Abgeblaßte Bräune
19
Freitag, den 21, September 1934
Die Studenten waren einst Hitlers feurigste und zuverlässigste Wegbereiter. Ihr Ungestüm und ihre Meisterlosigkeit versetzte die deutsche Hochschule eine Zeitlang in Anarchie. Der Zustand ist heute, so lautet ein Bericht der Basler National- Zeitung", ein anderer. Die von oben ge forderte unwürdige Verleugnung und Ausstoßung aller nicht vollarisch Alten Herren und die vom Staate gedeckten Anremplungen durch die Hitlerjugend haben die Korporationsstudenten dem Regime entfremdet, so sehr, daß der Staat selbst den Korporationen entgegenkommen mußte, indem er den Vorsigenden der deutschen Studentenschaft, den radikalen Parteimatador Staebel, durch einen Mann der mildern Tonart ersetzte.
Aber das Einlenken hat nicht genügt. Die farben tragenden Studenten lehnen das dritte Reich", wie es sich seit dem 30. Januar 1933 entwickelte, immer mehr als ein ihnen wesensfremdes, ja feindliches Element a b. Immer mehr Widerstände machen sich auch in der zwar stets noch stark nationalsozialistisch gesinnten ehemals freien Studentenschaft breit. Hier sind die jungen Leute in keinem Traditionsgefühl getroffen und verlegt, sondern sehen sich bedroht in ihrer wissenschaftlichen und beruflichen Zukunft überhaupt. Der streng militaristische, alles nivellierende, geistfremde, geistfeindliche Staat mit seinen kommandierten Arbeits- und Schulungslagern und den Dutzenden anderer Obligatorien verhindert die Studenten einfach an der Arbeit und am anständigen Studium.
Alles in allem gerechnet, betrug die durchschnittliche Kollegienzeit an den deutschen Universitäten letztes Semester knappe zwei Monate! Enttäuschung herrscht überall, und heimliche Auflehnung macht sich in den preußischen Univer sitäten gleichermaßen breit wie in den süddeutschen. Der Rektor der Freiburger Universität, der Philosophieprofessor Heidegger , ein bekannter Nationalsozialist, hat vor dieser latenten Unzufriedenheit vor einiger Zeit die Segel streichen und abdanken müssen. Und im berüchtigten ,, Stürmer" des Nürnberger Stadtgewaltigen Streicher stand neulich ein Bericht aus München , der mit geradezu entseglichen Worten die offen feindselige Haltung eines großen Teils der Münchener Studenten gegen das Regime schildert. Die Symptome seien jedoch nicht überschätzt, Tausende von Studenten sind vom äußern Glanz des dritten Reiches" immer noch begeistert, und die Gegengewalt, die gesammelte, organisierte, zielsichere, die sich dem Hitlerschen Staate mit Erfolg in den Weg stellen könnte, ist auch mit dem kräftigsten Vergrößerungsglase noch nirgends zu entdecken.
**
Die deutsche Universitätsstadt, an die der Schreiber denkt, ist klein und von alter und ruhmreicher Tradition. Ihr Zustand mag als typisch gelten. Ihr Name sei aus den bekann. ten Gründen natürlich verschwiegen. Schon das Verhältnis zwischen Studenten und Bürgerschaft ist charakteristisch. Die alten guten Beziehungen wurden planmäßig zerstört. Da
Die Zuckertüte
Von Manfred
Es ist nach Mitternacht. In der Straßenbahn sitt ein Arbeiter. Seine Kleider riechen nach Oel und Eisen. Sein Gesicht ist geschwärzt. In den Falten am Hals hat sich Kohlenstaub zu schwarzen Striemen zusammengeschoben. Auf der glatteren Haut hinterm Ohr ist jede Pore ein Kohlepunkt. Man sieht das alles sehr genau, haarscharf wie gestochen; jeden Faden der geflickten Jacke könnte man zählen, denn der Mann sitt müde, mit gekrümmtem Rücken vornübergebeugt, die Ellenbogen auf die Oberschenkel gestügt, die Hände zwischen den Knien schlaff ineinandergelegt. Auch die Hände sind schwarz. Nur die ringsum schwarz geränderten Fingernägel schimmern ganz hell; es erinnert an das Weiße im Auge eines Negers. In der linken Jackentasche steckt ein flacher Kaffeekrug; dieser sichtbare Streifen hellblau emaillierten Blechs ist das einzig Farbige im Bilde des Mannes. Bei den Bremsstößen des Wagens schwankt der gebeugte Oberkörper widerstandslos hin und her. Alle Kraft hat der Mann dort gelassen, wo er bis Mitternacht gearbeitet hat. Der Rest ,, Mensch" fährt nach Hause. Nein, es läßt sich nur passiv ausdrücken: er wird gefahren. Von der Arbeit zugerichtet", denkt man, und., die Arbeit" erscheint als etwas Böses, ein Untier, das allnächtlich die Kraft dieses Mannes frißt wie der Adler des Zeus die Leber des angeschmiedeten Prometheus; es läßt ihm Zeit, sich auszuruhen und mit frischen Kräften wiederzukommen, die es wieder friẞt- und so ein Leben lang.
