Einheitsfront des Saargebiets

an den Völkerbund

Monsignore Panico

im Saargebiet

Der päpstliche Delegat für das Saargebiet, Monsignore Panico, ist am Montagabend in Saarbrücken eingetroffen.

Forderung zur Sicherung gegen Terrorakte, zur Durchführung feine der aus gefesmäßiger Verpflichtung herrührenden Zah­

einer wirklichen freien Abstimmung

Die Einheitsfront des Saargebietes, unterzeichnet Mar Braun und Frizz Pfordt, hat an den Völkerbundsrat durch die Abstimmungskommission des Saargebiets eine Dentschrift gerichtet, Wir entnehmer dem wichtigen Dokument:

I.

Wir gestatten uns, erneut die Aufmerksamkeit des Hohen Völkerbundsrates auf den nationalsozialistischen Terror im Saargebiet zu lenken, der die Freiheit und Aufrichtigkeit der Abstimmung auf das schwerste gefährdet.

Die bereits in früheren Denkschriften dem Hohen Völker­bundsrat mitgeteilten Terror-, Boykott-, Aechtungs- und Diffamierungsmaßnahmen der Nationalsozialisten bestehen in verschärfter Form und vergrößertem Umfange weiter: Die Gleichschaltung der saarländischen Kommunen und an­derer Selbstverwaltungsförperschaften mit ihrer schweren Schädigung aller saarländischen Gegner des Nationalsozia­ lismus ; die nationalsozialistische Zersetzung des gesamten Beamtenförpers, insbesondere auch in der Erefutive; die nationalsozialistische Infizierung der Justiz und der Schule; der Gesinnungszwang mit der beständigen Bedrohung der Brotlosmachung auf die Arbeiter, Angestellten und Beam­ten; der Gesinnungsterror im gesellschaftlichen und Vereins­leben mit der ständigen Androhung von Represalien nach dem Abstimmungstag usw. Dazu kommen

fteigendem Maße physische Terroratte,

die planmäßig vorbereitet und durchgeführt werden, und denen gegenüber sich die bestehende Exekutive als unzu­reichend und unzuverlässig erwiesen hat. Die Attentate auf den Landesratsabgeordneten Sommer in Heiligenwald, auf den sozialistischen Parteivorsitzenden Becker in Elvers­berg, auf den früheren Reichsmufifleiter der NSDAP . Hillebrandt in Rentrisch , auf den Polizeikommissar Machts in Saarbrücken , die Nazi- Ueberfälle in Ottweiler , St. Arnual , Sulzbach usw., die Tränengasbomben gegen die Anti- Hitler- Rundgebung in Sulzbach mit der Freilassung bes Täters und eine Reihe anderer Terrorfälle, die sich noch in allerjüngster Zeit ereignet haben, verlangen gebicterisch ganz energische Maßnahmen gegen diesen Terror. Wir for­dern einen ausreichenden Schutz der Abstimmungsfreiheit, der so stark sein muß. daß er auch der drohenden Gefahr eines Putsches wie eines Einmarsches nationalsozialistischer Trup­penteile gewachsen sein muß. Die Massen der Hitlergegner an der Saar erklären sich ausdrücklich bereit, den Schutz ihrer Heimat gegen widerrechtliche und gewalttätige Aktiv­nen des Nationalsozialismus zu übernehmen. Allein seit der letzten Völkerbundstagung sind unserer Beschwerdestelle

über 500 Terrorfälle gemeldet und einwandfrei belegt worden. Dazu kommen die dauernden Verletzungen der Ver­einbarungen vom 4. Juni durch den hitleramtlichen Rund­funk und durch fortwährende aggressive Einmischungen reichsdeutscher Regierungsstellen und Regierungsmänner in die Angelegenheit der Saar - Volfsabstimmung. Mit der zu nehmenden Aussichtslosigkeit eines Hitlersieges am 13. Ja nuar wird die Anwendung der Nazi- Methoden gegen Dester­reich auch auf die Saar übertragen.

II.

