Das Weißbrot hat schuld
Der ,, Matin" sieht die gänzliche Entvölkerung Frankreichs voraus. In sechzig Jahren, so heißt es in dem diesbezüglichen Artikel, würde die Bevölkerung Frankreichs nur noch 20 Millionen Menschen betragen. Das würde bedeuten, daß 1994 Frankreich weniger Einwohner als Spanien habe. Der Grund für diesen rapiden Bevölke rungsschwund sei in zwei Dingen zu suchen: einmal in dem geringen Geburtenüberschuß( Anmerk. der Redaktion: 1930 2,4 per Tausend) und zum anderen in der zu großen Sterb
lichkeit.
Für Mangel an Bevölkerungszuwachs macht der Verfasser das französische Brot verantwortlich. Er schreibt, daß
dem Weißbrot alle notwendigen Substanzen, vor allem die so wichtigen Vitamine fehlten und daß seine Produktion daher geradezu ein Verbrechen gegen die Lebensfähigkeit der französischen Nation bedeute.
Die Sterblichkeit wiederum, so heißt es in dem Artikel, stehe in engstem Zusammenhang mit der allgemeinen Volksgesundheit. Und für die Volksgesundheit sei in erster Linie die Keimfreimachung des Wassers und damit die Bekämpfung des Typhus von Wichtigkeit.
Amerika habe das schon vor mehr als dreißig Jahren erkannt. Während im Staate Neuyork die allgemeine Sterblichkeit 18,1 auf 1000 Einwohner und die Typhussterblichkeit 26,7 auf 100 000 Einwohner noch um das Jahr 1900 betragen habe, habe sich der Erfolg der Keimfreimachung des Wassers mit Chlor darin gezeigt, daß die Typhussterblichkeit 1930 nur noch 1,2 auf 100 000 Einwohner und die allgemeine Sterblichkeit 11,7 auf 1000 Einwohner ausgemacht habe. Nur zögernd sei Frankreich diesem Beispiel gefolgt. Daß aber dieser Weg richtig sei, beweise, daß 1930 15,83 auf 1000 Einwohner starben, während heute diese Ziffer auf 12,9 gesunken sei.
Ein Denkmal der Humanität
Es war vor zwanzig Jahren, die Kanonen des Weltkrieges donnerten in den Vogesenbergen, Franzosen und Deutsche starben als erste Opfer des furchtbarsten aller Kriege. Da ereignete sich auf dem Schlachtfeld von St. Dié ein Vorfall, der ein rührender Beweis für die Humanität und Toleranz des französischen Volkscharakters ist. Der aus dem Elsaß stammende Großrabbiner Abraham Bloch, der als Feldgeistlicher Dienst tat, fand mitten im Granatfeuer einen sterbenden französischen Soldaten. Dieser verlangte von ihm die letzte Oelung, weil er den Rabbiner für einen katholischen Geistlichen hielt. Der Rabbiner eilte davon und suchte einen katholischen Geistlichen. Er fand keinen. Aber auf seinem Weg erblickte er auf der Erde liegend ein Kruzifix. Mit dem Kruzifix eilte er zurück zu dem Sterbenden. Dieser küẞte das Zeichen seiner Kirche und starb. Einige Minuten später schlug an der Stelle eine Granate ein, die den Rabbiner tötete. Am vergangenen Sonntag ehrte Frankreich das Andenken dieses edlen jüdischen Geistlichen, in dem es an der Stelle, da dieser nach der Verrichtung seines Liebeswerkes den Tod fand, ein Denkmal einweihte. Zu der Feier war neben vielen offiziellen Persönlichkeiten auch der Pensionsminister der französischen Republik Rivollet erschienen, der sowohl am Grabe des Rabbiners einen Kranz niederlegte, wie auch an den Feierlichkeiten in der Synagoge und am Denkmal teilnahm, wo er das Kombattantenkreuz einmauerte. Der Pensionsminister hielt dabei eine Rede, in der er u. a. erklärte: ,, Es ist das große humane Gesetz der Duldung und Güte, dessen glorreicher Anwendung wir hier begegnen; es ist auch die Bekräftigung der französischen Brüderlichkeit, der unzerstörbaren und lebendigen nationalen Einheit trotz der Verschiedenheit der Politik und der Religionen. Hat Frankreich nicht von jeher daran gehalten, das aufnahmebereite Vaterland aller Philosophen zu sein? Ist es sich nicht schuldig, die Zufluchtsstätte zu bleiben und