99
Die Fahrt geht weit in die Vorstadt hinaus. Nach geraumer Zeit richtet sich der schlafende Arbeiter aufgeschreckt auf, blickt verstört um sich und starrt sekundenlang durch die Scheiben, um zu ergründen, an welcher Stelle seiner Heimfahrt wir augenscheinlich sind. Dann lehnt er sich zurück. Jetzt kann man sehen, daß der Mann noch gar nicht alt ist, Mitte der Dreißig etwa; gute, junge Kraft, bekommt ,, die Arbeit" täglich zu fressen.
Der Mann denkt vor sich hin. Er denkt mit der Beharrlichkeit einfacher Leute, die lange an einem Punkt verweilen und den gleichen Gedanken durch Wiederholung eindringlicher machen, so wie ein Ornament durch Aneinanderreihung der gleichen Figur entsteht. Solches Denken spiegelt sich nicht in den Mienen, starr und unbeweglich bleiben die
Augen auf einen irgendwo erfaßten Punkt gerichtet. Die
nächste Umwelt bemerken sie nicht, sie schauen hindurch gleich der fotografischen Linse, die, auf weite Entfernung eingestellt, die Nähe nur unscharf abbildet. Es kommt uns nur nicht zum Bewußtsein, daß wir mit unseren Augen fortwährend die gleich wechselnde Scharfeinstellung vornehmen wie der Fotograf an seiner Kamera. Wenn wir die Bilder unserer Wahrnehmung auf der Netzhaut fixieren könnten, würden wir erstaunt sein über die vielen unscharfen Bilder,
die wir aufnehmen...
Während meine Gedanken abschweifen, hat der Mann eine Bewegung gemacht, die mich ihm wieder zuwendet. Er hat aus seinem Denken heraus in die rechte Rocktasche gegriffen und eine Tüte hervorgebracht. Eine kleine, spitze, weiße Tüte. Er macht sie auf und schaut lange hinein. Es sind rote und grüne Bonbons in der Tüte, die er seinem
.
das deutsche Volk bald vom ersten Kindesschrei an bis zum Todesseufzer reglementiert und kommandiert wird, so muß der Staat durch seine Beauftragten auch bestimmen, bei wem die Studenten wohnen dürfen und bei wem nicht. Ohne Rücksicht auf Lage und Güte der Zimmer befiehlt der nationalsozialistische Ortsführer der Studentenschaft, daß zunächst alle verfügbaren Zimmer bei Arbeiter- und Kleinbeamtenfamilien besetzt werden, erst dann kommen die seit Generationen als ruhig bekannten und vermieteten Studentenbuden in den Bürgerhäusern an die Reihe, sie bleiben aber mei. stens leer, weil dann der Wohnbedarf schon gedeckt ist. Privatdozenten und Professoren, die keine eigene Wohnung
-
vielleicht nur die unvermeidliche große deutsche Reinigungskur, der Tunnel, durch den wir erst hindurch müssen.." Ein Tunnel wie oft wird dieses Gleichnis jetzt genannt.
