Deutsche Stimmen Bellage zur Deutscien Sellage sur Deutschen Freifieit". Ereignisse und Geschichten

Freitag, den 5. Oktober 1934

Der Lehrer und die Politik

Es ist leider richtig, wie es in dem Artikel ,, Wir Lehrer und die Politik" in Nr. 244 der ,, Deutschen Freiheit" heißt, daß der Lehrer in der deutschen   Politik nicht die Stelle ein genommen hat, die gerade ihm nach seiner Berufsaufgabe und seiner Stellung im Volk entsprochen hätte. Aber ganz so bedeutungslos ist er doch nicht gewesen. Nicht von den alten Kämpfern wie Diesterweg und Eduard Sack zu reden, die ihre wertvolle und auch nicht vergebliche Arbeit ganz der Schulsache gewidmet haben, so hat doch die neue Zeit und namentlich die Republik   eine Reihe Lehrer auch auf allge­mein politisch wichtige Posten gestellt, die sie zumeist auch voll ausgefüllt haben.

Ich nenne Damaschke, dessen Bodenreformbewegung die Siedlungsarbeit hervorragend beeinflußt hat, und aus der republikanischen Zeit die Ministerpräsidenten Hoffmann in Bayern   und Märtens in Mecklenburg  , den Bildungs­minister Seifert in Sachsen   und den Berliner   Stadtschul­rat Nydahl. Wer die Arbeit des letzteren kennt, weiß, wie­viel er unter oft schwierigsten Umständen für die Schulsache geleistet hat. Nicht minder als Fachmann im Preußischen Landtag Karl König  , der ohne den albernen akademischen Bildungsdünkel der Demokraten   Unterrichtsminister gewor­den wäre, und nicht zuletzt der langjährige Bildungsfachmann der Partei Heinrich Schulz  , der Staatssekretär im Reichsinnenministerium wurde. Auch die Bedeutung Agahds für den Schutz des arbeitenden Kindes und Adolf Kochs für die Nacktkulturbewegung, beides so­zial sehr und auch politisch bedeutsame Gebiete, sind hier zu nennen, nicht minder die wertvolle Arbeit unserer freien Schulorganisation mit ihren vielen Lehrer- Mitarbeitern. Es stimmt übrigens nicht, daß der Deutsche   Lehrerverein sich zu irgend einer Zeit für die weltliche Schule eingesetzt hätte. Ueber die Simultanschule mit einer Art interkonfessionellen Religionsunterrichts ist er nie hinausgekommen. Auch der Vorwurf, daß die SPD.   an derselben Krankheit wie der Lehrerverein gelitten hätte, ist ungerecht. Gewiß hätte man ihr oft mehr von dem verzehrenden Feuer gewünscht, das gerade in den Fragen der Kinder- und Volkserziehung von jedem, dem es ernst um sein Volk ist, gefordert werden muß

aber es ist doch nicht zu leugnen, daß sie jederzeit in Parlament und Gemeinde die Sache der Schule treu geför­dert und dort, wo sie die Macht dazu hatte, wie in Hamburg  und Braunschweig  , vielfach Vorbildliches geschaffen hat. Was Kurt Löwenstein   als Schulrat in Berlin- Neukölln, als Führer der SPD.  - Lehrerorganisation und namentlich der

Alles lachte"

Keine Übertreibung!

Kinderfreunde bewegung praktisch und propagan­distisch geleistet hat, darf sich jeder Leistung des Auslands vollwertig an die Seite stellen. Verfallen wir doch nicht in den Fehler der Selbstpreisgabe! Weil unsere Bewegung der Raubmörderpolitik des Kriegslieferanten- Kapitals gegenüber politisch versagt hat, brauchen wir wahrhaftig noch lange nicht alle unsere wertvollen sozialen und kulturellen Leistun­gen als nichtig anzusehen. Nein, mit Stolz wollen wir auf sie zurückblicken!

Schließlich: Haben wir deutschen   Sozialisten wirklich Grund, England um seinen Macdonald oder gar Italien   um seinen Hitler, Mussolini  , zu beneiden? Da schätze ich doch Männer wie unseren deutschen   Genossen Seit, den Bürger­meister von Wien   und früheren Volksschullehrer, ganz an­ders ein.

