Massenverhaftungen von Sozialisten im Reiche
Eine neue Schreckenswelle in Süddeutschland
Man schreibt uns aus dem Reiche: Alle Erklärungen der Regierung, sie wolle sich mit ihren früheren Gegnern versöhnen, sind Schwindel. In den letzten Wochen sind so viele tausende Sozialdemokraten und Kommunisten verhaftet worden, daß die bescheidene„ Amnestic", die meistens Kriminelle, Nazis und nur vereinzelt ganz zermürbte Opfer der Sozialdemokratie und des Kommunismus in den Kerkern Tettaf, längst mehr als ausgeglichen ist. Auch die Hinrichsung des Antifaschisten Jasper in Hamburg ist ein blutiger John auf Hitlers Amnestie".
Uns sind seit Wochen große Massenverhaftungen im RheinIand bekannt, und gerade dort, wo es am 19. August viele Steinstimmen gab. Nun setzt sich der Justizterror auch in nderen Bandesteilen fort.
Seit etwa 14 Tagen tobt in Süddeutschland die Gestapo As Herrn Hitler auf die unmentclichste Weise. Wohl in der Susführung der Mahnungen, die ehemaligen Sozialisten Furch Aufklärung und Belehrung für Hitler zu gewinnen, hot man in der Pfalz , in Baden, in Hessen , in WürttemHer morgens in der Frühe die Leute aus dem Bette, die Michts anderes getan haben, als daß sie aufrechte Männer geblieben sind und ihre politische Gesinnung nicht an die Verbrecherbande Hitlers verfauft haben. Die Houssuchungen jagen sich förmlich. Es gibt Häuser, die mehrere Tage immer und immer wieder durchsucht werden, ohne daß Belastendes gefunden wurde. Dies beweist am besten, daß es sich um reine Terrorafte handelt. Je fommt die Rache für die Abstimmung im August. Geger das Ausland Heuchelte man Zofranz. und im Inland herrscht die brutale Polizeifanit. Am schwersten wütet die Polizei in der Pfalz , im Gebiet
des Saarabstimmungskommissars Bürckel . Es ist gut, daß dieser rr noch* der Saarabstimmung den Saarländern etesen abstimmungsunterricht gibt. Frauen, deren Männer nicht gleich zu finden waren, wirft man unbarmherzig an Stelle ihrer Männer in die Gefängnisse. Auch Frauen in Schwangerschaft. Die Bestie tobt wie in den Märztagen 1933.
Ueber die Behandlung der Verhafteten in den Gefängnissen tommen die schwersten Klagen. Männer, die in bester Gesundheit eingeliefert wurden, waren nach einigen Tagen Hitlerhaft kaum mehr zu erkennen. Das„ neue Deutschland " erbringt wieder einmal vor der ganzen Welt den Beweis, was es in Wirklichkeit ist, ein Reich der Barbaren. Es gibt feine Möglichkeit für die Verhafteten, sich Rechtsschutz z verschaffen, seelisch geauält und gemartert, sollen sie im Gefängnis vernichtet werden.
Das Ziel, durch solch brutale Verfolgungen die sozialistische Gesinnung zu zerstören, werden die Banditen jedoch nicht erreichen. Jetzt schon befommen wir Meldungen, daß diese Massenverhaftung von Unschuldigen unter den aufrecht gebliebenen Arbeitern die Erbitterung noch gesteigert
Sie zwingen niemand
In Marienburg sprach ein Bannführer der Hitlerjugend , Weymann, zu den Jungarbeiterinnen zweier Fabrifen. Er sagte:
Wir zwingen feinen von euch, in den Bund Deutscher Mädels zu kommen. Ihr sollt selbst erkennen, daß dort euer Plaz ist. Aber wir sagen es offen, in Zukunft müßt ihr einer dem Staat dienenden Organisation angehören. Der Staat dient euch. Und darum ist eure sittliche Pflicht, dem Staat zu dienen...
Es ist jetzt ein Erlaß vom Führer der Deutschen Ar beitsfront herausgekommen, der besagt, daß jedes Mits glied der Arbeitsfront von 14 bis 18 Jahren auch Mitglied der Hitlerjugend sein muß. Andernfalls er aus der Arbeitsfront ausgeschlossen wird. Ich zwinge feinen, Mitglied im Bund Deutscher Mädel zu werden. Aber ich fann nicht verstehen weshalb ihr es nicht werdet.
Von Zwang fann da wirklich keine Rede sein. Wer aus der Arbeitsfront ausgeschlossen wird, muß zwar ein bißchen verhungern, denn er bekommt keine Arbeit mehr, aber der Hitlerjugend liegt ja gerade daran, daß die Mädchen frei= willig zu ihr kommen, da kann man ihr so ein ganz kleines Druckmittelchen nicht verargen.
hat. Jeszt erst recht:„ Nieder mit Hitler!", so lautet die aus Ka'holischer ,, Hochverräter"
gegebene Losung.