-
Tags darauf wurde ein Zwischenfall bekannt, der sich am Abend zuvor während der in Masse besuchten Vorlesung eines Gelehrten von europäischem Ruf ereignet hatte. Der Dozent hatte geglaubt, zu Beginn. des Kollegs die Konzession eines zwar nur angedeuteten Hitlergrußes machen zu müssen. Darauf allgemeines Gelächter der Studenten. Der Professor lächelte verständnisvoll mit. Jetzt aber wissen sich die Studenten vor lauter ehrlicher Freude kaum zu fasesn und scharren ihrem Lehrer sekundenlang Zustimmung und Applaus...
ich mich"
Philosophie der Knechtschaft
haben, müssen sich den Befehlen des allmächtigen Orts- ,, Habe führers, eines Jünglings noch zarten Alters, genau so widerspruchslos fügen wie die Studenten. Wie oft kommt es vor, daß Dozenten ihre Kollegien und Studenten ihre Examen zwangsweise vom Lärm kinderreicher Familien umbrandet vorbereiten müssen; unterdessen stehen die ruhigen Studier. stuben leer und wenn deren Besitzer dennoch kühn genug sind und vermieten, so werden ihre Namen, falls man sie er. tappt, schandenhalber als Feinde des Staates veröffentlicht. Die Parteizugehörigkeit und politische Zuverlässigkeit gibt selbstverständlich auch hier den Ausschlag. Als unzuverlässig gilt schon ein Abonnement auf die ,, Frankfurter Zeitung ".
*
Am Tag meines Besuches befand sich die Professorenschaft in beträchtlicher Aufregung: jener Befehl wurde bekanntgegeben, wonach die deutschen Dozenten, wie alle anderen Staatsbeamten auch( die Rektoren werden, wie bekannt, nicht mehr von der Dozentenschaft gewählt, sondern vom Ministerium bestimmt und der Universität gegebenenfalls aufoktroyiert), einen Treueid auf Adolf Hitler persönlich ablegen müssen. Ein Dozent meinte, die Erregung sei so groß, daß mindestens die Hälfte des Lehrkörpers sich entschlossen zeigte, den Eid zu verweigern, fügte dann aber skeptisch
lächelnd hinzu,„ entschlossen sicherlich heute, morgen jedoch oder gar übermorgen wahrscheinlich nicht mehr. Was wollen Sie! Wir sind keine Helden. Der Verdienst, die Familie! Der Druck von oben und die Furcht sind zu groß."... ,, Universitätsprofessor sein, Geistesarbeit verpflichtet vielleicht doch etwas. Wenn auch die deutschen Geistesarbeiter sich wie Krämer betragen, dann wird das dritte Reich" allerdings tausend Jahre dauern."... ,, Sie mögen recht haben. Diese furchtbare deutsche Krisis ist vor allem eine Krisis der gei. stigen Feigheit."
Ein anderer Dozent sieht den baldigen Zusammenbruch der deutschen Universitäten als Stätte der höheren Bildung und der Wissenschaft in der Tatsache der ,, hanebüchenen Inkompetenz" der Leitung der in Frage stehenden Ministe rien beschlossen. Zwar sei, genau wie im Kirchenkonflikt, die rien beschlossen. Zwar sei, genau wie im Kirchenkonflikt, die Hoffnung berechtigt, daß der allzugroße Druck einen reini genden Gegendruck erzeugen werde. Das ,, dritte Reich" ist
Kinde mitbringt. Er schaut noch immer hinein. Dann faltet er die Tiite wieder zu, schiebt sie langsam in die Tasche und sitzt wieder vornübergebeugt in der Haltung müder, plagender Erwartung auf das Ende dieser Fahrt.
Nun kann man den Weg nachgehen, den seine Gedanken gegangen sind: Müdigkeit, das Bett daheim, die endliche Ruhe. Alles ist genau vorstellbar: die enge Wohnung über drei, vier dunklen Stiegen; vor den Türen schimmern die herausgestellten leeren Milchflaschen. Die Wohnung von der Sommerhitze bedrückt, tagsüber vom Straßenlärm durchdrungen, von den Gerüchen der Vorstadt geschwängert. Alles steht eng aufeinander. Zwischen Schrank und Betten bleibt nur ein schmaler Gang. Gelebt wird in der Küche. Man wäscht sich an der Wasserleitung. Ein kleiner, gesprungener Spiegel hängt über dem Ausguß. Ein bunter Abreißkalender mit der Reklame einer Firma ist angeheftet. Der billige, viel zu laut eingestellte Radioapparat schreit Konzertmusik gegen die Wände, und wie auf dem Lande ein krähender Hahn dem andern antworten aus der heißen Straße andere Lautsprecher, alle mit der gleichen lauten Musik.
