Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutschen Freifiett Ereignisse und Geschichten

Samstag, den 3. November 1934

Das Ende des deutschen   Kritikers Neudeutsches Liebeslied

Er hat Progandist des Staates zu sein bish

Generationen junger Literaturhistoriker haben an deut­schen Universitäten die Elemente der Dramaturgie des Ari­stoteles studiert. Schwebend zwischen Mitleid und Furcht: danach überprüfte der spätere Rezensent die Wirkung des dramatischen Kunstwerkes. Jeder deutsche   Kritiker hielt es früher, lange vor den verbrecherischen vierzehn Jahren, für seine Pflicht, nach künstlerischem Maßstab zu wägen und zu beurteilen. Er lobte das Gute, er verwarf das Schlechte. Er geißelte den Kitsch, und er gab, wenn er mitgerissen war von dichterischer Kraft, in Ausübung einer hohen Mis­sion seine Eindrücke an die Leser seiner Zeitung weiter. Es gab, wie ül erall, auch unter den Kritikern nicht wenige Stümper. Aber die Verantwortlichen unter ihnen hegten die Verpflichtung gegenüber der geistigen Leistung.

Damit ist es im ,, dritten Reich" zu Ende. Kunst und Wissenschaft, Drama und Buch haben dem Staate zu die­nen. Der Kritiker hat nicht zu kritisieren, sondern zu ,, wer­ben. Wir wußten es längst. Aber da die braunen Amts­walter die Wahrheit gern hinter Heuchelworten verstecken, 10 muß man für das offene Bekenntnis zur Dienstleistung les Kunst- und Theaterkritikers dankbar sein:

Vor der Fachgruppe Kritik und Feuilleton" des Landes­erbandes Groß- Hamburg- Lübeck im Reichsverband der deutschen Presse   sprach Staatssekretär Ahrens über , Möglichkeiten und Grenzen der Kunst­ritik". Man müsse sich freimachen von der Auffassung, en gebe gültige Normen, nach denen man die Grenzen der Kritik abstecken könne. Schöpfer der Theaterkritik sei Lessing  . Bei der im 19. Jahrhundert entstandenen Tages­zeitungskritik habe es sich mehr um Besprechungen, nicht aber um Kritik gehandelt. Die Fürsten als Besitzer der Thea­ter hätten es sich verbeten, wenn man ihren Unterneh­mungen mit kritischen Maßstäben zu nahe getreten wäre. Nach 1848 mit dem Aufwuchern liberalistischer Anschau­ungen sei das anders geworden. In der Politik und Wirt­schaft und auch im lokalen Teil hätten die Schriftleitungen wegen verschiedener Bindungen unter gewisser Kontrolle gestanden. Das sei im kunst- und kulturpolitischen Teil an­ders gewesen. Hier habe Freizügigkeit geherrscht, wenn nicht polizeiliches Interesse dagegengestanden habe. Der Kunst­kritiker sei dem Publikum gegenüber legte Instanz gewesen, sein subjektives Urteil habe über Kunstinstitute,

Propagandaregeln

Von Joseph Goebbels  

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Berichte nur wahre Tatsachen! Wahr ist eine Tat­sache, sobald die Behauptung des Gegenteils ins Gefängnis oder Konzentrationslager führt.

Ueber Wahrheit oder Unwahrheit einer Meldung entschei­det die Ausdrucksweise. Erlogen ist z. B. die Meldung: Jude von SA.- Leuten totgeschlagen. Richtig ist sie, wenn gesagt wird: Frecher Jude bespritzt SA.- Leute mit seinem Blut.

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Die Wahrheit kann immer mit der größten Bestimmtheit auftreten. Darum wird eine an sich unwahrscheinliche Be­hauptung wahr, wenn sie ohne Wimpernzucken aufgestellt wird. Beispiel: Gelähmter Krüppel bei Flucht versuch er­

schossen.

Laß dich nie auf Gründe ein! Begründungen zeigen nur, daß du deiner Sache nicht völlig sicher bist. Die Wahrheit braucht keine Begründung, dafür ist sie eben wahr. Die einzig überzeugenden und daher wirksamen Gegenargumente sind Drohungen mit Einsperren, Verprügeln, Boykott usw., besser noch die sofortige Anwendung dieser Mittel.

