Konzentrationslager! Appell an das Weltgewissen

Unter dem Titel: Konzentrationslager! Ein Appell an das Gewissen der Welt" erscheint demnächst bei der Verlagsanstalt Graphia" in Karlsbad ein Buch mit dreizehn authentischen Berichten aus ver­schiedenen deutschen Konzentrationslagern.

Fritz Klein :

Lichtenburg Kirchgang

Eine Abwechslung besonderer Art bildete für uns der fenntägliche Gang zur Kirche. Wir waren meist Freidenfer, und der Gottesdienst interessierte uns nicht. Aber auf Be­treiben des Direktors Widder hatte sich ein Sängerchor aus 120 Gefangenen gebildet unter der Leitung des Gefangenen Buchert, dem zuzuhören ein Genuß war. Begabte Sän­ger, auch die Gattin von Widder, brachten oft auch Solo­gesang zum Vortrag. Puchert spielte die Orgel virtuos und erfreute uns alle mit Bachscher Musit. Das waren unsere Gründe für den Kirchenbesuch. Die Gefangenen aber, die feine Freude daran hatten und zurückblieben, wurden schi­faniert. Sie mußten Fluren, Treppen und Räume scheuern. Einiges über die Eröffnungspredigt unseres Pfarrers". Der war Mitglied der Glaubensbewegung Deutsche Chri­ sten ", Kreispropagandaleiter der NSDAP . und soeben der Universität entsprungen. Der geistliche Herr kam meist im Sportanzug ins Lager und machte mit seinen dünnen Beinen ohne Waden keinen würdigen, sondern einen lächer­lichen Eindruck. Man fonnte bei seinem Anblick trotz aller Mühe niemals ernst bleiben.

Nach der nötigen Selbstbeweihräucherung: Die im Geiste des Christentums ausgeübte Standestätigkeit ist das leuch­tende Adelszeichen eines gottgewollten und gottgeweihten Berufes!" hielt er Abrechnung mit uns Sündern und sagte wörtlich: Tragt euer Leid in Geduld, nehmt die von Gott verhängte Strafe auf euch. Denn Gott hat euch hierher­gebracht, nicht das Innenministerium. Gott will euch zur Um­fehr zwingen! Hättet Ihr mehr an euere Frauen und Kin­der gedacht, so wäre euch viel erspart geblieben! Im Himmel ist die wahre Heimat aller Armen und Bedrückten, und es ist nicht notwendig, auf der Durchgangsstation dieser Erde um ein glücklicheres Leben zu kämpfen!"

Mein Nebenmann flüsterte mir zu: Dem möchte ich bei passender Gelegenheit Beine machen, damit er schneller in den Himmel kommt!"

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Allgemeines demonstratives Räuspern und Husten folgte dem Ende der Predigt. Trotzdem dauernd von der Kanzel befanntgemacht wurde: Ich bin für jeden, der sich wieder zur Religionsgeminschaft anmelden will, jeden Dienstag in der Kanzlei zu sprechen," blieb der Herr Pfarrer immer allein in der Kanzlei!

,, Besichtigungen"

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Nach den Behauptungen der Führer" im britten Reich" geschieht in Deutschland heute nichts ohne Wissen der ver­antwortlichen Stellen. Nun, bei unserem Chordirigenten Puchert wußte man nicht einmal, weshalb er in Schutzhaft war und wie er überhaupt aus dem Freistaat Sachsen in ein preußisches Konzentrationslager geraten ist. Auf feine wiederholten Haftbeschwerden teilte das Geheime Staatspolizeiamt mit, er möge doch die Namen der SA.­Lente angeben, die ihn verhaftet und eingeliefert hätten"!

Man könnte lachen, wenn es nicht eine so ernste Ange­legenheit wäre. Puchert kannte nun die Kerle auch nicht, es waren SA.- Leute aus dem Nachbarort gewesen, die ihn ins Auto geladen und verschleppt hatten.

Soviel ich weiß, steckt Puchert noch heute im Lager. Der Kommandant Entsberger hatte ihm einmal beim Appell vor versammelter Mannschaft erklärt: So lange ich bier bin, kommen Sie nicht raus!" Dem Direktor Widder waren verschiedene Ausschreitungen bekannt geworden, die SS .- Leute nachts an Gefangenen begangen hatten. Da Puchert an der Orgel mit Frau Widder Lieder einübte, ver­mutete Entsberger, Puchert habe die Vorkommnisse der Frau Widder erzählt. Nun hatte das schwarze Schwein", wie Entsberger genannt wurde, Puchert gefressen". Der arme Kerl wurde seines Lebens nicht mehr froh. Auf Betreiben bon Entsberger ist dann auch nach den Weihnachtsfeiertagen der Sängerchor aufgelöst worden.