Die Frau wie wird sie sein. Vielleicht ruhig und gutmütig, und nach dem ersten Kinde schon zu formloser Fülle neigend? Oder mager, schrill und griesgrämig, unlustig gemacht durch das ewige Nachrechnen der paar Mark, die der Mann heimbringt? Ein guter, gescheiter Kamerad oder eine zänkische Elster, die dem Mann mit dem Hausklatsch von gestern in den Ohren liegt? Oder eine gedankenlose Putzhenne, die mit leichter Hand fortträgt, was der Mann schwer verdient? Es gibt verschiedene Frauen. Es fahren Mädchen mit ihren Liebhabern hier im Wagen mit, Mädchen aus der Vorstadt, durch deren Jugenderscheinung hindurch sich schon ahnen läßt, wie sie einmal sein werden, jede ein Männerschicksal, im Guten oder im Schlimmen. Und auf sie selber wartet das Los; Glückstreffer gibt es nicht viele im Leben. Und so geht es dann weiter, Tag für Tag wofür lebt der Mensch?
-
Aber der Mann hat daheim noch ein Kind. Zwei- oder dreioder vierjährig; in diesem Alter sind sich Jungen und Mädel noch ganz gleich, nur einfach: Kind. Vielleicht ist es noch das erste und einzige in junger Ehe. Jetzt schläft es mit heißen Backen, das zierliche Spielwerk der Finger zu kleinen, spaßigen Fäusten geballt. Die Wimpern säumen wie zarte Federchen die geschlossenen Lieder. Die schwarzweiße Mickymaus aus Stoff, ohne die das Kind nicht schlafen geht, ist an den Bettrand gerollt; da liegt sie wie eine putige
Traumfledermaus mit ihren großen, schwarzen Ohren.
An das Kind hat der Mann gedacht, als er mit seinen schwarzen Händen für einen Groschen die roten und grünen Bonbons in der weißen Tüte kaufte. Sein Schweiß und die Schwielen seiner Hände haben sich in die blanke Münze verwandelt, die er hingab für das Kind. Und als er vorhin die Tüte aufmachte und so lange hineinschaute in das Grün und Rot des Zuckerwerks, hat er auch an das Kind gedacht. Morgen früh, wenn er ausgeschlafen haben wird, werden die Hände nicht, mehr ganz so schwarz sein, nur die Nagelfalze bleiben schwarz für immer; und wenn er in die Tasche der geflickten Jacke am Türhaken greifen wird, wird das Kind jauchzend in die kleinen Hände klatschen: der Vater hat ihm etwas mitgebracht! An diesen Augenblick hat der Mann vorhin gedacht, für diese kleine Freude lebt er, für
In den naturwissenschaftlichen Märchen von Kurd Laẞwig sie erschienen vor einem Menschenalter gibt es eine Episode mit einer philosophischen Spinne, die ein Zoologe zu Beobachtungszwecken in ein Reagenzglas eingesperrt hat. Irgendwer bemitleidet sie, aber die Spinne begreift nicht: Der Mensch hat mich nicht in seinem Glase, sondern in dem Glase des Menschen habe ich mich!" Aus ge
-
Warum uns das just in Erinnerung kommt? ringfügigem Anlaß. Bei Gelegenheit des Nürnberger Parteitages hat der Reichspressechef Dietrich geäußert:
,, In Deutschland jedenfalls war die Reform der Presse unerläßlich, nicht um die Freiheit der Presse zu vernichten, sondern um die Unfreiheit aus ihr zu entfernen und um die Basis wieder herzustellen, auf der allein eine innerlich freie Presse gedeihen kann". Innerlich freie Presse... Hitler hat mich nicht im Käfig. in Hitlers Käfig habe ich mich!" Es ist doch etwas Schönes um ein philosophisch veranlagtes Volk,
Max Hansen, Otto Wallburg Judenboykott am Theater
In der bevorstehenden Berliner Theatersaison sollten auch diesmal wieder zwei jüdische Schauspieler auftreten, die be reits im vergangenen Winter in Berlin Hauptrollen inne hatten: nämlich Max Hansen und Otto Wallburg . Die Proben für die Stücke hatten bereits begonnen, als vom Propagandaministerium die Nachricht eintraf, daß beide Schauspieler nicht auftreten dürfen. Begründet wird dieses Verbot mit dem Beschluß des jüdischen Welt. kongresses in Genf , der bekanntlich einen neuer lichen verschärften Boykott des Weltjudentums gegen Deutschland angekündigt hatte. Angesichts dieses Boykott. beschlusses bestände, so heißt es in einer Erklärung des Propagandaministeriums, die Gefahr, daß bei Aufführungen, in denen jüdische Schauspieler auftreten würden, die öffent. liche Ruhe gestört würde...
weiter nichts. Und nun versinkt er wieder im Halbschlaf vornübergebeugt, müde und wie zerschlagen.
