Die Volksabstimmung vom 19. August
Der Wahlbetrug
Ein zusammenfassender Bericht aus dem Reich
Eine statistische und politische Auswertung des Abstimmungsergebnisses vom 19. August muß alle Umstände berückfichtigen, von denen diese„ Volfswahl" begleitet war. Ein Ueberblick über die tatsächlichen Vorgänge bei der Vorbereitung und Durchführung der Abstimmung läßt sich aber nur auf Grund einer umfassenden Nachrichtensammlung aus allen Teilen des Reiches gewinnen. Auf Grund einer solchen Nachrichtensammlung, deren Ergebnisse im folgenden verarbeitet sind, lassen sich zwei allgemeine Feststellungen über die Abstimmung treffen. Ohne jede Uebertreibung fann gesagt werden: Terror und Fälschung waren größer als bei irgendeiner anderen Wahl vorher, zugleich muß aber hinzugefügt werden, daß Ausmaß und Art des Terrors und der Wahlfälschung in den einzelnen Landesteilen sehr verschieden waren. Eine knappe Uebersicht über die Methoden, deren das Regime sich bei der Verfälschung des Abstimmungsergebnisses bediente, zeigt folgendes Bild:
1. Vor der Wahl
r
a) Der Druck der allumfassenden Propaganda: es gab nur das Ja"; Hitlers Kopf von allen Fenstern, allen Autos; Gemeinschaftsempfänge der Radioreden usw.
b) Der moralische Druck: Die Nein- Sager wurden als Landesverräter, Lumpen, Saboteure des nationalen Auf
baus gebrandmarkt.
2. Während der Stimmabgabe
a) Die uniformierten SA.- Leute und PO.- Mitglieder in den Wahllokalen schufen von Anfang an im Abstimmungsraum eine Terror Atmosphäre, die auch da ihre Wirkung nicht verfehlte, wo der Terror nicht unmittelbar zu Anwendung fam.
b) In vielen Fällen gab es überhaupt keine Wahlzellen, in anderen war ihr Betreten praktisch unmöglich gemacht worden: entweder die Zelle war in eine ganz entfernte Ecke geschoben, oder SA.- Leute versperrten den Zugang oder es waren abschreckende Plakate angebracht.( 3. B.: " Jeder Deutsche wählt offen, wer wählt anders?" oder „ Hier hinein gehen nur Landesverräter".)
c) In verschiedenen Landesteilen war auf den Wahlzetteln schon das Ja angekreuzt.
d) Kriegsopfer- und andere Vereine wurden geschlossen zur Wahl geführt und mußten offen wählen.
e) Dem Abstimmen Unberechtigter wurde Vorschub geleiftet: in München konnte man auf Ehrenwort" wählen, in der Pfalz für Freunde und Bekannte. Mitglieder von Arbeitslagern wurden geschlossen zur Wahl zugelassen, ohne daß ihre Berechtigung geprüft wurde.
3. Bei der Auszählung
a) Die Auszählung fand meist nur in Gegenwart von SA. und Parteimitgliedern statt.
b) Ungültige Stimmen wurden kurzerhand als JaStimmen gerechnet. Wahlvorsteher freuzten bei leer abgegegebenen Betteln nachträglich das Ja an.
c) Nein- Stimmen wurden in erforderlichem Umfange" durch Ja- Stimmen ersetzt, manchmal auch in übertriebenem Eifer darüber hinaus, so daß schließlich mehr Stim= men gezählt wurden, als Abstimmungsberechtigte( einschließlich der Stimmscheininhaber) vorhanden waren.
d) Das bekanntgegebene Ergebnis wurde einfach gefälscht( in zahlreichen fleinen Orten festgestellt, in denen fich eine Anzahl Genossen untereinander ehrenwörtlich zum Nein- Stimmen verpflichtet hatte) oder das Ergebnis wurde überhaupt nicht veröffentlicht.
