Pentjake

2

Nr. 2312. Jahrgang

Fretheil

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Freitag, 5. Oktober 1934

Chefredakteur: M. Braun

Seite 3

Katholische Kirche  

und die Saar  

Produktionsdrosselung

in der Metallindustrie

Frauen im

Konzentrationslager

Seite 4

Seite 7

Klassenkämpfer Krupp und Schacht

Schwindende Jllusionen über die Volksgemeinschaft" im Kapitalismus Konforten haben die Regenerationsträume der deutschen   Ein neuer Krisenwinter

Gegensätze ob

" Wir äußern keine Wünsche, die aus sach= lichen Gründen jezt nicht erfüllt werden können, aber es ist keine Treue zur Regierung, wenu der liberalistische Kapitalismus gegens wärtig feine Hähne sprudeln läßt. Das deutsche Volf will den Sozialismus der Tat für Freiheit und Brot. Wie wirkt es aber auf das deutsche   Volt, wenn sich jetzt der liberalistische Kapitalismus mit viel schönen Reden preist? Wir sind der Zukunft und nicht dem Jahre 1913 zugewandt, Der Nationalsozialismus erhebt den Anspruch, tausend Jahre deutsche   Geschichte zu gestalten, aber nicht 21 Jahre zurück zur Vorkriegszeit zurück zukehren."

,, Völkischer Beobachter".

Berlin  , 3. Oft. Der Völfische Beobachter" sieht sich in seiner Berliner   Ausgabe gezwungen, auf die schweren klassen­kämpferischen Gegensätze in der Deutschen Arbeitsfront  " hinzuweisen, die wir schon in unserem gestrigen Bericht über das Ringen um die Lohnsenkungen hervor­gehoben haben.

Aeußerlich gesehen ist die Harmonie der Volksgemeinschaft nach dem Umbau und Ausbau der Deutschen Arbeitsfront  " vollendet. Es gibt in dieser gewaltigen Organisation von über 17 Millionen Mitgliedern nach der herrschenden Jdeologie und Phraseologie feine Klassenunterschiede und feine Klassen­

Wirtschaft zerflattern lassen.

Richtig aber ist soviel, daß die Sozialisten der Tat" um Krupp und Schacht nur no.h einen Weg zur Rettung, das heißt zu ihrer Rettung sehen: die kapitalistische Diktatur ge= gen alle Interessen der Arbeiter und Angestellten und die

Mit dem Abbruch der Weltkonjunktur im Jahre 1929 setzte eine wirtschaftliche Abstiegsperiode ein, die im Laufe der Jahre Welthandel und Weltproduktion auf mehr als die Hälfte des früheren Höchststandes zu­

Absage an alles, was auch nur entfernt an Sozialismus sammenschrumpfen ließ. Das Heer der Arbeitslosen stieg erinnert.

Die kapitalistischen   Wirtschaftsführer, die kaum noch aus und ein wissen, glauben sich ihren Zielen nahe, denn praktisch ist durch die Umorganisation der Deutschen Arbeitsfront  " nicht nur die alte Gewerkschaft, sondern auch die NSBO. vernichtet und ein Gegengewicht gegen die zein klassen kämpferische Betriebsführung nicht mehr vorhan­den. Es bleibt aber die Masse der Arbeiter und Angestellten, die sich allmählich von allen verlassen und verraten fühlen. Immer schwerer haben es die nationalsozialistischen Ver­trauensleute, die bisher indifferenten Massen auf die kom­menden Wunder des großen Adolf zu vertrösten.

spricht diese bedrängte Stimmung, die sich in der national­Aus dem sorgenvollen Ruf des Völkischen Beobachters" fozialistischen Presse Luft machen will und den Unternehmern mit der öffentlichen Kritik droht. Die Unternehmer dürften aber sehr wohl wissen, daß man mit dieser Drohung nicht ernst machen kann, da sonst sofort die Massen in Bewegung fommen müßten und Streifs wohl nicht mehr zu vermeiden wären.

vorrechte mehr, denn die Unternehmer und die Arbeiter, die Gerüchte"

Handwerker und die Kaufleute, die Angestellten und die Be­amten, Großbesitz. Mittelstand und Proletariat, Stadt und Land: alles ist unter der roten Fahne des Hakenkreuzes friedlich vereint: Siche, wie fein und lieblich ist es, wenn Brüder einträchtiglich beieinander wohnen."

Die Kleinigkeit, daß die Unternehmer die Produktionsmit­tel und das Finanzkapital über die Kreditquellen verfügt, glaubte Herr Dr. Ley in seinen Reden, die aus dem Rausche nicht nur der Begeisterung fommen, leicht hinwegpredigen zu können. Er ernannte die Schwerindustriellen und die Großbanfiers einfach zu Sozialisten", sozusagen ehrenhal­ber, und pries es als Sozialismus der Tat", wenn sie sich herbeiließen, einmal im Jahre am 1. Mai gemeinsam mit ihrer Gefolgschaft" die Schreierei des Herrn Adolf Hitler  anzuhören.