Dieser neue Schlag der Hitler- Büttel gegen die von früher her bekannten Sozialisten zeugt von Feigheit und Angst. Man wird der Schwierigkeiten im Innern nicht Herr. Die Bankrottpolitif wächst ihnen über den Kopf, und nun versucht man mit brutalen Gewaltaften die Volksmaisen einzuschüchtern. Auch diese Rechnung geht daneben. Die Abrechnung kommt, dessen mögen die deutschen Ganafter sicher fein.
Blutige Szenen des 30. Juni
( Von unserem Rorrespondenten.)
Wieder erzählt uns Xavier de Hauteclocque in ,, Gringoire" von den Bestialitäten der braunen Uschla.
Aus Versehen ermordet
Die Geschichte von Willy Weiß( der Verfasser bemerkt, daß er aus Familienrücksichten den Namen dieses Uschlaopters geändert hat. Gemeint ist der Kunsttritifer Schmidt, Red. D. F.") aus München wurde mir von einem deutschen Beobachter" beim Völkerbund berichtet.
Kunsttritifer, dessen Ruf über Deutschlands Grenzen hinausging, ein Mann, der den politischen Lärm verachtete, angesehener Schriftsteller war er in jener Nacht zum 30. Juni weggegangen, ohne an etwas böjes zu denfen. Und selbst dann, wenn er gewußt hätte, was sich gerade damals im NaziHauptquartier ereignete, hätte sich Willy Weiß nicht im geringsten darum Sorge gemacht.
Dieser Kunstfritifer ist in seinem Herzen ein Nozi, er verchrt Hitler wie so viele Bürger. Würde Hitler die Hälfte ailer Deutschen erschießen lassen Willy Weiß würde ihm
recht geben.
Es flingelt an der Wohnungstür Leute in schwarzer Klei dung dringen ein mit einem Totenkopf als anmutigen Zierrat an der Kappe.
Beißen Sie Weiß? Sind Sie Journaliſt?"
Der arme Kert fügt sich. Man heißt ihn aufstehen. Man bringt ihn weg. Man erschießt ihn. Während der lezzien schrecklichen Minuten erhob er lauten Protest, sprach von feiner Atung vor den Gesetzen, seiner Unschuld, seiner Liebe zum Führer.
Ter schwarze Offizier begnügt sich damit, eine Liste einzusehen, auf der sich der Name Weiß, Journalist in München befindet. Die Personen, die auf dieser viste stehen, sollen ,, beiseitegebrach." werden..
Willy Weiß ist tot, man merkte, daß man damit eine Tummheit gemacht hatte. Man hatte einen Weiß um die Ecke bringen sollen, aber der Vorname dieses Verfehmien lautete „ Paul“... Paul oder Willy mit solchen Einzelheiten gab man sich in der Nacht zum 30. Juni nicht ab.
Glücklicherweise befand sich Paul Weiß, ein Journalist, der auf dem linken Flügel der Nazipartei stand, in Italien in dem Augenblick als er unter den Opfern des Gemezels jeiren Plaz ausfüllen sollte. Paul dachte garnicht daran, nach Deutschland zurückzukehren, um dem unglücklichen Willy Gesellschaft zu leisten. Er teilte nur schlecht und recht den natio nalsozialistischen Führern mit, wie bedauerlich der„ Irrtum bezüglich der Person" sei, dessen Nuznießer er ohne seinen Willen sei.
Der Herrenreiter und der Tod
Xavier de Hauteclocque berichtet nun weiter, wie die Uschla auch nach Papen ihre blutigen Hände ausstreckt. Er erzählt ein persönlicher Freund des Vizefanzlers habe ihm darüber interessante Mitteilungen vertraulicher Art gemacht. Wenn die braune Diftatur einmal falle, und man den Henfern den Prozeß mache, dann werde auch Dr. C... Reuanis abTegen. Der franzöhe Tournalist macht zunächst einige Mitteilungen über Papens Person. Er teilt mit, daß Papen ein Salziunfer" sei, d. h. seine Vorfahren seien durch Ausbeutung von Salzbergwerfen reich aeworden. Aber auch durch Heiraten. So habe auch Franz von Papen im Jahre 1905 ein Fräulein von Boch geheiratet, die mit der französischen Familie Villeroy verwandt sei. Papen sei nicht nur Katholif, sondern noch dazu päpstlicher Kammerherr. Aber die deutschen Ratholiken machten ihm den Vorwurf, daß er sie wiederholt verraten habe. Alls Offizier habe er dem feudalen 5. Ulanenregiment angehört, aber im Jahre 1933 habe er die Regierung seines Landes dem Infanteriegefreiten Hitler , einem Leiterreicher, ausgeliefert.
