Das System fürchtet den Winter Vorbereitung statistischer Lügen gegen Arbeiterelend
Die fortschreitende Entrechtung der deutschen Arbeiter hat eine neue Etappe erreicht. Der erste und entscheidende Schlag war der Raub des Koalitionsrechts, die völlige Lähmlegung der Gewerkschaften in einem Ausmaß, das segar das italienische Vorbild hinter sich ließ, die Beseitigung des kollektiven Arbeitsvertrages, die Unterstellung der„ Gefolgschaft" unter die Willkür der„ Führer des Betriebes". Die Vernichtung der Organisationen nahm der Arbeiterschaft das Mitbestimmungsrecht bei der Gestal tung des Arbeitsverhältnisses, löste ihren wirtschaftlichen und politischen Zusammenhalt auf und verwandelte sie wieder in die amorphe, zu jeder gemeinsamen Aktion un fähige Masse der Zeit des Frühkapitalismus. Zugleich wurde ein Teil der von der Diktatur entrechteten Masse zu Zwangsarbeitern gemacht, die in die Arbeitslager geschickt, als Rotstandsarbeiter zu schwersten und oft vollkommen unproduktiven Arbeiten verwandt oder als Landhelfer den großen und kleinen Agrariern zur Ausbeutung überliefert wurden.
Die Vorsklavung der Landarbeiter
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von denen 85 Prozent verheiratet seien. Man werde nicht rücksichtslos an den Ursachen vorbeigehen und nicht ohne weiteres Maßnahmen gegen Landarbeiter zur Anwendung bringen können, die dem Kampf um ihre Existenz auf dem Lande unverschuldet unterlägen. Der deutsche Landarbeiter sei der Ueberzeugung gewesen, daß er im national sozialistischen Staat als gelernter Beruf anerkannt werde. Das sei aber bis jetzt, infolge des wirkens reaktionärer Kräfte, nicht erfolgt. Der Landarbeiter müsse im Gegenteil immer wieder feststellen, daß er als ungelernter Arbeiter angesehen werde, daß seine Arbeit in ihrer Bedeutung für das deutsche Volk nicht entsprechend gewürdigt werde.„ Vielfach, so erklärt Gutsmiedl, ist es so, daß der deutsche Landarbeiter als der wirtschaftlich Sch w ä ch ste nicht nur für als der wirtschaftlich Schwäch ste nicht nur für einen zum Leben tatsächlich nicht ausreichen den Lohn vom Morgen bis zum späten Abend arbeiten muß, sondern er muß darüber hinaus vielfach eine Be= muß, sondern er muß darüber hinaus vielfach eine Be handlung erfahren, wie man sie nicht einmal dem Vieh zuteil werden läßt." Wenn sich der deutsche Landarbeiter aus all diesen Gründen hilfesuchend in den Verbänden und später in der Deutschen Arbeitsfront or Berganisiert habe, so sei andererseits festzustellen, daß ihm
Man hätte glauben können, daß eine weitere fchlechterung eines solchen Zustandes kaum mehr möglich sei. Aber das hieß, die Arbeiterfeindschaft der Hitlerdiktatur doch noch zu unterschätzen. Manche werden sich vielleicht erinnern, daß im Kaiserreich von Zeit zu Zeit fich im Reichstag ein Abgeordneter auf der äußersten Rechten erhob und zur Bekämpfung des Landarbeitermangels eine Einschränkung der Freizügigkeit, ein Verbot der Abwanderung von Landarbeitern in die Städte forderte. So reaktionär das Parlament des Raiserreiches auch war, diese Forderung stieß auf taube Ohren. Was aber die Junker weder im preußischen. Dreiklassenparla ment noch im Reichstag je durchsezen konnten, Hitler hat es verwirklicht. Am 15. Mai verabschiedete das Reichskabinett ein Gefeß zur„ Reglung des Arbeitseinsages". Es sollte, wie es damals in dem offiziösen Kommentar hieß, den Bedarf der Landwirtschaft an den notwendigen Arbeitskräften sicherstellen" und das war zugleich die nationalsozialistische Ausrede die„ Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in den Großstädten wirksamer gestalten". Das Gesetz gibt dem Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung die Befugnis, für Bezirke mit höherer Arbeitslosigkeit anzuordnen, daß Personen, die in diesen Bezirken keinen Wohnort haben, bort als Arbeiter und Angestellte nur mit seiner vorherigen Zustimmung eingestellt werden dürften. Das Geseg