,, Deutsche Freiheit", Nr. 246

ARBEIT UND WIRTSCHAFT

Saarbrücken, Sonntag Montga, 4./5. Nov. 1934

Hitler Wirtschaft

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Der Westdeutsche Beobachter" veröffentlicht unter der Ueberschrift ,, Strauchdiebe der Wirtschaft" fol­

Schachts Kapitulation vor England

genden Aufruf, der ein grelles Licht auf die Wirtschafts- D'e meisten englischen Forderungen anerkannt

verhältnisse im ,, dritten Reich" wirft:

In immer stärker werdendem Maße kommt uns zu Ohren, daß in nahezu allen Branchen gewissenlose Elemente der Geschäftswelt durch irreführende Verbreitung von Nach­richten von zunehmender Verknappung von Rohstoffen und kommender Preissteigerung für ihr Geschäft eine verstärkte Konjunktur erzielen wollen, einesteils, und anderseits auch aus politischen Gründen eine Beunruhigung in die Bevölke­rung hineinzutragen versuchen, indem sie diese unbegrün­deten Mitteilungen verbreiten.

Es sei darum an dieser Stelle besonders darauf hinge­wiesen, daß leider viele Volksgenossen sich durch derartige Gerüchte beeinflussen lassen und alle möglichen Dinge über ihren Bedarf hinaus einkaufen.

Daß auf diese Weise unnötig Gelder festgelegt und der Wirtschaft entzogen werden, braucht ja nicht besonders betont zu werden, denn derartige Vorratseinkäufe verkürzen nur in der Zukunft den normalen Konsum und verursachen damit rückläufige Nachfrage.

Dem Verhalten dieser Strauchdiebe der Wirtschaft und der politischen Wühlmäuse kann also am besten begegnet werden, wenn die Hausfrauen sich nicht beschwätzen lassen und sich zu Einkäufen hinreißen lassen, die sie nachher bitter bereuen.

Wir machen daher besonders darauf aufmerksam. daß wir gemeinschaftlich mit der Polizeibehörde gegen derartige ,, Ge­ schäftsleute  ", die sich auf Kosten der übrigen Volksgenossen mästen wollen, mit Schließung der Läden und Verhängung von exemplarischen Strafen vorgehen werden.

Wir bitten daher alle Volksgenossen, unser Bestreben durch Namhaftmachung der Geschäftsleute, die so verfali,

zu unterstützen.

Kölbel,

Kreisamtsleiter der NS.  - Hago. Goebel,

Abteilungsleiter Propaganda"

' n der Kreisamtsleitung der NS.  - Hago.

Lohn für 2,5 Millionen Arbeiter ,, gespart"

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Nach Angaben des Statistischen Reichsamts betrug das deutsche Arbeitseinkommen im Jahre 1933: 25.9 Milliarden Reichsmark gegenüber 25,7 Milliarden RM. im Jahre 1932. Da im Jahre 1933 mindestens zweieinhalb Millionen Er­werbslose Arbeit gefunden haben sollen und das gesamte Arbeitseinkommen nach amtlichen Ziffern um kaum ein Prozent gestiegen ist, so ist die Publikation als Ein­geständnis dafür zu werten, in welch ungeheurem Umfang das Lohnniveau bereits im ersten Jahr der Hitlerherrschaft gesenkt worden ist. Die Kaufkraft der deutschen   Arbeiter ist um fast den vollen Betrag, den früher zweieinhalb Mil­lionen als Arbeitslosenunterstützung bezogen, zuzüglich der erheblichen Summe für erhöhte Lohnabzüge und Zwangs­spenden, gefallen.

