netiesmuje nie

Deutsche Stimmen Beilage zur Deutschen Freiheit" Ereignisse und Geschichten

Samstag, den 8. September 1934

Das alte Patrizierwappen von Actur Seehof

-

Da gibt es in Bergisch- Gladbach bei Köln ein Genea­logisches Institut J. Josken. Es haust in der Gronauer Straße 144/46( für alle die, die so einen Laden heute nötig haben sollten). Dieses Institut macht nach eigenen An­gaben in Ahnenforschung. ( Hoffentlich wird es auch einmal recht gründlich die Ahnen des Herrn Reichsführers aus Braunau ermitteln, oder ist sowas in den heiligen Landen des Führers ebenso verboten wie das Zweifeln an national­80zialistischen Ehrenworten?) Dann beschäftigt sich dieses Bergisch- Gladbacher Streicherei- Geschäft mit Sippen­registern, Familienchroniken, Quellen­registern, Ariernachweisen natürlich, Wappenrecherchen, Dokumentenrestaurationen was es doch so alles gibt und schließlich behauptet es, allerorts"" Rechercheure" ( daß dieses vermaledeite Fremdwort überhaupt noch er­laubt ist!) zu haben.

Stammbäumen,

-

Mit welcher Gewissenhaftigkeit Herr J. Josken genea­logisch arbeitet, dafür haben wir erst vor kurzem ein treffen­des Beispiel erhalten. Mit deutschem Gruß hat dieses Genea­ logische Institut diese Karte versandt, die wir hier, da sie gar so schön ist, im Original wiedergeben:

Sehr geehrter Herr!

Es steht uns eine größere Sammlung mittelalterlicher Patrizier- und Bürgerwappen kurze Zeit zur Ver­fügung. Unter diesen wunderbaren, im alten Stil teils gestochenen, teils gemalten Wappen befindet sich eins mit der Bezeichnung

Anno 1549.

Wappen derer... Eine vergrößerte Wiedergabe dieses repräsentativen Wappens, geschaffen von einem bedeutenden Wappen­maler auf handgeschöpftem Büttenpapier 26 X 36 cm, in künstlerisch farbiger originalgetreuer Ausführung, können wir mit Siegel und Bescheinigung der Echtheit für RM. 8,75 liefern. Vielleicht ist das Wappen für Sie ein­mal eine unersetzliche Brücke zu alten Familiengliedern. Genealogische Forschungshilfe und Recherchen billigst Allg. Auskünfte jederzeit bereitwilligst. Bitte teilen Sie uns Ihre Wünsche mit.

Mit deutschem Gruß

GENEALOGISCHES INSTITUT J. JOSKEN.

Den in der Karte eingesetzt gewesenen Namen haben wir, da sie an einen in Deutschland Wohnenden gerichtet ist, natürlich gestrichen. Wir können hier aber verraten, daß das Institut, das sich mit Ariernachweisen beschäftigt, das mittelalterliche Patrizier- bzw. Bürgerwappen, das es an­geblich aufgefunden haben will, und das es bereit ist ,,, mit Siegel und Bescheinigung der Echtheit" für billig sind die Leute wirklich nicht 8,75 RM. zu liefern, einem braven, alten Juden angeboten hat, der wohl seit Jahr­zehnten in Deutschland wohnt und auch deutscher Staats­bürger ist, dessen Vorfahren aber und wenn dem ganzen Institut die Spucke wegbleibt aus östlicheren Gebieten

stammen.

-

-

-

Geschäft ist Geschäft, denkt sich gewiß Herr J. Josken. Und wenn Herr Streicher mit Lüge und Fälschung eine Wochenschrift machen und dabei all- nationalsozialistisch ver­dienen kann und weiterhin Freund und Kumpan seines

"

Jud, mach Mores!"

-

Reichsführers sein, warum dann nicht auch ich, das Genea­logische Institut? Jud oder Christ. 8 Mark 75 sind 8 Mark 75. Für so viel Geld läßt sich schon ein altes Patrizier­wappen ,, finden". Und hin und wieder wohl auch der Dumme, der diesen ,, Fund" mit ,, Siegel und Bescheinigung wie es der Echtheit" ,, zur Lieferung gegen Nachnahme"- bestellt. auf einer anhängenden Bestellkarte heißt So echt und zuverlässig wie die Wappen des Josken- In­stituts, so echt und besiegelt scheint uns im übrigen die ganze Ahnenforschung und Arierpolitik des ,, dritten Reiches" zu sein. Ob die Futterkrippe sich nun ,, Stürmer" ,,, Wappen­recherche" oder sonstwie nennt vom Herrn Reichsführer darf bekanntlich nichts Nachteiliges mehr gesagt werden- es gehört alles in ein und dasselbe ,, Sippenregister".

