Zur Klärung

,, Die saarländische Sozialdemokratie bestimmt ihre Politik selbst"

Die Volts stim me" schreibt unter anderm:

bestimmt

In der Zielsetzung für den Saarkampf besteht zwischen uns und unseren Genossen in der 2. Jnternationale ein vollkommenes Einverständnis, was schon die oben­erwähnte Initiative der 2. Internationale gezeigt hat. Seit ihrem Parteitag ist die saarländische Sozial demokratie eine politisch und organisatorisch völlig selbständige Partei. Sie bestimmt ihre Politik selbst. Es ist auch, was eigentlich selbstverständlich ist, nie von irgend welcher Bruderpartei ein Versuch unternommen worden, auf die Zielsetzung und auf die Methoden unseres Rampfes einzuwirken. Namentlich hat in der Frage der Einheitsfront unsere Partei von Anfang an eine völlig eindeutige positive Haltung gehabt, die auch von keiner Seite umstritten wurde. Die Behauptung, daß der Parteivorstand der deutschen Sozialdemokratie irgend welche Versuche gemacht habe, die Einheitsfront an der Saar zu verhindern, entspricht nicht im geringsten den Tatsachen. Der Prager Parteivorstand hat nie solche Versuche gemacht, wie er überhaupt nie versucht hat, fich in die Saarpolitik einzumischen. Die saarländische Sozial­demokratie bestimmt ihre Politik selbst und steht ein­mütig und geschlossen zur Einheitsfront, in deren Zeichen sie den großen Abstimmungssieg erringen wird.

Das Verbot

des Freiwilligen Arbeitsdienstes Verordnung der Regierungskommission des Saar­gebiets

dnb. Saarbrücken , 9. Sept. Jm Amtsblatt der Regierungs­fommission wird heute die Verordnung der Regierungsfom­mission veröffentlicht, durch die die Einrichtungen des Frei­willigen Arbeitsdienstes im Saargebiet verboten und die Meldepflicht für Einwohner des Saargebiets angeordnet wird, die außerhalb des Saargebiets im freiwilligen Arbeits­dienst beschäftigt gewesen sind oder innerhalb oder außerhalb des Saargebiets der SA. oder SS. oder der sogen. Eisernen Brigade Spaniol angehört haben. Wer einen Einwohner des Saargebiets zu einem außerhalb des Saargebiets abzu­leistenden freiwilligen Arbeitsdienst anwirbt oder den Wer­bern des Arbeitsdienstes zuführt, wird mit Gefängnis von drei Monaten bis zu einem Jahre bestraft. Ebenso wird der Arbeitgeber bestraft, der von seinen Arbeitern oder An­gestellten den Nachweis der Beschäftigung im Freiwilligen Arbeitsdienst verlangt.

Das Amtsblatt veröffentlicht ferner die Verordnung über die Errichtung des Obersten Abstimmungsgerichts und von Kreisgerichten im Saargebiet sowie Verfahrensvorschriften dieser Gerichte. Neben dem Obersten Abstimmungsgericht wird in jedem Kreishauptort ein Kreisgericht errichtet, ins­gesamt acht.

Eine freundliche Einladung" Die Reichsregierung an die Regierungskommission

Berlin , 10. September. Die Presse beschäftigt sich mit einer Verbalnote der Reichsregierung an die Regierungs­kommission, der damit eine Einladung zugestellt wird, sich durch persönlichen Besuch in den Arbeitsdienstlagern davon zu überzeugen, daß die einberufenen Saarländer ebenso menig wie die anderen militärisch ausgebildet würden. Der Sinweis in den Korrespondenzen zwischen dem saarländischen und dem reichsdeutschen Arbeitsdienst, daß die meisten Saar­ länder jenseits der entmilitarisierten Zone ausgebildet wer­den sollen, wird harmlos zu erflären versucht. Als wenn jemand, der in Deutschland nach Hannover oder nach Berlin oder nach Nürnberg reist, zu sagen pflegte, er begebe sich hinter die entmilitarisierte Zone. Wenn in einem amtlichen Schriftstück dieser Ausdruck gebraucht wird, so ist ganz flar, daß es sich um Uebungen handelt, die innerhalb der entmilitarisierten 3one laut dem Frie­densvertrag verboten sind.