Mieter in Not

Wie auf allen Gebieten, so haben die Nazis auch im Woh­nungswesen nichts von ihren Versprechungen eingelöst. Die ,, Deutsche Mieter- Zeitung" vom 1. Oktober 1934 bringt einen großen Artikel über Notstände im Wohnungs­wesen", der ein einziges Klagelied über die unhaltbare Lage der Mieter ist. Darin heißt es über das Kündigungsrecht der Hausbesizer:

,, Von diesem erweiterten Kündigungsrecht wird in zu­nehmendem Umfange willkürlich und ohne soziale Rücksicht auf die Mieter Gebrauch gemacht. Daran hat auch bisher die nationale Erhebung nichts zu ändern ver­mocht."

Mit dieser unsozialen Handhabung des Kündigungsrechtes sollen die Mieten gesteigert werden, wie die folgende Aeußerung beweist:

,, Eine besondere Verschärfung der Notlage bedingen die ebenfalls aus allen Reichsgebieten gemeldeten Mietzins­steigerungen für die stark begehrten Kleinwohnungen und bisher noch preiswerten Mittelwohnungen. Ist der Mieter aus irgendeinem Grunde zum Wohnungswechsel ge­zwungen, so bedeutet das für ihn in der Regel nicht nur eine Belastung mit den Umzugskosten, sondern gleichzeitig auch eine neue, oft genug mit seinem Einkommen in schwerem Mißverhältnis stehende, dauernde Mehrbelastung durch den höheren Mietzins für die neue Wohnung. Denn nur in Ausnahmefällen sind die Hausbesiger heute noch bereit, freiwerdende Wohnungen zur gesetzlichen Miete weiter vermieten. Mietzinsforderungen bis doppelten Friedens miete, zumal bei bisher noch verhältnismäßig billigen Wohnungen, sind keineswegs selten."

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Besonders bemerkenswert sind die Klagen über die Ver­hältnisse für kinderreiche Familien:

Ungeheuren Nöten sind sie ausgesetzt, wenn sie sich auf Wohnungssuche begeben müssen. Troy aller Aufrufe und ernsten Mahnungen der Führerschaft der Hausbesitzerver­bände hat die Kinderfeindlichkeit weiter Kreise der Hausbesiger- Gefolgschaft nicht beseitigt werden können. Nur in seltenen Ausnahmefällen zeigt man sich völkischen E mahnungen und moralischen Einwirkungen zugänglich. Ein Zwang zur Aufnahme einer Familie kann seit dem Wegfall des Wohnungsmangelgesetes( 31. März 1933) auf keinen Vermieter mehr ausgeübt werden. Ge­

Wir haben in unserer gestrigen Ausgabe bereits über die wichtigsten Punkte des neuen deutsch  - eng­tischen Zahlungsabkommens berichtet. Angesichts der großen Bedeutung dieses Abkommens, mit dessen Interzeichnung die Hitlerregierung in den wesent­ichsten Punkten nachgegeben und den Engländern ine bevorzugte Stellung im deutschen   Import ein­geräumt hat, bringen wir auszugsweise einige Artikel des Abkommens im Wortlaut:

Artikel 1: Vorbehaltlich einer später aufgezeigten Bestimmung dieses Artikels wird die deutsche Regierung uneingeschränkt Devisenbescheinigungen für die Einfuhr von Waren des Ver. Königreiches aller Art nach Deutschland  erteilen. Es handelt sich besonders um Kohle und Koks zum Verbrauch im deutschen   Zollgebiet, Bunkerkohle für deutsche   und ausländische Schiffe und Kohle für Freihafen­gebiete, um Heringe, Garne und Textilien. Die Reichsbank wird von den aus der deutschen   Ausfuhr nach England ein­gehenden Devisen monatlich für die Bezahlung der eng­lischen Ausfuhr nach Deutschland   einen Betrag abzweigen, der 55 v. H. des Durchschnitts zwischen den in der deutschen  Statitistik für den vorletzten Monat der deutschen   Ausfuhr nach England einerseits und der entsprechenden englischen Statistik andererseits entspricht. Von diesem Durchschnitts­wert werden abgezogen:

a) Der Sterlinggegenwert der von der Bank von England im laufenden Monat verkauften Sondermark.

b) Jede einzelne Schuld( oder Teile davon) aus der Aus­fuhr deutscher   Waren nach England, die als einbringlich festgestellt worden ist.

c) der Wert solcher deutscher   Waren nach England, für welche die Reichsbank nachgewiesen hat, daß sie im Sinne eines unmittelbaren deutsch  - englischen Warenaustausches ohne Devisenaufkommen nach England eingeführt sind.

