Völker In Sturmzeiten Nr. 12

Völker in Sturmzeiten

Im Spiegel der Erinnerung- im Geiste des Sehers

Die deutsche Disziplin

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Ich habe schon davon gesprochen, mit welcher Strenge der obligatorische Unterricht in Mainz durchgeführt wird. Und das geschieht überall in Deutschland . Fehlt ein Kind einmal in der Schule, so wird es den Eltern gemeldet. Können sie keine vollgültige Entschuldigung beibringen und es wer­den nur wirklich gewichtige akzeptiert, so müssen sie eine erste Strafe von 20 Pfennigen zahlen. Beim zweiten Mal wird die Strafzahlung verdoppelt. Beim dritten Mal wird das Kind den Sonntag über in der Schule festgehalten. Leistet es auch dann noch Widerstand, so begibt sich ein Polizist in das Haus seiner Eltern und führt das Kind zwangsweise zur Schule.

,, Die Bestimmung ist verletzt"

Diese allgemeine Fügsamkeit schafft in Deutschland eine bewunderungswürdige Ordnung. Bei aller Unruhe und Reg. samkeit, die in den Straßen der großen Städte herrscht, habe ich innerhalb von sieben Monaten keine einzige Stockung er­lebt. Das liegt daran, daß ganz wie in London der Schutzmann als König, ja, als Gott angesehen wird.

Uebrigens ist jeder in seinem Amet König und Gott, wie ich nochmals ausdrücklich hervorheben möchte. Und das Publi­kum bringt einem Straßenbahnbeamten dieselbe Willfährig keit entgegen, wie dem prächtigsten Uniformträger. Der bel­gische Konsul in Köln erzählte mir, als er einmal auf einen bereits in Fahrt begriffenen Straßenbahnwagen hinauf­gesprungen sei, habe der Kondukteur anhalten lassen und ihn zum Absteigen genötigt. An Platz fehlte es nicht, aber die Bestimmungen waren verletzt worden: es ist verboten, auf einen in Fahrt begriffenen Straßenbahnwagen hinaufzu springen oder auch von ihm abzusteigen. In Düsseldorf springt ein junges Mädchen hinunter, während der Wagen hält, rutscht auf der Straße aus und bricht irgendein Glied; ein Prozeß wird angestrengt, und die Straßenbahngesell­schaft wird gezwungen, Entschädigung zu zahlen. Ein alter Mann steigt ab, während der Wagen sich noch in Fahrt be­findet, und fällt hin, ohne sich zu verletzen; ein Polizist ist Zeuge davon und nimmt die Angelegenheit zu Protokoll.

Auch die Pfarrer und Priester wissen sich Gehorsam zu verschaffen. Der Pfarrer der Minoritenkirche in Köln sieht z. B., daß ein Mitglied seiner Gemeinde sich erst in dem Augenblick einfindet, in welchem er seine Predigt beginnen will, und interpelliert ihn wie folgt: 1

,, Halten Sie das Gotteshaus für einen Gasthof, den man betreten kann, wann man will?"

Während einer Predigt sieht ein Zuhörer, dem sie reichlich lang vorkommt, nach der Uhr und wurmelt irgend etwas vor sich hin. Einer seiner Nachbarn rückt an ihn heran und sagt: ,, Wenn Sie das fortsetzen, nehm' ich Sie beim Kragen und setze Sie vor die Tür."

Im Theater geht es ebenso zu. Niemand rührt sich, nie­mand tut den Mund auf, nicht einmal in den Varieteetheatern. Man ist nicht da, um zu reden, sondern um zuzuhören.

