..Die Vorschung"
Wie Hitlers Presse sie auffaẞt
Wort 2. ml
Es gibt Leute, die sagen, es gebe feinen Zufall, und solche, die das Schicksal verneinen. Der plötzliche Tod Poincares, von dem unnatürlichen Ableben seines politischen Freundes Barthou nur wenige Tage getrennt, ist so auffällig, daß man an die Vorsehung die Frage richtet, ob hier nicht ein geheimer und strenger Ratschluß vor: liegt. Die hervorragendsten Vertreter einer alten politischen Schule, die soviel Unheil und Verwirrung und auch Verderben über Europa gebracht haben, werden gleichsam zusammen abberufen, als ob die Vorsehung den Menschen flar machen wollen, daß sie auf neuen Wegen gehen müssen, Poincare ist der treibende Geist und der zähe Verfechter der Einfreifung des kaiserlichen Deutschland vor dem Kriege gewefen, und er hat seine von unerbittlichem Haß gegen Deutschland diktierte Politik auch nach dem Kriege fortgesetzt und im Januar 1923 die Besetzung des Ruhrgebietes durchgeführt. Poincares Werf wurde, von Franf= reich aus gesehen, durch den Sieg im Weltkrieg gekrönt. Von Europa aus gesehen brachte es die Katastrophe, an der die Völker heute noch zu leiden haben. Barthou war der gelehrige Schüler Poincares. auch er glaubte an den Erfolg der Politik der Bündnisse und Rüstungen und übersah, daß Europa auf diesem Wea einer neuen entsetzlichen Katastrophe entgegengehen müßte. Für die Völker Europas war der fürchterliche Anschauungsunterricht des Weltkrieges überzeugend genug. Die Staatsmänner der alten Schule fonnten vielleicht hier den Erkenntnissen ihrer Völker nicht folgen, weil sie ja damit ihre eigene schwere Verantwortung für die Katastrophe hätten zugeben müssen. Die Vorsehung hat jetzt fast gleichzeitig zwei der hervorragendsten Vertreter dieser alten Schule abberufen. Sollte das nicht ein Warnungszeichen der Vorsehung sein, den Weg, den Europa zwangsläufig in neues Elend führen muß. zu verlassen und neue Wege der Zusammenarbeit zu beschreiten?
Um ganz sicher zu gehen, hat sich die Vorsehung" bei ihrer„ Abberufung" Barthous bekanntlich einer zuver lässigen deutschen Mauserpistole bedient. war diese Waffe dann nicht mehr notwendig. Die blutige politische Sensation aus Marseille gab dem Leidenden den Rest.
Deutschland erwacht
London , 29. Oft. Der„ Daily Herald" veröffentlicht einen Artikel eines Sonderkorrespondenten unter der Ueberschrift:„ Die Deutschen begreifen nun, daß sie getäuscht wurden." Der Korrespondent schreibt:„ Ich habe fürzlich, nach einer Abwesenheit von sechs Monaten, Deutschland bereist, und es ist mir flar geworden, daß der Zauber, den
ler und seine Komparsen in Deutschland verbreitet hat: -a, endgültig seine Kraft verloren hat. Der blinde Glaube an Worte oder Taten der Regierung besteht nur bei einigen Hunderttausend Total- Nazis und wurde dem übrigen Teil des Landes von Joseph Goebbels aufgedrängt." Der eng lische Journalist berichtet den folgenden Fall:„ Der Autobus, in dem ich mich befand, wurde durch einen Aufmarsch der Nazis genötigt, zu halten. Es war ein Propagandamarsch für das Winterhilfswerk... In dem Autobus begann eine bittere Unterhaltung„ Wir haben nicht vergessen, was sie mit dem Geld gemacht haben, das sie im vorigen Jahr sammelten... Gib, gib, sagen sie, wir haben faum genug für uns selbst, und das Leben wird teurer und teurer"... Und so fort bis man bemerkte, daß ich mich an der Unterhaltung nicht beteiligte, und schwieg..."