Die für die Bezahlung der englischen Ausfuhr nach Deutschland   von der Reichsbank abgezweigten Devisenbe­träge werden täglich an Personen in Deutschland   abgegeben, die eine Devisenbescheinigung gemäß den deutschen   Devisen­bestimmungen besitzen und durch Vorlage eines Zeugnisses einer britischen Handelskammer sowie aller sonstigen in Deutschland   vorgeschriebenen Urkunden nachweisen können, daß es sich um die Einfuhr englischer Ware handelt. Auf dem Zeugnis der britischen Handelskammer vermerkt die Reichsbank den zugeteilten Devisenbetrag. Die so ge­sammelten Zeugnisse übermittelt sie in zu vereinbarenden zeitlichen Abständen der englischen Botschaft in Berlin  . Die abgezweigten Devisenbeträge werden für die Bezahlung

englischer, vor dem 15. November 1935 verschifften Waren abgegeben, auch wenn sie nicht von einem Zeugnis einer britischen Handelskammer begleitet sind, vorausgesetzt, daß sie auf Grund der deutschen   Zollvorschriften als englische Waren anzusehen sind.

Jeder abgezweigte Betrag, der in einem bestimmten Monat für den im vorigen Absatz festgesetzten Zweck nicht verwendet worden ist, wird vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 3 auf den näch- ten Monat für denselben Zweck

rade ki deiche Familien sind deshalb immer wieder einmal auf das notdürftige" Obdach angewiesen. das ihnen die Polizeibehörde, aber auch nur im dringen. den Notfalle, zu gewähren hat. Das in diesem Sinne zur Verfügung gestellte Obdach spottet in zahlreichen Fällen jeder Rücksichtnahme in kultureller und sittlicher Be­ziehung auf das Familienleben, spottet der aller­einfachsten berechtigten Ansprüche eines deutschen   Menschen auf seine Behausung. Den Gemeinden müssen deshalb unbedingt wieder neue Rechte gewährt werden, die sie ermächtigen, dringend einer Wohnung Be­dürftige, in erster Linie kinderreiche Familien, in leer­stehende oder freiwerdende Wohnungen unterzubringen." Die größte Sorge bereitet den Mietern aber die Ermäßi­gung der Hauszinssteuern ab 1. April 1935. Darüber schreibt die ,, Deutsche Mieter- Zeitung":

,, Eine besondere Sorge drückt die von der Hauszinssteuer befreiten Mieter. Mit Wirkung ab 1. April 1935 wird die Hauszinssteuer um 25 v. H. gesenkt. Der letzten Ermäßi­gung der Hauszinssteuer ab 1. April 1932 ging eine Minde­rung der gesetzlichen Miete von 120 auf 110 v. H. der Friedensmiete ab 1. Januar 1932 voraus. Tritt eine ähn­liche Mietsenkung in Verbindung mit der bevorstehenden Hauszinssteuersenkung nicht ein, dann wirkt die Ermäßi­gung der Hauszinssteuer allein zugunsten des Hausbe-* sigers unmittelbar als Mietsteigerung gerade für die wirt­schaftlich schwächsten Schichten der deutschen   Mieterschaft. Da bisher über diese Auswirkung der Steuersenkung auf die Mieter nicht bekannt geworden ist, löst diese Unsicher heit immer wieder in hunderttausend deutschen   Familien hoffend und befürchtend wechselweise die bange Frage aus: Wird wie 1932 so auch 1935 die Herabsetzung der Hauszinssteuer von einer allgemeinen Mietsenkung be­gleitet sein, um allen Volksschichten Hausbesitern und Mietern eine Erleichterung ihrer Lebenshaltung zu ver­schaffen?"

