Fanfare
Nr. 244-2. Jahrgang
Пофетом
0101290
rethen
Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands
Saarbrücken, Donnerstag Freitag, 1./2. Nov. 1934 Chefredakteur: M. Braun
Marschall Petain's Rüstungs- Forderungen
Seite 2
Seite 3
5,7 Millionen Arbeitslose
Seite 4
Die Weisen von Zion"
Seite 8
Preisgabe der Mark
Englischer Brief
Australienflug
-
O. G. London , Ende Oktober. die Hauptsensation
Seit einer Woche ist der Rekordflug EnglandAustralien das Tagesgespräch, das alles andere überschattet. Selbst seriöse Zeitungen wie die„ Times" widmeten viele Spalten ihres wichtigsten Raumes diesem Er
Verzweiflungsschritt des Oberbürgermeisters von Bremen ignis, bie Genfationsblätter opferten gleich viele Seiten.
Bremen , den 81. Oftober 1984.
In weiten Kreisen der Bremer Bevölkerung hat es großes Aufsehen erregt, daß der Oberbürgermeister und Gauleiter von Bremen - Oldenburg , der bekannte Nationalsozialist Marfeit, von seinem Posten zurück
stiegen, sondern es ist, infolge der Erhöhung der Produktionsfosten, eine Steigerung des gesamten Preisniveaus eingetreten.
treten mußte. Zunächst hat dieser Rücktritt ueber- Unauthaltsame Mark- Entwertung
raschung hervorgerufen, denn es war völlig unverständlich, warum dieser angesehene Führer des Bremer Nationalsozialismus plötzlich in Ungnade gefallen war. Aber sehr bald wurde das Geheimnis gelüftet und es hat sich herausgestellt. daß Markert das Opfer eines Stärkeren, nämlich des Reichsbankpräsidenten und Reichswirtschaftsministers Dr. Hialmar Schacht geworden ist.
Aber eben deswegen gewinnt der Fall Markert eine Bedeutung, die weit über den Rahmen der speziellen Bremer Interessen hinausgeht und ein grelles Licht auf die gesamte finanzielle und wirtschaftliche Situation des dritten Reiches" wirft. Es hat sich nämlich folgendes herausgestellt: Marfert hatte angesichts der Notlage des Bremer Außenhandels eine Währungspolitif auf eigene Faust getrieben. Er gestattete den Bremer Importeuren, ihre im Ausland gekauften Waren im Inland mit einem Aufichlag von etwa 20 Prozent über dem Inlandpreis zu verkaufen, wozu fie infolge der Warenverknappung auch in der Lage waren. Sie durften aber diesen Zusaßgewinn nicht behalten, sondern hatten ihn der Bremer Industrie- und Handelskammer zur Verfügung zu stellen. Die ihrerseits stellte diese Beträge unter gewissen Bedingungen den Bremer Exporteuren zur Verfügung, die dadurch in der Lage waren ihre Exportwaren entsprechend billiger im Ausland abzusehen. Letztere waren mit dieser Reglung sehr zufrieden, und latsächlich hat Bremens Ausfuhr eine nicht unerhebliche Belebung zu verzeichnen. Auch die Banken waren zufrieden. da sie hierdurch zu tun be= kamen. Auf der anderen Seite führte dieses System natürlich dazu, daß die inländischen Verbraucher erhöhte Preise für die Importwaren zu zahlen hatten, was viele von ihnen angesichts der Knappheit gewisser Waren gern taten.
Im Grunde genommen bedeutete die Politik des Bremer Oberbürgermeisters eine versteckte Devalvation der Mark, und zwar hat er sie um 20 Prozent ent= werten Taisen Diese Politif steht naturgemäß mit der Währungspolitik von Echacht in stärkstem Widerspruch, so daß Oberbürgermeister Marfert und mit ihm sein System verschwinden mußten. Es ist aber immerhin bezeichnend für die Machtbefugnisse der provinziellen nationalsozialistischen Satrapen, daß sie längere Zeit es wagen dürfen, eine Finanzpolitik auf eigene Faust zu betrieben, die offensicht= lich im Widerspruch mit der Politik der Reichsregierung stand. Nunmehr ist in Bremen die Ordnung wider hergestellt" und die bisher zufriedenen Bremer Exporteure haben jezt nichts mehr zu lachen.