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A. Ph. Paris , 29. Oktober. ( Von unserem Korrespondenten) " Doumergue hat das Wort", sagt Andre Guerin im " Deuvre" am Schlusse seiner Würdigung der auf dem radifalsozialistischen Parteitag in Nantes fast einmütig gefaßten Entschließung. Diese Entschließung will dem Kabinett Doumergue die Weiterarbeit ermöglichen, fie empfiehlt, im Falle eines Konfliktes zwischen dem Parlament, Kammer und Senat, und zwischen Kammer und Regierung zum Volksentscheid die Zuflucht zu nehmen. Im übrigen soll Herriot mit seinen fünf radikalsozialistischen Ministerkollegen nach bestem Wissen und Gewissen die Entscheidungen treffen, die die jeweilige politische Situation der nächsten Zeit erfordert. Die Entschließung schweigt sich aber vollkommen darüber aus, ob der Kongreß der Forderung von Doumergue zustimmt, daß der Staatspräsident berechtigt sein soll die Kammer aufzulösen ohne die Zustimmung des Senats.
Aber es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, daß der Kongreß geschlossen diese Forderung abgelehnt hat, und daß nun die radikalsozialistischen Regierungsmitglieder keineswegs berechtigt sind, von sich aus einer so weitgehenden Verfassungsreform ihre Mitarbeit zu widmen. Es hängt nun alles davon ab, wie weit Ministerpräsident Doumergue geneigt ist, von dieser Forderung abzugehen. Bei ihm liegt die Entscheidung. Er hat zwar erklärt, daß er nicht nachgeben werde, aber das war vor dem Parteitag in Nantes . Die nächsten Tage schon werden zeigen, ob das innenpolitische
Christlicher Protest
gegen die Judenverfolgungen Grausam mißhandelt ihr"...
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Berlin , 29. Oft. Wie derSonderkorrespondent der Jüdischen Telegrafen- Agentur in Deutschland erfährt, ist in der letzten Zeit der deutschen Reichsregierung eine Flut von Protesten baptistischer Gemeinden in der ganzen Welt gegen die Entrechtung und die Verfolgung, denen die Juden in Deutschland seit dem Machtantritt Hitlers ausgesetzt sind, zugegangen. Besonders seit dem 14. Oftober laufen in der Berliner Reichskanzlei täglich Hunderte Telegramme baptistischer Pfarrgemeinden im Auslande mit Protesten gegen die Judenverfolgungen ein.
Warschau , 29. Oft. Die Konferenz der Baptistengemeinden Polens sandte an die deutsche Reichsregierung das folgende Telegramm: Grausam mißhandelt Ihr die Kinder der Zeugen Jehovas. Wir bitten dringend, die schimpfliche Behandlung der Juden einzustellen; tut Ihr es nicht, dann möge Gottes Strafgericht über Euch kommen!"
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Neuyort, 29. Oft. Die Jahreskonferenz der protestantischen und der episkopalen Kirche, die im Abgeordnetenhaus von Atlantic City tagte, faßte eine Resolution, in der die Verfolgung von Minderheiten seitens eines Staatsvoltes als zivilisierter Völker unwürdig erklärt und insbesondere den in Deutschland verfolgten Juden die tiefe Sympathie der amerikanischen Christenheit ausgedrückt wird.
Barometer Sturm
oder, wenn nicht schönes, so doch wenigstens erträgliches Wetter anzeigen wird.
Ere Nouvelle" rühmt die Weisheit des radikalfozine. luischen Parteitages. Das Interesse des Friedens. das repubukanische Interesse, wie das der Nation und der Partei selbst hätten gieterisch vom Parteitag Vernunft gefordert. Im Figaro" spendet Henry Vonofen Herriot reiches Lob, der als Staatsmann in Nantes gesprochen habe.
C.-J. Gignoux meint in Journee Industrielle", manche Sätze in der Entschließung von Nantes hätten wohl den Zweck, ein Kompromiß zu erleichtern. Aber für den Ministerpräsidenten bedeute ein solches Kompromiß eine doppelte Gefahr: es führe einerseits zu halben Maßnahmen, andererseits enttäusche es einen bedeutenden Teil der Deffentlichkeit, der sich durch die Entschiedenheit, mit der Doumergue seine Reformen angekündigt habe, habe begeistern lassen.
„ Ami du Peuple" beschwört Doumergue , feine Ronzession hinsichtlich der Verfassungsreform zu machen. Wenn Doumergue jeßt nachgebe, werde er nur den Appetit der Leute von der Einheitsfront reizen.