Mit alle dem soll natürlich nicht gesagt sein, daß die ge­sellschaftliche Stellung des deutschen   Lehrers und vor allem seine politische Haltung im allgemeinen eine würdige ge­wesen wäre. Die Lehrerschaft als Ganzes konnte natürlich den engherzig- spießbürgerlichen Charakter des deutschen  Kleinbürgertums, dem sie entstammte oder in das sie den

fstien der Begabten" vollzogen hatte, nicht verleugnen. Wobei die drückende Abhängigkeit des Lehrers von seinen Arbeitgebern nicht vergessen werden darf. Im Ver. gleich mit ihm war der Fabrikarbeiter. der Betrieb und Ort wechseln konnte, ein freier Mann. Auch will ich keineswegs beschönigen, wie widerstandslos die Masse des Lehrerstandes, die doch gegen die Kirchenherrschaft in der Schule tapfer gekämpft hat, sich der nationalistischen Verseuchung peis­gegeben hat. Das ist freilich meist das Schicksal besiegter Völker. Nach 1871 war Frankreich   auch vom Revanche­geschrei erfüllt, und die Männer von Versailles   haben ihr Bestes getan, um den deutschen Nationalismus, der am Kriegsende auch im Inland aufs Haupt geschlagen war, wie­der großzüchten zu helfen.

Alle diese Erklärungsversuche sollen natürlich die be­trübenden Tatsachen nicht beschönigen, an denen die Regie­rungen der Republik  , ihre SPD.  - Mitglieder nicht ausge­schlossen, ihr gut Teil Mitschuld tragen. Das gilt es in Zukunft gut zu machen. Von Grund aus! Eine wirklich radikale, d. h. an die Wurzeln gehende Neuerziehung muß die Grundlage unserer Aufbauarbeit sein. Wie unendlich viel Unkraut vird da zu jäten, wie mühevoll und langwierig neuer Boden zu bereiten sein. Aber wir werden es schaffen!

Ein deutscher   Kaufmann auf Reisen

Von einem Berliner   Kaufmann wird uns geschrieben: Nach dem Weltkriege war es nicht gerade ein Vergnügen, als Deutscher im Ausland zu reisen. Auch bei den Neutralen schlug einem etwas von der Abneigung und Feindseligkeit entgegen, die durch den ,, Kaiserismus" geweckt und durch den Ueberfall auf Belgien   verstärkt worden war. Das alles änderte sich nach einigen Jahren Republik   und demo­kratischer Aufbau- und Friedensarbeit Man spürte, wie der Respekt vor Deutschland   draußen wieder wuchs, man merkte die Achtung, die jeder Bürger eines freien Landes in der Welt genießt und bedauerte die Angehörigen jener Na­tionen, die ab und zu über die Grenze gingen, um wieder einmal unbespielt freie Luft zu atmen. Das Selbstbewußt. sein wuchs, wenn man auf diese Leute stieß, deren Reisen immer einer Flucht aus dem Vaterlande glichen.

Dieser mühsam errungene junge Respekt vorm Deutschen  ist vorbei. Wer heute als Deutscher ins Ausland fährt, spielt dort eine keineswegs glorreiche Rolle. Mein Beruf nötigt mich oft zu Auslandsfahrten, aber es ist überall dasselbe. Ueberall wird heute der Deutsche   als nicht sehr achtbarer Zeitgenosse behandelt, namentlich im stammverwandten" Skandinavien  . In einem Stockholmer   Café lächelte eine kleine Gesellschaft mit Seitenblicken zu mir herüber und ich hörte einige Bemerkungen. Auf mein Drängen über­setzte mein Freund, was sie über den Tisch gesprochen: Ein Deutscher  ; wahrscheinlich soll er sich hier aufnorden lassen!" Man fühlt selbst im Hotel, wie man bewigelt wird.

In der Schweiz   passierte es mir, daß nicht nur die Kellner, sondern selbst der Liftboy meine Bestellungen nur unwillig entgegen nahm. Das erlebte ich in mehreren Hotels. Andere Landsleute bestätigten mir dasselbe. Ich half mir schließlich mit dem Schwyzerdütsch, das ich mir in der Ju­gend angeeignet habe. Und siehe sofort hellten sich die Ge­sichter ringsum auf. Von Italien   will ich nicht lange sprechen. Ein Gepäckträger, der einen zu hohen Preis for derte, erklärte mir: Für Deutsche   arbeite er nicht zu dem­selben Preise, der für andere gälte. Ich bin dieses Jahr nur bis Ravenna   gekommen, aber überall schlug mir Ironie oder Feindschaft entgegen. Dies in einem Lande, in dem man auch unterm Faschismus seufzt, aber die Lächerlichkeit des haken­

Die leece Seilerbahn Kleine Tragödie im ,, dritten Reich"

Man erinnert sich wohl der Prophezeiung eines national­sozialistischen Agitators, daß die Seiler zu tun bekommen würden, wenn das Hakenkreuz einmal an die Macht ge­kommen sein wird. Als es aber so weit war, hat man die Hanfstricke der Seiler nicht gebraucht, man hat sich mit den Mordwerkzeugen beholfen, mit denen die rauhen Kämpfer seit jeher gearbeitet haben und mit deren Handhabung sie nun einmal vertraut waren.