Propaganda durch den Film

Goebbels befiehlt zur Saarabstimmung

Allen deutschen Filmtheatern geht durch die Landesver­bände ein Schreiben des Reichsministeriums für Volksauf­klärung und Propaganda vom 7. August 1934, Geschäfts­zeichen: II 2083/7. 8., zu. Dieses Schreiben lautet:

,, Die Völkerbundskommission hat den Schluß der Antrags­frist für die Eintragung in die Stimmlisten zur Saarabstim­mung auf den 31. August 1934 festgesetzt. Wegen der außer­ordentlichen Wichtigkeit dieses Termins werde ich in den nächsten Tagen eine Schallplatte und ein Diapositiv an alle deutschen Lichtspieltheater versenden, die ich in jeder Vor­stellung vorzuführen ersuche. Im Mai d. J. sandte ich an die deutschen Lichtspieltheater drei Diapositive zur Saarab­stimmung. Eins dieser Diapositive trug folgenden Text:, Die Saarabstimmung naht. Die Reichsregierung fordert jeden Ab­stimmungsberechtigten auf, sich zu melden. Dieses Diapositiv ist in die hierdurch angekündigte Aktion einzuschalten. Licht­spieltheater, die dieses Diapositiv nicht erhalten haben oder nicht mehr besitzen, ersuche ich, dasselbe umgehend bei der Firma Clausophon, G. m. b. H., Thalheim i. Erzgeb., unter dem Stichwort, Saarpropaganda anzufordern. Ich ersuche die Lichtspieltheater, diese Anordnungen genauestens zu be­folgen. Ich werde in Zukunft gegen diejenigen Theaterbe. siger, die die Propaganda- Aktionen meines Ministeriums nicht unterstügen, lt.§ 10 der Durchführungsverordnung des Reichskulturkammergesetzes vom 1. November 1933 vorgehen. Im Auftrag: gez. Weidemann. Stempel.

Am Hafen

Man kann den Himmel gar nicht richtig sehen, weil buntbemalte, dicke Schornsteinriesen die Luft mit ihrem schwarzen Qualm vermiesen. und vor der Sonne Lagerhäuser stehen.

Die Wellen brausen heute nicht. Sie schwappen. Auf ihren Rücken springen kleine Lämmer. Vom Werftgetriebe knattern Preßlufthämmer. Schiffsflaggen hängen still wie nasse Lappen.

a

Dort liegt ein Deutscher, ausnahmsweise schmierig. Man muß nach seiner Hakenfahne gucken. Siehst du die Schauerleute grimmig spucken? Sie frachten trotzdem, denn die Zeit ist schwierig.

Ein Luxusdampfer schiebt sich durch die Molen. Der Schlepper dreht. Gleich wird die Trosse sinken. Die Passagiere auf dem Schiffe winken. Wir winken mit und haben dünne Söhlen.

Die Kräne kreischen laut wie alte Weiber, die etwas Unanständiges erzählen. Sie füllen dabei, ohne sich zu quälen, den Schiffen Güter in die runden Leiber.

Weit draußen sieht man Glas und Messing blinken. Ein Ueberseer kommt, um anzulegen. Das Zollboot kuttert ihm voll Schneid entgegen. Sonst könnten ja die Inlandspreise sinken.

In einem Toppmast turnen Leichtmatrosen, um irgend etwas richtig einzurenken. Ich muß an meine Knabenbücher denken und stolpere über Fleischkonservendosen. Du lachst mich an und hast genau verstanden. Die Zeiten haben sich so sehr geändert. Des Seemanns Mütze ist meist unbebändert. Und selten sind es Schiffe, die da stranden.

Meist sind es Menschen, die in Seenot schweben. Wir wollen lieber das Gespräch beenden. Und sollte sich mein Schicksal einmal wenden, dann sollst du mit mir reisen und erleben. Hans Bauernsohn.

Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda . Die Privatgletscherspalte

Beglaubigt: gez. Unterschrift, Sekretär."

Zu diesem Befehl des Goebbels setzt der, Reichsverband Deutscher Filmtheater EV." wörtlich hinzu: ,, Entsprechend den vorstehenden Feststellungen bittet der Reichsverband alle deutschen Filmtheater, dafür Sorge zu tragen, daß die beiden erwähnten Diapositive nebst der Schallplatte in jeder Vorstellung ordnungsgemäß bis zum 31. August vorgeführt werden. Der Versand der Schallplatte an die Filmtheater wird ab Montag, den 13. August d. J., erfolgen."