Dem Arbeiter gegenüber sitt ein gutangezogener Bürger. Seinen Mantelt er neben sich gelegt; er ist auf Kuns! seide gearbeitet. Und so sieht auch der Mann aus: auf Kunstseide gearbeitet. Glänzend, aber nicht echt. Sicher braucht er den Groschen nicht umdrehen, bevor er ihn ausgibt. Auch ei ist müde. Allem Anschein nach kommt er aus einem Nacht
lokal. Er hat Geld ausgegeben und dämmert nun schlaff und
leer vor sich hin. Man möchte nicht ,, er" sein, so zwecklos scheint es zu sein, wie er zwischen Verdienen und Geldaus geben sein Leben verbringt. Wahrscheinlich hat auch er seine Plage mit Kursen und Krise und Spekulationen; vorhin hat er versucht, in der schon erschienenen Morgenzeitung den Wirtschaftsbericht zu lesen. Aber auch wenn immer alles gut abläuft: wofür plagt er sich eigentlich? Wofür plagen sie sich alle: die Mädchen, die morgen wieder an der Schreibmaschine, am laufenden Band, zwischen den Paketstapeln der Versandabteilung oder an den Nähmaschinen einer Wäschefabrik sitzen werden, der Schaffner, der sechs- oder acht- oder zehnmal die gleiche Strecke hin und her fährt, Fahrscheine locht. an jeder Haltestelle die Glocke zieht und froh ist, wenn er nach Hause gehen darf? Für das Leben, das immer und ewig den gleichen Rundlauf macht vom Arbeitstag zu Arbeitstag. Und für ein bißchen Freude, zu armselig, um schon Glück zu sein. Glück sind nicht alle diese Menschen überhaupt für immer ausgestoßen aus dem Glückslande? Und wo liegt es? Alles erscheint fragwürdig, freudlos und traurig in dieser Nachtstunde, in der der Wagen in den Schienen kreischt.
-
-
Glück Arbeit, Tätigkeit kann Glück sein. Aber für wie wenige ist sie es. Diesem Arbeiter seinen Lohn erhöhen. seine Arbeitszeit zu verkürzen, ihm menschliche und soziale Freiheit zu sichern, sein Leben zu erleichtern, es hell, sauber und froh zu machen, dafür lohnt es einzutreten mit aller Kraft des Wollens und der Ueberzeugung. Das ist alles, was wir tun können: einander helfen. Aber verloren bleibt das Paradies, das die Menschen nur in ihren Träumen erschaut haben.
Nur Kinder leben einige Jahre im Paradies. In ihren klaren, gläubigen Augen spiegelt sich sein Glanz. Und wenn sie es erkennen, ist es schon verloren; das ist der Sinn der uralten Legende. Wir können nur aus dem vertraulichen Drucke einer kleinen warmen Kinderhand Trost und Glauben empfangen. Für ihre Kinder lebt die Menschheit. In ihren Augen sieht sie das verlorene Paradies noch einmal wieder.
Als der müde Arbeiter vorhin die weiße Tüte öffnete und lange hineinsah in das Grün und Rot des billigen Zuckerwerks, da leuchteten in seine Gedanken hinein die glücklichen Augen seines Kindes, an das er dachte. Aus diesen kleinen Spiegeln schimmerte beglückend und ungreifbar, nur für die flüchtige Sekunde einer Gefühlsregung auftauchend, das entschwundene Traumland der eigenen Kindheit. Und wenn das Kind einmal erwachsen und selber schon alt geworden sein wird, wird das die Erinnerung unverlöschbar bewahren: das Bild des Vaters, der die kleine, weiße Tüte aus der Tasche zieht.
Diese kleine, billige Zuckertüte, für einen Groschen aus müden, arbeitsschwarzen Händen erstanden, umschloß in diesem Augenblick die Liebe. Sie ist das Glück. Und dafür lebt der Mensch,