Nun sollten aber die Seiler doch noch Arbeit bekommen.

Nicht Galgenstricke sollen sie machen nein, die deutsche  Rüstung bedarf ihrer Produkte. Da hat zum Beispiel in einer schlesischen Stadt ein Seilermeister 3000 Tarnnetze für die Reichswehr   in Auftrag bekommen; das sind Netze, die als Schutz gegen Fliegersicht über Geschüßstände und ähnliche

Eckart.

kreuzlerischen Rasseimperialismus erscheint hier so stark, daß sich selbst der italienische Faschist neben dem hitler­deutschen wie ein Vertreter der Vernunft vorkommt.

Erst in Jugoslawien   atmete ich einigermaßen auf. Dieses einfache Volk weiß von der Nazibarbarei zu wenig; es ist außerdem von Natur sehr zurückhaltend und die Gast­lichkeit spielt in seinen Sitten noch immer eine zu große Rolle, als daß es einem Fremden so leicht sein Werturteil spüren ließe. Um so flegelhafter benahm sich dort in den Bädern der Adria ein gewisser Teil der deutschen  Gäste. Man merkte es ihnen schon an dem hochfahrenden Tone an, mit dem sie Zeitungen bestellten: die braunen Neureichs, die emporgekommenen Nazibonzen. In einer Pension in Dubrovnik  ( Ragusa  ) herrschte einer dieser Flegel den Zeitungsmann an: als er die., Wiener Neue Freie Presse" anbot: ,, Was? Das Judenblatt wagen Sie mir herzu­halten?!" Dann verlangte er den., Völkischen Beobachter". In derselben Pension waren auch Polen   zu Gast. Eines. Abends sangen sie polnische Lieder; es war mir ein Ver­gnügen. Einer der Hakenkreuzler drehte sich dem polnischen Tisch zu und schnarrte: ,, Bitte um Ruhe! Wenn das nun alle machen wollten!" Einer der Polen   erhob sich und sagte in gutem Deutsch: ,, Bitte schön, singen Sie unseretwegen das Horst- Wessel- Lied, wenn Sie musikalisch sind." Oestereicher waren dabei und Ungarn   alles lachte auf Kosten der Hakenkreuzler; sie wurden hier geschnitten wie überall. Auf dem Schiff hörte ich, als eine junge, jüdisch aussehende Dame an unserem Liegestuhl vorbeiging, wie nebenan einer dieser Neureichen raunzte: Gehört mit 30 Jahren erschossen!" Manche Deutsche   sind auf Reisen immer ein bißchen als Provinzler Europas   aufgetreten, aber diese Hakenkreuz­touristen schleppen mehr als Provinzlertum, schleppen die ganze Hitlerpest mit sich herum, und ich darf sagen, daß sie mir das schöne dalmatinische Gestade reichlich vermiest haben.

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Es gibt für den Deutschen   im Auslande nur einen unge­trübten Genuß: Zeitungen, freie Zeitungen. Aber im üb. rigen gelten wir da draußen heute im günstigsten Falle als komisch oder bemitleidenswert. Es ist wieder wie nach dem Weltkriege.

Objekte gespannt und mit Laubzweigen bedeckt werden. Der Meister lachte sich ins Fäustchen: dieser Auftrag bedeutete Arbeit für einige zwanzig Mann vom Sommer bis zum Frost. Aber die Sache hatte leider einen Haken, wie alles im ,, dritten Reich"; nicht umsonst ist das Hakenkreuz sein Symbol. Den Auftrag hat der Meister wohl, aber ausgeführt kann er nicht werden, weil infolge der Devisennot der dafür benötigte ausländische Langhanf nicht zu beschaffen ist. Und in Deutschland   gibt es Hanf dieser Qualität nicht. Nun sigt der Meister vor seiner leeren Seilerbahn. Den Auftrag hat er I aber der Hanf ist zu kurz!

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Englisch   statt Deutsch  

Die lettländische Regierung hat beschlossen, zukünftig in den Grundschulen nur eine Fremdsprache zu lehren, und zwar nicht mehr wie bisher Deutsch  , sondern nur noch die englische Sprache.

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Wert der Propaganda

( Moderne Fabel)

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Die Mücke sprach zum Elefanten: ,, Du glaubst der Größere zu sein? Das lügen nur die Emigranten! Nein, ich bin groß und du bist klein."

,, Gut," lacht der Elefant, Beweise! Du könntest in den Spiegel sehn." ,, Beweise," summt die Mücke leise, ,, Die schaffe ich im Handumdrehn!"