Die Regierungsfommiffion des Saargebietes wird wohl ablehnen, sich durch einen Besuch in einigen für diesen 3med vorbereiteten Arbeitsdienstlagern Harmlosigkeiten vormachen zu lassen. Inzwischen wird übrigens aus Nürn­ berg gemeldet, daß dort die saarländische SA. bei dem Vor­beimarsch vor dem Führer mit besonders herzlichem Beifall begrüßt worden sei. Ein Beweis, daß eine saarländische SA. besteht, und das deutsche Staatsoberhaupt höchst persönlich die Huldigung einer Truppe entgegennimmt, die von der Regierungskommission des Saargebietes verboten ist.

Dich Kerl schlagen wir tot!" Jeden Tag an der Saar ...

Die Volksst im me" berichtet: Samstagabend gegen 11 Uhr erschienen vor der Woh­nung des früheren Reichsmusikleifers der NSDAP. , Hillebrand, in Rentrisch einige SA.- Leute unter Füh­rung des Leifers der deutschen Front" in Rentrisch , Lehrer Barth , und trafen Anstalten, gewaltsam in die Wohnung einzudringen. Zwei der GA.- Leute stießen wilde Drohungen gegen Hillebrand aus, u. a.: Dich erl schlagen wir fof, wir schneiden dir den Hals ab!" Einer der Leute wollte eine Art holen, um die Haustüre ein­zuschlagen. Lehrer Barth , der wohlgemerkt Führer der deutschen Front" in Rentrisch ist, stand dabei und unternahm nichts gegen diese Drohungen seiner Partei­und Gesinnungsgenossen.

Durch den Lärm wurde die Nachbarschaft aufmerk­sam, auch der Hauswirt erschien, so daß die gewalt­tätigen Deutschfrontler ihr Vorhaben aufgaben. In­zwischen war das Ueberfallkommando alarmiert worden, so daß die Täter gestellt werden konnten. Es handelt sich um den Lehrer Barth, um Louis Wolf und Erich König aus Rentrisch .

Hillebrand ist, wie wir meldeten, erst vor wenigen Tagen von Deutschfrontlern schwer mißhandelt worden und liegt noch mit gefährlichen Kopfwunden danieder. Das ist wieder einer jener Terrorfälle, die die sogenannte deutsche Front" abzu­leugnen versucht, um vor der Völkerbundskommission reiv und unschuldig dazustehen.

Hitler an seine SA. und SS. :

Nürnberg

d

190

,, Vor wenigen Monaten hat sich über die Bewegung ein schwarzer Schatten erhoben."

Die Saar hat alles zu gewinnen..."

Ein führender Katholik weist jedoch auf die Verblendung der Bevölkerung hin

Paris , 10. September 1934. ( Von unserem Korrespondenten) Im Vordergrund des Intereffes nicht nur der Völler­bundsverhandlung in Genf , sondern auch der französischen Presse steht angenblicklich das Saarproblem. Kein Tag vergeht, an dem nicht die Blätter aller Richtungen diese oder jene Neuigkeit über das Eisenerz- und Stein= fohlenland bringen, das am 13. Januar 1935 mit seinem Votum vielleicht das Schicksal Europas entscheidet. Ercelfior" fragt, welche Wirkung die französische Denf­schrift auf die Gesinnung der Saarbevölkerung haben werde, und was die saarländischen Anhänger des Status quo von der Beratung in Genf erwarten und erhoffen? Michel Gorel, der bekannte Berichterstatter des Excelsior" hat mit einer katholischen Persönlichkeit,

die von Rom kommend, sich nach dem Saargebiet begeben wollte und im politischen Leben der Weimarer Republick eine große Rolle spielte, eine Unterredung über die Saarfrage gehabt. Diese für den Status quo energisch eintretende Persönlichkeit meinte, die französische Denkschrift sei ausgezeichnet, aber sie verfenne etwas die gegenwärtige Stimmung der Saarländer . Für das Saargebiet sei im Augenblick der Wirtschaftsfaftor nicht von entscheidender Wichtigkeit. Jedermann wisse an der Saar , daß wirt­ichaftlich bei der Entscheidung für den Status quo oder für eine Vereinigung mit Frankreich alles zu gewinnen sei, während bei einer Rückkehr zum Reich alles Arbeit, Geld, Abjaßwege verlieren würde. Frankreich habe wohlmei­

nend und logisch gehandelt, als es versprach, an eine un­abhängige Saar die Minen vorteilhaft abzutreten. Aber, so schloß diese Persönlichkeit ihre Ausführungen, Logit und gesunder Menschenverstand haben in einem Landstrich ihr Recht verloren, in dem Fanatismus und Verblendung einerseits und Schrecken und Entseßen andererseits die Oberhand gewonnen haben.

