Deutsche   Stimmen Beilage sur

Lysanders Sturz

Diktatoren des Altertums

Beilage zur Deutschen Freiheit Ereignisse und Geschichten

Im Wechsel der Geschichte der griechischen Stadtstaaten spielt der spartanische Staatsmann Lysander   eine Rolle, über die der Biograf Plutarch  , gestorben zirka 120 n. Chr., in seinen Lebensbeschreibungen" eingehend be­richtet. Es sind seit Lysander   fast 2400 Jahre vergangen. Sehen wir zu, wieweit sich inzwischen die Welt geändert hat. Wir zitieren Plutarch   fast wörtlich.

Lysander   war von Natur gegen die Großen und Mächtigen geschmeidiger, als sich von einem Spartaner erwarten ließ und wußte, wo es sein Vorteil mit sich brachte, ihren drücken­den Stolz leicht zu ertragen. Ehrbegierde und Streitsucht klebten ihm sein ganzes Leben lang an. Zwar nicht in seinen früheren Jahren, aber im Alter hatte er einen Hang zur Melancholie.

zum

In seiner Gegnerschaft gegen die Demokratie ließ Lysander  aus den Städten diejenigen Männer zu sich nach Ephesus  kommen, von denen er wußte, daß sie sich durch Herkunft und Gesinnung vom breiten Volke abhoben, und legte damit den ersten Grund zu jenen Umwälzungen, die nachher fast im ganzen griechischen Kulturkreis unter seinem Einfluß Sturz der Demokratie und zur Errich­tung von Diktaturen führten. Diese Männer ermun­terte er, mit einander in enge Verbindung zu treten und ihr Augenmerk auf die öffentlichen Geschäfte zu richten. Seine bisherigen Freunde brauchte er zu den wichtigsten Geschäften, erhob sie zu Ehrenstellen und Aemtern bei der Armee und nahm sogar, um sie emporzubringen, an ihren Ungerechtigkeiten und Verbrechen teil, so daß sie alle fest an ihm hingen, ihm völlig dienten und innig zugetan waren in der sicheren Hoffnung, alle ihre Wünsche, wie groß sie auch wären, erfüllt zu sehen, wenn er der Führer blieb.

In allen Städten freuten sich bei seiner Ankunft die Volks­

So gelangte Lysander   zu einer Macht und zu einem An­sehen wie noch kein Grieche vor ihm und trug dabei einen Hochmut und Stolz zur Schau, der sein Ansehen noch weit überstieg. Er war der erste Grieche, dem die Städte wie einem Gott Altäre erbauten und Opfer brachten. Ihm zu Ehren wurden zuerst Hymnen und Loblieder gesungen wie diese:

,, I hm, des preislichen Griechenlands  Führer, wollen wir besingen!" Die Samier be­schlossen sogar, das Fest der Göttin Hera   von nun an Lysan­dria zu nennen. Der Zithersänger Aristonos, der bereits sechs Preise errungen hatte, ging sogar so weit, daß er Lysander  , um ihm seine Ergebenheit zu beweisen, versprach, er werde sich, wenn er wieder singen würde, für dessen Sklaven aus­geben.

Als die Athener   sich gegen die Diktatur empörten, aber unterlagen und aus der Stadt flüchten mußten, ordnete Ly­ sander   an, daß die Flüchtlinge wo immer ergriffen und ihm ausgeliefert werden mußten. Wer ihnen Gastfreund­schaft gewährte, sollte als Feind angesehen werden. Dagegen

Dies irae, dies illa

Es kommt der Tag der Rache, Fürwahr er kommt einmal Für die gerechte Sache, Für unsre Not und Qual.

Dann gibt die Wahrheit Kunde, Wer für und mit uns war, Und alle Lumpenhunde Die werden offenbar. Dann haben wir gelitten Umsonst für Freiheit nicht, Und nicht umsonst gestritten Den Kampf für Recht und Licht. Es kommt der Tag der Rache, Fürwahr er kommt einmal Für die gerechte Sache, Für unsre Not und Qual.

Hoffmann von Fallersleben  .

beschlossen die Thebaner, daß den hilfsbedürftigen Athenern Das Publikum! Das Publikum!

jedes Haus und jede Stadt in ihrem Gebiete offenstehen sollte und wer einem Flüchtling keine Hilfe leistete, sollte mit einer hohen Geldstrafe belegt werden. Wenn aber jemand Waffen nach Athen   gegen die Tyrannenherrschaft führte, sollte es kein Thebaner sehen oder hören. Daraufhin zog Lysander  mit Heeresmacht gegen Theben.