Markert hatte seine eigene Währungspolitik deshalb betrieben, weil er die verzweifelte Lage der ihm anvertrauten Stadt Bremen , die neben Hamburg die Exportstadt Deutsch lands ist, gut gekannt hatte. Er suchte nach einem Ausweg und in seiner Verzweiflung griff er zweds Hebung des Exports zu dem obigen Mittel. Er hat die Wirtschaft in genau so unverantwortlicher Weie angekurbelt wie es Hitler und Schacht durch den Arbeitsbeschaffungsrummel und die faulen Arbeitsbeschaffungswechsel getan hatten. Mit dem Unterschied nur, daß die Reichsregierung eine versteckte Inflation& politik und Markert eine versteckte Devalnattons politik getrieben hat. Gewiß, seine Politif entsprang der verzweifelten Lage des Bremer Exports. Aber im Grunde genommen bedeuteten seine Maßnahmen eine Ans vaffung an die tatsächlichen Verhältnisse im Sitlerreich. Denn, wenn auch der Kurs der Mark künstlich aufrechterhalten bleibt, da sie sich allmählich zu einer Binnenwährung ent= wickelfe, so ist gerade im Inlande im Laufe der letzten Monate eine tatsächliche Entwertung der Marf eingetreten. Langsam, aber systematisch, find die Preise im dritten Reich" gestiegen. Allein für die wichtigsten Lebensmittel sind fol= gende Preiserhöhungen im Vergleich zu den Preisen des Vorjahres festzustellen: ein Ei 13 Bf statt 9 Pf.; Butter Pf.;
Zur fünstlichen Ankurbelung der Wirtschaft hat die Hitler regierung Arbeitsbeschaffungswechsel in Höhe von 2,5 Milliarden Marf ausgestellt, für die feine Deckung vorhanden ist. Diese Arbeitsbeschaffungswechsel belasten die Reichsbank und bedeuten im Grunde genommen eine verstedte Inflation. Schon diese Arbeitsbeschaffungswechsel allein mußten zwangsläufig zu einer tatsächlichen Entwertung der Mark führen. Ein weiterer Grund der Teuerungswelle ist die verhängnisvolle Blubo= politit. Um die Landwirtschaft für sich zu gewinnen, wurde bewußt eine Zollschutzpolitik betrieben, die ebenfalls zwangsläufig zu einer unerhörten Steigerung der Agrarprodukte geführt hat. Die Devisenbewirtschaftung und der damit verbundene Zwang, die eigene Rohstoffbasis auszudehnen, haben ebenfalls zu einer Preissteigerung geführt. Der Ausbau der Eisenerzlagerstätten im Lahn - und Dillgebiet bedeutet eine Bertenerung des Erzbezuges der Hüttenindustrie. Die Drosselung der Metalleinfuhr, der gleichzeitige Ausbau des Mansfelder Kupferlagers führten ebenfalls zur Steigerung der Metallpreise. Die Drosselung der Wolleinfuhr hat zu einer sprunghaften Erhöhung der deutschen Wollpreise geführt. Ende September lagen die deutschen Festpreise um 130 bis 287 Prozent über den ents sprechenden Festpreisen in London . Wir haben an dieser Stelle über Pläne zur synthetischen Herstellung von Benzin aus Braunkohle berichtet. Dieses Benzin ist um das Vierfache teurer als das natürliche Benzin. Auch die Ersatzstoffe sind teurer als die entsprechenden natürlichen Erp zeugnisse. so
Wir befinden uns erst am Anfang dieser Entwicklung. Die Einfuhrdrosselung und der weitere Ausbau der Ersaßstoffwirtschaft, die wahnwißige Blubopolitif Darrés, die mit der Zwangswirtschaft verbundene Bürokratisierung der Wirtschaft( allein Darrés Reichsnährstand verschlingt 80 Millionen Mark im Jahr) müssen zu einer weiteren Preissteigerung führen. Das bedeutet aber, daß die Entwertung der Mark weitere Fortschritte macht. Diese Entwertung ist nicht aufzuhalten, wenn nicht die ganze nationalsozialistische Wirtschaftspolitif grundsätzlich geändert wird. Dazu ist aber der Nationalsozialismus aus politischen Gründen kaum in der Lage. Andererseits bedeutet aber auch die Teuerung und die Marfentwertung eine politische Gefahr für das Regime. So ist der Nationalsozialismus in eine Sackgasse geraten.