Das große Unternehmertum lächelt natürlich über Herrn Dr. Len und das, was er sich unter" Sozialismus vorstellt. Man zahlt die Beiträge für die Arbeitsfront und setzt für die eigenen wirtschaftlichen Interessen den Reichsstand der Industrie ein, denn man hat zwar gern die Interessen­vertretung der Arbeiter und Angestellten vernichten lassen, die eigene Kampfvertretung behalten.,

Der Reichsstand der Industrie wird von einem so gründlich überzeugten und erfahrenen Sozialisten" wie dem Herrn Krupp von Bohlen- Halbach geleitet. Seine sozia listische" Schulung reicht noch in den Staat der Hohenzollern  zurück und ist von so hervorragenden Sozialisten" wie Thys­fen, Stumm, Kirdorf  , Stinnes, Vögler und anderen befruch­tet worden. Zur Zeit ist der einflußreichste sozialistische" Mitfämpfer Krupps und seines Reichsstandes ein anderer großer Streiter für den Sozialismus der Tat. Herr Dr. Hjalmar Schacht, provisorischer Reichswirtschaftsdiktator. Auf einmal geht dem Völkischen Beobachter" ein sachtes Dämmern auf, das beinahe an den Marrismus erinnern fönnte, wenn man nicht wüßte, daß Karl Marx   und seine lächerlichen Theorien von den Klassengegensäßen und den Klassenfämpfen längst in den gewaltigen Geistesströmen so titanischer Männer wie Hitler  , Ley, Baldur von Schirach   und anderen Säkularmenschen untergegangen sind. Die bösen Ka­pitalisten, oder doch einige seltene Exemplare, so liest man nun, seien im Grunde ihrer schwarzen Seelen Liberalisten  " geblieben und wollten den alten schönen Vorkriegskapitalis­mus wiederherstellen. Darüber können die besorgten Nazis nun ganz beruhigt sein. Der relativ blühende, im Aufstieg Lefindliche Kapitalismus   des wohlhabenden Deutschland   im Jahre 1914 kommt nicht wieder: Dafür hat die kapitalistische Verpulverung der Werte im fapitalistischen Weltkrieg, dafür haben die kapitalistische Inflation, die Deflation und die riesenhaften Fehlinvestitionen gesorgt; und anderthalb Jahre Wirtschaftsverwüstung durch Scharlatane wie Hitler   und

Die miẞliebigen Bonzen

Breslau  , 4. Oft. Die Staatspolizeistelle für den Regie­rungsbezirk Bres I au veröffentlicht eine Warnung, in der gesagt wird, in den letzten Tagen sei die Oeffentlichkeit durch Gerüchte beunruhigt worden, die sich mit führenden Personen der Regierung und der Partei befaßt hätten. Die Staatspolizei habe festgestellt, daß diese falschen Nach­richten von Kreisen aufgebracht worden seien, die bewußt Unruhe stiften wollten. Sie warne ausdrücklich davor, durch fahrlässige oder bewußte Weiterverbreitung der Gerüchte die Absichten staatsfeindlicher Elemente durch unbedachtes Geschwäß zu unterstützen.

..Ein düsteres Finanzbild' Erfolge der Reichsbankrotteure

In Bonn   tagte die Arbeitsgemeinde der Landräte des Rheinlands im Rahmen des deutschen   Gemeindetages, um freisen zu erörtern. Bei dieser Tagung sind so manche Greuel­die Finanzlage und die Arbeitsbeschaffung in den Land­märchen offen zum Ausdruck gebracht worden. So hat z. B. Landrat Glassen von seinem Aachener Landkreis, wie die Kölnische Zeitung  " ausdrücklich bemerft, ein düsteres Finanzbild" entworfen. Auch Dr. Simmer vom Kreise Ahr­ weiler   mußte zugeben, daß die Finanzverhältnisse in seinem weiler mußte zugeben, daß die Finanzverhältnisse in seinem ländlichen Kreise ebenfalls trostlos feien. Landrat Tapolski und gab hierbei zu, daß jeßt für die Arbeitsbeschaffung nicht

mehr so viel Geld zur Verfügung stehe wie früher. Deshalb empfahl er den Landräten nur solche Arbeiten, die nicht größere Kredite erforderten, sondern nur mit geringerem Materialaufwand zu erledigen seien. Leute unter 25 Jahren würden am besten nicht in der kommunalen Fürsorge be­schäftigt, da sie in der Landhilfe unterzubringen seien.

Zum Gesamtbild paẞte auch das Referat des Herrn Bert­hold von der Geschäftsstelle des deutschen   Gemeindetages, der die Einschränkung der versorgungsberechtigten Fürsorge­verbände forderte.

