Der„ Führer" im„ Schwarzen Ferkel" BRIEFKASTEN ad
A. Ph. Paris, 29. Oktober. ( Von unserem Korrespondenten) Xavier de Hauteclocque bringt jetzt im„ Gringoire" den zweiten Teil seiner großen Reportage aus dem ,, dritten Reich": ,, Nationalsozialismus oder Sozialismus? Hitler a am Scheide wege". Diesen zweiten Teil betitelt er nicht ganz richtig ..Unterwelt". Er will uns von den unsichtbaren Kräften erzählen, die in unermüdlicher Arbeit unter Einsatz ihres Lebens dem Nationalsozialismus das Grab graben.
,, Zum schwarzen Ferkel"
Zum schwarzen Ferfel" nennt sich ein besseres Restaurant in Berlin , vom alten Schloß, dem Reichstag und demt Reichswehrministerium etwa gleich weit entfernt. Seit einem Dreivierteljahrhundert ist ein gut Teil deutscher Geschichte dort gefocht" worden. Zur Hohenzollernzeit trafen sich hier die jungen Mitglieder der Hofgesellschaft mit ihren schönen Freundinnen. Das Kaiserreich verschwand, sie räumten den Staatsmännern der demokratischen Republik den Plaz.
Seit dem Reichstagsbrand und dem Regierungsantritt Hitlers bestehen die Gäste fast ausschließlich aus höheren Offizieren, die dem Kriegsministerium angehören.
Deshalb lade ich ins Schwarze Ferkel" ein Ehepaar aus meinem Befanntenkreis. Er Oberst a. D., Großgrundbesitzer, begeisterter Monarchist und Abkömmling von französischen Emigranten. Sie, eine entzückende junge Frau, eine jener Berlinerinnen der guten Gesellschaft, die vielleicht nicht die Eleganz unserer Pariserinnen besitzen, ihnen aber an Schönheit nichts nachgeben und sie vielleicht an Kultur übertreffen. Nehmen wir also in dem kleinen Hinterzimmer Platz, dort, wo der Eiserne Kanzler so oft speiste, daß man es heute noch die„ Bismarcede" nennt, und suchen wir diese be= rühmte Erinnerung auszunuzen, um die Unterhaltung auf die Politik zu bringen. Vergebliche Mühe. Man weicht meinen feinsten Anspielungen aus und spricht mit einer höflichen Ironie, dir mir zuwider ist und mich beschämt, von der französischen Politif".
Kein Zweifel indessen: der Oberst a. D. und seine junge Gattin sind entschiedene Gegner Hitlers . Sie verkehrten mit dem unglücklichen Schleicher. Sie stehen in ständiger Verbindung mit Schloß Doorn, wo man dem„ Führer" schwärzesten Undank zum Vorwurfe macht. Haben sie Furcht oder trauen Sie mir etwa nicht? Jedenfalls muß man zugeben, daß die Naziführer am 30. Juni eines ihrer Ziele erreicht haben. Indem sie Generäle, Adlige und angesehene Bürger töteten. jagten sie allen angesehenen Männern eine Kugel in den Kopf. Und besorgten ihnen auch einen ausgezeichneten Maulforb.
ach muß wohl aussehen, als ob mir alle Felle fortgeschwommen sind. Um mich zu trösten, fragt mich der Oberst: Wollen Sie eine Anekdote über unseren" Göring hören? Eine eigenartige und völlig authentische Anekdote.
Als im Jahre 1932 die Nationalsozialisten in allen Lagern Verbindung suchten, um ihre Machtergreifung vorzubereiten, begab sich unser" Göring nach Doorn. Seine Majestät der Kaiser und König ist bereit, ihn zu empfangen. Er will in seiner Person nicht den Naziführer, sondern den deutschen Fliegerhelden ehren.
Man setzt sich in Gegenwart eines Herrschers nur, wenn man von ihm dazu aufgefordert wird. Eine alte Vorschrift der Etikette. Göring betritt den Empfangsraum und läßt sich sofort in einen Sessel fallen, um das, was er seine Regierungsmethoden nennt, auseinanderzusetzen. Erste Unforreftheit..... Dann
Göring nassauert in Doorn Zigaretten
Die hübsche Gattin des Obersten schneidet ihm das Wort in einer Empörung ab, die sich gar nicht in Worte fassen läßt: " Dann hat er nach den Zigaretten gegriffen!"
„ Laß mich reden, liebste Freundin. Man muß wissen, daß Seine Majestät eine Sorte Zigaretten raucht, die speziell für den Kaiser in der Türkei hergestellt werden. Er bietet sie
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selbst seinen Familienangehörigen nicht an. Göring sieht eine Schachtel Zigaretten offea vor sich auf dem Tischchen. Er nimmt sich davon eine, dann noch eine und noch eine... Man verabschiedet ihn fühl."
Hitler hat die Schachtel mitgenommen," sagte lachend die junge Frau.
