Deutsche Stimmen Beilate zur Deutschen Freiheite

Der Antichrist

,.Der Antichrist". de Lange, Amsterdam .

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Von Josef Roth . Verlag Allert

Josef Roth lebt in der Emigration. Er gehörte sofort zu denen, die durch neue Leistung einem ungewissen geistigen Schicksal zu entgehen wußten. Jeder neue Tag in der Fremde galt der Auseinandersetzung mit dem Vergangenen und mit dem Kommenden, im Roman, im Essay, im Pamphlet. Nun legt er uns dieses umfassende Werk vor. Hingerissen von der Großartigkeit seiner Schau und der Kraft der Sprache liest man es in einem Zuge.

Wer ist der Antichrist?

Josef Roth sieht ihn überall dort, wo der Mensch zum Menschen in ein unmenschliches Verhältnis geraten ist. Der Antichrist wuchert überall auf dieser Erde, das mißratene Ungeheuer der Zivilisation, mit der sich das Menschen­geschlecht seine eigene Peitsche gewunden hat. Hören wir einige Sätze von Josef Roth selber:

..Ich habe aber den Antichrist erkannt, ich durchschaue ihn, wenn er im Osten dieses untergehenden Kontinents die Arbeiter zu befreien verheißt und die Arbeit zu adeln, wenn er im Westen die Freiheit der Kultur zu verteidigen spricht und die falschen Fahnen der Humanität über den Dächern der Gefängnisse hißt. Wenn er in der europäischen Mitte ( das heißt zwischen Osten und Westen) einem Volk Segen und Wohlfahrt verheißt und den Krieg vorbereitet, in dem es untergehen soll, wenn er das insularische Volk Europas , die Engländer, die Matrosen des alten Kontinents, zur Gleich­gültigkeit überredet gegenüber all dem, was auf dem Fest­land noch vorgehen kann wie man die seefahrenden Matrosen, die Söhne des Festlandes, überreden kann, sich nicht mehr um das Schicksal der Häuser zu kümmern, in denen sie geboren wurden, wenn er den Söhnen der europäi­ schen Berge, den Schweizern, und den harmlos rührenden Kindern der Küste, den Holländern, Segen und Gewinn ver­spricht, sobald die andern sich zu töten beginnen, wenn er Gelbe gegen Weiße, Schwarze gegen Gelbe und Weiße aus­spielt, wenn er den Italienern die Macht des alten Roms zusagt und den heutigen Griechen den Glanz des alten Hellas. Ja, selbst wenn er, der Fürst der Hölle, den Vatikan besucht und ihm Konkordate diktiert... erkenne ich ihn, den Antichrist.

Und, obwohl seine Macht weit größer ist, als die meine, fürchte ich ihn nicht und will versuchen, ihn

zu entlarven."

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Es wäre ungerecht gegenüber Josef Roth , wenn man sagte, daß dies eine besonders kennzeichnende Stelle aus seinem

Jonntag- Montag, den 28. und 29. Oktober 1934 puno

248 Seiten umfassenden Buches sei. Es funkelt und blitt nahezu auf jeder Seite das Wissen um die mißbrauchte Wahrheit und die geschändete Gerechtigkeit. Wir erleben mit ihm die ,, entweihten Wunder" dieser Tage auf seiner Wanderung im Auftrage des Herrn über die tausend Zungen."

So nennt Josef Roth den allmächtigen Zeitungskonzern, der ihn aussandte, um die Welt zu schauen. Er kommt nach Hollywood , nach Hölle- Wut", er durchschaut die Wolken­ . kratzer in der Siebenmillionenstadt der Schatten. Ueber der Erde, unter der Erde, auf den Dächern der Kirche, auf denen der Antichrist das Kreuz verbiegt, bis es zum Antikreuz ge­worden ist: man bleibt gebannt auf der Spur der Apokalypse. Ein unpolitisches Buch, aber von Politik gespannt bis zum Bersten! Josef Roth , der zuletzt vom Chef der ,, tausend Zungen" entlassen wird, geht weiter als Wanderer durch das Menschenall. Auf seinem Abschiedsdekret steht:

,, Ich entlasse Sie mit heutigem Datum aus meinen Diensten.

Sie sind eine widerspenstige Zunge. Ich habe bereits eine neue und billige gefunden. Meine Zeit, unsere Zeit ist angebrochen. Ich brauche nicht mehr höflich mit Ihnen umzugehen. Und ich schließe mit der Wahrheit: Heil das Antikreuz."

Herzen des Kontinents nicht mehr allein das Goldene Kalb Warum ist unsere Zeit" angebrochen? Weil das Volk im anbetet, sondern noch den ,, Eisernen Gott".

