lager des deutschen Imperialis= mus führen. Indem Polen seine Verbindungen mit Paris und Moskau löst und gegen beide demonstriert, muß es in das Schlepptau Berlins geraten. Und im Schlepptan Berlins muß es zum Teilnehmer eines Kriegsblods werden, Die Warnung ist deutlich genug. Noch deutlicher sind die Konsequenzen:

Die Sowjetunion und Frankreich werden die An­strengungen, die sie vom Standpunkte der Befestigung des Friedens für notwendig halten, fortsetzen. Wenn Polen eine unabhängige Politik führen will, dann haben auch die Somietunion und Frankreich feinen geringeren Grund als Polen auch eine solche unabhängige Boli tit zu treiben."

Das heißt Sicherheitspolitik mit oder ohne Polen . Jest muß Polen die Antwort geben. Sie wird ihre Stellungnahme zum Ost- Locarno und zum Eintritt der Sowjetunion in den Bölkerbund( mit ständigem Bölkerbundsratssig, den Polen