ist ein reines Ausnahmegesetz gegen die Arbeiter. Selbständige jeder Art, Unternehmer, Kaufleute, Handwerker, Angehörige freier Berufe lind natürlich von jeder Beschränkung ausgenommen. Das Gesez unterbindet aber nicht nur den örtlichen Zuzug, der Präsident kann auch anordnen, daß Personen, die in der Landwirtschaft tätig sind, in anderen als landwirtschaftlichen Betrieben ohne seine vorherige Zustimmung nicht eingestellt werden dürfen. In der Tat ist in den Wirtschaftszweigen, in denen bisher vom Lande Abwandernde am ehesten Aufnahme gefunden haben, beim Bergbau, der Eisen- und Stahlgewinnung, beim Baugewerbe, bei den Unterhaltsarbeiten der Bahnen und der Reichspost, ein Beschäfti gungsverbot erfolgt. Für die weiblichen Personen tritt noch die Beschäftigungssperre in der Obst- und Gemüseverwertungsindustrie, sowie für die Berufe als Kellnerinnen, Köchinnen, Hotel- und Zimmermädchen, ge= lernte und ungelernte Arbeiterinnen im Gast und Schankwirtschaftsgewerbe hinzu. Doch auch damit noch nicht genug! Der Präsident hat überdies das Recht, Unternehmer zur Entlassung von bereits vorher eingestellten landwirtschaftlichen Arbeitskräften zu verpflichten.
In der letzten Zeit ist von der Einschränkung der Freizügigkeit in fortschreitendem Maße Gebrauch gemacht worden. Neben Berlin , Hamburg und Breslau ist auch für eine ganze Reihe anderer Städte, namentlich des rheinischen und mitteldeutschen Industriegebiets, der Zugang gesperrt. Neben dieser direkten Sperre funktioniert noch eine kaum minder wirksame indirekte. Eine sehr große Anzahl von Städten und Industriegemeinden sind ermächtigt worden, für„ Personen, die in die Gemeinde neu zuziehen, die Unterstügung unter strengster Prüfung der Hilfsbedürftigkeit auf das zur Fristung des Lebens unerläßliche Maß oder auf Anstaltspflege" zu beschränken. Da die Hitlerdiktatur die Unterstützungssäge ohnedies an die Grenze des Existenzminimums hinuntergebracht hat, braucht nicht ausgemalt zu werden, da diese neuverordnete weitere Senkung eine Verurteilung zu langsamem Hungertod bedeutet.
Hörig wie im Mittelalter
Für die Landarbeiter bedeutet die Aufhebung der Freizügigkeit die Verwandlung in Hörige, die sich höchstens dadurch von den mittelalterlichen Hörigen unterscheiden, daß sie mehr theoretisch als praktisch vielleicht noch eine gewisse Auswahl unter ihren Ausbeutern haben. Nach dem Raub des Koalitionsrechts, nach Bernichtung ihrer Organisation sind sie umsomehr auf Gnade und Ungnade den Agrariern ausgeliefert, als ihnen ja durch die Zwangsarbeit der Landhelfer eine unerträgliche Schmutzkonkurrenz erwachsen ist.
So entsetzlich ist die Wirkung dieser Bestimmung, daß fie selbst in nationalsozialistischen Reihen Protest ausge löst hat. Der Leiter der Reichsbetriebsgemeinschaft Landwirtschaft, But smiedl, wies im Informationsdienst" der Deutschen Arbeitsfront auf die katastrophalen Lohnund Wohnungsverhältnisse insbesondere der verheirateten Landarbeiter hin. Die Landflucht bewege sich noch immer in aufsteigender Richtung. Der Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften werde zur Zeit auf 60 000 bis 70 000 oder noch höher geschätzt. Auf der anderen Seite habe sich die Zahl der arbeitslosen Landarbeiter auf 53 650 gestellt,
heute selbst seine Organisation erschwert heute selbst seine Organisation erschwert werde, daß vielfach Betriebsführer ihre Landarbeiter ent ließen, wenn sie Mitglieder der Deutschen Arbeitsfront seien. Es werde die Aufgabe der Arbeitsfront und des seien. Es werde die Aufgabe der Arbeitsfront und des Reichsnährstandes sein, dafür zu sorgen, daß dem LandReichsnährstandes sein, dafür zu sorgen, daß dem Landarbeiter in Zukunft bessere Lebens- und Aufstiegsmöglichkeiten gegeben und in sozialer Hin sicht die gleichen Rechte wie den übrigen deutschen Arbeitern zugestanden würden. Gutsmiedl empfiehlt daher, das„ Gesetz zur Regelung des Arbeitseinsatzes" vor si chtig zu handhaben.