Wanderer Josef Roth kommt zu den Frommen, zu den Gerechten, zu den Gottesleugnern, zu den Reichen, zu den Armen, zu den Juden und Judenhassern. Er hört ihre hohlen Worte und ihre halben Bekenntnisse, denn überall ist der Hauch des Antichrist, bis zum bitteren Ende, wo sich der Segen der Erde, Kali, Naphta, Gift, zur Vernichtung ver­ständigt hat. her handsad br

Ein Mythos? Wir wollen dieses Wort nicht mißbrauchen. Joseph Roth kann mit Recht einwenden, daß auch hinter ihm

Ereignisse und Geschichten

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,, Edel sei der Mensch, Hilfreich und gut!"

Goethe.

En Flüstern, Tuschein! Dann ein spitzer Schrei Der Qual durch meterdicke Wände!

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Im Dunkel zittern angstvoll bleiche Hände. ,, Mein Gott, jetzt schlagen sie den Hans zu Brei!" Der Pestgestank von vollen Notdurftkübeln Legt sich wie eine Klammer um die Brust. Die Wunden eitern. ,, Es ist eine Lust!" Gespenster liegen auf dem Stroh und grübeln. Der Haß wühlt in verwüsteten Gesichtern, Und ,, Rache" schreits aus dem zerschlagenen Leib Des Mannes, der sich ängstigt um sein Weib, Des Weibes, das vergebens ruft nach Richtern. Die Seelen aber sind schon längst vernichtet. Wohl keiner weiß mehr, was er einstmals war. Nur Schmerzen, Hunger, Ekel sind noch wahr, Und turmhoch werden Flüche aufgeschichtet. Betrunkne Hunde rülpsen auf dem Gang Und grüßen sich mit wüsten Schweinereien; Befriedigt von den legten Quälereien, Sind sie schon lüstern auf den nächsten Fang. Die Börsen spielen, die Geschäfte rollen In Rom , in London , auf der ganzen Welt. Man ist bekümmert, weil Kredit und Geld Nicht mehr so fließen, wie sie fließen sollen. Die Zeitung liest man dennoch mit Behagen Und freut sich, wenn es was zum Gruseln gibt, Weil man doch insgeheim das Gruseln liebt! Fast jeder sagt: Was soll man dazu sagen?" Gewiß, Herr Hitler ist die Kriegsgefahr, Doch das Geschäft kann höchstens besser werden. Einmischung? Sowas gibts nicht mehr auf Erden, Denn edler wird der Mensch von Jahr zu Jahr!

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schon der Antichrist lauere, der mit falscher Zunge die Münchner Abenteuer

Menschen verwirrt. Es ist, kurz und schlicht, einfach ein großartiges und aufrüttelndes Buch, geschrieben in Auf­lehnung wider das Menschenreich und in Sehnsucht nach dem unverwirklichten Gotte.

Gäbe es den Thron des Heiligen Vaters: Josef Roth würde vor ihm ein bitteres und zugleich gnädiges Lächeln empfangen.

Die Karriere eines deutschen Hochschullehrers

De. Arnold Ruge

Die Unterwürfigkeit deutscher Universitätsprofessoren entkeimt nicht bloß der Angst um Erwerb und Karriere, nicht allein der Unfähigkeit, zwischen Loyalität und Devotion die Taktschranke zu errichten. Viele haben allen Anlaß, Hitler dankbar zu sein, weil sie ohne sein Regime und die Protek­tion der Partei niemals akademische Lehrer geworden wären. Im braunen System ist auch der lange verschollene Dr. Arnold Ruge wieder aufgetaucht. Er hatte sich vor dem Kriege als Privatdozent der Philosophie an der Heidelberger Universität habilitiert. Es sah so aus, als ob er rasch Karriere machen würde. Der berühmte Philosoph und Historiker der Philosophie Wilhelm Windelband protegierte ihn. Ruge ent­täuschte wissenschaftlich. Die herkömmlichen Vorlesungen, die herkömmlichen Seminarübungen, keine philosophische Publikation von Bedeutung. Dann machte er einen Seiten­sprung in die Politik und kam nicht mehr los von ihr. Er hatte die Kosten für Studium, Doktorprüfung und die fast einkunftslose Privatdozentenzeit nur mit Hilfe jüdi. scher Mäcenaten aufbringen können. Nun dankte er mit einer ungewöhnlich heftigen Kampfschrift gegen Anti­semitismus auf deutschen Universitäten. Dann wandte er sich wieder ausschließlich der Philosophie zu, blieb aber ein Dozent von Durchschnittsmaß, im Gleise des üblichen Universitätsbetriebes.