,, Es ist verboten"

Die Aufschrift ,, es ist verboten" kommt in allen Ländern vor... Aber in Frankreich schenkt man derselben wenig Beachtung, besonders wenn sie sich auf unwichtige Dinge be­zieht. In Spanien ist ,, Verboten" gleichbedeutend mit Er­laubt". Ich erinnere mich der Straßenbahn in Barcelona , wo es mit großen Lettern untersagt ist, zu rauchen, und wo alle Spanier Zigarren rauchen, und zwar gewöhnlich ganz un­geheuer große Zigarren: wenn ich das einem Deutschen er­zähle, so begreift er es einfach nicht. Diese Auffassung der Autorität und Gesetze ist ihm unfaßlich. Hier herrscht ein wahrer Ueberfluß von Verboten, und ich kann versichern, daß niemand daran denkt, dagegen zu protestieren. Ich muß zugeben, daß sie im allgemeinen vernünftig sind. Nur weil sie im Uebermaß vorkommen, wirken sie komisch. So kann man sich z. B. nicht auf der Straßenbahn umsehen, ohne min­destens sieben Verboten zu begegnen: 1. Rauchen verboten; 2. Ausspucken verboten; 3. Verbot, den Kopf während der Fahrt hinauszustrecken; 4. Verbot, auf dem Perron den Platz

des Kondukteurs einzunehmen; 5. Verbot, während der Fahrt auf- oder abzusteigen; 6. Verbot, die Wagentüren zu anderen Zeiten, als zwischen dem 1. Oktober und dem 31. März zu schließen; 7. Bitte, den Fahrschein aufzuheben( für den Kon­trolleui).

Auf Brücken ist es ein für aliemal Vorschrift, rechts zu gehen. Ein Polizist, der einem l'assanten an der verkehrten Seite begegnete, würde ihn nötigen hinüberzugehen.

Ich habe eine Sammlung von solchen Verboten angelegt, um meine Leser damit zu unterhalten. In Berlin ist es in einem Café am Potsdamer Platz verboten, im Garten Zei­tungen zu lesen; man muß sich zu dem Zweck in den ersten Stock hinauf begeben. In diesem Café ist es auch verboten, Hunde anders als an der Leine mit sich zu führen. Die Gäste erhalten die Leinen an der Kasse.

In Düsseldorf gibt es in den öffentlichen Anlagen Wege, wo man nicht mit Kinderwagen fahren darf. Dagegen befinden sich dort Bänke, die für Kindermädchen bestimmt sind, und auf welchen andere Spaziergänger nicht sitzen dürfen. End­lich sind wieder andere Bänke da, auf welchen keine Kinder­mädchen sitzen dürfen.

Gegen Zahlung von 3 Mark hat man das Recht, mit einem Kinderwagen auf den Trottoirs zu fahren. Wer diese Summe nicht anlegen will, muß mit seinem Kinderwagen auf dem Fahrdamm bleiben.

Im Harburger Walde, bei Hamburg , ist das Rauchen unter­sagt. In Wiesbaden und Stuttgart ist das Betreten gewisser Alleen der öffentlichen Anlagen verboten. In Berlin darf kein Wagen den Mittelbogen des Brandenburger Tors passieren, der nur für die kaiserlichen Wagen reserviert ist.

Während der Sommermonate müssen in den deutschen Städten sämtliche Hunde Maulkörbe tragen. In Düsseldorf ist es verboten, Obstschalen auf die Wege und Rasenpläge

der öffentlichen Anlagen zu werfen. Eine Frau aus dem Volke, die ein Stückchen Apfelsinenschale auf den Rand eines Rasens fallen ließ, mußte es erleben, daß die Sache zu Proto­koll genommen wurde und daß man sie zu einer kleinen Geld­strafe verurteilte.

In dem großen Hörsaal der Universität Göttingen habe ich mir folgende Bekanntmachung abgeschrieben, die der Rektor selbst aufgesetzt und unterzeichnet hatte: Es ist verboten, die Tische durch Einschneiden von Namen oder

durch Zeichnungen zu entwerten. Zuwiderhandlungen werden

bestraft."

Es ist untersagt, in gewissen Straßen von Hannover , in denen viele Straßenbahnen verkehren, zu radeln.

Das Stillstehen in den Vorhallen der Bahnhöfe ist unter­sagt.

In dem Ostseebade Zoppot bei Danzig liest man auf dem Steg folgende Bekanntmachung: Es wird gebeten, rechts zu gehen und nicht stillzustehen."

