Deutsche Stimmen

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Beilage zur

Deusdien Freiheittelemisse

Deutschen Freiheit"

Samstag, den 6. Oktober 1934

Deutsche" Lyrik| 6219 Von Fritz Hoff

Emigrierte Satiriker, hängt Euch auf! Schießt Euch eine Kugel durch den Kopf: Nehmt Zyankali oder Veronal! Denn Ihr werdet bald brotlos sein! Das, was sie selbst machen, die Herren des ,, dritten Reiches" und ihre Tra­banten, einerlei, ob Führerreden, Theaterstücke oder Lyrik, das könnt Ihr nicht erfinden! Was sind die satirischen Ge­dichte eines Walter Mehring , eines Erich Weinert gegen das, was jenseits des Rheins an echter deutscher Lyrik verzapft wird.

Beispiele gefällig? Wir haben unbesehen aus dem ,, An­griff", dem Blatt des Doktor Goebbels , der der Schutzherr der deutschen Literatur ist, 7 Gedichte ausgewählt, Gedichte, von denen, die während der berüchtigten 14 Jahre von Marxisten und Juden beharrlich totgeschwiegen wurden, ob­wohl oder weil sie so begabt sind, so begabt...!

,, In großer Zeit", heißt eins, es ist von Herrn Eberhard Ciemen, und es geht so:

,, Das sind die rettenden Gebete: Wenn einer Stein zum Bauern karrt, Und besser noch, als daß sie flehte, Wird Hand an Pflug und Hammer hart.

Und so steht eine Zeit gewendet: Es werden welche gläubig säen, Auch wenn sie nicht ins Ernten gehen In ihnen hat sich Gott gesendet

Die Hände welken hin im Beten.

Gott wurde wieder eisenhart.

Er will, daß wir zum Werke treten.. Wohl dem, der Stein zum Bauern karrt." Wirklich, so steht es wörtlich da. Sinn? Den haben sie im ,, dritten Reich" ohnehin abgeschafft. Und das Deutsch haben die Herren mit Löffeln gefressen, Gebete" reimen sie auf ,, flehte" ,,, säen" auf gehen". Wirklich ,, wohl dem, der Stein zum Bauern karrt", denn er hat keine Zeit, Gedichte zu lesen,

An die seligen Zeiten vor dem Krieg wird man erinnert, die Wonnegans kommt einem ins Bewußtsein, wenn man liest( in Lied des Siedlers", von W. G. Schwarz): ,, Ob hundert Jahre oder zehn

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Was tuts! Komm, Sohn. und faß es ganz: Du darfst auf eignem Grunde stehn

Des deutschen Lands!"

Herbert Lesti boudois heißt der Nächste auf gut arisch, und der läßt sich vernehmen:

,, Und was uns mißlingt, das packen wir an Zehnhundertfach neu! Und zeigen selbst dann In lachendem Munde

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Der widrigen Stunde Zusammengebissene Zähne!"

Das soll ihm mal einer nachmachen, dem Lestiboudois, die zusammengebissenen Zähne im lachenden Mund. Der Mann gehört in eine Abnormitätenschau und nicht in den Angriff"!

Der in allen Sätteln gerechte Heinrich Lersch darf natür­lich nicht fehlen, wenn es sich um schlechtes Deutsch handelt: ., Wanderer, steh!

Ich sage dir, wenn du dich heute abend zum Schlafen legst Tind nicht nach den toten Soldaten frägst..."

Holl

Tatsächlich ,,, frägst" hat er geschrieben. Das steht da, das muß man lassen stahn! Ich fräge, du frägst, er frägt". DRGM. angemeldet. Erfinder: Heinrich Lersch . Einer heißt gar Karl von Berlepsch, und so schreibt er auch:

,, Das ist die Zeit zum Sehnen. Ich trage ein buntes Kleid. Und draußen trieft in Tränen Die große Dunkelheit.

Laß brennen, o laß brennen.

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Doch nicht mit beißendem Rauch! Wir können uns suchen und trenre­Das tut das Leben auch."

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In der Schule lernten wir die Tonleiter mit dem sinnigen auch!" meiner Vers: ,, Mir wackelt der Bauch, mir Warum muß ich bloß grade daran denken, wenn ich Ber lepschen lese?

Und jetzt kommt eins, von Richard Hülsenbeck ist es nicht, und es ist auch nicht 1919 geschrieben, als Dada seine kulturbolschewistischen Ergüsse auf die Menschheit losließ; es stammt vielmehr von Herrn Rudolf Paulsen und heißt Herbstliche Landschaft":"

..Die Welt ist wie ein Bild musik - bewegt Und flutet jede Farbe, jede Welle; Die Seele aus den dunklen Dingen regt Sich auf und wogt empor ans Helle.