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Glaubst du wirklich einmal, mit einem Gegner diskutieren zu müssen, weil er deinem Arm unerreichbar ist( Ausländer, Emigranten und anderes Untermenschengesindel), so ant­worte nie auf das, was er sagt, sondern auf das, was er ge­sagt haben müßte, um es dir möglichst bequem zu machen. Du sicherst dir so bei deinen Lesern den Ruhm eines un­besiegbaren Kämpen.

Behaupte, daß der Himmel grün ist. Sobald au es oft genug sagst, ist es die Wahrheit. Beim erstenmal werden die Leute lachen, beim zehntenmal zweifeln, beim fünfzig­stenmal glauben, beim hundertstenmal jeden in Stücke rei­Ben, der den Himmel für blau erklärt.

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Wenn Du bist es in jedem Falle, der die Wahrheit sagt. die Tatsachen nicht damit übereinstimmen wollen, um so schlimmer für die Tatsachen!

Fürchte niemals, daß die Ereignisse dich Lügen strafen könnten. Denn was du früher einmal gesagt hast, das be­stimmst du allein. Nachdem du z. B. deine Verheißungen nicht hast einlösen können, erklärst du: ,, Wir haben niemals irgend etwas versprochen." Schon geht die Sache in Ordnung.

Schließlich hängt jeder Tatbestand von deiner Auslegung ab: Wir fühlen uns nun alle glücklich. Bitte, wer hindert Euch, Euch glücklich zu fühlen? Nur die Hetzer sind es, die das Volk unzufrieden und damit unglücklich machen. Nie­mand wird verhindert, sich glücklich zu fühlen, selbst der Häftling im Konzentrationslager nicht. Wer sich trotzdem weigert, der trägt selbst die Schuld.

Wenn du sichere X, Y und Z bis zu einem Datum, sagen wir bis zum 30. Juni, als strahlende Helden verhimmelt

Kunstwerke und Künstlerlaufbahnen entschieden. Die Zahl der Urteilsfähigen sei immer gering gewesen. So sei die Entfremdung zwischen Künstler, Publikum und Kritiker ein­

getreten.

Nach der Machtübernahme durch den Nationalso­zialismus habe der Staat zunächst andere Aufgaben ge­habt und könne sich erst jetzt den Fragen der Kunstkritik zuwenden. Kunst und Kultur seien nichts Nebensächliches, sondern Grundlagen des völkischen Lebens überhaupt. Der Staat müsse die Kunst zu leiten suchen, das bedeute keines­wegs Fesselung der Kunst. Alles stehe erst am Anfang. Noch seien nicht allzuviele in der Lage, ein Kunstwerk zu beur­teilen volle Urteilsfähigkeit indessen bestehe darüber, ob ein Kunstwerk imstande sei, die neue Staatsauffassung zu interpretieren. Ueberall seien Ansätze festzustellen, die es dem Staat möglich machen würden, in einigen Jahren eine Kulturpolitik zu treiben, die alle Auswüchse der Kritik unmöglich machen werde. Bis dahin brauche man noch die Kritik in ihrer heutigen Form. Die Erfassung und Durchdringung des Volkes mit Kunst sei heute noch nicht anders möglich als mittels der Tageszei­tungskritik. Der Kritiker habe Propagandist des Staates zu sein, er müsse das Volk der Kunst und die Kunst dem Volke, nahebringen. Die Kritik müsse zu­rücktreten zugunsten der Werbung für die Kunst, alles an­dere gehöre in Fachzeitschriften. Die Grenze der Kunstkritik sei dort, wo die Sphäre des Staates oder der den Staat tragenden Bewegung beginne. Ueber Wert und Un­sondern das Volk in seiner Gesamtheit, die Zeit und die Nachwelt.

Melodie: Elslein, liebes Elslein." ( Zupfgeigenhans!

Ach Elslein, unser Los ist hart, ich wär so gern bei dir, doch ach, der böse Rassewart steht zwischen mir und dir. Dein Stammbaum, liebes Elselein, ist nicht so, wie er sollt', die Ahnenfrau ist nicht ganz rein, und doch hin ich dir hold.

Im Sumpfe singt der Frosch breckeck, der Be- De- Em schluchzt leis, mining? si dein Ahnenpaß hat einen Fleck, von dem der Pastor weiß.

Ach Elslein, liebes Elselein, mein Sehnen ewig währt,

kann fürder nicht mehr Blockwart sein wenn jemand das erfährt.