Die Unterhaltung wird lehrreich, aber gefährlich. Der ehemalige Offizier beendet sie kurz mit einem Reimwort, das man seit dem 30. Juni in der besseren Gesellschaft in Deutsch land flüstert:
„ Eß dich voll. freß dich dick. Halt das Maul von Politik." Wie alle erstklassigen Restaurants besitzt auch das „ Schwarze Ferkel" ein Goldenes Buch. Hier bittet man die Gäste, ihren Besuch durch eine Widmung zu bescheinigen. Ich blättere in diesem Goldenen Buch.
Am 9. September 1932 hatte Hitler hier gespeist. Er kam in Begleitung von Goebbels , Göring und Brückner, dem Adjutanten des braunen Führers, und Frick, derzeitigem Reichsinnenminister.
Man möchte gern Graphologe sein, um wissenschaftlich die Unterschriften der Persönlichkeiten zu untersuchen, die in ihren Händen den Weltfrieden halten. Goebbels Unterschrift, aufsteigend, das Papier kraßend, geradezu ein Schlag mit der Klaue einer Wildkaze. Görings. eine große englische Mittelschrift mit plumpen fetten Zügen, waagerecht und ungestüm wie ein Bajonettstich. Die Ueberraschung ist Hitlers Unterschrift
Sie fängt mit einem riesigen, brutal anmutenden Han, und dann fällt sie unleserlich in einem ganz kleinen geschmierten Purzelbaum ab. Wenn man nicht den Mann, seine ungeheuren Reserven an elementarer Kraft, seinen entsetzlichen Charakter fennen würde, man sollte meinen, man habe es mit der Unterschrift eines Nervenschwachen zu tun. ,, Was hat er am 9. September 1932 gegessen?" „ Der Herr Reichskanzler bestellte wie immer Eierfuchen und Apfelkompott... Nein, er trank weder Wein noch Bier. Nur Wasser."
Der Geschäftsführer gibt mir diese Auskünfte mit andächtiger Stimme, mit, ich weiß nicht, welch unmerklichem Körnchen Mitleid Vor dem Vegetarier, der heute Deutsch land regiert, hatte ein anderer Kanzler an diesem Tische gegessen, der ebenfalls danach trachtete, Europa umzustürzen, und der es auch auf dauerhafte Weise umgestürzt hat.
Bismarck lebte nicht von Eierkuchen und Apfelkompott. Er brauchte Fleisch, Fettigkeiten, Rheinwein, gutes deutsches Bier. Hinterher seine Steingut- Pfeife. Hitler raucht überhaupt nicht
„ Tragen Sie sich auch in dieses Verzeichnis ein."
" Ich bin nicht bedeutend genug, um meinen Namen in diesem Eintragebuch zu vermerken, in dem sich Ihr Führer eingetragen hat.
Rauh und höhnisch dringt der Offizier weiter in mich: Schreiben Sie sich trotzdem ein!"
Dann ersucht er den Geschäftsführer, das andere Buch" zu bringen. Dieses andere Buch in Goldschnitt, in fostbares Saffian gebunden, ist den großen FeudalHerren, einigen allgemein bekannten Künstlern, den Mitgliedern der abgesetzten Fürstenfamilien und vor allen den Hohenzollern vorbehalten. Hier findet man feine Unterschriften von Hitlerlenten in buntem Durcheinander mit denen amerikanischer Vergnügungsreisender.
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Erzählungen von Zigaretten, Sesseln, Speisekarten und eigenhändigen Unterschriften man wird mir sagen, das alles beweist nichts. Richtig. Es gestattet nur, allerhand zu vermuten. Kleine Stöße künden eine Erderschütterung an, Risse verraten einen Abgrund.
Dieser Abgrund klafft noch immer zwischen den braunen Führern und dem alten Deutschland . Mit dem 30. Juni war es nicht genug. Man braucht vielleicht noch mehr Leichname, um diesen Abgrund zuzuschütten.
Die Rechtsopposition ist vorhanden. Wir werden uns nicht mehr mit ihr zu beschäftigen haben, denn, sollten nicht unvorhergesehene Ereignisse eintreten, dann wird sie fortan nur eine passive Rolle spielen. Aber wenn sich das Blatt wenden sollte, wenn es den Kräften auf der Linken gelingen sollte, die Erderschütterung hervorzurufen, dann würden ficherlich die erzfonservativen Elemente mit großem Gewicht auf die Waagschale drücken. Sie würden versuchen, die Sieger in einem Kampf zu sein, den sie nicht mehr zu beginnen wagen würden.
,, Deutsche Freiheit"
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Alaaf Köln. Sie teilen uns mit, daß ganz Köln spottet über der Riesenkasten, den der versoffene Ley auf dem rechten Rheinufer errichten will. Die Schäßungen für die Kosten schwanken beinahe so sehr wie Len nach Mitternacht. Das Haus der nationalen Arbeit" soll zwischen 60 und 130 Millionen Mark kosten. Der Architekt heißt Klotz, der Kölner Oberbürgermeister Riesen und der Bauherr Ley. Also spricht man in Köln nur noch von dem Klotzriefenleyhaus.