Nach diesen einleitenden Bemerkungen fommt Hautecloque darauf zu sprechen, welche Bedeutung der 30. Junt für Herrn von Papen haben sollte. Er berichtet:
„ Kurz vor dem 30. Juni gibt der Vizekanzler seinem Eefretär Jung den Auftrag, eine Rede zugunsten der unterdrückten Katholiken anzufertigen. Herr von Papen hält diese Rede in Marburg . Die Aufregung, die diese Philippika im Ausland hervoruft, die Erregung, in die sie die Massen der Gläubigen in Deutschland versetzt, das alles bringt die Nazi in Wut. Man kann sagen, daß das Blutbad des 30. Juni, be dem katholische Führer umkamen, seinen offiziellen Ur sprung in dieser heftigen und vielleicht unvorsichtigen Predigt Gatte.
Seiitellen muß man. daß man Herrn von Papen während feiner ganzen Laufbahn feinerlei Feigheit vorwerfen fann. Als er in Marburg spricht, segi er sein Leben aufs Spiel wie man gleich sehen wird. Toch sein erstaunliches Glück will daß andere an seiner Stelle immer für das zahlen, was di
Geschichte als gewollte Ungeschicklichkeiten oder als unfreiwillige Arglist ansieht...
Die Sintflut ist da, es fommt zu dem blutigen 30. Juni 1984. Vor seiner Abreise nach München und Wiessee gibt Hitler Göring den Auftrag, die Situation zu bereinigen.
Das geht in der Nazipolitik nur mit Blut. Das ist der Grundsazz Görings, als er die Lichterfelder Hinrichtungen crganisiert. Seit dem 12. September 1933, wo Papen ihn vor ganz Deutschland wie einen Schulbuben behandelte, haßt der berühmte Flieger den Ulanenfranz. Göring schickt einen Trupp schwarzer Polizeibeamter nach der Voßstraße 1 zum Vizekanzler. Zu seinem Glück war dieser gerade ausgeritten. Die SS. - Leute dringen in seine Amtsräume mit Kolbenschlägen ein, durchwühlen die Schubladen. Jung, der Verfasser der Marburger Rede, will sich diesem gewalttätigen Vorgehen in den Weg stellen. Wie einen Hund tötet man ihn. Der andere Sefretär, Herr von Bose, eilt ihm zu Hilfe. Auch er muß sterben.
Als der schöne Franz vom Spazierritt heimkehrt, findet er jeine Räume voll Blut. Die Zeichen seiner Sefretäre hat
Ein Steckbrief
Die Geheime Staatspolizei hat einen Stedbrief gegen den bisherigen Gauleiter der Deutschen Jugendtraft( DJK), Ballhorn, erlassen. Ballhorn, der flüchtig ist. wird des Hoch verrate beschuldigt. Die Deutsche Jugendkraft ist der bekannte allein von der Regierung autorisierte fatholische Jugendverband Deutschlands , der seinen Sitz in Düsseldorf hat.
man schon weggeschafft, um sie zu verbrennen. Herr von Papen wird darüber eine tapfere Rede halten, wenn man die Urne mit der Asche des treuen Herrn von Bose in geweihter Erde beisetzen wird. Nur eine Rede und noch dazu in fleinem Kreise... Am 30. Juni, nachmittags 8.30 Uhr, rief der Vizekanzler, wie man mir sagte, die Reichswehr um Schuh an. Man erflärte noch, daß die Soldaten, die General von Blomberg zu Papens Verteidigung schickte, gegen cinen neuen Angriff von Görings Getreuen die Bajonette fällen mußten.
Herr von Papen soll danach viermal den unglücklichen Hindenburg, den diese Unordnung aufs Totenbett gemorien hatte, um seine Entlassung aebeten haben. Als feine Aus sicht mehr bestand, den alten Herrn zu retten, riet Papen ihm, Hitler die ganze Macht auszuliefern.
Die fünftigen Geschichtsschreiber werden einmal die Rolle von Papens Persönlichkeit zu beurteilen haben. Wir wollen darüber nur noch ein Wort sagen.
Alz Papen am 17. November 1932 seinem Schußherrn Sindenburg das Entlassungsgesuch der„ Baronsregierung", der letzten Hoffnung des alten Preußen, überbrachte, schüttelte der Feldmarschall recht nachdenklich sein greises Haupt. Dann reichte er dem Junter eine Fotografie, auf die er folgende beredte und traurige Widmung geschrieben. hotte: ch hatt' einen Kameraden!" Einen guten, echten Kameraden?
Pro 1022mmo 16 re Amnestie
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