Die Rüstungsindustric auf der Anklagebank
II.
J. H. Nachdem das Senatskomitee in Washington mit Tarse und Spear, den Herren der Electric Boat Company, bas südamerikanische Geschäft durchgenommen hatte, wandte es sich dem
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zu. Auch hier arbeitete die Firma mit Provisionen und allerlei Ermunterungen, um Bestellungen anzukurbeln. Die vertrauliche Korrespondenz handelt von den nicht immer erfolgreichen Versuchen, in Spanien , Italien , Rumänien , der Türkei , auf dem Balkan und anderswo ins Geschäft zu kommen. Die Vertreter der Electric Boat - darunter ein imposanter Marquis, der sich nach Carses Beschreibung ,, wie ein kaiserlicher Prinz bewegte", und ein holländischer Kapitän in Paris , ein Kerl voller Initiative hatten es mit den verschiedensten Leuten zu tun, die alle anscheinend gleich habgierig und unzuverlässig waren. Die europäischen Konkurrenten benahmen sich immer nach der Darstellung der amerikanischen Agenten recht unfein. Senator Bone fand ihr Verhalten, gemessen an der amerikanischen Geschäftsmoral, reichlich brutal". Wie dem sei, die Electric Boat benahm sich wahrhaftig auch nicht fein, und was ihren Patriotis mus betrifft, so erschien er in einem höchst fatalen Licht, als Senator Clark ein Geschäft aus dem Jahre 1916 ausgrub. Damals bestellte die italienische Regierung vier Tauchbootjäger. Nun hatte das amerikanische Staatsdepartement verfügt, daß der Bau solcher Fahrzeuge durch amerikanische Firmen für Rechnung kriegführender Regierungen gegen die amerikanische Neutralität verstoße. Um diese Bestimmung zu umgehen, unterzeichnete der Pariser Vertreter der Electric Boat den Kontrakt im eigenen Namen und nicht als Beauftragter seiner Firma. Die Enthüllung war den Herren Carse und Spear sehr peinlich.
" Unterrichteten Sie die amerikanische Regierung von dieser Transaktion?" fragte Senator Pope.
Nein," erwiderte Carse, aber ich glaube, die Tauchbootjäger wurden erst verschifft, als die Vereinigten Staaten in den Krieg eingetreten waren."
Sieben Jahre später spielte das Staatsdepartement nicht mehr eine hindernde, sondern eine fördernde Rolle beim italienischen Geschäft. Carse teilte 1923 dem Staatssekretär brieflich mit, daß die Electric Boat durch ihren Ronzessionsinhaber, einen Konzern in Spezia , sich um Tauchbootaufträge bewerbe, und bat um amtliche Unterstügung. Ein Vertreter des Staatssekretärs antwortete darauf, der amerikanische Botschafter sei angewiesen worden, Unterstüßung in dem Rahmen zu gewähren, als sich mit dem Interesse vereinbaren läßt, das die Regierung der Vereinigten Staaten an der Abrüstung nimmt."
Bekannte Admirale liehen der Gesellschaft ihre Hilfe.
Im Jahre 1928 erhielt der türkische Botschafter in Washington von Kemal Pascha den Auftrag, den Kauf von Waffen und Munition in die Wege zu leiten. In geheimen Konferenzen versammelten sich der Washingtoner Vertreter der Electric Boat, der Botschafter und andere türkische Beamte, und als Berater erschienen Hilary Jones und H. E. Long, Admirale der amerikanischen Flotte. Aus dem Geschäft wurde aber nichts.
Diese Episode deutet darauf hin, daß die Electric Boat Company nicht nur mit Tauchbooten zu handeln bereit ist. Tatsächlich finden wir ein Schreiben Mr. Spears aus dem Jahre 1934 an den Pariser Vertreter der Firma wegen der Errichtung einer Agentur für DavisLuftabwehrgeschütze. Der Vertreter konnte sich nicht persönlich damit befassen, weil er, wie er in seiner Antwort mitteilte, bereits Vertreter der
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war, die derartige Waffen fabrizieren konnte und tatsächlich Versailler Vertrag hin oder her- Tauchbootgeschütze für die Reichsregierung herausbrachte. Jm Jahre 1929 hatte er an Carse einen empörten Brief geschrieben, worin er sagte, daß seine holländischen Landsleute den Deutschen bei der Umgehung ihrer Vertragsverpflichtungen behilflich seien, daß eine Reihe von Rüstungsfirmen
in
Holland deutsche Unternehmungen seien, und daß die ganze Sache eine„ kolossale Tarnung" sei. Dieser Vertreter war seinerseits jedoch nicht ganz abgeneigt, fich der Tarnung zu bedienen. In einem andern Brief berichtet er von der Tätigkeit des Flottenvereins in Holland , den er- wie er stolz bemerkt im Jahre 1920 gegründet hatte, und dessen Ehrenmitglied er sei. Der Verein sollte unter seinem Einfluß und angeregt von einem von ihm zu stiftenden Preis für den besten Aufsatz über Unterseeboote eine Kampagne für den Bau von Tauchbooten zum Schutz der holländischen Besitzungen im Fernen Osten unter nehmen. Auf diese Weise wollte er wohl Aufträge für die von ihm vertretene Firma zusammentrommeln?" kommentierte Senator Clark." Ja," sagte Spear lächelnd.