So freie ich, wenn's draußen friert, des Zuchtwarts blonde Kuh, sie hat die Ahnen wohl sortiert mein Herzleid kennst nur du!

wert eines Kunstwerks entscheiden nicht Sachverständige", Ostisch überlagert

Man wird zugeben müssen, daß dieser Staatssekretär Ahrens mit schöner Offenheit gesprochen hat. Der Kritiker ist ein Werkzeug des dritten Reichs", und er befindet sich damit in der gleichen Position wie der Dramenautor, der Romanschriftsteller, der Wissenschaftler und der Lehrer.

Es ist eben zu Ende mit der liberalistisch  - subjektiven, das heißt: selbstgewonnenen Erkenntnis. Der Kritiker ist Angestellter des Propagandaministeriums. Selbstquälerisch mühen sich Leute wie Herbert Ihering   ab, diesen klaren Sachverhalt umschreibend zu verdunkeln.

hast, so kannst du unter der Voraussetzung, daß am 1. Juli sie tote Leute sind, sie von da ab als Lumpen und Schufte bezeichnen. Erklärt dich einer für inkonsequent, so erwidre ihm: ,, Nicht ich. Der Gang der Ereignisse ist mitunter in­konsequent."

Halte es nur mit den wahrhaft Guten! Wahrhaft gut ist der Mensch, der sich dauernd an der Macht behauptet. Je rücksichtsloser er dabei mit seinen Gegnern verfährt, um so besser ist er. Nur die Schufte geben ihren Gegnern Chancen. Der wahrhaft Gute schlägt tot, was ihm in die Quere kommt.

Nimm niemals etwas zurück, was du gesagt hast. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht...! Wer immer lügt, dem glaubt man stets!

( Mitgeteilt von Mucki.)

Schiller   marsch- marsch!

In der Literatur", Deutsche Verlagsanstalt   Stuttgart  , läßt sich ein Mitarbeiter des längeren über neudeutsche Musik aus. Als nachahmenswertes Beispiel führt er ein Schiller­sches Gedicht an( ,, Der Mensch ist frei geschaffen, ist rei..."), das im dritten Reiche" vertont wurde. Noten nd beigegeben, und unter den Noten steht zu lesen: Das sind keine Achtel und Viertel es ist die Sturm­glocke der Führer, die den andern das Zeichen geben.

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Ein gefährlicher Rasse- Ketzer

dugin.

Auf einem Schulungskursus des Rassepolitischen Amts des Gaus Magdeburg- Anhalt der NSDAP  . wandte sich Ministe­rialrat Dr. Bartels dagegen, daß fanatische Anhänger des Rassegedankens den nordischen Menschen züchten" wollten. Derartiges liege nicht im Rassewollen des National­sozialismus. Es wäre auch ganz gleichgültig, ob in einem Volksgenossen eine fälische oder ostische oder dinarische Ueberlagerung" vorhanden sei. Es gingen im deutschen  Volk jett Fanatiker uher, die, obwohl sie vorher kaum gewußt hätten, was arisch und was semitisch sei, jeden Mit­menschen als nordisch oder baltisch oder sonstwie bestimmen wollten. Das seien Auswüchse, die nicht genug bekämpft werden könnten. Denn das nationalsozialistische Rassewollen

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stünde zu hoch, um daraus einen Versuchskaninchenstall zu machen. Wozu in 1000 Jahren eine nordische Rasse gut sein könnte, wisse niemand von uns, es sei auch gleichgültig, ob sie durch Züchtung zu erreichen sei, wichtig sei nur eins: daß der erbbiologisch gesunde deutsche   Mensch erhalten und gefördert werde. An einem Beispiel aus seiner Praxis zeigte Dr. Bartels, wohin das Arbeiten der allzu eifrigen Rasse­forscher schon geführt hätte. Zu ihm sei eine junge Frau gekommen, die gebeten hätte, sterilisiert zu werden, weil sie ostisch überlagert wäre.