Diese verschiedenen Methoden des Wahlzwanges und der Wahlfälschung wurden in den einzelnen Landesteilen in sehr verschiedenem Grade zur Anwendung gebracht, nicht nach einer allgemeinen Anweisung und einem starren Schema, sondern unter Anpassung an die örtlichen Möglichkeiten und Erfordernisse. Es ist eine Erfahrung, die in den letzten anderthalb Jahren immer wieder gemacht werden mußte: der Terror wirkt nicht überall gleichmäßig, sondern örtlich sehr verschieden. In Hamburg waren zu Anfang der faschistischen Herrschaft die Zustände fast noch nogmal, während in Sachsen schon die furchtbarsten Verfolgungen müteten.
Diese Beobachtung erklärt einen Teil der großen Unterschiede, die die Wahlergebnisse aufweisen. In der Pfalz haben z. B. 94,8 Prozent aller Stimmberechtigten mit Ja gestimmt, mehr als in irgendeinem anderen Wahlkreis. Im unmittelbar benachbarten Wahlkreis Koblenz - Trier , der im wesentlichen diefelbe wirtschaftliche und fonfeffionelle Struktur aufweist, dagegen nur 82,4 Prozent. Das Ergebnis bestätigt, was alle Berichte aus der Pfalz feststellen, daß dort Terror und Fälschung einen Refordstand erreicht haben, offenbar weil der Gauleiter Bürckel , der neue deutsche Saarbevollmächtigte, mit Rücksicht auf das benachbarte Saargebiet ein besonders gutes Resultat brauchte. Aber auch innerhalb der einzelnen Wahlkreise zeigen sich große Unterschiede in den Ergebnissen, die erst durch das verschiedene Maß des Terrors und der Fälschung erklärt werden können. Einige Beispiele: Im Kreis Görlitz machen Nein- Stimmen und ungültige 12 Prozent der Stimmberechtigten aus. In den einzelnen Landgemeinden aber schwanken die Nein- und ungültigen Stimmen zwischen 0, 1, 2 und 20 bis 21 Prozent. michlesischen Kreis Lauban zeigen sich bei einem Gesamtdurchschnitt von 8 Prozent Nein- und ungültigen Stimmen Unterschiede zwischen 0 und 20 Prozent, in den Kreisen Rothenbura und Sorau , die beide ebenfalls einen Durchschnitt von 8 Prozent haben. Unterschiede zwi schen und 26 Prozent bzw. 0 und 25 Prozent. Im WahlTreia Niederbayern. der, 13,2 Prozent Nein- und ungültige Stimmen aufweist, schwanken die örtlichen Graeb= niffe zwischen 1 und 22 Prozent. In den rheinischen Wahlfreifen mit ihrem höheren Anteil an Nein- und ungültigen Stimmen gibt es Orte mit 40 bis 50 Prozent.