Zu den Ausführungen, die der französische Außenminister Barthou im Völkerbund über die Saarfrage gemacht hat, meint das gleiche Blatt, niemand hätte den Saarländern einen besseren Beweis von Freisinnigkeit geben können, als dies die französische Regierung durch ihre Auffassung des Saarproblems getan habe.

Figaro" begrüßt gleichfalls die Ausführungen von Hernn Barthou in Genf , die, wie das Blatt sagt, erforderlich waren, weil die französische Denkschrift eine teilweise bös­willige Auslegung erfahren habe. Die schon bekannten Methoden der deutschen Propaganda finden naturgemäß auch bei der Saarfrage ihre Anwendung. So teilt der Be­richterstatter des Petit Parisien"( 9. September Nr. 21012) seinem Blatte mit, daß in einem der größten Hotels des Haag, das von bekannten ausländischen Persönlichkeiten bevorzugt wird, alle dort meilenden Reisenden im verschlossenen Briefumschlag mit Na­mensanschrift ein Schreiben der deutschen Propaganda in englischer Sprache erhalten haben. In diesem Schreiben werde die Saarfrage behandelt. Es enthalte heftige Vor­würfe gegen Frankreich , aber auch der Völkerbund werde nisht verschont.

Erste Genfer Saardebatte

Barthou scharf gegen Terror:..Nur eine freie Abstimmung gilt"

Ganz unerwartet tam es am Samstag zu einer Saar­

debatte. Nach dem Bericht des Barons Aloisi, dem Vor­füßenden des Dreierkomitees, nahm der französische Außen minister Barthou das Wort. Er wandte sich energisch ge= gen den Terror an der Saar und erklärte u. a.:

Ich stelle fest, daß das Dreierfomitee der Unparteilichkeit, von der es sich seit seiner konstituierung leiten ließ, treu ge­blieben ist. Ich werde bei dieser Gelegenheit nur auf ein Wort des Berichtes eingehen: Im Namen des Dreieraus­schusses stellt Baron Aloisi fest, daß sich in den Monaten Juli und Auguſt unter dem Vorsitz von Rohde die Dinge normal entwickelt haben.

Was die Arbeiten der Abstimmungskommission angeht, so stimmt das. Ich muß jedoch dem Rat ganz ruhig sagen, daß sich gestern und vorgestern böse Zwischenfälle abgespielt haben. Ich will sie jedoch nicht verallgemeinern und stelle sie nur fest. Ich drücke nur den Wunsch aus, sie mögen sich nicht erneuern und vor allen Dingen nicht schwerer werden. Barthou betonte sodann, die französische Regierung werde die

Ergebnisse des Völkerbundes, wie sie auch immer seien, an­erkennen. Die französische Regierung wolle lediglich, daß sich die Volksbefragung unter freien und unparteiischen Be­

dingungen abspiele, und daß diese Voraussetzungen, die der Versailler Vertrag vorsieht und die durch den Völkerbunds­rat in seiner letzten Sizung präzisiert worden seien, von jedermann respektiert würden. Barthou schloß mit den Worten: Daß die Bevölkerung frei sei, daß sie unter dem Schutz der Vertragsgarantien und der Entscheidungen des Völkerbundes sagen kann, was sie will, ohne daß irgendeine Drohung im Augenblick oder für die Zukunft auf ihr lastet, das ist der Wille des Vertrages, das ist der Wille des Völkerbundsrates, das ist der Wille der französischen Re­gierung. Allein die Saarländer können über ihr Schicksal entscheiden."

Die Vollmachten des Dreierkomitees wurden vom Rat erweitert. Das Komitee wurde mit der Bearbeitung der durch die französische Saardenkschrift aufgeworfenen Fragen beauftragt. Die nächste noch im September stattfindende Ratssitzung wird sich endgültig mit der Saarfrage befassen.