Scott und Black, die Sieger dieses Luftrennens- die in knapp drei Tagen drei Kontinente durchquerten, sind heute Englands Nationalhelden. Man ist stolz, daß Engländer auf englischem Flugzeug den Sieg errangen und alle bisherigen Rekorde brachen. Freilich benutzt man dieses Ereignis vielfach, um aktivere Luftpolitik zu fordern. Aber zugleich ist man ehrlich genug, auch die großartige Flugleistung der Holländer, die als zweite anlangten, zu würdigen und offen auszusprechen, daß deren rasche Fahrt in dem bequemen " fliegenden Hotel" der schnelleren Fahrt des englischen Rennflugzeuges gleichzustellen sei. So hat man sich mit Recht über die taktlose Verleumdung des Goebbels ,, Angriff" empört, der den Engländern mangelnden Sportgeist vorwarf.
Auch sonst nimmt Australien einen großen Raum in der englischen Presse ein. Melbourne , die größte Stadt dieses südlichen Kontinents, feiert ihr 100jähriges Bestehen. Zu diesem Zweck fuhr als Vertreter des englischen Königs der Duke of Gloucester, der dritte Sohn des Königs, herüber. Die Reise dieses Prinzen, von dem man sonst recht wenig hört und liest, wird in epischer Breite geschildert. Festempfang folgt auf Festempfang, Treuekundgebung auf Treuekundgebung. Und doch wie einfach und würdig ist diese Prinzenreise, menn man an die Feiern und Feste und an die dabei fälligen bombastischen Reden im dritten Reich" denkt.
Australien ist Bundesstaat, auch dort gibt es eine partikularistische Bewegung, die sich freilich nicht auf Stammeseigenarten beruft, sondern auf wirtschaft. liche Notwendigkeiten. West australien ist flächenmäßig einer der größten Bundesstaaten, aber es ist dünn bevölkert und stellt im Bundesparlament nur fünf von 75 Mandaten. So ist es recht einflußlos und kommt unter den Schlitten. Westaustralien ist Agrarland, an der Aus fuhr von Fleisch, Wolle und Korn interessiert und an der Einfuhr billiger Industrieprodukte. Weftaustralien ist gegen Schutzölle, die kleinen, industriellen, dichtbevölkerten östlichen Bundesstaaten aber haben Schutzzollpolitik erzwungen. Nun möchte Weſtauſtralien aus dem Bunde ausscheiden. Aber wie? Der verfassungsmäßige Weg wäre ein Volksentscheid in ganz Australien eine hoffnungslose Sache. Der andere Weg wäre ein Sondergesetz des englischen Parlaments. Eine westaustralische Delegation ist deswegen jetzt in London , aber ihr Mißerfolg steht schon fest. Nie wird England Australien verärgern, um ein paar mehr Kunden im düny bevölkerten Westaustralien zu bekommen.
Zwei Labour- Wahlsiege
Die Labour Party hat zwei Nachwahlen zum Parlament gewonnen, im Londoner Stadtteil North. Lambeth und im westenglischen Städtchen Swindon ..