Rheinländerin. Sie stellen uns einen Privatbrief einer Beamten. frau zur Verfügung, die u. a. schreibt:„ Unter den Arbeitern ist vielfach Erbitterung wegen der Teuerung. Schmalz 70, Kartoffeln 30, Butter 25, Fleisch 20 v. H. Die Haltbarkeit der Kleidung wird bezweifelt."
„ Westfalenland“. Dem Privatbriefe eines Geschäftsmannes an Sie entnehmen wir:" In den Städten kommt man dem alten Stamm der Arbeitslosen nicht bei. Sie sind schlimm dran, es ist das Bauen nicht so recht anzukurbeln. Und solange dies nicht geht, fehlt vielen die Arbeit. 3. B. müßten die Banken doch Hypotheken für Reichsbürgschaften geben, aber sie tun es nicht. Das Reich hilft da und dort selbst nach, z. B. neue Kasernen, Parteilager und Schulungslager, Jugendhäuser, Autostraßen; doch bei Millionen Arbeitslosen kann nicht alles bewältigt werden. Wenn nur im Winter die Zahl nicht ansteigt, das ist heute die schwere Sorge."
Dr. R. M., Paris . Wir machen Sie auf eine Notiz in der Frank furter Zeitung " aufmerksam, wonach ein jüdischer Geschäftsmann, der Anfang Juni 1933 Deutschland verlassen hat, vom Auslande aus Beschwerde gegen den gegen ihn erlassenen Reichsfluchtsteuer- Bescheid erhob. Darin machte er geltend, daß keine Flucht vorliege, sondern daß er aus Furcht vor Belästigung ins Ausland gegangen sei. Der Reichsfinanzhof hat diese Beschwerde als nicht begründet zurüc gewiesen( IIIa 311/84.). Jm vorliegenden Falle, so sagt die oberste Instanz, könne von einem„ Ausschluß der freien Willensbestimmung auf den Wohnfig" nicht die Rede sein. Bei den heute in Deutschland bestehenden Verhältnissen sei nicht anzunehmen, daß dem Bes schwerdeführer irgendwelches Unrecht zugefügt werde. Strafbare Handlungen habe er nach seiner eigenen Angabe nicht begangen. Er hätte deshalb unbedenklich zurüdkehren können, und zwar, wenn er seinen früheren Wohnort nicht wieder hätte aufsuchen wollen, an einen anderen Ort in Deutschland .
2. H., Villefranche . Warum sollten wir über Kritik beleidigt sein? Sie verkennen nur den politischen Charakter der„ Deutschen Freis heit", die weder ein sozialdemokratisches noch ein kommunistisches Parteiblatt sein will. Wir freuen uns, daß Sozialisten aller Richtungen zu unsern Lesern gehören, von reformistischen" Feinden Hitlers bis zu den allerrötesten Revolutionären, zu denen Sie sich rechnen. Wir finden es sein, daß Sie uns auch in Zu funft Ihre Freundschaft erhalten wollen. Im übrigen: über
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die Verhältnisse im Saargebiet ist von draußen schwer zu urteilen. An viele. Wir danken für die Zuschriften, die sich mit unserent Verbot beschäftigt haben. Schreiben werden wir veröffentlichen. Was zu sagen war und unter den bestehenden Verhältnissen gedruckt werden konnte, stand in unserem Aufsatz„ Nach dem Verbot". Wir danken allen Freunden und Freundinnen für ihr Gedenken.
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Aus Frankfurt . Sie teilen uns mit:„ Auf Ihre Briefkastennotiz von der Strafversetzung des Pfarrers Veidt von der Paulskirche in Frankfurt a. M. erkundigte ich mich bei mir nahestehe Paulskirchenbesuchern und erfuhr nun, Pfarrer Veidt- Vater fünf Kindern sei überhaupt abgesetzt und ohne Pension entlassen worden. Also auch er, der in einem politischen Disput im September 1933 glaubte, mir erklären zu müssen, Deutschland sei jetzt wie ein Heer und jeder müsse eben Disziplin halten, konnte, ge wissensgebunden, schließlich doch dem Dahinbrausen des hitlerischrosenbergschen Infernoangriffs nicht ausweichen und wurde erbarmungslos samt seiner Familie zertreten er, dieser antimarristische Abgeordnete des Evangelischen Volksdienstes!
Für den Gesamtinhalt verantwortlich: Johann Biz in Dübe weiler; für Inferate: Ctto Rubn in Saerbrüden. Rotation@ drud und Verlag: Verlag der Volksstimme GmbH., Saarbrüden 3, Schüßenstraße 5. Echließfach 776 Eaarbrüden.
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