Es klirrt wie Schellen aus der weiten Flur, Die Nymphen schlagen, weinend oder lachend. Des Daseins ewig doppelte Natur

Mit halben Klängen uns verständlich machend.

Unsichtbar diese, welche Menschen suchen Und, alles Rausches, aller Sehnsucht Hauche. Wie Heilige segnen und wie Trunkne fluchen, Unsterbliche im braunen Haide- Rauche.

Ihr Jenseits- Ton schwimmt selig dieser Seite, Des Frühlings Süße rasend übersteigend, Das Leben ringt sich rauschend in die Weite, Eh es versinkt, vom Tanze müd sich neigend." Der Angriff" hat vergessen. mitzuteilen, daß es sich um ein Preisausschreiben handelt und der Leser, der den Sinn eiraten kann, einen Preis bekommt,

Genug? Genug! Nur noch, als Abschluß, die Irdische Reise" des Herrn Rudolf Habetin:

,... Doch manchmal schweigen wir auf unsrer Reise Und schenken uns an eine Wolke hin, Nachdenklich und auf wunderliche Weise, Und fragen rätselnd nach dem letzten Sinn-- Wir auch, wahrhaftig! Aber der letzte Sinn dieses ganzen Un- Sinns wird sich wohl nie ergründen lassen.

Das ganze aber ist offizielle, offiziellste deutsche Lyrik, und die das schreiben, haben das richtige Deutsch gepachtet, zur alleinigen Benutzung. Wohingegen wir.... reden wir nicht davon!

Gleichgeschalteter Skat

,, Ein unterdrücktes Volk macht selbst das Karten­spiel zur Verschwörung." Victor Hugo . Bisher gehörte das Karteln in Deutschland zu den harm­losen Beschäftigungen. Es war so neutral wie etwa der Fahr­plan. Der bedrückte Steuerzahler konnte sich dabei nach Herzenslust und ganz unpolitisch ausräsonieren, durfte auf den Tisch donnern, so viel er wollte niemand fühlte sich getroffen. Das alles soll nun in Bälde ein anderes Gesicht erhalten: auch die Spielkarten werden gleichgeschaltet. Wie die Blätter melden, ist an die Altenburger Spielkarten­fabrikation von oben her die Anweisung ergangen, eine neue, zeitgemäße, deutschvölkische Spielkarte zu schaffen. Sind sich die braunen Obergangster der Konsequenzen des neuen Spiels bewußt? Wohl kaum. Hier wird wieder einmal so fahrig und gemeingefährlich drauflos erneuert, wie auf anderen Gebieten.

Ereignisse und Geschichten

An Leni Riefenstahl

Als ich gelesen, fiel ich fast vom Sockel,

Zehnmal sechstausend Meter Rohfilm sind verbraucht Bei dem Klamauk von Nürnberg für die Litzengockel" Du hast gedreht, bis daß der Kurbelkasten raucht. Und alle Goebbelsblätter melden es voll Rührung, Nur die Liane, Käthe, Dolly meiden Dir die Führung Die fetten Bonzen fingst Du ein, Der Osaf, alle Prominenten Der große, oft gefilmte braune Hitlerbrei. Und auf Geheiß ist auch der Song von Wessel ( Horst) er

klungen,

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nun schnurren sie vorbei. die betörten Jungen.

Man sieht den Führer", Josef, Hermann alle aufgenordet! Nur jene fehlen, die im Juni man gemordet!

Für alle Ewigkeit hast Du sie festgehalten, Daß auch der Enkel noch den ,, Krampf" belacht! Den alten Frontsoldaten glätten sich die Falten, Denn wieder ist gewonnen eine Arbeitsschlacht! Die Nachwelt ist beglückt, daß Adolf es befahl, Und nennt mit Staunen Deinen Namen: Leni Riefenstahl !

Kopiert ist alles und der Kitsch kann surren, Betörte Massen recken sich die Hälse lang. Wenn auch bei Tausenden die Magen knurrer Doch manch' Gelächter, mancher Fluch erklang. Seh'n sie so wohlgenährt die Bonzen in Parade schreiten So schritt die Phrase, Mittelmäßigkeit zu allen Zeiten.

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Nur weiter so! Der Winter lehrt die Massen denken. es macht nicht satt. Da hilft kein Flimmerspiel Ein hungernd Volk läßt sich nicht stets von Phrasen lenken. Ein Weilchen noch, bis daß es ausgeschlafen hat.