Der Protest ist natürlich wirkungslos verhallt; das Gesetz wird in immer größerem limfange angewandt und der bedeutungslos die Arbeitsfront ist, wie ihre einzige wirk Beweis ist wieder einmal geliefert, wie völlig einfluß- und liche Funktion nur darin besteht, den riesigen Apparat zu mästen, den sich der Doktor Ley aufgezogen hat.
Die Aufhebung der Freizügigkeit für die Landarbeiter erfolgt in der Zeit, in der durch das Erbhofgesetz die jüngeren Bauernsöhne erbarmungslos ins Proletariat geschleudert, die Masse des Landproletariats also ständig vermehrt wird. Zwangsproletarisierung, Lohnsenkung, Unfreiheit das sind die Errungenschaften, die Hitler der Landarbeiterschaft gebracht hat.
Der Verra: an der Jugend
Bildete die Aufhebung der Freizügigkeit und die Ber wandlung des Landarbeiters in einen mittelalterlichen der Arbeiter, so folgt jetzt als dritte ein Eingriff, der mit Hörigen eine zweite Etappe auf dem Wege der Entrechtung voller Wucht die jugendlichen Arbeiter trifft. Durch eine Verordnung vom 19. Auguft hat Schacht in seiner Errungenschaft als Reichswirtschaftsminister verfügt, daß der Präsident der Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung allein ermächtigt ist, die Verteilung von Arbeitskräften, insbesondere ihren Austausch zu regeln; jede Betätigung anderer Stellen auf diesem Gebiete ist verboten. Herr Syrup hat sich beeilt, von dieser Befugnis Gebrauch zu machen. Die Unternehmer sollen die
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jugendlichen Arbeiter und Angestellten bis zu 25 Jahren entlassen und an ihre Stelle ältere, namentlich ver heiratete, einstellen. In Zukunft dürfen Personen unter 25 Jahren nur noch mit Zustimmung der Arbeitsämter neu eingestellt werden. Ausgenommen hiervon sind Lehrlinge, mit denen ein Lehrvertrag über mindestens zwei Jahre abgeschlossen wird. Vom Austausch sind ausgeschlossen die Arbeiter der Land-, Forst- und Hauswirtschaft und der Schiffahrt. Verheiratete Männer, Unterhaltsver pflichtete, Lehrlinge, ehemalige Wehrmachtsangehörige und natürlich auch die alten Kämpfer" der NSDAP. sind ebenfalls vom Austausch auszunehmen.
Die Anordnung bedeutet, daß für einen großen Teil der jugendlichen Arbeiter die berufliche Ausbildung ver nichtet, die Fortbildung bedroht ist. Was soll mit ihnen geschehen? Sie sollen in die Arbeitsdienstlager gebracht oder als Landhelfer verwandt werden. Als Landhelfer werden etwa 200 000 Jugendliche bereits jetzt mißbraucht und die Zahl ist nicht sehr steigerungsfähig. Jm Arbeitsdienst werden 230 000 Leute beschäftigt. Aber auch der Arbeitsdienst ist nicht mehr erweiterungsfähig. Die Kosten betragen je Mann und Kalendertag 2,14 Reichsmark. Eine Verdoppelung des Arbeitsdienstes würde etwa 170 Wil lionen Reichsmark erfordern, wozu noch 50 Millionen als Kosten für die Errichtung der Lager hinzukämen. Trotzdem also nach der offiziellen Versicherung keine„ unfrei willige Arbeitslosigkeit" für die Entlassenen eintreten soll, wird doch ein großer Teil der Beschäftigungslosigkeit an heimfallen. Für die Volkswirtschaft aber bedeutet diese Maßnahme auf alle Fälle eine Verschlechterung des Nach wuchses und der Bedrohung der de tschen Qualitäts arbeit, auf der die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft beruhte. Jugendliche Arbeiter, die aus ihrem Beruf herausgerissen werden, um mit groben Erd- und Feldarbeiten beschäftigt zu werden, verlieren die Fähig keit, feine Arbeiten zu verrichten. Die Zukunft der deutschen Industrie wird aufs Leichtfertigste gefährdet.