Während meiner Schutzhaft in der Lichtenburg habe ich sechs Besichtigungen" erlebt. Eine durch schwedische Jour­nalisten, eine durch Engländer und Amerikaner unter Füh­rung des Grafen Luckner, dem Seehelden des Welt­frieges, eine durch Japaner, eine durch die deutsche Presse, eine durch das preußische Innenministerium und die letzte durch den Oberpräsidenten aus. Magdeburg .

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Die letzte Besichtigung war die kürzeste. In fünf Minuten hat der Herr Oberpräsident mit seinem Stabe, mindestens zwanzig in allen Farben schillernden und mit Erinnerungs­münzen behängten Uniformträgern das Lager besichtigt". sie wurde dem Wenn eine Besichtigung angesagt war wurde von früh Lagerkommandanten immer angekündigt-, bis in die Nacht hinein gescheuert und geputzt. Die in den Aufenthaltsräumen zum Trocknen aufgehängte Wäsche mußte entfernt werden und das wichtigste, die Arrestzellen, wurden jedesmal schleunigst geleert! Die Arrestanten kamen in ihre Stationen zurück und wurden den Besuchern nicht gezeigt. Bestand doch die Möglichkeit, daß jemand bei den Besichtigungen das Arrestlokal zu sehen verlangte, und dem murde vorgebeugt. Gezeigt wurde den Kommissionen immer lie Badeeinrichtung, wo die Gefangenen jede Woche baden", so machte Entsberger es ihnen weis. Dann die Küchenräume, die Kammern, die Kirche und die Station 1. Diese Station war im neuesten Gebäudeflügel untergebracht, elle Gesangenen hatten dort Strohsäcke und Bettzeug und fie hielten sich bei Tage in andern Räumen auf. Auf allen anderen Stationen wurde in den Aufenthaltsräumen auch gefchlafen.

In das Revier wurden an den Besichtigungstagen jedes­mal zehn bis zwölf SS.- Leute in Zivilkleidung gelegt und mit kleinen Verbänden versehen. Die haben Kranke mar­fiert. Von Entsberger wurden sie herbeigerufen und von den Kommissionsmitgliedern, die da meinten, franke Ge­fangene vor sich zu haben, über alles mögliche befragt. So famen dann Wahrheitsberichte über die Konzentrations­lager" zustande. Ein franker Gefangener ist bei feiner Be­fichtigung befragt worden. Sie waren im Hinterzimmer des

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Reviers versteckt, bis die Besucher das Lager wieder ver­lassen hatten.

Den Japanern hatte man die Unterkunftsräume der SS.­Wachmannschaften, die mit Militärbetten, Schränken, Tischen und Stühlen ausgestattet sind und deren aufs beste ausge­statteten Rinojaal gezeigt. Die Japaner haben danach, wie in der Mitteldeutschen National- Zeitung" zu lesen war, berichtet: Die Schußhäftlinge haben jeder ein Bett, einen Schrank, Tisch und Stühle. In einem großen, hellen Saal erhalten die Gefangenen Unterricht in Geschichte und Staats­kunde und werden so zu brauchbaren Mitgliedern der Nation erzogen. Das Essen ist vorzüglich, es war uns beim besten Willen nicht möglich, mehr als einen Teller zu essen!"

Daß sie nur die Räume der SS. gesehen und deren Essen gekostet hatten, das haben die Japaner nicht bemerkt. Als wir den Bericht in der Zeitung lasen( nur diese national­sozialistische Zeitung wurde uns zur Verfügung gestellt, auf je hundert Gefangene ein Exemplar), waren wir sprachlos. Unter anderem schrieben die Japaner noch, das Leben im Lager wäre so gesund, daß ein Gefangener ein lang= jähriges Leberleiden losgeworden wäre! Gemeint war da­mit ein Professor Wegener, der als Gefangener im Rager als Bibliothekar tätig war und den einer der japa­nischen Journalisten von Ostasien her fannte.( Die Biblio­thef war nicht etwa für die Gefangenen, sondern für die SS. bestimmt.