So sieht die Freiheit der Abstimmungsagitation aus. Wer dem Goebbels nicht pariert oder wer gegen seine Meinung agitiert, wird laut§ 10 oder sonst eines Paragrafen beseitigt. Deutlicher und schamloser kann man keinen Terror machen.

Der Streicher von Altona - verrückt dazu

Wer sich über Dummheit und Aberglauben unterrichten will, braucht heutzutage nicht mehr die Hexenprozesse aus dem Mittelalter zu durchforschen eine deutsche anti­semitische Zeitung aus der Gegenwart genügt, um jeden Wissensdurstigen zu informieren. Es braucht nicht einmal der ,, Stürmer" zu sein, denn Streicher ist nicht der einzige, der als Mordheter ein schönes Stück Geld verdient. In Altona z. B. gibt ein Apotheker namens Wilhelm Michael ein, Buch in Lieferungen" heraus: Völkische Aufklärung". Uns liegen nur zwei Heftchen vor, sie ge­nügen, um das Weltbild dieser Art freilebender Irren unge. fähr sichtbar zu machen. So sieht das aus:

Wunschträume

,, Vor 150 Jahren herrschte noch der gute alte Zustand, der heute auch wiederkommen muß: Jeder deutsche Junge konnte erreichen, daß ein des Weges kommender Jude vor ihm den Hut abzog, indem er einfach sagte: ,, Jud, mach Mores!"

,, Die Sterilisierung der Verbrecher und der Erbkranken ist eine eugenische Maßnahme. Nichts anderes als Eugenik wäre das Aussterbenlassen von schädlichen Fremdlingen, so­weit sie es nicht vorziehen, das ungastliche Land zu ver­lassen."

99

Wenn erst das ganze deutsche Volk Adolf Hitlers Lebensweise führt, sind alle umliegenden Völker Europas und der ganzen Erdkugel körperlich und geistig wahre Zwerge gegen uns!!"

Christentum

,, Alle Menschen, die sich freimütig, d. h. ohne daß eine planmäßig in frühester Jugend aufgepfropfte, unüberbrück­bare, streng religiöse Jugendbeeinflussung die Hauptrolle spielt, zu Religionssystemen bekennen, die sich zur Aufgabe gemacht haben, die Mühseligen und Beladenen zu sammeln, sind verdächtig, Juden zu sein."

,, Wer die Juden sammeln will, muß predigen, wie es schon einmal geschehen ist: ,, Kommt her zu mir alle, die ihr müh­selig und beladen seid." Ja, es ist wahrhaftig eine Mühsal, in solcher Haut zu stecken, die aus Negern, Asiaten und Europäern zusammengeflickt ist, es ist furchtbar, ein Jude

zu sein. 66

,, Man betrachte religiöse Wahnsinnsepidemien wie die Kreuzzüge, sie sind jüdisches Fabrikat."

Der vergiftete Schiller

,, Die erste Möglichkeit, auf Menschen in gutem oder schlechtem Sinne einzuwirken, ist ihre Nahrung. Das wußten

alle die, welche heimlich die besten unserer großen Vor.

fahren vergiftet haben, sobald sie den jüdischen Weltplänen gefährlich wurden, sie starben ,, zur rechten Zeit", wie Luther, wie Lessing , wie Mozart und Schiller ."

Der verjudete Goethe

OL

,, Nur wenige kennen die ganze abgrundtiefe Verworfen­heit der jüdischen Giftmischer und Scharfrichter, die das deutsche Volk Jahrhunderte hindurch ihrer besten Männer beraubt haben oder dafür sorgten, daß sie durch Mangel und Not und sogar durch Hunger zu allem Schaffen für ihr Volk unfähig wurden. Man sehe sich die Wohnung der eine war ein Deutscher, Schillers an und die Goethes der andere ein unter jüdischem Schutz stehender Freimaurer!"

Weltgeschichte

-

,, Wäre dem Juden Rathenau nicht, als er damals bei den Gardekürassieren seinen Dienst beendet hatte, die Beförde­rung zum Reserveoffizier versagt worden, so hätte der Welt­krieg ein anderes Ende genommen."