Eine weitere Gefahr für die Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit der Abstimmung liegt in der Art und Weise der Herstellung der Abstimmungslisten. Die Ob­jektivität, Lonalität und Neutralität der Abstimmungs­fommission wurde und wird durch die Maßnahmen der gleichgeschalteten Kommunalverwaltungen beeinträchtigt. Diese haben sowohl bei der Aufstellung der Listen wie bei den Vorschlägen für die Gemeinde- Wahlausschüsse in un­fairer und gefährlicher Einseitigkeit gehandelt, die noch durch unlautere Machenschaften der sogenannten Deutschen Front" unterstützt wurde. Von insgesamt 84 Gemeinde- Wahlaus­schüssen sind

nur in acht die Gegner des Nationalsozialismus nertreten, während 76 Ausschüsse restlos mit Anhängern der national­sozialistischen Deutschen Front" besetzt sind. Die Tätigkeit dieser Ausschüsse geht über rein technische Funktionen weit hinaus, so daß ihre Zusammensetzung eine schwere Gefahr für die Ehrlichkeit der Abstimmung darstellt. Die jetzt herausgekommene ganz unmöglich hohe Zahl der angeblich Abstimmungsberechtigten, die aller Statistik widerspricht, beweist bereits, mit welchen Methoden seitens der National= sozialisten zur Irreführung der Abstim= mungsfommission gearbeitet worden ist. Demgegenüber ist eine besonders scharfe und bis auf den einzelnen Fall durchgeführte Kontrolle durch unparteiische Beauftragte unter Teilnahme der Vertreter aller Bevöl­ferungsfreise unbedingt erforderlich. Falls die dafür vor­handenen Organe bei der Kürze der Zeit nicht ausreichen, muß ihre Zahl unter Berücksichtigung des Prinzips der Barität vermehrt werden. Insbesondere ist eine lückenloje Ausmerzung der doppelten Eintragung erforderlich. Die Freiheit der Abstimmung würde gefährdet sein, wenn richt

1. eine Beschlagnahme der Säle, Plakatjäulen und Kund­gebungsplätze und eine Aufhebung aller Boykottie­rungs- und Diskriminierungsmaßnahmen gegen die

Zeitungen der Hitlergegner an der Saar durch die Selbstverwaltungsförperschaften und

2. eine Freigabe der öffentlichen Propaganda erfolgt.

III.

Wir machen den Hohen Völkerbundsrat darauf aufmerk­sam, daß seitens der nationalsozialistischen Deutschen Front" wider besseres Wissen in demagogischer Weise die irrefüh­rende Auffassung verbreitet wird, daß die Pensions und Renten empfänger bei einer Abstimmung gegen Hitler

lungen des Dritten Reiches" mehr zu erwarten hätten. Demgegenüber stellen wir fest, daß die Rechte auf dem Ge­biete der Sozialversicherung und der Pensionen unabhängig vom Ausgang der Volksabstimmung sind, daß die Zahlungen des Dritten Reiches " gefeßmäßige Verpflichtungen dar stellen und daß für die Sozialrentner und Rentenempfänger ausreichende Garantien bestehen bzw. weitere geschaffen wer­den müssen.

IV.

Der von der Einheitsfront des Saargebiets vertretene Volksteil ist der Auffassung, daß die künftige Gestaltung des Saargebietes im Status quo das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung einsetießlich des Rechtes, den Status des Ge­bietes zu ändern, umfaßt.

Christliches Gewerkschaftsbüro besetzt

Ein schwerer Terrorfall an der Saar

Verstoß gegen die Verordnungen der Regierungskommission

Saarbrücken , den 10. September 1934.

Heute hat sich in Saarbrücken ein neuer unerhörter Terrorfall ereignet. Drei Gruppen SA.- Leute besetzten heute vormittag die Büros des christlichen Metallarbeiter­verbandes, teilweise unter Anwendung von Gewalt, um auf Anordnung hitlerdeutscher Behörden den gleichgeschal teten christlichen Gewerkschaftssekretär Otto Pick zu be seitigen, da Pick der neuen Richtung nicht mehr paßt. Die SA.- Leute mußten mit Hilfe der Polizei entfernt werden. Im Laufe des Nachmittags besetzte die SA. aufs neue die Büros, auf denen sie nichts verloren hat, brachte Sicher­heitsschlösser an, um die bisherige Leitung des Verbandes am Betreten der Büros zu hindern und wurde abermals durch das Ueberfallfommando hinausgejagt. Die Polizei versiegelte sodann die Büros. Alles weitere wird sich vor dem Gericht abspielen.

Die Hintergründe

Die Volfsstimme" berichtet über die Vorgeschichte des Gewaltstreiches unter den Augen der Völkerbundsregie

rung:

In der braunen Gewerkschaftsfront an der Saar ist ein sehr tiefgehender Konflikt ausgebrochen. Zwei Fronten stehen sich gegenüber. Auf der einen Seite der schwarzbraune Peter Kiefer, auf der anderen Seite der gleichgeschaltete christliche Gewerkschaftssekretär Otto Pick . Pick vertrat den Stand­punkt, daß die Arbeiterschaft unter feinen Umständen die Kosten der Rückgliederung tragen dürfe. Röchling und Peter Kiefer waren sich also einig, daß der gleichgeschaltete Gewerk­schaftssekretär Pick verschwinden müsse. Da der Verband des Herrn Pick aber absolut selbständig ist, ist diese Lösung mit großen Schwierigkeiten verbunden. Am vergangenen Sonn­tag wurden also per Freifahrtschein eine Reihe absolut hitler­und röchlingtreuer Funktionäre nach Zweibrücken beordert, wo der Abteilungsleiter der Deutschen Arbeitsfront , Herr Kalwar, Berlin , den Plan zur Beseitigung Picks ent­warf. Gegen Otto Pick wurden die tollsten Verleumdungen verbreitet. Kronzeuge gegen Pick war ein früherer Gewerf­schaftssekretär, der wegen Unterschlagungen im Verband ent­lassen und verhaftet worden war. In Zweibrücken wurde von Berlin die Order gegeben, die Büros des christlichen Metallarbeiterverbandes am Montag sofort mit SA. zu be­setzen und Pick hinauszuschmeißen. So fam es zu den geradezu sensationellen Vorfällen innerhalb der braunen Gewerkschaftsfront an der Saar .

Man macht das nach bekannter Methode. Man ließ in der Zweibrücker Versammlung einen Rechtsanwalt aus Saar­

Der tägliche Terrorfall

brücken mit einem juristischen Gutachten" aufmarschieren. Nicht genug damit: es mußte dem mißliebigen Sekretär Pick Korruption" nachgewiesen werden. Man nahm eine Ent schließung an, in der es heißt:

,, Nach den in der Versammlung getroffenen Feststellungen ist die Bestellung des Otto Pick zum Verbandsleiter und die ihm herausgearbeitete Sagung mangels gültigen Generalversammlungsbeschlusses nichtig. Otto Pid hat nach den in der Versammlung weiterhin getroffenen Fest­stellungen, erhärtet durch geprüfte Urkunden und verhörte Zeugen, seit Jahren unter Mißbrauch seiner Stellung als Bezirks- und Verbandsleiter in schwerster Schädigung des ihm anvertrauten Verbandsvermögens sich persönlich be: reichert; er hat sich des Vertrauens der Mitglieder unwürdig gezeigt. Der derzeitige Vorstand wird daher aufgefordert, mit sofortiger Wirkung eine ordentliche Mitgliederversamm­fung einzuberufen zwecks Prüfung dieser Vorgänge. Der Vorstand wird weiter aufgefordert, sich bis zu der zu tref­fenden Entschließung der Mitgliederversammlung jeder Ge­schäftstätigkeit zu enthalten."

Diese Vorfälle stellen nicht nur einen unerhörten Eingriff in das Vereinsrecht an der Saar dar, nicht nur einen wider­rechtlichen Eingriff in die Tätigkeit des christlichen Metall­arbeiterverbandes, sondern vor allem eine einzig dastehende Einmischung reichsdeutscher Hitlerbehörden in das Gewerk­schaftsleben der Saar.:

Wenn die Regierungsfommission auf Grund dieser un­erhörten Vorfälle nicht endlich zu den schärfsten Gegen­maßnahmen greift und dem Hitler- Terror an der Saar ein Ende macht, werden sich in den nächsten Tagen und Wochen noch ganz andere Dinge im Saargebiet ereignen. Bekanntlich ist von den hitlerdeutschen Behörden die In­szenierung eines Generalstreifs im Saargebiet geplant, der von Berlin finanziert werden soll. Berlin verspricht sich sehr viel davon. Die Terrorwelle verdichtet sich mehr und mehr, die Regierungskommission fann nur noch Herr der Lage bleiben, wenn sie mit eiserner Entschlossenheit und mit den schärfsten Mitteln gegen die braunen Terroristen, die Ord= nung und Sicherheit im Saargebiet so schwer gefährden, vorgeht. Unbegreiflich bleibt uns bis zur Stunde, weshalb die illegale SA.- Truppe, die in so widerrechtlicher Weise fremde Gewerkschaftsbüros besetzte, nicht sofort in Saft ge­nommen wurde. Mit Protokollen allein ist gegen solchen Terror nicht anzukommen..

,, So, das hast Du von dem Status quo!"

Saarbrücken , 10. Sept. In der Nacht von Sonntag auf Montag wurde in Püttlingen der Sohn des Volkshaus­wirtes von drei Nationalsozialisten überfallen, niedergeschla­gen und schwer mißhandelt. Der Ueberfall ereignete sich in der Mitte des Ortes. Als der Schwerverletzte wehrlos am Boden lag, rief ihm noch einer der Nationalsozialisten zu: ,, So, das hast Du von dem Status quo."

Dem nichtgleichgeschalteten jungen Mann ist u. a. die untere Zahnreihe ausgeschlagen worden. Die Nationalsozia listen haben mit geradezu bestialischer Brutalität auf ihn eingeschlagen.