Eggeling macht es besser

Er will Prüfungszwang für Verlobungen

Bei einem Schulungskursus des Rassenpolitischen Amtes des Gaues Magdeburg- Anhalt der NSDAP  . wies der Landes­bauernführer Staatsrat Eggeling darauf hin, daß die SS. rassisch einer fortlaufenden Kontrolle unterzogen werde und daß auch Verlobungen dem Prüfungs­zwang unterlägen. Es sei sogar vorgeschlagen wor­den, aus rassepolitischen Gründen die Garnisonen aus den Großstädten herauszunehmen und auf die Truppenübungs­plätze zu verlegen, damit die Bauernsöhne, die in den Städten dienten, nicht nach Beendigung der Militärzeit von Städterinnen, wie so häufig geschehe, festgehalten. würden....

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Dies ist der Sinn des Canons, auch der Sinn der peitschen- Der beleidigte Bauer

den Triole, der Sinn des Laufschritt marsch, marsch, in den hegenden Achteln. Zuletzt überspringt die zweite Sturmkolonne das Worthindernis ,, vor den Freien zittert nicht!"

Schiller, antreten! Triolen hinlegen, aufstehen, hinlegen! Achtelnoten, Hände an die Hosennaht! Die Freiheit ist ein Hindernis, das übersprungen werden muß. Nun noch statt des Notenschlüssels ein Hakenkreuz und der Ewigkeits­wert gleichgeschalteter Musik ist gesichert.

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Das Elend der pädagogischen Literatur Schwierigkeiten. in der Nazi- Bildung

Wir haben schon festgestellt, daß für das Schuljahr 1934­35 nicht ein einziges neues Lehrbuch von den Nazis amtlich eingeführt wurde. Nun hat der Reichsbildungsminister Rust bekanntgemacht, daß für die nächsten anderthalb Jahre, also auch für das Schuljahr 1935-36 neue Lehrbücher nicht zu erwarten sind. Das ist eine beachtenswerte Tatsache. Die Herren Bildungsbeamten können sich nicht einigen über das Gemisch von Wissenschaftlichkeit und Unwissenschaftlichkeit, das sie als allgemeinverbindlich statuieren wollen. Die kon­fessionellen Kämpfe sind noch nicht entschieden. Die Ver­worrenheiten der verschiedenen Lehrer- und Hitlerjugend­führer lassen sich nicht vereinheitlichen. Zudem sind die besten Intelligenzen der Lehrerschaft ausgeschaltet von jeg­licher Mitarbeit. Dennoch bringen die Verleger im Wettlauf der Servilität jeden möglichen Irrsinn irgendeines anmaßen­den..Führers" heraus. Die Nazi- Lehrerzeitung wiederum er­klärt amtlich fast die gesamte Produktion für inoffiziell. Sicher ist, daß Deutschland  , dessen pädagogische Literatur einst führend und berühmt war, auf diesem Gebiete fast nur einwandfreie Lächerlichkeiten hervorbringt außer den militärischen Instruktionsausgaben.

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Oktober 1934,

In der Deutschen Juristenzeitung", Oktober

lesen wir:

Der Bauer verlangt mit Recht vom Gericht, daß er dort so reden darf wie zu Hause: es ist geradezu eine Belei­digung für ihn, wenn er einem ortsfremden Referendar den Namen seines Dorfes vorbuchstabieren muß.

Der Bauer würde diese Beleidigung mit Fassung zu er­tragen wissen, wenn ihn das ,, dritte Reich" dafür vom Erb­hofgeset befreite.

Theatron Hadash

Das neugegründete palästinensische Theater Theatron Hadash", das unter der künstlerischen Leitung des deut­schen Regisseurs Alfred Wolf steht, bringt nach der Eröff nungsvorstellung von Journeys End"(.Die andere Seite") von R. C. Sherriff bereits am 7., November in der Opera Mougrabi von Tel Aviv   seine zweite Aufführung heraus. Diesmal wird ein deutscher   Autor, Kurt Götz  , mit drei Ein­aktern Begebenheiten" in der hebräischen Uebersetzung von Nathan Altermann   zu Worte kommen.

Dec Film stirbt

Die Verwaltung der Aafa- Film A G. hat Konkurs an­melden müssen. Ueber die Gründe verlautet: ,, Verhand­lungen mit Interessentengruppen, die darauf abzielten, diesen die Auswertung des Verleihbestandes der alten Pro­duktion unter gleichzeitiger Uebernahme der neuen Pro­duktion und des größten Teils der Gefolgschaft zu über­tragen, scheiterten." Wie wir dazu aus privater Quelle er­fahren, sind der Aafa nicht weniger als drei Filme von der Nazizensur abgelehnt worden.