,, Deutsche Freiheit", Nr. 205
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ARBEIT UND WIRTSCHAFT
Steigende Unkosten
sinkender Absatz
Totale Bürokratisierung- Wachsende Teuerung
Seit Beginn der nationalsozialistischen Diktatur haben die Eingriffe in die Wirtschaft einen fast unübersehbaren Umfang angenommen. Da sie aber nicht nach irgend einem Wirtschaftsplan erfolgen, sondern jeweils der Befriedigung der zahllosen Interessentenhaufen dienen, ist das Resultat ein greuliches Gemisch von bürokratischer Reglementierung und kapitalistischem Profitstreben. Alle Nachteile kapitalistischer Anarchie multiplizieren sich mit denen einer planlosen Bürokratisierung. Das einzige bis jetzt erreichte Resultat ist eine Vermehrung der sogenanten ,, falschen Kosten der Produktion, d. h. der unproduktiven Ausgaben.
Es wäre sehr interessant zu erfahren, wie hoch diese Kosten der Reglementierung und Ueberwachung auf den verschiedenen Wirtschaftsgebieten heute schon sind. Wir wissen, daß namentlich in der Landwirtschaft die Kosten für die ,, Marktreglung" von Getreide, Vieh, Milch, Eiern usw. sehr groß sind, und zur Erhaltung des Apparats hohe Abgaben erhoben werden. Solche Marktreglungen werden für eine immer größere Anzahl agrarischer Erzeugnisse vorgenommen. Dabei ist die Tendenz zu beobachten, daß diese Reglungen
immer mehr zu einer vollständigen Zwangswirtschaft werden. So wird z. B. durch eine neue Verordnung der Hopfenhau genau geregelt. Danach kann der Reichsnährstand" den Umfang der Hopfenanbaufläche begrenzen und jährlich bestimmen, welche Fläche höchstenfalls mit Hopfen bebaut werden darf, er kann den Brauereien die Verpflichtung auferlegen, bestimmte Mengen deutschen Hopfens abzunehmen( auf diese Weise also ohne Rücksicht auf bestehende Handelsverträge die Einfuhr ausländischen Hopfens drosseln), er kann Güteklassen festsetzen und vor allem Preise und Preisspannen bestimmen. Natürlich benutzt Darré, der Reichsernährungsminister, der sich hinter dem Pseudonym ,, Reichsnährstand " verbirgt, diese Befugnis mit großem Erfolg zur immer weiteren agrarischen Preistreiberei.
Nebenbei erfährt man aber aus der neuen Verordnung auch etwas über die Kosten des Apparats, der für die Durchführung dieser Bestimmungen aufgezogen wird. In der Hopfenverordnung wird nämlich festgesetzt, daß der reine Händlernuten 10 Mark für den Zentner nicht übersteigen darf. Der Käufer aber hat für jeden Zentner 10 Reichsmark an die Deutsche Hopfenverwertungsgesellschaft Nürnberg zu zahlen; außerdem aber werden weitere zehn Mark für die Ausstellung der Berechtigungsscheine, die die Händler und Brauereien zum Ankauf beim Erzeuger berechtigen, erhoben, und drei Mark für die Ausweiskarten, die die Personen, die für Rechnung von Berechtigungsscheininhabern deutschen Hopfen aufkaufen dürfen.( Die schleppende Sprache gibt die Schwerfälligkeit der bürokratischen Handhabung trefflich wieder.)