Zuwachs aus Papenburg

Im Spätherbst 1933 befamen wir wieder Zuwachs, dies­mal aus dem Lager Papenburg . Das liegt im olden burgischen Moorgebiet, besteht aus vier Lagern und ist, wie uns diese Gefangenen sagten, mit 6000 Mann belegt. Bei diesem Transport befanden sich unter anderem der Sohn des ersten Reichspräsidenten, der sozialdemokratische Reichs­tagsabgeordnete Frizz Ebert, und Professor Kantoro= wicz. Kantorowicz hatte an der Universität Bonn einen Lehrstuhl für Zahnheilkunde inne und in Bonn während der Separatistenzeit in Wort und Schrift gegen die Separatisteu hervorragend gekämpft. Troß dadurch bewiesener vaterlän discher Gesinnung sperrte man ihn und seine Tochter als Staatsfeinde in das Konzentrationslager. Die Tochter, eine Studentin, ließ man erst frei, nachdem ihre Mutter einen Nervenzusammenbruch erliten hatte und schwer krank da=

niederlag.

Ferner kamen aus Papenburg Professor Wittfogel , der sozialdemokratische Abgeordnete Gerlach, der Regie­rungspräsident Lüdemann, Breslau , und mehrere Re­gierungs- und Vizepräsidenten aus Kiel und aus Hessen . Außerdem viele Juden, meist Aerzte und Chemiker. Auch Bauknecht, der sozialdemokratische Polizeipräsident von Köln , kam mit diesem Transport. Der Schauspieler und Regisseur Langrof aus Düsseldorf hatte bereits einen Vertrag, wenn ich mich recht erinnere, mit dem Züricher Stadttheater. Er wurde trotzdem nicht freigelassen, weil er sich zum Kommunismus bekannt hatte.

In Papenburg mußten alle, wie wir erfuhren, im Moor mit Hacke und Schaufel arbeiten und jeder mußte sein vor­geschriebenes Pensum erfüllen. Man sah es ihren zerschun­denen Händen an, man sah es noch an der bunten Fär­bung" ihrer Haut, welch schwere Monate sie in Papenburg erlebt haben.

Trotzdem es bei uns doch wirklich grausam zuging, sagten alle, die aus anderen Lagern famen, daß es überall noch schlimmer sei als auf der Lichtenburg. Von Papenburg wurde uns erzählt, daß dort der sozialdemokratische Reichs­tagsabgeordnete Heilmann durch Schüsse schwer verletzt worden ist. Es wird auch noch ehemaligen Papenburgern gelingen, ihre Erlebnisse zu veröffentlichen, und nach den Mitteilungen, die wir erhielten, werden die Berichte j: de andere Schilderung von widerwärtigen Scheußlichkeiten und sadistischen Exzessen an Grausamkeiten übertreffen.( Solche Berichte sind von uns veröffentlicht. Redaktion der Deut­schen Freiheit".)

In Lichtenburg wurden nach der Ankunft neuer Trans­porte die Gefangenen auf die einzelnen Stationen plan­mäßig verteilt. Beamte im alten Staat, alle Reichstags- und Landtagsabgeordneten und alle Juden kamen nach Station 3, genannt die Station der" Prominenten". Alle besonders schmutzigen Arbeiten, das Ausmisten des Schweinestalles und Forttragen des Mistes mit bloßen Händen, mußten die Prominenten" erledigen. Ich sah einmal den sozialdemo= fratischen Oberbürgermeister von Magdeburg , Ernst Reuter , wie er dem Zuchteber im Schweinehof die Läuse von der Schwarte ablesen mußte! Bevor Reuter der Station zuge­teilt wurde, war er Stubenältester in Stube 10 der Sta= tion 2. Er war starf ergraut und machte troß seines unge= brochenen Mutes in seinem abgetragenen und durch die Arbeit zerfetzten Sportanzug nicht den Eindruck eines eye­maligen Oberbürgermeisters der Stadt Magdeburg .

Stunde der Nation"

In Lichtenburg wurde eine Wäscherei eingerichtet, in der aber nur die Anstaltswäsche und die Wäsche der SS. ge­

waschen werden durfte. Auf höheren Befehl betätigten fich am Waschsaß der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Biester aus Hamburg und der Rechtsanwalt Dr. Sam= ter aus Naumburg . Für uns Gefangenen war an jedem Sonntag eine Stunde Waschzeit angefeßt, während der mir im Hofe am Brunnen unsere Utensilien naschen durften. Getrocknet wurde das gewaschene Zeug, auf Bindfaden ge­hängt, im Aufenthaltsraum und Schlassaal.