nötigenfalls die Herberge edler Ideen zu werden, woher sie auch kommen mögen? Es ist von besonderem Wert, hier in einem leuchtenden Symbol festzustellen, daß die Kombattanten diese reine Flamme der Duldung, welche die Seele unseres Landes erleuchtet, unversehrt erhalten, bewahren und selbst in der Gefahr noch unterhalten konnten." Die Worte des Ministers sind mehr als eine schöne Geste, sie sind ein Bekenntnis und ein Gelöbnis in einer Zeit, da in dem großen Nachbarlande die Intoleranz blutige Triumphe feiert. Erinnern wir uns in diesem Zusammenhang daran, daß vor wenigen Monaten in Mannheim durch eine nationalsozialistische Stadtverwaltung das Denkmal des deutschen Juden und Sozialdemokraten Ludwig Frank , der vor zwanzig Jahren für sein ,, Vaterland" auf den Schlachtfeldern Lothringens gestorben ist, zerstören ließ und sein Andenken öffentlich schändete. Hier spricht Frankreich dort aber sprach ein Deutschland , das sich vergeblich bemühen wird, die Achtung der freien Menschen Europas zu erringen.
Die Foire Européenne de Strasbourg
Auf dem großartig gelegenen Gelände des Wacken ist nun die 9. Exposition in vollem Gange. Mit einer Eröffnungsfeier, zu der die Vertreter der Behörden und Wirtschaftsverbände in großer Zahl gekommen waren, begann die Ausstellung am vergangenen Samstag. Ein großer Publikumszustrom ergießt sich seit diesem Tag unaufhörlich nach der Ausstellung. In weiten Hallen, Zelten und besonderen Pavillons sind die verschiedenen Erzeugnisse von Landwirtschaft, Industrie und Handel in übersichtlicher Weise gruppiert. In die Augen springen vor allem die mannigfachen Erzeugnisse, die für den täglichen Gebrauch bestimmt sind. Sie finden bei den Beschauern ein besonders lebhaftes Interesse. Die Ausstellung dauert noch bis zum 14. September. Von den größeren Veranstaltungen ist die Rally aérien zu nennen, die am vergangenen Samstag und Sonntag viele Flugzeuge der verschiedenen Gattungen nach Straßburg brachte, die mit ihren Darbietungen eine zahlreiche Menschenmenge unterhielten. Am 14. September findet ein erster elsässischer Rinderzuchttiermarkt statt.
Massenentlassungen bei Mathis
In der bekannten Straßburger Automobilfabrik Mathis, die sich vor einigen Tagen mit der amerikanischen Fordgesellschaft assoziierte, finden gegenwärtig Massenentlassungen von Arbeitern und Angestellten statt,
Man habe 1929 eine Statistik gemacht. Nach dieser kamen in 49 französischen Städten mit mehr als 50 000 Einwohnern 9 Typhustote auf 100 000 Einwohner, während in 49 gleichen deutschen und 107 englischen Städten die Typhussterblichkeit zehnmal geringer war. Was sich aber als gut für die großen Städte zeige, sei auch gut für das gesamte Land, und darum solle man ohne Zögern alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um das drohende Gespenst des Bevölkerungsschwundes zu bannen.
Doumergue vor dem Mikrophon
,, Figaro" will aus gut unterrichteter Quelle wissen, daß Ministerpräsident Doumergue am 21. September eine große Rundfunkrede halten werde, die die erste in einer Reihe wichtiger Rundfunkreden sein soll.
Erinnerungsfeiern an den Marnesieg
Am 9. September vor zwanzig Jahren wurde das große Ringen an der Marne zugunsten Frankreichs entschieden. Zur Erinnerung an diesen den ganzen Verlauf des Weltkrieges entscheidend beeinflussenden französischen Sieg werden, wie ..Journal" mitteilt, große Festlichkeiten stattfinden. Bei den Gedächtnisfeiern in Meaux wird der Kriegsminister Marschall Pétain persönlich anwesend sein. In Paris ist bereits auf dem Glockenturm des Rathauses jene Fahne gehiẞt worden, die der Stadt Paris gelegentlich einer Marneschlachtfeier und zum Gedächtnis von Lafayette vor einigen Jahren von der Stadt Philadelphia geschenkt wurde.