Trotzdem wollte er rasch Professor werden. Eine Vakanz trat ein. Windelband empfahl ihn, die philosophische Fakul­tät lehnte ihn aber wegen mangelnder Qualifikation ab. Ein jüdischer Kollege wurde ihm vorgezogen. Auf einmal wurde er ein polternder Antisemit. Er beschuldigte die Professoren Max Weber , Alfred Weber und Gothein, seine Graduierung auf Geheiß des Besitzers der Frankfurter Zeitung " hinter­trieben zu haben. Im Disziplinarverfahren konnte er seine Vermutung durch keine irgendwie glaubhafte Angabe er­härten, mußte er kläglich Abbitte leisten und kam mit einer Rüge davon. Darauf wurde er antisemitisch noch rabiater. Er schimpfte bald auf Ludwig Frank , bald auf seinen erfolgreichen Rivalen, bald auf das gesamte Judentum. Im Krieg blieb er jahrelang reklamiert. Dann hielt er bis zum Schlusse in der Heimat Aufklärungsvorträge. Nach der Revolution wurde er das Mundstück des akademischen Radauantisemitismus in Heidelberg . Als es zu schlimm wurde, warnte ihn der Senat. Ruge tobte noch mehr, ver­leumdete noch unbedenklicher. Der gesamte Lehrkörper der philosophischen Fakultät, selbst der Historiker Wolfgang Windelband, Sohn seines Freundes Wilhelm Windelband ,

Eine Bombe tickt

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Eine Inszenierung muß es sein, die hinwegsprengt die grünen Matten mit Herdenglocken und schweizerisch - breitem

verlangte Ruges Demission. Zuerst hatte sich die deutsch­nationale Partei des badischen Landtags seiner angenommen. Dann ließ auch sie ihn fallen. Ruge wurde die Dozentur

genommen.

Von da an ging er politische Abenteurerwege. Er gründete den Blücher buud" und zog mit einer Gruppe beruf­lich gestrandeter Jünglinge nach Oberschlesien . Dort hat er, als ,, Geheimrat Berger" amtierend, eine Reihe von Fememorden veranlaßt. Auf sein Kommando wurden auch zwei deutsche Mädchen erschossen, die in den Verdacht des Verrates zugunsten Polens geraten waren. Der Staats­anwalt in Breslau erließ gegen Ruge Steckbrief. Er floh nach München , das unter Kahr, Pöhner, Frick und Roth das Asyl aller Mörder aus dem reaktionären Freikorps war. Der Fememord- Betrieb wurde nun erst in Bayern so recht heimisch. Wo später der parlamentarische Untersuchungs­ausschuß Fememordaktionen nachprüfte, da konnte er immer die Initiative oder die Billigung des Geheimrats Berger" alias Arnold Ruge feststellen. Gefaßt wurde er nur einmal. Als er den Studenten Zwengauer zum Mord am Studenten Bauer anstiftete, schickte ihn das Volksgericht auf ein Jahr ins Gefängnis. In der Politik wirkte er hinterher nicht mehr mit.

Nach dem Hitlerputsch wollte er wieder D o zent werden. Die Universität München lehnte ab. Alle Universitäten lehnten seine Gesuche ab. Daß dieses Subjekt ihnen mora­lisch zu unsauber war, darf man annehmen, ganz sicher ist das bei allen nicht einmal. Sie werden sich wohl aber auch gefragt haben, was denn Ruge in der langen Zeit seines politischen Abenteurertums wissenschaftlich geleistet habe, Darauf hätte er wahrheitsgetreu nur antworten können, daß er den deutschen Sprachschatz mit der Bezeichnung ,, u m- legen" bereichert habe. In Wahrheit, diesem Wort hat Ruge erstmals die symbolische Bedeutung für Mord verüben gegeben!

Horatio.

Schon seit zehn Jahren fährt Herr C. aus Saarbrücken ins Reich; er reist in Stahl, dem Erzeugnis seiner Firma. Schon seit zehn Jahren besucht er in jedem Herbst die Münchener Firma U.& Co. Sie ist, wie man so sagt, sein Geschäftsfreund.

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Als er vor drei Wochen seinen fälligen Besuch machte, wurde er nicht mit dem landesüblichen Grüß Gott" emp­fangen, sondern mit einem donnernden ,, Heil Hitler". Was nicht hinderte, daß er in den nächsten zehn Minuten einen guten Auftrag erhielt.