Wissenschaft flieht Deutschland

Die kulturwissenschaftliche Bibliothek Bibliothek Warburg hat Deutschland verlassen und ist nach London übersiedelt. Das von dem bekannten Sinologen Wilhelm auf so hohe Stufe gebrachte China - Institut an der Universität Frankfurt am Main verliert jede Bedeutung. Seit dem Tode Wilhelms und dem Anbruch des Nazismus geht es unaufhaltsam berg­ab. Wilhelm hatte bekanntlich den Plan, in Frankfurt eine große internationale sinologische Bibliothek zu errichten. Die Vorarbeiten hierfür waren nahezu abgeschlossen, als der Rassewahnsinn zur Herrschaft kam. Nun wird allerdings die große internationale sinologische Bibliothek in Europa er­richtet, nicht in Frankfurt am Main , sondern in Genf . Dort treffen bereits die für die Bibliothek bestimmten Bücher ein, ein großes Gebäude wurde bereits gemietet und demnächst soll ein großer Neubau für das Genfer China- Institut er­richtet werden.

Ein braunes Blatt schreibt: ,, Der bevorstehende Reichs­durch einen parteitag wird wieder wie der vorjährige. besonderen Großfilm festgehalten werden. Dieser Sonder­Tonfilm soll sogar einen noch großartigeren Rahmen erhalten als der erste... Auch die bildliche Gestaltung wird sich von ( Es werden nämlich dem vorjährigen Film unterscheiden. einige Röhmer nicht zu sehen sein.) Die künstlerische Ober­leitung wird wieder in den Händen von Leni Riefenstahl liegen. Die Künstlerin war, um die Vorbereitungen für den Film zu treffen, persönlich in Nürnberg und hat mit dem Führer sowie mit dem Stabschef Lutze über das große Filmprojekt gesprochen... Der kommende Film wird noch bedeutendere Aufgaben als der erste schon deshalb zu er­füllen haben, weil der diesjährige Reichsparteitag noch mehr als der vom vergangenen Jahre eine gewaltige Kundgebung des siegreichen Nationalsozialismus, nachdem inzwischen Un geheures geleistet worden ist, darstellten. Der Film wird, um den beabsichtigten Zweck vollends erfüllen zu können, auch Motive aus anderen deutschen Gauen, also abseits von Nürnberg , enthalten." Man sieht, die Steigerungsformen der deutschen Grammatik reichen nicht mehr aus.

Die deutsche Bücherei macht mit Die Kunst der Agitation

Die Deutsche Bücherei in Leipzig , die bis zum Anbruch der Gangsterei unpolitisch und sauber geführt wurde, ist nun in die Naziagitation eingebaut worden. Sie beteiligt sich durch Sonderausstellungen an der Verseuchung. So wird in Fachblättern angekündigt: ,, Aus Anlaß des Kolonialen Gedenkjahres veranstaltete die Deutsche Bücherei eine Aus­stellung des deutschen kolonialen Schrifttums. Sie zeigte an Hand von Büchern, Broschüren, Zeitschriften, Landkarten, handschriftlichen Skizzen und Tagebüchern die großen kolonisatorischen Leistungen des deutschen Volkes." Oder: ,, Für eine Sudetendeutsche Ausstellung im Rahmen der Aus­stellung, Deutschtum im Kampf im Grassi- Museum in Leipzig hat die Deutsche Bücherei eine Auswahl aus dem reich­haltigen Schrifttum der Sudetendeutschen zur Verfügung ge­stellt." Gleichzeitig bettelt die Deutsche Bücherei in der ganzen Welt um Bücher.

Gustav Kirstein

Im Februar starb in Leipzig einer der bedeutendsten deutschen Verleger und Bibliophilen , Gustav Kirstein . Der Mann hat um die Entwicklung des deutschen Buch­handels so viel Verdienst erworben, daß selbst die Nazipresse nicht umhin kann, nach und nach ihm einige Worte ins Grab nachzurufen. Die Zeitschrift für Bücherfreunde", ver­lumpt und vernazit, schließt ihren Nachruf für den 64jährigen so: ,, Das Jahr des deutschen Umschwungs legte dem sonst vom Glück so Begünstigten manchen schmerzlichen Verzicht auf und trübe Schatten fielen auf seine Hoffnungen. So legte er auch den Vorsitz im Leipziger Bibliophilenabend nieder, der sich seitdem noch nicht wieder zusammengefunden hat. Auch Kirsteins rascher und leichter Tod gehört zu den Glücksfällen seines Lebens." Woraus man ersehen kann, daß Kirstein Jude war. Die Formulierung ist wert, auf­bewahrt zu werden, auch als ein Zeugnis dafür, mit welchem Zynismus das dritte Reich" zugibt, daß ein rascher und leichter Tod für einen Juden als Glücksfall zu betrachten ist. Und das im Zentralblatt einer Bibliophilie, die ohne Juden nicht bestehen könnte!

-