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Der Vorsitzende, Senator Nye, warf eine bedeutsame Frage auf. Er wollte von Spear wissen, wann die offensiven Eigenschaften des Tauchboots die defensiven zu überwiegen begannen. Die Antwort lautete, diese Veränderung sei wahrscheinlich in dem Stadium der technischen Entwicklung eingetreten, als das Tauchboot instandgesetzt wurde, wochenlang in See zu bleiben, ohne zu seiner Basis zurückzukehren.„ Also ist man," fuhr Senator Nye fort,„ berechtigt zu sagen, daß
Deutschland den U- Bootkrieg nicht hätte unternehmen können,
wenn die Regierung der Vereinigten Staaten sich in den Besizz aller amerikanischen Tauchbootpatente gesetzt hätte?" Spear verneinte das, aber Senator Nye hatte bereits angedeutet, daß Vorschläge zu einer gesetzlichen Reglung in dieser Richtung zu erwarten seien.
Der nächste Zeuge war Mr. Louis L. Driggs, Präsident einer großen Kanonenfabrik, der
Driggs Ordnance and Engineering Company, Neuyork.
Er protestierte erfolglos gegen die Vorlesung von Korrespondenz aus dem Jahre 1932, eines Briefwechsels zwischen Kommander- Leutnant James Strong und dem kolumbianischen Generalkonsul in Neuyork. Strong war damals aktiver Seeoffizier, hatte aber vom amerika nischen Marinedepartement die Erlaubnis erhalten, sich in den Vereinigten Staaten als technischer Berater für Kolumbien zu betätigen. Die Vertreter dieser südamerikanischen Republik wurden mit Offerten von Rüstungsfirmen überschwemmt, deren Verantwortunasgefühl ebenso zweifelhaft war wie die Qualität ihres Materials. Jene Schreiben Strongs waren in der Form von Berichten gehalten, und Driggs gab zu, daß sie in seinem Büro abgefaßt worden waren. Sie handelten über die Verteidigung von Buenaventura, Tumaco , Cartago, Puerta, Colombia und Barranquilla und empfahlen dringend den Ankauf von Kriegsmaterial, wie es die Firma Driggs liefern konnte. Um seine Argumente zu verstärken, führte Kommander- Leutnant Strong aus:
Peru hat für seine Landesverteidigung Kreuzer, einen Zerstörer, Tauchboote und eine beträchtliche Luftflotte, die alle einzeln oder in gemeinsamer Aktion zu Angriffen auf die Westküste Kolumbiens , dessen nahegelegene Zentren und Verkehrs- und Transportsystem verwendet werden fönnten.
Mr. Driggs nahm an, daß Kommander- Leutnant Strong für diese Gutachten von Kolumbien honoriert wurde, bestritt jedoch irgendwelche Zahlungen durch seine Firma. Kommander- Leutnant Strong schied, wie es scheint, 1934 aus der amerikanischen Flotte aus und wurde Kommandant der kolumbianischen Luftstreitkräfte. Er war es, der so führte der so führte der Zeuge aus in diesem Jahr amerikanische Flieger zum Dienst unter ihm anwarb, so daß das Staatsdepartement öffentlicht davor warnte.
,, Sie fanden nichts dabei, einen Offizier der amerika nischen Marine als Verkaufsagent zu benüßen?" fragte Senator Vandenberg. Er erhielt keine Antwort.