Nach jenen zehn Minuten kam aber in das Zimmer des Chefs, mit dem Herr C. abgeschlossen hatte, der Prokurist der Münchener Firma. Auch er donnerte sein ,, Heil Hitler", auf das der Saarländer mit Guten Tag" antwortete. Der Prokurist riẞ die Haken zusammen und brüllte ihn an, er habe den Führer selbst beleidigt, wenn er den deutschen Gruß verweigere, er gehöre an die Wand gestellt oder gar

ungespitzt in den Erdboden gestoßen, er solle nur bis 1935

warten.

Der Chef fiel seinem Prokuristen ins Wort, stellte fest, Herr C. gehöre zuvor drei Stunden lang mit einer Hand­granate geohrfeigt und von Juden solle man eben nicht kaufen, der erwachte Rassegedanke habe ganz recht und jetzt sei es ihm eh' zu dumm.

In höchster Erregung verließ der Prokurist das Zimmer. Der Chef aber griff in seine Westentasche, wo zwei Havanna steckten, und bot die eine davon dem erschütterten Herrn C. an:., Damit's sich erhol'n, aber mir bleibt ja garnix anders übrig, der Prokurist. der spinnate Teifi, ist Obmann von

..Kraft durch Freude", so a Nazi, und da kannst halt nix

machen. Aber ich, ich schätze Sie, grad weil Sie a Jud sind."

Mit kräftigem Händedruck verabschiedete er sich von Herrn C., der nachdenklich den langen Gang vom Privat­kontor wegmarschierte. Bis sich plötzlich eine Tür öffnete, der Prokurist nervös aus ihr herausflitte und den zum zweitenmal erschrockenen Herrn C. in sein Büro zog. Dort griff er in seine Westentasche, wo zwei Manila steckten, und schob die eine davon dem immer erschütterteren Herrn G. in die Mappe: ,, Nix für ungut, mei Liaber, aber was will i denn machen; mei Chef, der verrückte Uhu, ist der Obmann der NS. Hago. Der ist braun bis in die Knochen, da legst Di nieda. Aber ich, ich bin ganz normal, ich habe Respekt vor Ihnen, grad weil Sie a Jud sind."

Seitdem Herr C. in München noch verschiedene andere Firmen besucht hat, ist er ein starker Zigarrenraucher geworden.

All dieses brachte die Partei

Deutschland in der Welt geächtet, Nullen an den höchsten Stellen, Sklavenseelen, stumm, entrechtet, Argwohn, Haß und Mordgesellen. Pestgestank und Prahlerei:

Es kam das Hitlerregime und mit ihm die Zeit, in der man höchsten Ortes nach wissenschaftlichen Leistungen wenig fragte. Ruges Stunde war da. Er wurde außerordent licher Professor an der Universität Jena. Vor ein paar Wochen hat er die Berufung nach Rostock. zum Ordinarius erhalten. Ruge liest jetzt auch Pädagogik. Er ist der berufene Mann dafür. Die akademische An dies brächt' Dir die Partei! Jugend von heute wird erzogen an seinen Heldenleistungen

über

in Oberschlesien, an seinen Verhegungen, die immer einer Wo steckt ein Jude? Reihe schuldloser Menschen das Leben kosteten!

Ruge und das dritte Reich" sie passen zu einander!

im

Wort, aber das Wort aus heißem Atem, mit Schrappnell­brennzünder und Einschlag ohne Verzögerung." Günter Nau­hardt über, Grundsätzliches zur Tell- Inszenierung Theater" der Jugend. im Organ der, Genossenschaft deut­Behagen, und ausbrennt den lächelnden See der Idyllescher Bühnenangehöriger". Der neue Weg". ein Volk steht auf aus einer bleifarbenen Sonnenfinsternis der Tyrannis, Druck gegen Druck und Ruck gegen Ruck... Es ist, als ob man das Ticken einer Bombe hört... Schillers vornehmstes dramatisches Mittel ist das

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die

Ge­

Höllenmaschinen, Schrappnellbrennzünder danken des braunen Rezensenten haben sich aus der Schweiz nach Oesterreich verirrt!

Lux.

Die Deutsche Bühnenkorrespondenz"( das Nachrichten­blatt der Nationalsozialistischen Kulturgemeinde, Abteilung Theater) wendet sich in einem Aufruf An die Theater­direktoren!" dagegen, daß die Spielpläne von Theatern noch immer mit einer großen Zahl von Werken durchsetzt seien, ,, deren Autoren, Komponisten oder Librettisten entweder selbst Juden oder jüdisch versippt sind". Der Aufruf schließt mit dem Sat:., Wir begnügten uns bisher noch damit, die Stücke, an denen Juden mitgearbeitet haben, aus den Ver­öffentlichungen der Spielpläne von uns aus zu streichen allerdings in der stillen Hoffnung, daß die Theaterdirektoren auch bald etwas davon merken."