Nur wurde der ganze gewaschene Kram meist wieder schmutzig, denn von Zeit zu Zeit veranstalteten die SS .­Leute in den Schlafräumen der Gefangenen Razzien. Wir nannten diese Amtshandlung der SS. Stunde der Nation"! Eine Stunde nach Schlafengehen erschienen dann in einem Saal 25 bis 30 SS.- Leute unter der Führung von Entsberger oder Zimmermann. Alle Gefangenen mußten, nur mit dem Hemd bekleidet, in den Vorraum heraustreten. Dann begann die SS. ihre Arbeit im Schlafsaal. Alle Stroh= säcke wurden entleert, mitten in den Saal, die Decken aus dem Bettzeug gezerrt und beides auf den Strohhaufen ge­worfen. Die Poffer und Kartons der Gefangenen wurden ansaeschüttet. Brot. Wurst, Butter und Marmeladendosen, Wäsche, trockene und nasse, Strümpfe, Shuhe, alles, mos im Raum war, Besen, Scheuerlappen, Nachtkübel, alles wurde auf einen Haufen durcheinandergeworfen. Die nenigen Lebensmittel, die sich Frau und Kinder zu Hause abg: hun

gert und ihren Männern und Vätern geschickt hatten, waren zertrampelt und verdreckt, ein Schutthausen blieb zurück.

" Wenn in zwanzig Minuten nicht wieder alles tadellos in Ordnung ist, findet morgen eine Wiederholung der Raazia statt!" Das waren immer die Abschiedsworté oon Entsberger und Zimmermann.

Wir stürzten uns dann wie wild auf den Haufen, Stopften das Stroh in die Säcke, sortierten Wäsche, Schuhe, ebens mittel aus dem Stroh, zogen die Decken eta Der Staub und Schmuß im Raum war zum Ersticken, Schweißtriefend legten wir uns dann nieder, nachdem alles hilbwegs t Ordnung gebracht war. Am nächsten Morgen mußten alle Strohsäcke wieder entleert werden, weil in der Gile Taschen­tücher, Strümpfe, Hemden, Handtücher und anders ver sehentlich mit hineingestopft worden war.

Wer noch eine Taschenuhr hatte, dem wurde sie bestimmt in der Stunde der Nation" zertreten. Ich wagie es immer, wenn in der Nacht auf einer der Stationen Razzia eseien war. Am anderen Morgen kamen die Helden" zum Baden. Die Gefangenen aber konnten sehen, wie sie ihren Schmuz los wurden.

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Es ist nicht verwunderlich, wenn bei solchen Zustanden alles verlaufte. Ich bekam zum Badebetrieb auch noch Entlausungsstation, die unterhalb des Sanitätsreviers en gerichtet wurde. Am furchtbarsten waren die Läufe au er Station 3, die mit fünfhundert Gefangenen belegt war. Alles Bettzeug, die Wäsche und Kleider und die Gefangenit dieser Station habe ich zweimal entlausen müssen.

Sicherungsverwahrung"

Im November 1933 wurde das Zellengebäude in Station 1 für die Opfer des neuen Gesetzes zur Sicherungsverwah= rung der Berufsverbrecher" eingerichtet, Nach diesem Gejez kann jeder, der mehrmals vorbestraft wurde, auch Gewohn heitstrinker, überhaupt jeder der nationalen Regierung" mißliebige Staatsbürger in lebenslängliche Siche= rungsverwahrung genommen werden.

Es dauerte gar nicht lange, da traf schon der erste Trans­port solcher Menschen ein, die hier lebendig begraben wer­den. Beim Empfang wurden sie zusammengeschlagen und getreten, bis sie liegen blieben. Gingesperrt sind je drei Mann in eine Zelle. Aus den Zellen ist alles entfernt, kein Tisch, fein Schemel ist darin, nicht einmal ein Nagel in der Wand. Die Strohsäcke werden am Abend in die Zellen ge= schafft. Die Fenster sind mit Kalf bestrichen, so daß die Ge­fangenen dauernd im Halbdunkel leben. Eingekleidet sind die BV.- Leute", wie wir sie nannten in alte blaue Polizei­uniformen. Man weiß mit ihnen nichts anderes anzufangen, als sie zu egerzieren: Parademarsch kloppen, den Gruß ,, Heil Hitler !" üben, Hinlegen!"," Sprung auf, marsch- marsch!" Die exerzieren besser als wir, fagte mal ein S.- Mann.