Der..volksverräterische" Wollanzug Beide Wahlkreise waren bereits 1929 im Besitz der
Das Land des Elends
In der Westfälischen Landeszeitung" finden wir einen Artikel, in welchem gegen die Hamsterer schweres Geschütz aufgefahren wird. In diesem Artikel, der von einem großen Teile der deutschen Zeitung abgedruckt ist, heißt es wörtlich:
Wenn das deutsche Bolt gezwungen werden sollte, um seiner Ehre und Freiheit willen auf manches zu ver= zichten, dann verzichtet die ganze Nation und keiner schließt sich aus. Wiegt sich der Anzugshamsterer in dem Wahn, daß er in seinem Anzug auf if. original- englischem Wollstoff durch die Straßen der deutschen Städte stolzieren fann, wenn die Nation gezwungen wird, sich in Erfazstoffen zu fleiden? Der ff. Satto des Herrn Zeitgenossen ftoffen zu fleiben? Der ff. Satto des Herrn Zeitgenossen fönnte dann sehr leicht zum Abzeichen für wirtschaftlichen
Boltsverrat, für Gesinnungslumperei und zum Beweis dafür werden, daß der Herr Zeitgenosse seinem eigenen Bolte dann in den Rüden gefallen ist, als er feine Rus Bolte dann in den Rücken gefallen ist, als er seine Zus verlässigkeit und seinen Jdealismu sunter Bewis zu stellen vermocht hätte."
In den vierzehn Jahren marristischer Mißwirtschaft" brauchte das deutsche Volk nicht den Ersatzstoffmist zu tragen. Es blieb Hitler vorbehalten die deutsche Wirtschaft der art in Grund und Boden zu richten, daß das Tragen von Wollanzügen zum„ Volksverrat" gestempelt wird.
310 Pf. ftatt 275 Pf.: chmalz 220 anstatt 155 Neuer Mord im Gefängnis
Schmeine Teiid 220 anstatt 127 P.; Rindfleisch 230 anstatt 135: artoffeln 9 anitott 6 Pf.; 3uder 78 anitatt 73 Pi. Bei Textilien find die Preissteigerungen noch beträchtlicher, etwa 20 bis 30 Prozent. Aber nicht nur die Preise für die unmittelbaren Bedarfsartikel find ge
Freiburg, 31. Oft.( Inpreß.) Der Arbeiter Grommer, der wegen seiner antifaschistischen Gesinnung seit einem halben Jahr im Gefängnis von Müllheim festgehalten wurde, hat in seiner Belle Selbstmord" verübt,
Labour Party gewesen, aber gingen beim Erdrutsch 1931 verloren. North- Lambeth wurde nicht der Regierung, sondern den Oppositionsliberalen weggenommen. Es ist ein proletarisch- kleinbürgerlicher Bezirk mit großem Woh, nungselend. Der Regierungskandidat, ein MacdonaldAnhänger, hat kläglich abgeschnitten, er brachte es auf nicht ganz 3000 Stimmen gegenüber 11 000 des Labour Kandidaten. Der Oppositionsliberale erhielt knappe 5000 Stimmen in einem traditionell liberalen Wahl kreis . Eine unabhängige Kandidatin, die als soziale Nationalistin auftrat, brachte es gar nur auf ein paar hundert Stimmen und büßte die 150 Pfund ein, die jeder Kandidat bei der Aufstellung hinterlegen muß, und die er nur zurückerhält, wenn er mindestens ein Siebentel aller Stimmen bekommt. Jn Swindon, einem Bezirk, dessen Wählerschaft knapp zur Hälfte aus Eisenbahnerfamilien besteht und zu einem Viertel aus Landarbeitern, wurde der frühere Labour- Landwirtschaftsminister Dr. Addison, der einst als Liberaler unter Lloyd George verschiedene Ministerien verwaltet hatte, wiedergewählt. Sein Gegenkandidat war ein Konservativer, und zwar der ehemalige englische Rugbymeister. Addison ist ein befähigter Verwaltungsmann, der vor allem durch seine landwirtschaftlichen Kenntnisse der Labourfraktion nüzen wird, wenn er auch freilich der Agrarpolitik des Landwirtschaftsministers Elliot wesentlich freundlicher gegen. übersteht, als es bisher die Fraktion tat. Der Sieger von North- Lambeth ist ein noch junger Mann, Georg Strauß, Anfang dreißig. Er ist der junge Mann" von Herbert Morrison , spielt eine gewisse Rolle im Londoner Graf