Sie schwirrte stracks zum Propaganda­Minister und man ließ sie vor,

Und dem verschmitzten kleinen Mann da Summt sie ihr ,, Mach mich groß!" ins Ohr. Grinsend verzog der Zwerg die Fresse, In Runzeln strahlte sein Gesicht: ,, Schreibt jetzt," diktierte er der Presse- ,, Der Elefant ist nur ein Wicht."

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,, Dagegen wird in jedem Stücke Mit größten Lettern festgestellt, Daß unsere nationale Mücke Das größte Tier der ganzen Welt."

Bereits am nächsten Morgen schwenkte Die deutsche Presse folgsam ein: ,, Seit Hitler uns die Mücke schenkte, Gott, sind die Elefanten klein!"

,, Sie sind nicht größer als Bazillen, Im Mikroskope sichtbar bloß; Doch dank dem nationalen Willen Aufragt die Mücke riesengroß."

Da war die Mücke tief befriedigt, Sie flog zum Elefanten hin:

Da lies, wie tief du nun erniedrigt, Wie riesengroß ich aber bin."

Jedoch verächtlich dreht den Rücken Der Elefant ihr zu und lacht: Bleib, wo man Propagandamücken Zu Geisteselefanten macht!"

Wo ist Hans Sassmann  ?

Mucki.

Ein österreichischer Schriftsteller Opfer der Gestapo  

Die Gattin des in Berlin   lebenden österreichischen Schrift­stellers Hans Saßmann   hat sich mit der Bitte an den österreichischen Gesandten in Berlin   gewandt, er möge zu­gunsten ihres Gatten bei den reichsdeutschen Behörden intervenieren, da dieser seit einiger Zeit spurlos ver­schwunden und nach privaten Informationen seiner Freunde verhaftet worden sei. Saẞßmann kam vor einiger Zeit nach Berlin  , wo ein von ihm verfaßtes Schauspiel am Staatlichen Schauspielhaus aufgeführt werden sollte. Kurz darauf schrieb er in einem Brief an seinen Freund Egon Friedell   in Kufstein  , daß die Aufführung wahrscheinlich nicht zustande kommen würde und übte in diesem Zusam­menhang heftige Kritik an den unwürdigen Zuständen im Kunstbetrieb des dritten Reichs". Dieser Brief wurde von der deutschen   Zensur geöffnet und ein zweiter Brief Saẞ­manns an Friedell   beschlagnahmt. Seither ist Saẞmann ver­schwunden. Der österreichische Gesandte in Berlin   teilte der Gattin des Schriftstellers mit, daß er bereits einmal zu seinen Gunsten interveniert habe, bisher aber von den deutschen  Behörden nur ausweichende Antworten bekom­men hätte.

Exerzierplatz Deutschland  

Das Buch eines ehemaligen Generalstäblers

In diesen Tagen erscheint bei Editions Bernard Rosner, 36, rue du Colisée, Paris   8e( einem neuen Verlag für schöne Literatur, Geschichte, Soziologie, Wirtschaft), das Buch eines ehemaligen Generalstäblers S. Erckner ..Exerzierplatz Deutschland  "( 192 Seiten, frz. Fr. 12,50) als erster Band einer Schriftenreihe des ,, Institut pour l'Etude du Fascisme" mit einer Einleitung von P. Langevin  , professeur au Collège de France  , membre de l'Académie des Sciences  .

Aus dem Inhalt: Der 10- Jahresplan; Der Wehrstaat! Die SA.; Der politische Soldat; Kaserne, die hohe Schule der Nation; Knaben in Uniform; Der Student wird Soldat; Die dritte Armee; Kraft durch Freude; Volk ans Gewehr.

Exerzierplatz Deutschland   ist die erste Gesamtdarstellung der neudeutschen offenen und versteckten, mittelbaren und unmittelbaren Rüstungen.

Das Buch wirkt durch die Fülle der Tatsachen, durch die lückenlose Darstellung eines Wehrnetes( Schule, Gewerk­schaft, Kirche, Sport, SA., Presse), in dessen Maschen das Leben im dritten Reich" gezwängt ist, aufrüttelnd und sen­sationell.

Sachverständige

Richtige Arbeitsteilung

Der preußische Innenminister hat in einem Runderlaẞ an­geordnet, daß Feuerwehrmänner unverzüglich ihren Austritt aus der SA. und SS. zu erklären haben. Mitglied­schaft bei der SA. und SS.   sei im Interesse der Leistungs­fähigkeit der Feuerwehren, und zwar der Freiwilligen wie der Berufsfeuerwehr, unerwünscht.

Sehr richtig, denn SA. und SS. haben die Brandstifter zu stellen!