Gustave Herve spricht im„ Victoire" von einer„ Verurteilung mit Strafaufschub".
P.-L. Darnar stellt in der Humanite" die Frage, ob das Votum, das grundsätzlich für den Burgfrieden sich ausspreche, genügen werde, um die„ Nationaie Einheitsfront" am Leben zu erhalten, die unter dem Druck der Massen schon wacklig werde.
Ein selbstverständliches Verbot
Paris , 29. Oft. Das Innenministerium teilt folgende Note mit: Es laufen häufig Reflamationen gegen Maßnahmen ein, die das Innenministerium gegen die in Frank= reich wohnhaften Ausländer getroffen hat. Hierzu sei feftgestellt, daß trotz der Schwierigkeiten der gegenwärtigen Zeit Frankreich seine großzügige Gastfreundschaft nicht aufgegeben hat. Aber es kann nicht zugelassen werden, daß diese Gastfreundschaft in einer Weise ausgenützt wird, die gegen die Interessen des Landes verstößt. Diejenigen, die bei uns Zuflucht finden, müssen sich über die Bemühungen klar sein, die zu diesem Zwecke gemacht werden und sie müssen die Pflichten erkennen, die daraus entstehen. Es ist daher unzulässig, daß sie ihren Aufenthalt in Frankreich ausnüßen, um sich zu vergehen oder um eine Agitation zu betreiben, die unserem nationalen Leben schädlich ist.
Von diesem Standpunkte aus ist es unmöglich geworden, die Gastfreundschaft an solche Ausländer aufrecht zu erhalten, die sich strafbare Delifte zuschulden kommen lassen oder die sich in das innere französische politsche Leben einmischen, oder die auf unserem Boden sich weiter an einer Bewegung beteiligen wollen, der sie vielleicht in ihrem Lande angehört haben.
worden sind, erscheint es faum mehr nötig zu sagen, daß die Beschwerden, von welcher Seite sie auch kommen mögen, gegen beschlossene Ausweisungen von Ausländern, die sich in obiger Weise schuldig gemacht haben, nicht berücksichtigt werden können, und daß die Entscheidungen unter allen Umständen aufrecht erhalten werden.
Nachdem diese Regeln aufgestellt und bekannt gegeben
ie Beileidstelegramme von Hitler , Gömbös , Mussolini Schuschning unterscheiden sich nicht von denen eines Masaryk und Baldwin und der preußische Ministerpräsident Hermann Göring tann bei den Leichenfeiern für Alexander von Jugoslawien im Brustton des zerknirschten Biedermannes versichern daß im dritten Reich" terroristische Verschwörernester niemals eine Heimstatt finden könnten. Nebenbei wollte er seinem ehemaligen Freund Mussolini mit zarten Anspielungen dabei eins auswischen. Der deutsche Luftgeneral wird dem Duce niemals verzeihen, daß dieser ihn im Oktober vergangenen Jahres einen wahnsinnigen Kindskopi" genannt hat, als Göring mit Balbo einen Plan ventilierte, wie der Blitz aus heiterem Himmel durch einen Luftangriff auf Frankreich " den gordischen Knoten der euro päischen Zwietracht zu durchhauen. Balbo wurde in die Wüste geschickt, ohne daß der im Nonstopflug herbeigeeilte deutsche Luftfahrtminister ihn noch retten konnte, und Gö ring darf italienischen Boden nicht mehr betreten.