Das Ergebnis ist nun außerordentlich interessant:
80
Die Kosten des bürokratischen Apparates belaufen sich auf mehr als das Doppelte der gesamten Handelsunkosten. Da die Nationalsozialisten nicht etwa durch Ausschaltung des Handelsprofits die Unkosten ermäßigen können der selbständige Mittelstand muß ja erhalten werden-, müssen sie die Kosten des Apparats, sei es von den Konsumenten, sei es von den Produzenten zusäglich hereinbringen. So erklärt es sich, daß trots der gestiegenen Agrarpreise die Erlöse der Produzenten lange nicht in gleichem Maße steigen. Andererseits bedeutet die sich immer mehr ausdehnende Zwangswirtschaft namentlich bei leichtverderblichen Produkten( Eiern, Frischgemüse) starke Verlustmöglichkeiten, die
wieder auf die Produzenten abgewälzt werden. Daher die wachsende Unzufriedenheit und steigende Nazifeindlichkeit der Bauernschaft, die immer mehr die Nachteile des bürokratischen Zwanges empfindet, ohne eine genügende Kompensation durch steigende Preise zu erhalten. Denn ein großer Teil der gestiegenen Verkaufspreise wird durch die unproduktiven Kosten aufgezehrt. Für die wachsende Unproduktivität der Gesamtwirtschaft ist es wahrhaftig kein Trost, daß in diesen anschwellenden Wirtschaftsapparat immer mehr Pgs. eingestellt werden können.
Auf der anderen Seite wachsen die unproduktiven Ausgaben auf dem Gebiet der Industrie und der Geldwirtschaft ebenfalls in raschem Maße. Die Devisenzwangswirtschaft beschäftigt in der Reichsbank und den anderen Banken wohl viele Hunderte von Personen, aber auch die Ueberwachungsstellen für die Verarbeitung der verschiedenen Rohstoffe erfordern ein ständig steigendes Personal. So beschäftigt die Ueberwachungsstelle für die Industrie der Nichteisen- Metalle mehr als 100 Personen und man rechnet für die nächste Zeit noch mit neuen Einstellungen.
Bedeutungsvoller aber sind die indirekten Wirkungen. Die Devisenwirtschaft macht rasche Entscheidungen über geschäftliche Maßnahmen, die namentlich im Außenhandel unerläßlich sind, immer mehr zur Unmöglichkeit. Sie stellt in wachsendem Maße wohl die schwerste Hemmung dar, die dem deutschen Außenhandel je bereitet worden ist.
Die Verhandlungsmethoden von Schacht haben dazu geführt, daß die Zwangsmaßnahmen sich immer mehr häufen. Nach Holland ist auch Finnland zu einer Art von Zwangsclearing geschritten, und auch die Engländer und Schweden scheinen entschlossen, zu Zwangsmaßnahmen überzugehen, wenn nicht endlich die Regulierung der alten Handelsschulden vorgenommen wird.
Dazu kommen die Kostenerhöhungen infolge der durch die mangelnden Rohstoffzufuhren erzwungenen Produktionseinschränkungen. In der Textilindustrie z. B. bedeutet die Einschränkung eine Umsatzverminderung von 25 Prozent, während die Generalunkosten dieselben bleiben. Die Folge ist natürlich Preiserhöhung und
weitere Verminderung der Exportfähigkeit.
etwa
In derselben Richtung wirkt der Zwang. deutsche Rohstoffe oder Ersatzstoffe zu verwenden. So hat das Kartell der Filztuchfabrikanten namhafte Preiserhöhungen dekretiert, mit der Begründung, daß es genötigt sei, mehr als bisher zur Verwendung deutscher Wolle überzugehen. Die deutschen Wollen hätten aber seit der Einfuhrsperre für Auslandswolle beträchtlich im Preis angezogen.
Diese Preiserhöhungstendenzen setzen sich um so leichter durch, als auch unter Schacht kaum ein Tag vergeht, an dem nicht neue Zwangskartelle geschaffen werden. Aber die Monopolisierung ist ja längst nicht mehr auf einzelne Industriegruppen beschränkt. Für große Erwerbszweige, wie beim Einzelhandel, bei den Gaststätten, Apotheken, Annoncenexpeditionen, Tankstellen und vielen anderen ist der Zugang gehemmt oder gesperrt. Die Konkurrenz wird immer mehr ausgeschaltet und so bleiben die Erlasse gegen Teuerung auf dem Papier.