Die Thebaner erwarteten ihn in aller Ruhe. Als er sich mit dem Vortrabe der Stadtmauer näherte, brachen sie unver­sehens zum Tor heraus, fielen über ihn her und töteten ihn. Kutusow.

feinde. Denn sie hofften, daß sie zur Macht gelangen würden, Die Literatur des Antifaschismus

wenn Lysander   die demokratische Verfassung gänzlich ab­schaffen würde. Das Volk aber, das an Staatsmännern ein aufrichtiges und edles Betragen schätzt, hielt den Lysander  nur für einen abgefeimten Sophisten, der die meisten Kriegs­unternehmungen durch Ränke   und Betrügereien zum Erfolg führte und die Gerechtigkeit nur insofern pries, als sie seinen Vorteil förderte, Lysander   betrachte nur das Nützliche als gut und schön und glaube, daß die Wahrheit nicht ihrer Natur nach besser wäre als die Lüge, sondern der Wert beider nach dem jeweils aus ihnen fließen­den Vorteil bestimmt werden müßte...

Aus diesem Geiste heraus war auch sein Vorgehen gegen die Stadt Milet  . Die dortigen Diktaturfreunde, denen Ly­ sander   versprochen hatte, bei der Aufhebung der Volks­herrschaft behilflich zu sein, hatten sich im letzten Augen­blick mit dem Volke verständigt. Lysander   stellte sich vor der Oeffentlichkeit so, als ob er die Aussöhnung billige, im Geheimen aber machte er ihnen die heftigsten Vorwürfe und hetzte sie auf, die Volkspartei anzugreifen. Als sie darauf­hin tatsächlich zu den Waffen griffen, ermahnte Lysander  sogar das Volk, guten Mutes zu sein und nichts Uebles zu befürchten, da er ja zugegen sei. Diese betrügerischen Rosse spielte er in der Absicht, die Häupter und eifrigsten An­hänger der Volkspartei zu täuschen, damit sie nicht ent­fliehen, sondern in der Stadt bleiben und hin­gerichtet werden können. So geschah es auch, alle die seinen Versicherungen getraut hatten, wurden ermordet... Es waren achthundert an der Zahl.

Ein Ausspruch Lysanders wird berichtet, der von seiner Miẞachtung der Heiligkeit des Eides zeugt: Kinder müsse man mit Würfeln, Männer aber mit Eidschwüren betrügen.

Der Moskauer   Schriftsteller- Kongreß

Der in Moskau   tagende Kongreß der sowjetrussischen Schriftsteller, an dem von deutscher   Seite unter anderen Ernst Toller   und Balder Olden   als Gäste teil­nehmen, hat das von Heinrich Mann   an den Kongreß ge­richtete Schreiben durch ein Begrüßungsschreiben beant­wortet. Der Schriftsteller Louis Aragon   richtete an die von den Nazis gefangen gehaltenen deutschen   Schriftsteller Lud­ wig Renn   und Carl von Ossietzky   einen brüderlichen Gruß im Namen der französischen antifaschistischen Schrift­

steller.

Einen wesentlichen Raum in den Diskussionen nahm auf dem Kongreß die antifaschistische Literatur des Auslandes, insonderheit die deutsche antifaschi­

stische Literatur ein. In seinem Bericht über die internatio­nale Literatur erörterte Radek die Rolle des Schriftstellers im Kampf gegen Krieg und Faschismus. Radek unterstrich die Anstrengungen revolutionärer Schriftsteller wie Becher und Plivier, die erste Schritte der proletarischen Literatur gegen den Krieg bedeutet hätten. Diese Literatur, die an die Massen appelliere, stehe nicht nur in Opposition gegen die den Krieg ideologisch vorbereitende faschistische Literatur, die von den Johst, Beumelburg und andern Autoren ohne Wert repräsentiert werde, sondern ebenso gegen die pazi­deren fistische Literatur, bekanntester Repräsentant Remarque   sei. Der völlige Absturz der pazifistischen Ideen in der Literatur werde illustriert durch das Schicksal dieses Schriftstellers, der nicht gegen den Faschismus, dieses Regime der Kriegsvorbereitung, habe kämpfen wollen und der gezwungen gewesen sei, aus dem Lande des Faschismus zu fliehen. Die Frage, was Faschismus für Kultur und Lite­ratur bedeute, sei eine Frage von höchster Bedeutung. Radek wies auf die Bemühungen von Goebbels   und Rosenberg hin, aus der deutschen Literatur den Wortführer der faschi­stischen Ideologie zu machen und alle unabhängigen und auf­richtigen Schriftsteller in Konzentrationslager einzusperren.