Statistische Auswertung
Aus der Tatsache, daß Terror und Fälschung das Abstimmungsergebnis sehr start, aber auch sehr verschieden beeinflußt haben, ergeben sich die Vorbehalte für eine statistische Auswertung des Ergebnisses. Diese Auswertung muß zunächst einmal eine rechnerische Bereinigung der amtlichen Rablenübersichten bringen. Die amtliche Uebersicht über die Wahlergebnisse brachte die Feststellung, daß 89,9 Prozent der Wähler mit Ja gestimmt hatten. Bei der Berechnung dieser Rohl und der entsprechenden Zahlen für die einzelnen Wahlkreise war man aber nicht von der Gesamtzahl der Stimmberechtigten oder wenigstens von der Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen ausgegangen, sondern von den gültigen Stimmen. Man hatte also stillschweigend die 872 000 ungültigen Stimmen einfach unterschlagen. Zugleich aber
wurde eine amtliche Gegenüberstellung mit dem Abstim mungsergebnis vom 12. November veröffentlicht( z. B. im " Berliner Tageblatt", in der„ DA3.", im„ Angriff" vom 20. August) in der 1) nicht von den für die Nazis damals günstigeren Zahlen für den Volksentscheid, sondern von den Stimmen für die Einheitsliste zum Reichstag ausgegangen wurde und 2) von der Gesamtzahl der Abstimmungsberech tigten. Auf diese Weise wurde erreicht, daß die Verminderung der Ja- Stimmen gegenüber dem 12. November nur sehr gering erschien( 89,9 Prozent gegen 92,1 Prozent am 12. 11.). Will man diese wahrscheinlich allgemein gar nicht
bemerkte beachten:
Fälschung ausschalten, so muß man folgendes
a) Die ungültigen Stimmen müssen in die Berechnung einbezogen werden. Die Wahlhandlung war diesmal so einfach, daß Versehen so gut wie ausgeschlossen waren. Außerdem ist aus vielen Berichten zu ersehen, daß den Alten und Gebrechlichen von den Schleppern durchweg beim Ausfüllen geholfen“ wurde. Die ungültigen Stim men sind also zweifellos als ablehnende Stimmen zu wer= ten. Das geht auch aus ihrer Zahl hervor. Bei der Präsidentenwahl 1932 wurden im 1. Wahlgang 242 000, im 2. Wahlgang 282 000 ungültige Stimmen abgegeben und sogar die neun Reichstagswahlen von 1919 bis 1933 ergeben nur einen Durchschnitt von 309 000 ungültigen Stimmen. Die Volksabstimmung vom 12. 11. ergab dagegen 750 000 ungültige Stimmen( neben 3 349 000 ungültigen Stim= men bei der gleichzeitigen Reichstagswahl). Die 872 000 ungültigen Stimmen vom 19. August müssen also in die Berechnung einbezogen werden.
b) Es genügt aber auch nicht, von der Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen auszugehen, wie das bisher bei der amtlichen Auswertung der Wahlergebnisse zuleßt noch bei dem Ergebnis vom 12. November geschah. Sondern man muß von der Gesamtzahl der Stimmberechtigten ausgehen. Der Zwang, zur Wahl zu gehen, war diesmal so allgemein, der Schlepperdienst gerade auch für Kranke und Gebrechliche so vorzüglich organisiert, daß man die
Nichtwähler vom 19. Auguſt nicht mit denen früherer Schlepperdienst sich diesmal der Wahl entzog, der tot es
Wahlen auf eine Stufe stellen kann. Wer troß Terror und
aus Abneigung gegen das Regime und seine Wahlenthaltung muß als Demonstration gelten, die in manchen Orten gefährlicher war als das Nein- Stimmen. Die einzig zutreffende Grundlage für die Auswertung des Wahlcrgebnisses ist also die Zahl der Stimmberechtigten.
c) Wenn man die Ergebnisse vom 19. August mit denen vom 12. November vergleichen will, muß man selbstverständlich von derselben Grundlage ausgehen und nicht wie das Regime einerseits von den gültigen Stimmen und andererseits von n abgegebenen Stimmen. Die gemein= same Grundlage tann für beide Wahlen nur die Zahl der Stimmberechtigten sein, da sür den 12. November dieselben Ueberlegungen gelten wie für den 19. August.