Schon tausend Fäuste seh' ich in den Taschen ballen, Bald wird der Sippschaft auch die Peitsche um die Ohren knallen. Fröhlich vom Rhein .

*) Nachricht der deutschen Zeitungen: Leni Riefenstahl hat mit dreißig Mitarbeitern die Film- Aufnahmen in Nürn­ berg gemacht, 60 000 Meter Film!

O!- das kluge China ...

ララ

Wenn ich befreundeten Fremden Hamburg zeigen will, dann führe ich sie nicht zur Alster, nach St. Pauli oder zum Hafen, nein, ich mache einen Gang mit ihnen in die Ham­ burger Museen. so erzählt ein Plauderer in der Nazi­

presse.

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Und warum tut er das? Nun, im Museum für Kunst und Kunstgewerbe gibt es eine wundervolle Sammlung ost­asiatischer Kunstwerke, leider nicht von den Nazi gesammelt. Als Schreckensbeispiel für ostasiatische Barbarei hatte ein Sammler dem Museum einen wunderschönen, farbigen Holzschnitt" geschenkt, dessen Technik die hohe Meister­schaft des chinesischen Künstlers verriet.

,, Da sitzt ein griesgrämiger Zopfträger in Hals-, Arm- und Fußfesseln hinter Gittern in einem Holzkäfig... Am Rande steht die Erklärung, die besagt:

Hung Ma Fo ist ein kluger Mann, ein Schriftgelehrter und Schicksalsdeuter aus Futschang. Er prophezeite dem Lande ein großes Unglück und Mandarin Wan Shi ließ ihn solange in den Käfig sperren, bis das prophezeite Unglück eintreffen sollte. Es traf niemals ein, und Hung Ma Fo blieb darum 31 Jahre in diesem Käfig, bis er starb.

Ja

kommentiert der ,, Plauderer" weiter

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die Chinesen

Wee bekommt die Trümpfe? wußten, was sie mit Unglückspropheten anzufangen hatten.

Man weiß auch, wie die deutsche Reklame darunter leidet, wenn die braunen Gangster einander fortgesetzt zu Tode reinigen! Bisher mußten deshalb schon Bilder vernichtet, Ka­lender und Plakate unbrauchbar gemacht werden. Die Blätter berichten, daß neuerdings eine deutsche Zigaretten­fabrik ihren Schachteln als Zugabe eine kleine Stickerei hei­legt; sie befindet sich in einem Kuvert, auf dem zu lesen steht: Die Ereignisse des 30. Juni 1934 nehmen uns die Möglichkeit, unsere Bildserie ,, Männer um den Führer" zu beenden. Wir fügen daher unseren Packungen Plauener

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O kluges China !"

nur

Der Mann hat recht: Gegen Miesmacher und Kritikaster helfen eben nur der Pranger und der Käfig. Nur eine ver­trottelte demokratische Kultur konnte glauben, daß man asiatische Kunstwerke mit abschreckendem Thema deshalb zeigt, damit die höhere Kultur den Abstand er­messen kann, der sie von der Barbarei trennt. Im ,, dritten Reich" aber ist man wieder so weit wie zur seligen Zeit des Mandarinen Wan Shi.

Spitzenstickereien bei." Wie lange noch und es könnte Feder versteht...

eines Tages in der Nazipresse heißen: ,, Infolge der Ereig­nisse vom soundsovielten sind die neuen Spielkarten beim zuständigen Amtswalter gegen eine verbesserte und gerei­nigte Ausgabe umzutauschen

Bei den Trümpfen geht das Malheur schon los! Wer Das Kulturgut soll im deutschen Männerskat oberster Trumpf sein? Hitler , Blomberg , Thyssen, Schacht oder sonst ein Schwer- ,, Angst vor Unsittlichkeit" industrieller? Wie stehts mit den Buben, den vier Wenzeln, die alles stechen? Hitler , Göring Goebbels Heß ? Wie ists mit der Reihenfolge? Wer sticht wen? Wer stellt die Damen dar? Wie vor allem stehts mit den leeren Karten, die nichts zählen: die Sieben, Acht, Neun? Hier kommen als Figurinnen doch nur SA.- Leute in Frage.

Die eigentlichen Gefahren jedoch beginnen erst mit den Skatredensarten. In diesem Punkte ist das deutsche Volk so reich, wie keine andere Nation der Erde. Jeder Durchschnitts­deutsche kennt diese Redensarten, sie vermehren sich noch rascher als die Autos der braunen Bonzen und fast alle sind sie bittere Beleidigungen der Wenzel. Darf man künftig, wenn der oberste Gangster ausgespielt wird, noch fluchen: Verrecken soll das Aas!" Mit den gleichgeschalteten Karten dämmern für Meckerer wie für Denunzianten gewal­tige Möglichkeiten. Ein ganzes Volk wird seine Wut beim Spiel aussprechen. Millionen werden daß Aẞ nur noch A a s nennen, wenn darauf ein brauner Bonze zu sehen ist. Der deutsche Skat wird endlich einen tieferen Sinn kriegen.