Der deutsche Schriftsteller Willi Bredel   wies darauf hin, daß bis heute nicht weniger als sechs Schriftsteller in den Konzentrationslagern, nach unmenschlichen Miẞhandlungen, ermordet worden sind. Die antifaschistische Literatur emi­

Es will nicht so wie Goebbels

Goebbels ,, Angriff" klagt in seiner Weise über den Nieder­gang des deutschen   Theaters und fordert noch mehr staatliche Beaufsichtigung der Privattheater. Warum? Weil sie bringen, was das Publikum ergötzt, und das sind immer Stücke, die von Hitlers Barden nicht gedichtet wurden. Die Folge: ,, Das Amüsiertheater blüht neben dem schwer ringenden Kulturtheater..." Goebbels junger Mann wirft einen bekümmerten Blick auf den ,, Programmzettel von Berlin  ". Nichts als alte Lustspiele von 1803 bis 1879, wozu auch der ,, artistische Snobist" Oskar Wilde gehört ,, sämt­lich Lustspiele der blamierenden Art, nämlich Schwänke", Und diese Schwänke

-

,, kehren an den Privattheatern ununterbrochen wieder... Man ,, trägt" Harmlosigkeit.in Form von Ulk und Klamauk wie ehemals Tendenz. Es ist zum Heulen!" Goebbels   Leiborgan gesteht also, daß die Theater der Demokratie immerhin Tendenz, also Gesinnung hatten und daß das Publikum heute lieber in die harmlosen Schwänke des vorigen Jahrhunderts rennt, als daß es den langweiligen Mist der großen und kleinen Johste über sich ergehen ließe. Dabei entschlüpft der braunen Klagefeder eine weitere Wahrheit:

,, Um das Risiko zu verringern, greift man den Plunder des vorigen Jahrhunderts auf, wie man vor kurzem noch pazifi­stische oder internationalistische Stücke aufgegriffen hat, weil sie Kasse machten."

Bisher wurde von den verkannten braunen Dilettanten immer behauptet, die pazifistischen und internationalen Stücke seien dem Publikum von Theaterjuden" und jüdi­schen Verlagsgewaltigen geradezu diktatorisch aufgezwungen worden, jetzt gibt man in einer schwachen Stunde zu, daß diese Stücke aufgeführt wurden ,,, weil sie Kasse machten", daß sie also von einem breiten Publikum gefordert wurden und nach wie vor gewünscht werden, denn sie waren aus Gesinnungsfreiheit geborene Kunst.

Dieses Resultat ist nach anderthalb Jahren Goebbelsscher Theaterdiktatur für die Nazis allerdings zum Heulen! Ein Schrei

Die nazische ,, Lichtbildbühne" verlautbart: ,, Beate Moleen Moissi bittet uns um die Mitteilung, daß sie die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt sowie rein arischer Abstammung ist. Beate Moleen- Moissi hat durch anderslautende Gerüchte die in der Filmbranche kursierten, wiederholt Engagement: verloren."

Ueberall hob Lysander   die Volksvertretungen auf und ließ in jeder Stadt einen Statthalter und zehn Magistratspersonen zurück, die aus den von ihm in den Städten errichteten poli­tischen Gesellschaften genommen wurden. So verfuhr er ohne Unterschied in den feindlichen wie auch in den ver­bündeten Städten und sicherte sich damit die Herrschaft über ganz Griechenland  . Bei der Wahl der Magistratspersonen, die den Statthaltern beigeordnet waren, sah man weder auf Reichtum noch Stand, doch mußten sie zu seinen vertrauten Anhängern gehören. Ihnen erteilte er das Recht zu belohnen grierter Schriftsteller nehme trots aller Schwierigkeiten be- Goethe an die braune und zu bestrafen, half ihnen, ihre Gegner vertreiben und wohnte oft selbst den Hinrichtungen bei. Nirgends überließ er dem Volke die freie Wahl seiner Einrichtungen. Ueberall wurden viele umgebracht oder des Landes verwiesen.

Fugend in Ekstase

reits einen wichtigen Platz in der internationalen Literatur ein; zu gleicher Zeit würden von antifaschistischen Schrift­stellern, die in Deutschland   geblieben seien, Werke von hohem künstlerischem Wert geschaffen.

Ernst, fast traurig sahen wir ihn vor uns stehen"

Den braunen Rattenfängern, die Deutschland   versklavt und aus einem Volk mit wacher Intelligenz einem resig­nierenden, indifferenten Haufen von stumpf und dumpf Ge­wordenen gemacht haben, ist es in besonders hohem Maße gelungen, die Jugend für ihr verbrecherisches Spiel einzu­fangen. In der Mitteldeutschen Nationalzeitung vom 18. Juli findet sich der Bericht eines Hitlerjungen, dem es, wie die Redaktion im Vorwort mitteilt ,,, vergönnt" war, den Führer in seinem Landhaus in Obersalzberg   zu sehen.