Das Martyrium eines Kindes in Hitler deutschland

Diese Terrorfälle häufen sich in den letzten Wochen in m gesehenem Ausmaße. Die Erfahrung hat gezeigt, daß di Gerichte den angeklagten Nationalsozialisten mit größter Wohlwollen entgegentreten. Kein Wunder, die meisten Rich ter gehören gleichfalls der deutschen Front" an. Der größt Teil der Polizei bzw. der Landjäger ist unzuverlässig. Di Bevölkerung ist schutzlos. Wenn wir die letzten Wochen furz Revue passieren lassen, so häufen sich die Terrorfälle bergehoch. Wie ist es möglich, daß der braune Ordnungs dienst" mit Genehmigung der Behörden seine sogenannte Patrouillen durchführen darf, ja, daß er überhaupt erlaubt ist?

zahlloser Familien von eingeferferten Antifaschisten aus. Das Welthilfskomitee für die Opfer des Hitlerfaschismus richtet an die ganze Welt den dringenden Appell: erfämpft durch Massenproteste und Massenspenden die Befreiung Frau Opfer des Hitlerfaschismus aus Gefangenschaft und Not! Judenhetze

Ein zwölljähriger Junge muß Strällingsarbeit verrichten. Beimlers und ihres Kindes, erfämpft die Rettung aller well sein Vater aus Dachau entflohen ist

Der Fall des ehemaligen Abgeordneten Hans Beimler ist bekannt. Knapp vor seinem Selbstmord", ausgehungert und zerschlagen, gelang es ihm im Mai 1933, aus dem Konzentrationslager Dachau zu entfliehen. Daraufhin wur den seine Frau, seine Schwägerin und sein Sohn von der Hitlerpolizei festgenommen. Frau Beimler befindet sich heute, nach 15 Monaten, noch immer als Geisel im Straf­

vollzugsgefängnis Stadelheim, obwohl sie weder unter An­flage gestellt, noch rechtmäßig verurteilt wurde. Dort be­findet sich auch ihre Schwester; ihr 12jähriger Junge wurde in eine Erziehungsanstalt nach Wasserburg am Inn gebracht. Die Zuschrift eines oppositionellen Katholiken aus Süd­bayern, die an das Welthilfsfomitee für die Opfer des Hitlerfaschismus gelangt, wirft ein grelles Licht auf die un­menschlichen Schikanen, die Kinder eingeferferter Anti­faschisten heute im Dritten Reich " erleiden müssen. Der fleine Hans Beimler befindet sich ohne Verbindung mit

seiner Mutter, die er seit 15 Monaten nicht mehr sehen durfte, im Erziehungsheim. Seine Erziehung" besteht darin, daß man den schmächtigen Jungen, der für sein Alter noch klein ist, als Mi aurergehilfen vier Stunden täg lich in Wind und Wetter schwere Lasten tragen und die här teste förperliche Arbeit verrichten läßt. Vier weitere Stun­den pro Tag muß er die Schule besuchen und als Bol­ſchemiſtentſprößling" unter dem Sohn der Lehrer national sozialistische Lieder auswendig lernen. Was vom Tag übrig bleibt, muß der körperlich völlig erschöpfte Junge auf " Schularbeiten" anwenden, die je nach Mutwillen und Laune seiner Lehrer gelegentlich besondere Strafarbeiten sind. Da bei ist seine Ernährung völlig unzureichend. Niemand weiß. welche körperliche Schädigungen das Kind jetzt schon für sein ganzes Leben davongetragen hat.

Der Geijelfall der Frau Beimler, das Martyrium des kleinen Hans, sind keine Einzelfälle. So sieht das Schicksal

In verschiedenen Gegenden Deutschlands , beispielsweise. zwischen Magdeburg und Braunschweig , sind neuerdings in zahlreichen Dörfern auffallende rote plakate angeklebt mit verschiedenen Aufschriften, zum Beispiel: Wer vom Juden frist, stirbt daran. Die Juden sind unser Unglück. Der Jude

boykottiert deutsche Waren, denkt daran."

Versöhnungsfeldzug

Das Mitteilungsblatt der Reichsbetriebsgemeinschaft Ver­kehr und öffentliche Betriebe, Arbeit und Staat", gibt den Neinsagern der letzten Wahl in einem einzigen, furzen Ar­tikel, folgende Kosenamen:

Lumpen, gefränfte Leberwürste, Dummföpfe, Hefe, poli­tische Kindsföpfe, Patentnarren, verhinderte Schieber.

Wenn sich die Neinsager auch dadurch nicht gewinnen lassen, ist ihnen nicht zu helfen.