d) Will man Vergleiche zwischen dem 19. August und dem 12. November anstellen, so darf man dabei nicht von den Ergebnissen der Reichstagswahl vom 12. November ausgehen, sondern nur von denen der gleichzeitigen Voltsabstimmung über den Austritt aus dem Bölferbund. Die Nazis wenden ein, daß es sich bei dieser Volksabstimmung um eine außenpolitische Frage gehandelt hätte, in der auch diejenigen sich hinter die Regierung stellten, die mit. ihrem sonstigen Kurs nicht einverstanden waren. Diesen Einwand haben die Nazis durch ihre eigene Propaganda zum 19. August von vornherein widerlegt. Obgleich es sich diesmal um eine innerpolitische Frage handelte, haben die Nazis auf unzähligen Plakaten und Flugblättern jeden Nein- Sager als Landesverräter bezeichnet und damit zu erkennen gegeben, daß ste zwischen den Nein- Sagern vom 19. August und denen vom 12. November feinen Unterschied zu machen gedenken. Der Abstimmende stand also am 19. August unter demselben moralischen Druck wie am 12. November. Es kommt aber hinzu, daß auch am 19. August zweifellos viele für Sitler gestimmt haben, die bei einer allgemeinen Reichstagswahl sich nicht für die NSDAP . entscheiden würden. Der Vergleich zwischen den Ergebnissen der beiden Wahlen fann also zuverlässig nur gezogen werden, wenn in beiden Fällen die Zahl der Stimmberechtigten zugrundegelegt wird und außerdem nicht die Reichstagswahl, sondern die Volfsabstimmung vom 12. November herangezogen wird.
Bereinigt man nach diesen Gesichtspunkten die amtliche Tabelle der Wahlergebnisse, so zeigt sich erst der Rückgang der Ja- Stimmen in seiner vollen Größe. Wir beschränken uns auf folgenden tabellarischen Auszug:
unibahol
bagatellifieren wie 2,2 Prozent. Und in einzelnen Wahlfreisen sind die Unterschiede noch fraiser. In Köln Aache it hat Hitler tatsächlich 14,5 Prozent verloren, aber nur 7,5 Prozent eingestanden, in Koblenz - Trier 14 Prozent gegen 5,8 Prozent, in Westfalen Nord 13,8 Prozent gegen 7,4 Prozent usw. Das sind Zahlen, die wenn man sich immer die ungeheuerliche Verfälschung des Wahlresultates. vor Augen hält sehr beachtlich sind und die erst richtig erflären, warum das Regime sofort nach der Wahl so ängstlich bemüht war, den Verlust an Ja- Stimmen und die 3u nahme der Nein- Sager als politisch belanglos hinzustellen gleichzeitia aber eine neue Aktion zur Gewinnung der letzten zehn Prozent" ankündigte.
Auch der Einwand, daß die hohe Zahl der diesmal aus - zum 19. August wurden über gegebenen Stimmscheine 3 Millionen Stimmscheine ausgegeben, am 12, November wurde mit 1,2 Millionen Stimmicheinen gewählt solche Gegenüberstellungen nicht zulassen, ist nicht stichhaltig. Bei Vergleichung ganzer Wahlbezirke gleichen sich ausgestellte und abgegebene Stimmscheine erfahrungsgemäß fast völlig aus. Eher fann sich durch die Stimmscheine eine Verschiebung der; Vergleichsgrundlage bei einzelnen Orten oder fleineren Stimmmbezirken ergeben. Das ist insbesondere bei der Würdigung des Abstimmungserachnises in den Großstädten und in einzelnen Stadtteilen zu berücksichtigen. Aber auch mit diesen Einschränkungen bleibt das Ergebnis in den Großstädten beachtlich. Wir greifen einige heraus:
Aachen 65,4 Prozent Ja- Stimmen, Hamburg 71,5 Prozent, Berlin ( beide Wahlkreife) 73,4 Prozent, Altona 78.7 Prozent. Breslau 74.3 Brozent, 5ln 74.6 Prozent, Augs burg 74,9 Prozent, Flensburg 75,2 Prozent, Lübeck 75,8 Prozent.
Das sind wesentliche Unterschreitungen des Gesamtergeh. nisses von 84,3 Prozent und es zeist sich, daß außer Berlin und Hamburg nicht nur fatholis Großstädte an diesen Ergebnissen beteiligt sind.