Das Fotografieren in zoologischen Gärten ist verboten. Das klassische Verbot, das man hierzulande anzuführen pflegt, lautet:

,, Dieser Weg ist kein Weg. Wer denselben betritt, zahlt 3 Mark Strafe oder wird mit eintägiger Haft bestraft. Der Denunziant erhält die Hälfte des Strafgeldes."

Auf Privatjagden sagt der Jäger: Mein Herr, Sie dürfen hier nichts anderes rauchen, als eine Pfeife mit Deckel."

In den Anlagen verrichtet ein Kind am Rande eines Rasen­platzes seine Notdurft: der Aufseher begibt sich zu der Mut­ter oder Kinderwärterin und macht ihr Vorstellungen... Das ist eine Weisung!

Es passieren einem in der Beziehung die merkwürdigsten Dinge. Ich besuche eine Kirche in Danzig ; ein vierzehn­jähriges Mädchen führt die Herde, der ich angehöre, herum. Beim Eintreten hat sie die Tür hinter sich zugeschlossen. Da das Gebäude mein Interesse nicht lange fesselte, will ich mich nach einer Viertelstunde entfernen. Ich setze die Jungfrau von meinem Wunsch in Kenntnis und erhalte die kühle Ant­wort: ,, Einen Augenblick!" Und gegen meinen Willen hält man mich noch eine halbe Stunde eingeschlossen!

Aber das spaẞhafteste aller Verbote ist doch das folgende, das ich in einer öffentlichen Bedürfnisanstalt las: Es ist verboten zu singen und sich länger als eine Stunde hier auf­zuhalten."

Mittwoch, 5. September 1934

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Von Jules Huret ( 1912)

Vergnügen ist nur dann vorhanden, wenn sie gehorchen. Man sehe sich z. B. einen Studentenkommers an oder ihre Knei­pen, bei denen ein mit allen Machtbefugnissen betrauter Prä­sident die Studenten zwingen kann, bis zur Trunkenheit zu trinken. Mit welchem Eifer gehorchen sie alle! Und dieser Eifer entspringt nicht nur ihrer Vorliebe fürs Biertrinken, der sie ja auch in Freiheit und Einsamkeit frönen könnten, sondern gerade aus dem Umstand, daß man ihnen unter Drohungen und Billigung zu trinken befiehlt. Er hat es gesagt!

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Gehorsam dem Gesetz gegenüber, Gehorsam dem Vorge­setten, der Sitte und der Amtsgewalt gegenüber, Gehor sam, Gehorsam, Gehorsam! Angestellte, die es gewohnt sind, eine Aufgabe auf eine bestimmte und bewährte Weise zu er­ledigen, erhalten von ihrem Herrn irgendeinen Befehl, der auf einem Irrtum zu beruhen scheint. Meint ihr, daß sie einen Augenblick darüber nachdenken, ob sie ihn befolgen sollen? O nein!

,, Er hat es gesagt!"

Der Herr hat es gesagt. Das bedeutet für sie das Geset und die Propheten. Er kann sich geirrt haben, kann zerstreut gewesen sein; das würde aber keiner jemals annehmen. Er hat es gesagt! Das genügt. Sie gehorchen. Und diese blinde Unterwerfung, die uns unfaßlich ist, zeitigt die glück­lichsten Resultate. Denn hierzulande ist die Behörde zugleich der Vormund, und abgesehen von einigen wenigen tyran­nischen Auswüchsen, die ich noch erwähnen werde, bewirkt sie im ganzen Leben der deutschen Nation ein Gefühl von Sicherheit, das mir beneidenswert erscheint.

Ein deutscher Botschafter, dem ich meine Verwunderung über diese nationale Disziplin aussprach, sagte zu mir:

,, Ohne Disziplin, ja, ohne diese militärische Disziplin würde die staunenswerte Ordnung, die Ihnen in unseren kleinsten Städten und in all unseren öffentlichen unnd privaten Ver. waltungen aufgefallen ist, einfach nicht vorhanden sein. Der Deutsche ist langsam und schwerfällig. Sobald man ihn nicht durch strenge Vorschriften leitet, versteift er sich, ermattet und schläft ein.