Wir hatten," so berichtet der Junge ,,, nun schon so viel gesehen und erlebt. Endlich sollte es uns vergönnt sein, das Haus des Führers auf dem Obersalzberg zu sehen."

Aber es kommt noch schöner. Nicht allein das Landhaus mit allem toten Inventar sollte zur Besichtigung freigegeben werden, auch das Prunkstück der Villa, ER persönlich stand zum Bestaunen zur Verfügung: Niemand konnte sich jedoch unsere Ueberraschung vorstellen, als wir hörten, daß Adolf Hitler   während der Nacht auf dem Obersalzberg angekommen

sei."

Jegt geraten die aufgeputzten Jungen in Ekstase: Die

zu immer

Hoffnung, unseren Führer zu sehen, trieb uns größerer Eile. Als erste kamen wir am Hause an. Doch- cine SS.- Wache sperrte den Zugang zum Hause Wachenfeld."

Er hat Furcht vor der allzunahen ,, Liebe" seines Volkes. Selbst den gläubigen Jungen mißtraut er. Und so dauerte es lange, lange, bis sie IHN bewundern können. ,, Stunde um Stunde verrannen. Von Berchtesgaden   kamen Dutzende von Autos, die Straßen waren dicht umsäumt." Die Majestät aber weiß, was sie ihrem Diktatoren an Prestige schuldig ist. Sie läßt die Canaille warten, bis sie schwarz wird.

,, Endlich, sechs Stunden hatten wir schon gewartet, er­schien auf der Terrasse des Hauses der Adjutant des Führers, Brückner, und gab die Notwendig der Erholung und Entspannung des Führers zu verstehen."

Und nach dieser effektvollen Ouvertüre, nach dieser warmen, leicht elegischen Fanfare des treuen Leibsekretärs läßt ER die Jungen ihm ,, nur einen Augenblick ins Auge schauen". Ausgeruht und entspannt ,, schritt er langsam von seinem Heim zu uns herab. Umbraust vom Jubel der Menge, begrüßt von uns". Doch der eitle Cäsar weiß auch, die tremo­lierenden Saiten der Rührseligkeit anzuschlagen: ,, Ernst, fast traurig, sahen wir ihn vor uns stehen," so ereifert sich, naiv und fast rührend die Kitschgesänge der Großen nachäffend, der Hitlerjunge.

Wie fürchterlich, wie unerbittlich wird diese verführte und betrogene Jugend mit jenem Manne von Obersalzberg ab­rechnen, wenn sie erwacht sein wird,

Künstler

Sowie ein Dichter politisch wirken will, muß er sich einer Partei hingeben, und sowie er dieses tut, ist er als Poet ver­loren; er muß seinem freien Geiste, seinem unbefangenen Ueberblick Lebewohl sagen und dagegen die Kappe der Borniertheit und des blinden Hasses über die Ohren ziehen: Der Dichter wird als Mensch und als Bürger sein Vaterland lieben, aber das Vaterland seiner poetischen Kräfte und seines patriotischen Wirkens ist das Gute, Edle und Schöne, das an keine besondere Provinz und an kein besonderes Land gebunden ist, und das er ergreift, wo er es findet. Er ist darin dem Adler gleich, der mit freiem Blick über Ländern schwebt, und dem es gleichviel ist, ob der Hase, auf den er herabschießt, in Preußen oder in Sachsen   läuft.

Und was heißt denn: sein Vaterland lieben, und was heißt denn: patriotisch wirken? Wenn ein Dichter lebenslänglich bemüht war, schändliche Vorurteile zu bekämpfen, engherzige Ansichten zu beseitigen, den Geist seines Volkes aufzuklären, dessen Geschmack zu reinigen und dessen Gesinnungs- und Denkweise zu veredeln: was soll er denn da Besseres tun? Und wie soll er denn da patriotischer wirken?..

Ich hasse alle Pfuscherei wie die Sünde, besonders aber die Pfuscherei in Staatsangelegenheiten, woraus für Tausende und Millionen nichts als Unheil hervorgeht.

Eckermann's Gespräche mit Goethe, 2. Teil, Anfang März 1832, folgendes Kapitel: Einige Tage später.

*

Es kann nicht alles ganz richtig sein in der Welt, weil die Menschen noch mit Betrügereien regiert werden müssen.

Georg Christoph Lichtenberg  Ausgewählte Schriften, Allerhand, S. 201.