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Was aber, wenn ein neuer 30. Juni kommt? Man sollte die erste Auflage der Hitlerkarte in bescheidenen Grenzen halten. Zwischen der Göring - und der Heß- Gruppe tobt be­reits ein wüster Kampf um die Frage, wer Hitlers Stellver­treter sein soll wie bald kann ein neues Weekend fällig sein, in dessen Nachtstunden wieder ein paar Dutzend alter Kameraden abgeschlachtet werden dann wären die Karten abermals su revidieren, die Wenzel und Damen zu erneuern,

,, Aus Anlaß bedauerlicher Vorkommnisse bringe ich die Warnung der Reichsfilmkammer von anstößigen Werbe­methoden in Wort und Bild, die Anfang des Jahres durch Verbands- Rundschreiben bekanntgegeben worden ist, erneut in Erinnerung. Wer als deutscher Filmtheaterleiter oder als Filmverleiher oder als sonstiger Filmveranstalter heute noch immer mit solchen Werbemethoden seine eigene Miẞ­achtung vor dem Kulturgut deutscher Filmkunst zum Aus­druck bringt, schließt sich selbst aus der Reichsfilmkammer aus und wird künftig auf eine amtliche Bestätigung dieses Ausschlusses nicht mehr zu warten brauchen. Wer künftig solche Werbemethoden duldet, sei es als Theaterbesitzer, Verleiher, Direktor oder sonst als Kammermitglied, macht sich gleicher Verstöße schuldig. Ich werde daher jeden solchen Filmveranstalter, der sich solcher gröblichen Ver­stöße gegen den Anstand auf dem Gebiete der Filmwerbung

in Zukunft zuschulden kommen lassen wird, wegen mangeln­der Eignung aus der Reichsfilmkammer ausschließen. Berlin , den 4. September 1934. Der Präsident der Reichs­filmkammer: gez. Dr. Scheuermann."

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Wie der Leiter der Filmprüfstelle unter dem Datum des 6. September 1934 amtlich bekannt gibt, wurde am 21. August 1934 unter Nr. 36988 die öffentliche Vorfüh­rung des Paramount - Films, Murder at the Vanities", 10 Akte, 2449 Meter, verboten,

Lachen als Ventil

Die polnische Zeitung., Republik" berichtet aus Berlin , wie die Unterdrückung der öffentlichen Meinung von den Hu­moristen ausgewertet wird: In einem Kabarett in der Lutherstraße tritt der bekannte schwedische Komiker Lorenzen auf. Ohne ein einziges Wort zu sprechen, er­heitert er die Zuschauer durch eine heißende Satire auf das gegenwärtige Regime. Ein Tisch und ein Stuhl, die auf der Bühne stehen, deuten an, daß es sich um eine Café handelt, in das Lorenzen eintritt. Lorenzen setzt sich, nimmt eine Zeitung, nach seinen Gesten die einzige, die er in dem Café finden kann, blättert ärgerlich darin herum und läßt er­kennen, daß er schon genau weiß, was er lesen wird; dann legt er sie gähnend beiseite. Er macht die Zuschauer glauben, daß jemand in das Café eintritt, blickt nach rechts und nach links, versichert sich, daß jemand zuhört, beugt sich dem imaginären neuen Gast zu, erweckt den Eindruck, als ob er ihm etwas ins Ohr flüsterte und bracht in ein tolles Lachen aus. Jeder versteht: er erzählt einen neuen Wit über Göring . Die Vorstellung hat großen Erfolg. Das Publikum schüttelt sich vor Lachen, das für den Augenblick noch nicht ver­boten ist."

Die internationale Filmschau in Venedig

Das Preisgericht der internationalen Filmschau in Venedig hat den Mussolini - Pokal für den besten ausländischen Film dem englischen Film ,, Der Mann von Aran" von Robert Flaherty verliehen. Als der beste italienische Film wurde ,, Teresa Confalonieri" ausgezeichnet. Den Regiepreis der Stadt Venedig erhielt die Tschechoslowakei . Der Schweizer Film ,, Die weiße Majestät" erhielt die Gedenkmünze des italienischen Alpenklubs.. In Venedig wird jegt die Grün­dung einer ständigen internationalen Ausstellung der Film. kunst geplant