Aber vor allem würde es ohne Disziplin bei uns keine geistige Einheit geben, kein nationales Leben, vielleicht sogar auch keinen wirklichen Wohlstand. Sie können den Beweis dafür aus der tatenlosen Geschichte unserer kleinen zer­stückelten Königreiche entnehmen."

Aber woher rührt wohl die Fügsamkeit des deutschen Vol- Gespräch mit Rathenau

kes gegen jegliche Autorität? Das muß noch untersucht werden.

Woher? Woher?

Ja, woher kommt dem deutschen Volke dieser Gehorsam und diese Biegsamkeit? Ist es eine Eigenschaft der Rasse? Ist es ein Erziehungsergebnis? Liegt es daran, daß dieses Volk gestern noch ein feudales war? Oder daran, daß es das noch heute ist und sich daher willig der Hierarchie unter­wirft? Man muß weit zurückgreifen, um die Ursache zu finden, und die Klugheit gebietet sogar, daß man unterwegs Station macht...

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Von klein auf wird der Deutsche zum Gehorsam ange­halten. Schon die allerkleinsten Kinder sind artig; ich habe sie mir des öfteren auf der Straße angesehen: es sind wahre Bilder! Sie machen wohl weinerliche Gesichter, aber ihre Aufsässigkeit hat nichts Ungestümes. Beim Spiel gehorcht das Mädchen dem Knaben wie überall aber noch unbe dingter und fragloser, denn sie benimmt sich wie eine Skla­vin; selbst größere Mädchen von zehn Jahren fügen sich den kleinsten Knaben, wenn diese nur verstehen zu befehlen. Ich habe eine Schar kleiner Buben beobachtet, die in Berlin Unter den Linden ,, Soldat" spielten. Einer von ihnen hatte den Oberbefehl übernommen und marschierte an der Spitze, wäh­rend der von ihm erwählte Leutnant die hinteren Glieder

beaufsichtigte. Dieses kleine Ungeheuer( der Leutnant) miß­

brauchte seine Amtsgewalt: er schlug einen niedlichen kleinen Jungen, der nach besten Kräften Schritt hielt, mit einem Stock und kniff ihn gehörig. Ein kleiner Franzose hätte an dessen Stelle sicherlich geheult und protestiert und wäre fort­gelaufen. Dieser arme kleine Wicht weinte leise vor sich hin, blieb jedoch im Gliede und fuhr fort, Schritt zu halten: die Disziplin beugte ihn bereits unter ihr Joch.

In Deutschland sind nämlich schon die Schulen nichts ande­res als kleine Kasernen. Die Schuldisziplin ist geradezu be­wunderungswürdig. Man beobachte nur das Hineingehen der Klassen in einem großen Gymnasium, wo achthundert Schü­ler, oder gar mehr, während der Pause auf dem Hof spielen. Ein Pfiff ertönt: selbst die leidenschaftlichsten Spieler halten automatengleich inne, und sofort ordnet sich alles wie durch Zauber zu Gliedern; keiner bleibt zurück, die Kleinsten sind die Eifrigsten. In wenigen Sekunden ist aus dieser Menge ein langer Zug entstanden, der sich ruhig und ohne Lärm in die verschiedenen Klassenzimmer begibt. Zur Ueberwachung be­darf es nur eines einzigen Lehrers!

Dieselbe strenge Zucht herrscht in den Fabriken, wo die uniformierten Werkmeister die Stelle des Schutzmanns ver­treten; in den Fortbildungsschulen, die der Lehrling bis zu seinem siebzehnten Jahr zu besuchen gezwungen ist, die er aber oft freiwillig bis zu seinem zwanzigsten Jahr und darüber weiterbesucht. Auf den Universitäten gibt es einen Karzer für aufsässige Studenten.