Viele der BV.- Leute hatten sich schon fünf und sechs Jahre gut geführt und waren mit den Strafgesetzen nicht mehr n Konflikt gekommen. Trotzdem sind sie lebend begraben, dür­fen nicht rauchen, keinen Tabak kanen, durften zu meiner Lagerzeit feine Post empfangen und feine absenden. Sie mußten mit der spärlichen Post, die sie erhielten, auskom­men und durften mit niemand, auch unter sich, nicht sprechen. Unter uns politischen Gefangenen war ein Ingenieur Franke aus Bitterfeld oder Piesteris, Mitglied der Sekte der Ernsten Bibelforscher", und deswegen in Schutzhaft. Ob­wohl sich Franke sonst in allem der Lagerordnung fügte, verweigerte er tonsequent den Hitlergruß". Eines Tages nun machten sich Truppführer Zimmermann mit fünf oder sechs SS.- Leuten daran, Franke auf dem Sandhof den Hitlergruß beizubringen. Ich hörte, wie unter meinem Fenster Entsberger zu Zimmermann sagte: Schleift den Krepel zu Tode."

Arm hoch! Arm hoch!" brüllte Zimmermann, und da Franke das nicht tat, fielen die SS.- Leute über ihn her, schlugen und traten auf ihn ein, bis er bewußtlos liegen blieb. Die Blutlachen, die bei dem starken Frost sofort fro= ren, fonnte man noch nach Tagen sehen.

Am anderen Tage wurde Franfe in Uniform gefleidet und in Sicherungsverwahrung zwischen die BV.- Leute gesteckt. Mit denen mußte er hinfort Dienst tun.

Reichstagswahl im Konzentrationslager

Die für den 12. November angesetzte Reichstagswahl mit Volksentscheid näherte sich. Auf allen Stationen wurden Radiolautsprecher eingebaut, damit auch wir die Reden der Führer" hörten. An einigen Abenden mußten wir bis 1 Uhr nachts anhören. Wer beim Eivschlafen erwischt wurde, slog in den Arrest. Einen Tag vor der Wahl wurden die Gesan= genen aller Stationen im Hof im Karree aufgestellt. Eine EA.- Kapelle erschien. Kommando:" Müßen ab, stillgestanden!" Die Kapelle spielte das Deutschlandlied. Rührt euch!" Ein uns unbekannter Propagandaredner sprach über: Bedro­hung Deutschlands ringsum durch hochgerüstete Staaten", von Freiheit" zurückerobern, Einigreit usw." Jeder, der nicht mit" Ja" abstimme, werde als Verbrecher am deutschen Volfe angesehen und danach behandelt!

Latrinenparolen kamen im Lager in Umlauf: Die Stimm= scheine sind durch Geheimzeichen numeriert, es wird jeder festgestellt, der mit Nein" abstimmt.

Der Wahlsonntag tam und das Resultat war: Von etwa 1800 abgegebenen Stimmen der Gefangenen lauteten drei­zehn Stimmen auf Nein", alle anderen haben mit Ja gewählt. Das war fein Wahlresultat! Unsere Stimmung war eine grundsäßlich andere. Alles nur Schein!

Weihnachten fam heran und damit die angekündigten Entlassungen auf Grund der Gnadenaktion. Auch ich stand auf der Liste. Entlassungsfeier mit Ansprache des Kon­mandanten:

Haltet den Schnabel über alles, bauscht kleine Vorkomm­nisse nicht auf, wer beim Märchenerzählen ertappt wird, der kommt ein zweites Mal nicht wieder raus. Helft mit am Aufbau unseres neuen Vaterlandes, Heil Hitler!"

Das war so das Nebensächlichste. Nachdem jeder bescheinigt, daß er keinerlei Ansprüche an den Staat zu stellen habe und nach Unterschreiben der Verpflichtung, fich nie mehr im staatsfeindlichen Sinne zu betätigen, wurde das Gepäck noch­mals fontrolliert und eine Leibesvisitation vorgenommen. kvir befamen einen Entlassungsschein und konnten endlich das Lager verlassen.

Wir liefen, was wir konnten, um nur erst einige Kilo. meter zwischen uns und die Hölle von Prettin" zu bringen.