Wahlausgang
und Volksstimmung
Wenn ein Abstimmungsergebnis so ungeheuerlich verfälscht worden ist wie das vom 19. August, dann hat es für: eine politische Auswertung natürlich nur sehr geringen Wert. Immerhin ist es auch ein bedeutsames Ergebnis, daß Terror und Fälschungen nicht mehr ausgereicht haben, die Tatsache zu verdecken, daß die Massengrundlage des Regimes im Schwinden begriffen ist. In welchem Grade diefer Prozeß fortgeschritten ist, darüber geben die Abstimmtungsresultate feinen zuverlässtaen Anhaltspunkt. Die Zahl derjenigen, die das Regime innerlich ablehnen, ist sicher sehr viel größer als die Zahl derer, die es auch äußerlich zu tun gewagt haben und deren Ablehnung das Regime hinterher nicht mehr aus der Welt schaffen fonnte. Wir wollen aber auch nicht in den Fehler verfallen, die Anhängerschaft Hitlers zu unterschäßen.
Für die richtige Einschätzung des Wahlergebnisfes immer unter Berücksichtigung des Terrors und der: Fälschungen müssen vor allem drei Fragen beantwortet werden: a) Warum haben sich die Greianiffe nom 30. Juni nicht stärker ausgewirkt? b) Warum ist die Miktimmung auf dem Lande in den Wahlergebnissen nicht zum Ausdrud gekommen? c) Was erwarten die Ja- Sager von Hitler?
a) Dem aufmerksamen Beobachter der Entwicklung in Deutschland war schon lange vor dem 19. August flar, daß, Die Ereignisse vom 30. Juni meder moralische noch politich die Wirkungen auf die deutschen Volksmassen ausgeübt: haben. die man zunächst im Auslande erwartet hatte. Schon Mitte Juli stellten wir in diesen Berichten( Teil A) folgendes feft:
„ Fast alle Berichte stimmen in drei Punkten mehr vberi minder überein: 1. die breite Masse hat den politischen Sinn der Ereignisse nicht begriffen; 2. große, offenbar sehr große Teile des Volfes feiern sogar Hitler wegen seinen rücksichtslosen Entschlossenheit und nur ein fleiner Teil ist nachdenklich gestimmt worden oder gar empört; 8. auch große Teile der Arbeiterschaft sind der unfritischen Verhimmelung Hitlers verfallen."
Diese Feststellungen behalten auch gegenüber dem Wahlergebnis ihre volle Gültigkeit. Gerade nach den Ereignissen vom 30. Juni hätte Hitler auch ohne Terror und Fälschung wesentlich mehr Stimmen auf sich vereinigen fönnen als jür eine Wahlliste der NSDAP . abgegeben worden wären.
Vergleich der Abstimmungen vom 19. August Bitler wesentlich günstiger als in den Städten. und 12. November
Wahlkreis
2. Berlin ... 3. Potsdam II 17. Westf. Nord 18. Westf. Süd. 20. Kö n Machen 21. Koblenz- Trier 34, Homburg .
Derlast an Ja Stimmen amtlich richtig
Stimmberechtigte
An ei der Ja- Stimmeu amtlich
richtig
19. 8
12, 11.
%
1728719
1571 548 902 207 909118
1753 759 1601278
858 252 942656
19.& 1.11.19. 12. 11, %/ 0/0 0/0 1367837 1467118 81.5 85,1 72,1 81,5 3,6 94 1459 433 1481835 84,4 889 74,6 85,7 4,5 11,1 1750380 1732021 84,2 91,6 77,7 91.5 7,4 138 87,1 91,2 81,4 92,2 4,1 10 8 81,8 89,3 75,9 90,4 7,5 14.5 87.5 93,3 824 96.4 58 14,- 795 83,6 71.5 833 4.1 11.8 92,1 84,3 92,4 2,2
%
81
Gesamt Ergebnis 45 473 635 45 178 701 89,9
Diese Uebersicht zeigt, wie beträchtlich die Unterschiede zwischen den Zahlen der amtlichen Auswertungsmethode und denen der richtigen Berechnung sind: Nach der amtlichen Berechnung hat Hitler 89,9 Prozent der Ja- Stimmen erhalten ( nämlich 89,9 Prozent von den gültigen Stimmen), tatsäch= lich sind es aber 84,8 Prozent der Gesamtzahl der Stimmberechtigten. Amtlich sind für Hamburg 79,5 Prozent, für Berlin 81,5 Prozent Ja- Stimmen errechnet worden, richtig berechnet sind es 71,5 und 72,1 Prozent. D. h. fast 30 Prozent haben sich in den beiden größten Städten des Reiches nicht zu Hitler bekannt trot Terror und Wahlfälschung.