6. Kongreß der Auslandsfranzosen
Vom 2. bis 4. Oktober findet in Paris unter dem Protektorat des französischen Außenministers und der franzö sischen Liga für Schiffahrt und Kolonien der 6. Kongreß der Auslandsfranzosen statt, an dem zahlreiche Handelskammern, Unterrichtsanstalten, Wohltätigkeits-, Krieger- und andere Vereinigungen sowie bedeutende Bankunternehmungen und ein Teil der Geschäftswelt lebhaft interessiert sind.
Wie man hört, soll der Betrieb, der zuletzt 2500 Arbeiter beschäftigte, für kurze Zeit völlig still gelegt werden. Am 1. November soll dann die Produktion wieder voll aufgenommen werden. Inzwischen will die Firma notwendige innerbetriebliche Organisationsarbeiten vornehmen lassen. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß es sich hier um die Schaffung der technischen Voraussetzungen für die Produktion nach Fordschem Muster handelt. Die angeblich vorübergehenden Entlassungen stellen trotz allem eine starke Belastung des Straßburger Arbeitsmarktes dar und haben unter der Arbeiterschaft eine erhebliche Beunruhigung ausgelöst.
Ein Elsässisches Haus in Paris
Der Kongreß der elsässischen Vereinigungen in Frankreich befürwortet einen Antrag der Pariser Sektion, in der Hauptstadt der Republik ein Elsässisches Haus zu errichten, in dem sämtliche touristischen und wirtschaftlichen Auskünfte über das Elsaß zentralisiert werden. Das Haus wird schon in den ersten Oktobertagen eröffnet werden.
Kongreß der Radikalsozialisten
Die Féderation Radicale de L'Est wird ihren diesjährigen Kongreẞ zum erstenmal in Straßburg , und zwar am 29. und 30. September, abhalten. Die Vereinigung umfaßt 19 Departements. An der Veranstaltung wird neben einer großen Zahl führender französischer Politiker auch der Präsident der Vereinigung Edouard Herriot teilnehmen.
Nr. 34 soeben erschienen
PREIS 3 FRANCS
AUS DEM INHALT:
Die Woche
Zwanzig Jahre self der Marne Junge Leute dürfen nicht arbeiten Was hilft gegen Gewalt! LEOPOLD SCHWARZSCHILD : Salvarsan für alle!
ALBERT HELMAM: Pogrom In Afrika
JOACHIM HANIEL: Das deutsche Rohstoffgeheimnis
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Die auswärtige Politik des ,, dritten Reiches" kartoniert Fr. 25,- gebunden Fr. 35,-
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BRIEFKASTEN
Hausbesitzer in Köln . Gelegentlich eines Besuches im Saargebiet schreiben Sie uns einen Klagebrief über die schlechte Lage des Hausbesizes in Köln . Auf den Ringstraßen ständen hunderte größere Wohnungen leer und in anderen Stadtteilen sei es nicht besser. Sie hätten Ihren Brief an die gleichgeschaltete Presse des Saargebietes richten sollen, damit die saarländischen Hausbesitzer ers fahren, was sie bei einer Rückgliederung der Saar an das bankrotte Hitlerreich zu erwarten haben.
A. M. Als Schweizer schreiben Sie uns aus Genf :„ Wohl begreife ich, daß ein Volt sich einen Führer wählt, von dem es hofft, daß er es aus Not und Elend herausholen möchte, obwohl das einem ein zelnen ganz unmöglich ist. Immerhin: der Ertrinkende flammert sich wohl an einen Strohhalm. Ist der Führer ein überragender, erfahrener Mann, so ist das Führerprinzip noch zu verstehen. Nach dem ich diesen Mann aber einigemale am Radio gehört habe, ist mein Urteil:„ Ein franker Mensch". Ich werde irre an der Wigenschaft, in diesem Falle an der Psychiatrie, wenn sie schweigt. Wie können hochgelehrte Profesoren, die sonst alles sehen, alles erklären, das Winzigste ans Licht ziehen und unter die Lupe nehmen, zu diesen Fällen schweigen? Denn es gibt hier nicht nur einen Fall, sondern mehrere und viele Fälle. Wenn irgendwo eine ChoIeraerkrankung gemeldet wird, welche Sicherungsmaßregeln werden dann ergriffen! Wenn aber psychische Epidemien ganze Nationen anstecken, hüllt sich die Wissenschaft in Schweigen und keinerlei Maßregeln werden für notwendig erachtet. Es wäre an Ihnen, einen Appell an die psychiatrische Wissenschaft der ganzen Welt zu richten." Appellieren wollen wir gerne, ob es aber in diesem Falle" hilft? Wir glauben es kaum. Wo solche Fälle" zur Macht gelangen, schüchtern sie die Wissenschaft ein.