Bei Kolumbien ging es mit einem Offizier, bei der Türkei diente ein ganzer Kreuzer als„ Verkaufsagent". Vertreter von Mr. Driggs in der Türkei ist ein ehemaliger Journalist, Herbert Allen, dessen ausführliche und romantische Briefe dem Senatskomitee zum besten gegeben wurden. Driggs und Allen wandten sich an die amerikanische Botschaft und an das Marinedepartement um Unterstützung. Der Kreuzer„ Detroit ", der mit Driggs- Geschützen bestückt war, sollte sozusagen das
in kolumbianischen Diensten: Mirandas Bruder spielte für Strongs Rechnung an der Börse. Der sehr interessante Briefwechsel zwischen Alfredo Miranda und dem Hauptmann John Ball, Generaldirektor der Soley Armament Company, wurde im Senats= komitee vorgelesen. Alfredo Miranda wollte„ einer südamerikanischen Regierung Kanonenboote offerieren" und wandte sich an Solen, erhielt aber im Januar 1934 die Antwort, daß die britische Admiralität kein Handels. haus ist und keine Warenkataloge mit Beschreibungen dessen hat, was sie uns aus Gefälligkeit verkauft". Doch schon am 3. Februar wurde Miranda benachrichtigt, daß Soley die einzige Verkaufsstelle für Handfeuerwaffen usw. ist:
Da wir tatsächlich die einzige Verkaufsstelle für Handfeuerwaffen usw. sind, die der britischen Regierung gehören, und da wir in sehr großem Maße von der wechselnden Politik der Regierung abhängen, so ist es für uns ziemlich schwierig, mit andern Rüstungsfirmen feste Kontrakte abzuschließen. Die Vorräte, über die wir verfügen, sind so groß, daß der Verkauf eines erheblichen Teils davon das politische Kräftegleichgewicht der kleineren Staaten ändern könnte, wodurch für die Interessen der Finanz und Industrie entsprechende Komplikationen entstehen würden. Sie werden gewiß vollauf verstehen, daß wir unter diesen Umständen uns einer ziemlich strengen Kontrolle durch die beteiligten Behörden unterziehen müssen, und wir aus politischen Gründen nicht immer den Wünschen von Ankäufern entsprechen können.
Es wurde ein„ Gentelmans Agreement" angeregt, wonach die amerikanische Gesellschaft Vertreterin für Süd amerika würde, jedoch„ Waffen für andere Bestimmungsorte, wie für China oder europäische Länder", nicht offerieren dürfe.
Major Brayton, technischer Experte der American Armament Corporation, betonte vor dem Senatskomitee, daß es sich ja nur um Handfeuerwaffen handelte, und daß demzufolge die Möglichkeit einer„ Aenderung des politischen Kräftegleichgewichts" auf sehr kleine Staaten beschränkt bliebe, da heutzutage kein Krieg ohne Artillerie ausgefochten werden könne. Mehr Eindruck als dieses Argument machte jedoch auf die Senatoren ein Brief mit der Liste der gewaltigen Vorräte. Da wurden angefüh** rund eine Million Gewehre,
20 000 Lewis- Maschinengewehre, mit Ersatzteilen,
8 000 ebensolche Maschinengewehre für Flugzeuge, 6000 Vickers- Maschinengewehre,
4000 Webley- Revolver,
5000 Smith and Wesson- Revolver, 10 000 Colt- Revolver,
120 Millionen Schuß guterhaltener Munition für Ge wehre und Maschinengewehre.
Ueber die Geschäftsmethoden wird in einem Brief
Schaufenster abgeben und wäre auch 1929 nach Konstan- gesagt: tinopel gegangen, wenn der Befehl rechtzeitig erteilt worden wäre. Schließlich wurde der
Kreuzer ,, Raleigh"
geschickt, und im Logbuch ist denn auch ordentlich verzeichnet, wie eine türkische Mission an Bord kam, um die Driggs- Geschütze zu besichtigen. Diese Vergünstigung von seiten des amerikanischen Marinedepartements follte, so sagte Driggs zu Allen, der türkischen Regierung im strengsten Vertrauen mitgeteilt werden, denn
wir müssen acht geben, daß unsere Konkurrenz das nicht aufgreift, um die Haltung der amerikanischen Regierung zur Abrüstungsfrage zu entstellen. Der türkischen Regierung muß ferner gesagt werden, daß wir die allermodernsten und besten Muster in Luftabwehrgeräten offerieren, für deren Entwurf die Regierung der Vereinigten Staaten über zwei Millionen Dollar ausgegeben hat. Man erinnert sich an die aufsehenerregende Rolle, die an der Genfer Seeabrüstungskonferenz von 1928 her Rüstungsagent
William Baldwin Shearer
spielte. Der Name dieses Herrn tauchte in den Verhandlungen des Senatskomitees wieder auf. Er schrieb 1931 an Driggs wegen der Preise für Gewehre, Maschinengewehre und den Sprengstoff T. N. T.( Trinitrotoluin) für China und wurde anscheinend an eine Londoner Firma verwiesen, die Soley Armament Company, die Driggs als„ Verwertungsagentur für britische Reſtbestände" bezeichnete. Wie groß dieser Restbestand war, erhellt aus einer Mitteilung dieser Gesellschaft an Mr. Driggs im Jahre 1929. Da wurden angeboten 100 000 oder mehr Lee- Enfield- Gewehre, 3000 Lewis- Maschinengewehre und 25 Millionen Schuß Munition. Aber selbst diese Gesellschaft hat nach der Meinung von Mr. Driggs geringere Vorräte als eine
die ihr„ minderwertiges Zeug" in Südamerika und China vertrieb. Zu einer bestimmten Zeit nach dem Kriege war nach der Schätzung von Driggs Deutschland der größte Lieferant dieser Art. Er wollte nicht sagen, daß dies auch für heute zutreffe, und äußerte sich nicht zu einer Bemerkung des Senators Pope, der es anormal fand, daß ein Land, deffen Rüstung vertraglich eingeschränkt ist, eine solche Waffenkammer darstellt.