Die Teuerungstendenz segt sich durch
in einer Zeit steigenden Lohndrucks, also einer Verengerung des Binnenmarktes, zugleich verengt sie den Außenmarkt noch weiter. Es ist ein fortschreitender Niedergang, demgegenüber die Wirtschaftsdiktatur bis jetzt wirksame Gegenmaßnahmen noch nicht einmal versucht hat. Dr. Richard Kern.
Steigende Dividende
sinkende Arbeitslöhne
Das Geheimnis der nationalsozialistischen Arbeitsschlachten wird überraschender Weise in einem führenden Organ der Nazipresse enthüllt. Die ,, Deutsche Zeitung schreibt in Nummer 176 vom 29. Juli:
, Es läßt sich nicht leugnen, daß die Arbeitsschlacht bereits jetzt schon die Rentabilität vieler Unternehmungen erhöht hat. Von den 93 deutschen Aktiengesellschaften repräsentative Unternehmungen aus allen Wirtschaftszweigen mit Ausnahme von Geldinstituten, Schiffahrtsgesellschaften und staatlichen bzw. subventionierten Gesellschaften haben im abgelaufenen Geschäftsjahr( 1933 bzw. 1933-34) 81 mit Gewinn gearbeitet und nur 12 mit
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Verlust. Von den ersteren haben 31 ihren Gewinn benutt, um die Verluste aus den Vorjahren abzudecken, um die gesetzlichen Rücklagen wieder aufzufüllen oder eine anderweitige Reserve zu schaffen. Die übrigen 50 Gesellschaften waren in der Lage, eine Dividende auszuschütten. Und zwar haben mehr als die Hälfte davon ihre Dividendenzahlungen erstmalig wieder aufgenommen bzw. erhöht. Nur drei sahen sich zu einer geringen Ermäßigung der Dividendenhöhe
veranlaßt."
Den steigenden Dividenden stellt das nationalsozialistische Organ die ungeheuer gesunkenen Arbeiterlöhne gegen
über:
,, Ein männlicher Facharbeiter verdiente nach der amtlichen Statistik Ende 1929 103 Rpf. je Stunde, im April 1934 78 Rpf., ein männlicher Hilfsarbeiter hat heute 62 gegen 81 Rpf. Dieser Rückgang des TarifJohns wird aber noch verschärft durch die Kürzung der Arbeitszeit, die teils von den Betrieben wegen Arbeitsmangels, teils von den Arbeitern freiwillig zweeks Eingliederung neuer Arbeitsgenossen vorgenommen wurde. Um sich ein Bild von dem
Umfange dieser Kürzungen zu machen, seien die Schätzungen angeführt, die das Institut für Konjunkturforschung über das Einkommen der Arbeiter, Angestellten und Beamten angestellt hat. Danach sind die genannten Einkommen von 44,5 Milliarden RM. im Jahre 1929 auf 25,7 Milliarden RM. im Jahre 1932 zurückgegangen." Die zuletzt genannten Angaben müssen noch dahin ergänzt werden, daß das Einkommen der Arbeiter, Angestellten und Beamten jetzt noch weit unter das Einkommen vom Jahre 1932 gesunken ist.
Täglich 25 Millionen Zigaretten für Moskau
In den folgenden Tagen wird die Zigarettenversorgung der Moskauer Bevölkerung bedeutend verstärkt werden. Moskau wird täglich 25 Millionen Zigaretten erhalten. Unter den zum Verkauf gelangenden Zigaretten befindet sich auch eine große Menge billiger Sorten.