Mit dieser Vorbildung tritt der junge Deutsche in's Regi­ment ein. Und wenn er dann noch irgendwelche Unabhängig­keitsregungen spüren sollte, so ersterben sie hier auf immer. Beamte, Angestellte und Dienstboten machen, wenn man sie scharf beobachtet, alle den Eindruck, ols ob sie nicht imstande wären, irgend etwas ohne Weisung zu tun. Selbst bei ihren harmlosesten und natürlichsten Vergnügungen leiden sie darunter, wenn niemand sie leitet. Schwung und wirkliches

Dr. Rathenau, ein Sohn des Begründers der weltberühmten Berliner Elektrizitätsgesellschaft und Direktor einer der größten Banken des Reiches, hat eine ganz besondere Ansicht über die Psychologie des deutschen Mittelstandes, die meine Nachforschungen nicht nur bestätigt, sondern noch beleuchtet. ,, Das, was Deutschland stark macht," sagte er eines Abends im Berliner Automobilklub zu mir, ,, ist der Geist der Diszi­plin, das Pflichtgefühl, der Sinn für Verantwortlichkeit und die Achtung vor der Autorität, die alle unteren Stände unseres Volkes erfüllen. Diesen moralischen Sinn besitzen nicht nur die Staatsbeamten und Bürokraten, sondern auch die Privatbeamten, die in unseren großen Bankhäusern, unseren großen Fabriken und großen kommerziellen und industriellen Unternehmungen oft ebenso schwere Verant­wortungen zu tragen haben, wie unsere hohen Staatsbeamten: das sind u. a. Rechnungsführer, Kassierer, Werkführer, In­genieure, Vizedirektoren und Handlungsreisende, die ihre Firmen alle als kleines Vaterland betrachten, das sie ver teidigen und dessen Gedeihen sie fördern müssen. Diese Leute sind immer mit ihrem Los zufrieden; und das Wesen ibrer Psychologie beruht gerade auf diesem weisen Optimis­mus, auf dieser verständigen Philosophie, die sie veranlaßt. sich mit dem, was sie haben, zu begnügen, ohne sich wie hei Ihnen zum Bejammern ihrer Lage und zu ehrgeizigen Träu­men fortreißen zu lassen."

,, Der Franzose ist persönlicherer Natur, der Deutsche mehr objektiv; Sie beschäftigen sich mit Personen, wir mit Dingen.

Der französische Beamte oder Angestellte legt sich immer die Frage vor: Bin ich hier am rechten Platz? Sind diese Leute, mit denen ich zu tun habe und von denen ich abhängig bin, nicht vielleicht weniger wert, als ich?" Oder auch: ,, Wird meine Frau sich ein hübsches Kleid anschaffen können? Wer den wir ins Theater gehen können? Könnte ich mir nicht vielleicht doch noch mehr verdienen?"

., Dagegen wird ein Deutscher, der es verdient, 400 Mark Monatsgehalt zu bekommen, und der nebenbei gesagt nicht für 300 Mark arbeiten würde, nie auf den Gedanken ver fallen, 500 Mark zu fordern. Er ist nicht, wie der Franzose, geneigt, seinen Wert über Gebühr herauszustreichen. Sein Instinkt gebietet ihm, sich an dem, was er hat, genügen zu lassen, und nur tief unten in seiner Seele schlummert, wie bei jedem menschlichen Wesen, die Hoffnung, seine Lage allmählich, aber ganz langsam zu verbessern. Und das möge Ihnen als Erklärung dafür dienen, daß ein jeder, eben weil er glaubt, daß er am richtigen Platze steht, sich seinem Vor­gesetzten willig fügt und sich blindlings der Hierarchie ter wirft."

So sah Huret die Sozialdemokratie

..

Ich erlaubte mir die Einwendung, daß es in Deutschland doch drei Millionen Sozialdemokraten gäbe.

,, Das sind die unteren Volksschichten!" gab Herr Rathenau zurück. ,, Ich sprach aber von dem bewunderungswürdigen deutschen Mittelstand, der mit seiner Hingebung, seinem fachmännischen Ernst, seinem starken Pflichtgefühl und seiner tief eingewurzelten Redlichkeit den festen Rahmen für unsere Wohlfahrt und Kraft bildet. Was die Sozialisten anbelangt, so werden Sie auch bei ihnen dieselbe Disziplin vorfinden; und auch hier ist es diese Disziplin, die die Stärke der Partei ausmacht, und durchaus nicht die Berechtigung ihrer Forderungen."

( Fortsetzung folgt.),