Die bereits erwähnte Londoner Soley Armament Company,„ Lieferantin des Kriegsdepartements und des Luftministeriums", hat eine Vertretung in Amerika . die erst vor einigen Monaten gegründete
American Armament Corporation,
an deren Spitze Mr. Alfredo Miranda steht, ein Mexikaner, der sich in den Vereinigten Staaten naturalisieren ließ. Von diesem Herrn ging eine Beziehung zu Kommander Strong, dem amerikanischen Marineoffizier
Wir verstehen durchaus, daß Waffengeschäfte in der Regel nicht getätigt werden, ohne daß man Beamte schmiert", aber wenn Palmöl nötig ist, so muß es zum Preis zugeschlagen werden, und da unsere Preise mindestens fünfzig Prozent unter den Fabrikpreisen für die gleichen Waffen liegen, so ertragen sie eine Menge„ Fett" und sind immer noch niedriger als die Fabrikantenpreise. Senator Bone warf hier die Frage ein, ob die britische Regierung Kenntnis von den Verkaufsmethoden habe, die in diesem Briefe angedeutet werden. Miranda versicherte, er wisse das nicht.
Ein Brief vom 24. März dieses Jahres bezog sich auf Boliviens Mangel an Flugzeugen und Geschützen und erklärte, direkte Verschiffung sei nicht möglich, solange dieses Land Krieg führe. Der gleiche Brief handelte auch von China :
China verbraucht jährlich eine große Menge Handfeuerwaffen und hat große Quantitäten von Gewehren von uns gekauft, hauptsächlich Mausergewehre( über 100 000 im Jahre 1931/32), hat aber in der letzten Zeit nachgelassen, infolge des Verlusts der Mandschurei und der mangeln= den Geldflüssigkeit im Süden, d. h. Canton und Nanking. Troß allen Träumen der Idealisten, die wähnen, daß der homo sapiens von Ehre, Gerechtigkeit, Liebe und Selbst= aufopferung stroße, wird Japan noch einen größeren Happen von China schnappen. Und verhältnismäßig bald. Solange die Gelegenheit günstig ist. Ein solcher Schritt Japans würde die Interessen der Vereinigten Staaten in China ernstlich in Mitleidenschaft ziehen, und wir glauben, daß unter den obigen Umständen die Vereinigten Staaten die Chinesen unterstützen und sie mit Waffen versorgen würden In diesem Falle könnte mit den großen Vorräten an Gewehren hier etwas getan werden, und wir meinen, es wäre für Sie sehr empfehlenswert, wenn Sie sich an das amerikanische Auswärtige Amt und das Kriegsdepartement wenden, ihnen eine Liste der hiesigen Vorräte überreichen und ihnen mitteilen würden, daß Sie der einzige Vertreter( der Soley Armament Company , London ) in den Vereinigten Staaten sind. Die Weltvorräte an Handfeuerwaffen sind in den letzten drei Jahren start zusammengeschrumpft... Wenn ein plößlicher Notstand eintreten würde, dann gäbe es einen starken Andrang nach sofort lieferbarem Material, und es gibt nicht viele Firmen, die etwa 700 000 Gewehre, etwa 50.000 Maschinengewehre, alle vom selben Kaliber, mit Ersatzteilen und Munition, zu sofortiger Lieferung bereit hätten.
Eine andere Stelle des gleichen Briefes erregte großes
Aufsehen. Es wurden japanische Rüstungen erwähnt, und Kugeln verboten; so sind sie zu„ Aufspürern" geworden
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was liegt schon am Namen?"
Miranda sagte aus, die südamerikanischen Staaten würden auf Jahre hinaus gezwungen sein, Waffen im Ausland zu kaufen. Er habe versucht, einen Teil dieses Geschäfts für die Vereinigten Staaten zu sichern, aber das meiste sei andern Ländern zugefallen, deren Regierungen die Rüstungsfirmen sehr unterstützten. Präsident Roosevelts Verbot für die Waffenausfuhr nach Bolivien und Paraguay , das am 28. Mai 1934 erlassen wurde, habe die American Armament Corporation über eine Willion Dollar gekostet, weil bestellte Munition nicht mehr nach