Die erste Glasfabrik im Fernen Osten
Bei der Bahnstation Kiparrissowo( unweit Wladiwostok ) wurde der Bau des Ofens der ersten Glasfabrik des Gebietes beendet. Schon Ende des Jahres wird die Fabrik 150 000 Gläser, 500 000 Lampenzylinder, 300 000 Medizinflaschen und 600 000 Glasschwimmer für Krabbennetze erzeugen. Die jüdische Milchwirtschaft in Palästina
Die Verkaufsgenossenschaft der jüdischen Milchwirtschaften ,, Tnuwah" teilt der Presse mit, daß die Wirtschaften in diesem Jahre neun Millionen Liter Milch, d. h. um zwei Millionen Liter mehr als im Vorjahre, produziert haben. Würde es gelingen, den Dumping- Import von Butter aust dem Auslande zu unterbinden, so würde in Palästina Platz für neue 2500 jüdische Milchwirtschaften sein,
Sinkender Lebensstandard
In Deutschland ist man an der schwierigen Arbeit, die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung für den kommenden Winter ohne unerträgliche Härten festzustellen. Vorläufig ist der Index der Lebenskosten weiter im Anstieg begriffen.
( 1913/ 14-100) Juli 1933 Mai 1934 Juni 1934 Juli 1934 Lebenskosten Nahrung
119 111
120 113
121.5 115,5
123 118
*) ohne Berücksichtigung des zeitweil. Markdisagios. Das Tempo hat sich sogar verschärft; seit dem Tiefstand vom März 1933 haben sich die statistisch erfaßten Lebenskosten bereits um immerhin fast 6 Prozent gehoben. Bei der Nahrung allein macht die Verteuerung fast 11 Prozent aus. Es ist eben auf die Dauer einfach unmöglich, um die Wirkungen des intensiven Agrarschutes auf die Lebenskosten herumzukommen. Auch die Rohstoffverknappung muß ihre Spuren zeichnen. Die quantitative Versorgung des Landes ist gewiß noch ausreichend, um mit dem„ Märchen von den Lebensmittelkarten" aufzuräumen; die kommenden Preisaufschläge müssen sich aber nicht notwendig ebenfalls als Märchen erweisen. Die neue Preiskontrolle auf verbreiterter Front Ueberwachung aller Preisabreden nicht nur bei lebenswichtigen Gegenständen des täglichen Bedarfes, sondern bei sämtlichen Gütern und gewerblichen Leistungen überhaupt wird recht bald an ihre Grenzen stoßen.
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Neben den Preisen gilt das Hauptinteresse der Entwicklung der Arbeitseinkommen. Das Gesamteinkommen der berufstätigen Arbeiter, Angestellten und Beamten im zweiten Quartal 1934 wird jetzt vom Institut für Konjunkturforschung auf 7.5 Milliarden RM. geschätzt, gegen 6,9 Milliarden im Vorquartal. Nach einer Ausschaltung der bloßen Saisonbewegung( naturgemäß sind die Lohnsummen anders im Sommer, also in der Zeit voller Beschäftigung der Landwirtschaft, des Baugewerbes, des Fremdenverkehrs usw. als im Winterquartal) ist das deutsche Arbeitseinkommen seit Anfang 1933 in jedem Vierteljahr um 3, 4, 6 und zuletzt im Jahre 1934 um 15 bzw. 17 Prozent gegen das erste Vierteljahr 1933 gestiegen. Diese Zunahme beruht aber ausschließlich auf der Vermehrung der Arbeitstätigen und z. T. der Arbeitsstunden; sie ist bei gänzlich unveränderten Lohnsätzen erfolgt.
Rückgängiger Schuhhandel
Im Umsatz des Schuheinzelhandels war im Juli gegenüber dem des Vormonats ein Rückgang von durchschnittlich 12 Prozent zu verzeichnen. Gegenüber dem Umsatz des gleichen Monats des Vorjahres blieb der Umsatz um 1,7 Prozent im Durchschnitt zurück.
Devisensperre für deutsche Versicherungszahlungen
Die Reichsbank hat sich vor kurzem a uẞerstande er klärt, zukünftig noch weiter Devisen zu Prämienza h lungen für auf Valuta lautende ausländische und deutschs Versicherungsverträge zur Verfügung zu stellen. Nach Schätzungen aus Fachkreisen dürften sich die jährlichen Devisenaufwendungen für Versicherungsprämien aller Art auf etwa 30-35 Mill. RM. belaufen, von denen allerdings ein gewisser Teil bei Eintreten des Versicherungsfalles zurückfließt.
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