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,, Kirmes abgebrochen". Ihr schreibt uns:„ Wir in unserem Westerwalddorfe sind von der braunen Obrigkeit entsetzlich bestraft worden. Am Wahlsonntag hatten wir gerade die ortsübliche Kirmes. Trotz dem( oder vielleicht deswegen?) wurden in unserem Dorfe, dcs an die 1400 Einwohner zählt, über ein Drittel antihitlerische Stimmen abgegeben.( Also Nein und ungültige Stimmen sowie Stimm enthaltungen.) Wenn das schon amtlich ausgezählt worden ist, so haben wir allen Grund anzunehmen, daß der Prozentsatz gegen Hitler noch weit höher ist. Das geht aber auch noch aus folgendem Berkommnis hervor. Noch am Wahlabend erschien ganz plötzlich der Herr Landrat mit seinem Stabe, und es hagelte ein braunes Donnerwetter auf die Führergarde unseres Dorses. Damit aber nicht genug, der Herr Landrat gab sofort den Befehl, daß die Kirmes cuf der Stelle verboten sei als Strafe dafür, daß die Gemeindex. so hundsjämmerlich schlecht gestimmt habe. Das Weitere würde noch nachkommen.( Die übliche Drohung von neuem Terror!) So wurden denn sämtliche Gastwirtschaften abgestreift und die frohgelaunte Bürgerschaft nach Hause geschickt. Eine besonders feine Note bekam diese Razzia dadurch, daß in den sogenannten besseren Lokalen die Honoren Bürger unseres in der Welt nicht unbekannten Fabrikortes saßen, die sich anscheinend über das amtliche Ergebnis gar nicht genug freuen fonnten.- Heil Kirmes!" Amsterdam . Sie schreiben uns:" In Fulda prangen nach der Wahl am bischöflichen Palais, am Priesterseminar , alt den katholischen Pfarrhäusern in großen Lettern ge druckt folgende Aufschriften: 1491 Lumpen und Verräter haben in Fulda mit Nein gestimmt! Gehörst Du auch dazu?" In Fulda singt die Hitler- Jugend , wenn sie am Dom und beim Bischofspalais vorbeizieht sogar als die Bischofskonferenz tagte den Bers im Horst- Wessel- Lied: Hängt die Juden, stellt die Pfaffen an die Wand." In G. bei Fulda den Ort nennen Sie am besten nichtmo 78 Stimmen mit Ja abgegeben wurden, hat der von den Nazis abgesetzte frühere Bürgermeister in einer Eingabe an den Landrat Dr. Burkhard erklärt:„ Ich und noch sieben andere Bauern haben mit Nein gestimmt. Ich verlange eine Untersuchung wegen Wahlfälschung. In Kohlhaus bei Fulda , in einer ehemaligen Zellulosefabrit, liegt ein sogenannter Sportklub, in Wirklichkeit ein Rolltommando. Es sind dorthin wiederholt katholische Bürger verschleppt und halb tot geprügelt worden. Der Bürgermeister von Birkenbach, der einem Nazi etwas verweigert hatte, was er nicht tun durfte, erlitt dieses Schicksal, ebenso SA.- Leute, die beim Dienst fehlten. Fulda zittert vor der Bande.-( Sie fragen dazu:„ Was sagen dazu die Katholiken an der Saar , die nicht früh genug zu Hitler kommen möchten?" Wir auch.
Für den Gefamtinhalt verantwortlich: Johann Pig in Dud weiler: für Inferate: Ctto Kuhn in Eaerbrüden. Rotationsdrud und Verlag: Verlag der Volksstimme GmbH., Saarbrüden 3, Schüßenstraße 5. Schließfach 776 Saarbrüden.
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