In Berlin   find mehrere Nummern des" Temp8" bes schlagnahmt worden. Wahrscheinlich ist die Beschlagnahme auf die Nervosität über wirtschaftspolitische Artikel des Grafen d'Ormesson zurückzuführen, der die wirtschaftliche Situation der Hitlerei sehr skeptisch beurteilt.

Aus verschiedenen Teilen Deutschlands   liegen Meldungen vor, wonach die Beamten der Reichspost zu militärischer Ausbildung angehalten werden. Die Postbeamten müssen regelmäßige Schießübungen mit Infanteriegewebren regelmäßige hießübungen mit Infanterieaewebren machen

von Jahr zu Jahr zu immer beängstigenderen Millionen­ziffern an, die Verelendung der Massen erreichte an­gesichts riesenhaft aufgestapelter Warenvorräte, die durch den rapiden Preissturz und den noch größeren Zu­sammenbruch der Kaufkraft der Welt unverkäuflich ge­worden waren, ein unerhörtes Ausmaß. Alle Be­mühungen und Versuche, diesem wirtschaftlichen Verfall mit kapitalistischen Mitteln entgegenzutreten, scheiterten. Die wirtschaftlichen Verfallserscheinungen wurden noch verstärkt durch die Wirkungen der Währungspolitik der wirtschaftlichen Großmächte und die Politik der Autarkie. Jedes Land schloß sich von der Umwelt ab. Statt des allein erfolgversprechenden Versuches, gemeinsam aus gemeinsamer Not herauszukommen, trachtete jedes Land danach, sich auf Kosten der Nachbarländer und der bis­herigen Weltwirtschaftspartner zu retten. Das Fiasko der Weltwirtschaftskonferenz in London   1933 demon strierte noch einmal mit voller Deutlichkeit die Aussichts­losigkeit der kapitalistischen   Machthaber, ihren eigenen Wirtschaftsapparat zu meistern. Eine Verschärfung der Weltwirtschaftskrise trat schließlich noch durch die Stabili­sierung der faschistischen Machthaber, insbesondere in Deutschland  , ein.

Die Welt hatte in dieser Lage eine große Hoffnung: Amerika  ! Roosevelts zweifellos kühnes Vorhaben, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten durch neuartige Wege und Maßnahmen zu überwinden, die Begeisterung, mit der das ganze amerikanische   Volk die NJRA.- Politik begrüßte und insbesondere die anfänglichen Erfolge dieser neuen Politik ließen diese Hoffnung berechtigt erscheinen. Es gab allerdings von Anfang an vorsichtige Mahner und Beobachter, die darauf hinwiesen, daß ein wirtschaft­licher Aufschwung Amerikas   keineswegs dazu führen müsse, eine wirtschaftliche Erholung der anderen Länder nach sich zu ziehen.

Amerikas   Wirtschaftspolitik ist lediglich unter­schieden durch das Ausmaß und die Größe des Wirts schaftsraumes nicht minder binnen orientiert und be= tont national als die Wirtschaftspolitik der anderen Länder. Dabei soll keineswegs die moralische und psycho­logische Wirkung eines Gelingens der Wirtschaftspolitik Roosevelts, die sich als nachzuahmendes Beispiel in bezug auf die Wiederbelebung der Wirtschaft auf die anderen Länder hätte auslösen müssen, außer acht ge­lassen werden. Im Zusammenhang hiermit muß jedoch ebenso davor gewarnt werden, in der Begeisterung über Roosevelts Planwirtschaft gleich von Sozialismus, und sei es auch nationalem Sozialismus, zu reden. Auch die Nazis, als Gegenbeispiel, reden von Planwirtschaft und nationalem Sozialismus, obwohl die nationalsozialisti­schen Staatseingriffe in die Wirtschaftsgesetze nie das kapitalistische System in seinen Grundsägen angetastet haben und es mit der Zeit immer weniger beabsichtigen. Von Planwirtschaft reden oder selbst planwirtschaftliche Maßnahmen durchführen, die nur die schlimmsten, den Kapitalismus selbst bedrohenden Auswüchse beseitigen sollen, ist noch gar keine soziale, geschweige denn sozia­listische Planwirtschaft. Bestenfalls könnte man dies kapitalistische Rationalisierung nennen.

Die obengenannten Hoffnungen sind bestimmt nicht in dem Maße in Erfüllung gegangen, wie es die Begeiste rung der ersten Zeit erwarten ließ. Ebenso wenig haben die Entspannungserscheinungen, die von Amerika   für die Weltwirtschaft durch direkte Belebung des Welthandels oder durch indirekte psychologische Wirkung ausgegangen sind, dem berechtigterweise angenommenen Ausmaß ent­sprochen.

Wenn man sich dabei die eindeutigen, die Krise ver schärfenden Auswirkungen der deutschen   Wirtschafts­politik nach 18 Monaten Faschismus vor Augen hält, muß man die Hoffnungen auf Befferung, die die Welt