Kaum im Besitz der entrüsteten Auslassungen des preußiichen Ministerpräsidenten bei dem Belgrader Begräbnis, mußte die internationale Preise das trockene Eingeständnis des Wolff'schen Nachrichtendienstes registrieren, daß der autonomistische Kroatenführer Dr. Ante Pawelitsch in Ber lin unter den Augen der doppelfichtigen Gestapo mit seinen Gesinnungsgenossen die Zentralleitung der terroristischen froatischen Emigration etabliert hatte und dort auch das von ihm redigierte Nezarisna hratska Drzava" verlegt wurde. Natürlich wußte die Gestapo davon nichts. Selbitverständlich hat Alfred Rosenberg , der unbestallte Außenminister des„ dritten Reiches" nie mit diesen Außenseitern etwas zu tun gehabt. Es sind vage Vermutungen, daß im außenpolitischen Amt der NSDAP . ein umfangreicher Schriftwechsel mit Dr. Ante Pawelitich und Kwaternik zu finden sei. Rein Kind kein Engel ist so rein!-
Rönnte aber nicht Herr Dr. Steinacher, die rechte Hand Rosenbergs, der Leiter der Auslandspropaganda besonders für die„ Südmark" Auskunft geben? Dr. teinacher, ein ehemaliger österreichischer Offizier, gebürtiger Kärutner, Organisator der 1918/19 gebildeten irregnlären Bauernarmee, welche Kärnten , Krain und die Grenzgebiete den Serben streitig machen wollte. Jit Dr. Steinacher nicht die Seele der Nazirevolten gegen Desterreich gewesen und auch heute noch? it die Rezarisna hratska Drzava" nicht in der Druckerei Wilhelmstraße 100 in Nowawes bei Potsdam aedruckt worden, wo alle Nazi- Auslandspropagandaschriften ohne Impressum natürlich- hergestellt hergestellt merden, in welcher Surache ouch immer verlangt werden! Waren nicht der Graf Boff- Federigotti und Fürst Mindifcharacz die Verbindungsoffisiere" zwischen Dr. Ante Pawelitich und dem Außenpolitischen Amt der NSDAP ," Dann aber noch eine ihr ernite Frage an Bossi- Federigotti und Windischgracz: Haben die Herren in der Zeit von
August bis November 1933 niemals etwas mit Vlado Georgiew, dem Attentäter, in Berlin zu tun gehabt?
Doch wenn diese Fragen gestellt werden, meldet die Ber liner Nazizentrale im Bruftton des Bedauerns- alle Leitungen gestört. Kaum 2 Tage nach dem Doppelmord in Mar seille wußte die Oeffentlichkeit, daß der Attentäter nicht der in dem gefälschten Paß bezeichnete Kaufmann Sylvester Kalemen, sondern der südslawische Terrorist Vlado Geor= giew war. Die zwischen der sofioter Ochrana und dem Mar seiller Erfennungsdienst ausgetauschten Fingerabdrücke sol= len diese Tatsache sofort einwandfrei festgestellt haben. Sogleich sette eine wilde Haß nach Helfershelfern und Hintermännern ein. Wohl mehr als ein Dußend mehr oder minder beloftete komplicen. Gesinnungsfreunde des Vlado Georgiew sind in Haft genommen worden, deren Vergangenheit bis in die entlegendsten Winkel mikroskopisch durchstöbert heit bis in die entlegendsten Winkel mikroskopisch durchstöbert wird. Sonderbar oder ist das nur scheinbar-, daß über den Attentäter selbst und dessen Vorleben kaum noch greifbare Daten verlautbart werden. Und doch sollen die Schleier um die Persönlichkeit Vlado Georgiews in erster Linie ge= lüftet werden. Es ist selbstverständlich, daß die der Mitwisserschaft Verdächtigen den Attentäter von den Rockschößen zu schütteln versuchen. Deshalb ist es wichtig, zweckdienlichere Wege einzuschlagen und jene dunklen Verbindungen bloßau1eaen. die den Terroristen einmal vielleicht schon jahrelang die Mittel in die Hand gaben, ein auskömmliches Dasein zu führen, kostspielige Retien zu unternehmen und dann an der Ausführung des Mordplanes weiterzu arbeiten. Oben ist bereits gesagt worden, daß Vlado Georgiew vom August bis November 1933 sich in Berlin aufgehalten hat. Weiter mrk hier festoestellt werden: Vlado Georgiew war von Ende Dezember 1933 bis Mitte März 1934 bei der Wiener Polizeidirektion in der Elisabethpromenade in Schuhhaft. Er trug keine einwandfreien Identitätsschriften auf sich und wurde deshalb so lange in Gewahrsam gehalten, weil Vlado Georgiem polizeilicherseits die Auflage erhalten hatte, die notwendigen Schriften sich selbst zu verschaffen. Aus den