Für die Nationalsozialisten sind freilich andere Erwägungen maßgebend. Die Diktatur fürchtet den Winter und die steigende Arbeitslosigkeit. Da lohnt sich der Versuch, die jungen energischen Arbeiter aus den Betrieben und aus den Städten fortzubringen und sie durch gefügigere ältere Familienväter zu ersezen, die noch dazu von der Furcht erfüllt sind, den neuen Arbeitsplatz wieder zu verlieren! Die Ersetzung durch die älteren Familienväter bedeutet zugleich eine Ersparnis an Arbeitslosenunterstügung, während die als Lohnhelfer oder in den Arbeitsdienst ge preßten Jugendlichen nicht in der Arbeitslosenstatistik erscheinen werden. Für die Unternehmer wird sich dabei, wenigstens was die Löhne betrifft, nicht piel ändern, denn auf keinen Fall werden sie den Familienvätern mehr zahlen, als die Jugendlichen erhalten haben. Und für die Angestellten über 40 Jahre( nicht für Arbeiter) hönnen sie aus den Mitteln der Reichsanstalt Zuschüsse erhalten. Die jugendlichen Jahrgänge aber werden in den Arbeitslagern zwar nicht tüchtige Arbeiter, wohl aber gut. gedrillte Soldaten werden.
Als Partei der Jugend haben die Nationalsozialisten den Kampf um die Macht geführt. Wer die Jugend hat, hat die Zukunft, haben sie unaufhörlich verkündet. Auf Weisung des Schacht stoßen sie jetzt einen großen Teil der arbeitenden Jugend ins Elend der Arbeitslosigkeit, schicken sie aus den Städten als Zwangsarbeiter aufs Land und rauben ihr die Zukunft. Viele Versprechungen hat der Hitler gebrochen, aber dieser Berrat an der Jugend ist von allen vielleicht doch der schmählichste! Dr. Richard Kern
Zum Abstimmungsbetrug
Man schreibt uns:
Wie das verhältnismäßig schlechte Abstimmungsresultat in Niederbayern zustande fam, fann man sich vorstellen, wenn man erfährt, daß in Griesbach und Passau ohne Zelle abgestimmt wurde, also die Wahl öffentlich war. In anderen Orten dieser Proving wird es nicht viel besser um das Wahlgeheimnis bestellt gewesen sein.
In Dillingen an der Donau wurden, wie zuver lässig mitgeteilt wird, die Namen der Nein- Stimmer nach Schluß der Abstimmung am Marktplaz öffentlich bekanntgegeben.
In Tubing bei München gab der Wahlvorsteher nach Auszählung des Resultates seiner Befriedigung darüber Ausdruck, daß der Ort einhellig mit Ja gestimmt habe. Zehn von den Neinsagern mußten diese fälschende Rede über sich ergehen lassen, ohne sofort Protest erheben zu können, denn Dachau liegt nicht weit davon.
Versammlungs- ,, Freiheit"
Man schreibt uns aus Berlin : Der Stellvertreter des " Führers" Rudolf Heß hat einen Eriaß herausgegeben, der bestimmt, ein Druck auf die Betriebsmitglieder zum Besuch von Versammlungen dürfe nicht ausgeübt werden. Wie es in Wirklichkeit aussieht, zeigt folgende Tatsache:
In der Bewag" Neukölln ( Berliner Elektrizitäts- Werfe AG.) sind ab 1. 8. 1934 innerhalb der Arbeitsfront besondere Blocks zu je 15 Mann gebildet worden, um eine bessere Kontrolle über die nationalsozialistische Gesinnung und die ( freiwillige) Teilnahme an den offiziellen Veranstaltungen zu haben. Monatsbeitrag außer Arbeitsfrontgebühr 50 Pfg. Durch besondere„ Schulungsbriefe" sollen diese Blocks ,, richtig erzogen werden". Wer den Schwindel nicht mitmacht, verliert seinen Arbeitsplatz.
Höhere Posten( und damit bessere Bezahlung) dürfen laut Anweisung der Bewagführung nur noch Parteigenossen mit niedriger Mitgliedsnummer erhalten, CNieder mit dem Parteibuchsystem!")