Noch interessanter sind die Aufschlüsse, die die richtige Berechnungsmethode bei einem Vergleich der Ergebnisse vom 19. August und 12. November ermittelt. Nach der amtlichen Angabe hat Hitler gegenüber der Abstimmung vom 12. November nur 2,2 Prozent an Stimmen verloren( 89,9 gegen 92,1 Prozent). Bei richtiger Berechnung sind es aber 8,1 Prozent( 84,3 gegen 92,4 Prozent). An diesem Punkte zeigt sich besonders flar, warum das Regime zu so bedenklichen Rechenfunststücken greifen mußte. Der Schwindel in den unteren Instanzen hatte troß der vielfältigsten und sfrupellofeften Methoden nicht das gewünschte Ergebnis gezeitigt. So mußte noch von oben nachgeholfen werden. Einen Verlust von 8,1 Prozent Ja- Stimmen kann man nicht ebenso
b) Im allgemeinen ist das Abstimmungsergebnis auf dem Das scheint im Widerspruch zu der auch in diesem Berichte aufgenommenen allgemeinen Beobachtung zu stehen, daß die, Mißstimmung auf dem Lande vielleicht am größten ist. Bei näherer Ueberlegung muß man aber drei Umstände in' Rechnung stellen:
1. Auf dem flachen Lande wirft der Terror am stärksten, weil in den kleinen Verhältnissen der einzelne NeinSager am ehesten die Entdeckung fürchten muß. Hier find offenbar auch die Fälschungen am skrupellosesten gehandhabt worden.
2. Die Bauern- auch das haben unsere Berichte gezeigt wiffen am wenigsten, was sie an die Stelle des gegen= wärtigen Regimes seben sollen, bei ihnen wirft der Bolschewistenschreckt noch immer am stärksten.
3. Gerade unter den Bauern gab es viele, die schon se't Monaten die Auffassung vertraten: Mit Hiller gegen die braunen Bonzen. Diese Auffassung ist durch den 30. Juni nicht geschwächt, sondern eher gestärkt worden.
D'e
c) Das führt zur eigentlichen Rernfrage dieser Wahl: Was erwarten die Ja Sager von Hitler? nationalsozialistischen Zeitungen haben sich offenbar auf Anweisung des Propagandaministeriums- bemüht, nachzuweisen, daß die Nein- Sager nichts anderes sind als ein Häuflein Unzufriedener, die sich nur im Nein einig, in allem anderem uneinig sind. Unter sich werden sich die Machthaber nicht darüber täuschen, daß es für sie viel wichtiger ist, diese Betrachtung auf die Ja- Sager anzuwenden. Denn gerade die freiwilligen Ja- Sager sind sich nur in einem einig: Sie sind für Hitler, aber sie richten auf ihn sehr verschiedene Erwartungen.
Die einen haben ihn gewählt, weil sie zur braunen Bonzokratie und ihren Nußnießern gehören, die anderen, weil fie von ihm erwarten, daß er die Säuberungsaktion vom 30 Juni fortsetzen und das Volk von diesen braunen Bon en befreien wird. Die einen erhoffen von ihm immer die Var
anderen glauben, daß er von jetzt ab einen fonservativen Kurs steuern wird. Die einen sehen in ihm den Führer in
wirklichung des nationalsozialistischen Sozialismus: die