Erfahrungen des Schreibers dieser Mitteilungen ist dieser Umstand einer allzugroßen Sparsamkeit des typischen wienerischen Volfscharakters zuzuschreiben. Man hat da Menschen in Schutzhaft ein Jahr lana fizzen lassen, und wenn einer dieser Beteiligten nicht selbst Anstalten getroffen hätte, aus dem Bau herauszukommen, säße er bis heute noch. Daau kommt noch ein weiteres Argument: Jit der Schubling fein armer Schlucker, sondern verfügt er über Barmittel, so hat die Wiener Polizei ein gewisses Interesse an einem längeren Aufenthalt in der Elisabethenpromenade. Die Preise der in eigener Regie geführten Kantine sind dreifach höher als diejenigen erstklassiger Hotels. Und der Hunger zwingt den Arrestanten, diese Preise zu zahlen; bekommt er doch in den ersten zehn Tagen nichts als zehn Deka Brot und eine Waffersuppe,
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Vlado Georgiew war etwa drei Monate im Schubarrest, und jeden Monat wurden von unbekannter Hand zweihundert Schilling eingezahlt. Er hatte ein gutes Herz und teilte brüderlich mit seinen Zellengenossen. Besonders diejenigen Intelligenzen bevorzugte„ Dimitroff " so wurde Georgiew unter den Zellengenossen genannt in seinem engern Umgang, die ihm in deutsch , franyösisch oder englisch förderlich sein konnten. Geläufig sprach er bulgarisch, serbisch, ungarisch und italienisch und schrieb Gedichte in serbokroatisch. Es lag etwas Herrisches in ihm und er zwang sozusagen die jüngeren Bellengenossen dazu, morgens und nachmittags eine halbe Stunde Gymnastik mit ihm zu treiben. Wer sich nicht anschloß, bekam feine Zigaretten von ihm. Sonst war Georgiem sehr wortfarg; erzählte wohl von seinen Reisen nach Berlin , Prag , Genf oder Genua , aber beteiligte sich niemals an pelitischen Unterhaltungen. Selbst in der Zeit nicht, als vierzig und mehr Leidensgenossen die Zelle 67a im vierten Stock der Elisabethpromenade mit ihm teilten und die Ottakringer und Floridsdorfer Schutzbündler mit blutigen, zerschlagenen Köpfen und Gliedern bei ihn eingepfercht wurden. Die Dollfuß- Fey- Revolte trug aber auch dazu bei, daß Georgiew mit seinem Schicksal unzufrieden wurde. Die für ihn eingezahlten Gelder waren schneller aufgebraucht als gewöhnlich und anfangs März waren sie ganz ausgeblieben. Der Hunger zwang ihn zur Revolte. Eines Morgens erklärte„ Dimitroff " kategorisch, er träte in den Hungerstreif und wurde dann kurzerhand in Einzelhaft untergebracht. Der stahlharte Charakter wurde dadurch zu noch größerem Widerstand gereizt. Aus dem Zellenfenster rief er zum allgemeinen Hungerstreit auf und es kam tatsächlich nicht allein in der Elisabethpromenade, sondern auch in dem Quergebäude Hahnengasse, wo ebenfalls mehr als tausend inhaftierte Sozialisten untergebracht waren, zu einer mehrtägigen Verweigerung der Nahrungsaufnahme.
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Aus diesem Anlaß und weil die Wiener Polizei noch mehr Platz für Unterbringung der Revolutionäre brauchte, wurde Vlado Georgiem Mitte März nach Ungarn abgescho= ben, schwarz" an die Grenze gestellt. Aus einem mir zuge gangenen Wiener Brief erfahre ich noch, daß Georgiem auch später wieder in Wien sich aufgehalten hat. An der Identität ist nicht zu zweifeln; die ungarischen Zeitungen haben arch zutreffendere Lichtbilder aus bulgarischer Quelle gc= bracht als das aus Marseille in die illustrierte Presse übergegangene Paß- Foto des Attentäters.
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Auffallend ist es ganz besonders, daß die Wiener Polizeidirektion bisher überhaupt geschwiegen hat und noch schweigt. Dasselbe gilt von Budapest das gleichfalls straußenartig den Kopf in den Sand steckt, als ginge Ungarn das Attentat überhaupt nichts oder zu viel an. Die Verbalnote der jugoslawischen Regierung auf Festnahme eines mitbeteilig ten Terroristen und die armiünderhafte Vollstreckung dieses Haftbefehls durch die ungarischen Behörden sprechen deutlich, in welcher Richtung die Interiuchungen acführt werden müssen. Wien und Budapest müssen gezwungen werden, zu antworten
Ari Ebeling.