Diese Frage ist bereits von der Reichsregierung eindeutig mit Nein beantwortet worden. Die Ermäßigung der Haus­zinssteuer erfolgt nur zugunsten der Hausbe. siger. Die Mieter müssen ihre bisherige Miete weiter zahlen, vielleicht noch erhöht durch neue Steuern, um den Ausfall in der Reichskasse zu decken, der durch die Ermäßi­der Hauszinssteuer entsteht. gung

der

vorgetragen und von der englischen   Regierung zu einer anderen von Deutschland   an England geschuldeten Zah ung im Handelsverkehr verwendet, andernfalls steht er Reichsbank zur freien Verfügung. Erweist sich der abge­zweigte Devisenbetrag in erheblichem Maß als unzureichend zur Bezahlung der nach Deutschland   eingeführten englischen Ware, so behält sich die deutsche Regierung das Recht vor, nach Benehmen mit der englischen   Regierung und vorbe­haltlich Artikel 3 die Erteilung von Devisenbescheinigungen vorübergehend einzuschranken. Wird eine derartige Ein­schränkung verfügt, so findet sie nur mit Zustimmung der englischen   Regierung auf die zu Beginn besonders aufge­führten Waren Anwendung, es sei denn, daß insoweit bei irgendeiner dieser Warengattungen die von England nach Deutschland   eingeführte Menge die während des entsprechen­den Zeitraums der Jahre 1932 und 1933 eingeführte Durch­schnittsmenge übersteigt. Unbeschodet dessen wird die deutsche   Regierung unter allen Umständen Devisenbescheini­gungen für die volle Menge von englischer Kohle und Koks nach Deutschland   ausstellen, die auf Grund des Noten­wechsels vom 13. April 1933 zur Einfuhr nach Deutschland  zugelassen sind.

Artikel 4: Bei der Unterzeichnung des Abkommens wird die Reichsbank einen Betrag von nicht weniger als 400 000 Pfund Sterling für die Begleichung der in Artikel 8 genannten ausstehenden Schulden bereitstellen. Ferner wird sie alles tun, um die Begleichung durch Bewertung aus­stehender deutscher   Warenforderungen zu beschleunigen, und zwar entweder durch ein Kreditgeschäft oder auf anderem Wege. Die englische   Regierung wird über die Er­träge aus der Verwertung der vorgenannten Forderungen Sie wird ferner der vollständig unterrichtet werden. deutschen   Regierung mitteilen, wie die Zahlung der 400 000 Pfund Sterling und der weiteren gemäß diesem Artikel und dem Artikel 6 verfügbaren Beträge verwendet werden sollen. Sie wird der deutschen   Regierung die notwendigen Einzelheiten über die ausstehenden Schulden übermitteln und ihr besonders die Reihenfolge der Begleichung mit­teilen. Die beiden Regierungen werden die vor dem 1. März 1934 fällig gewordenen ausstehenden Schulden besonders prüfen, um zu entscheiden, ob sie nach diesem Artikel und nach Artikel 6 dieses Abkommens beglichen werden sollen. Die deutsche Regierung wird die Erteilung von Devisenbe­scheinigungen für die englische Ausfuhr nur mit Zustimmung der englischen   Regierung einschränken können, und die englische   Regierung wird ihre Zustimmung nicht verweigern, derartige Zahlungsverzögerungen nachteilige Wir­kungen auf die beiderseitigen Handelsbeziehungen haben.

wenn

vom

Artikel 7: Die deutsche Regierung wird nach dem 31. Dezember 1934 weiterhin gemäß der Artikel 2 und 4 des deutsch  - englischen Transferabkommens 4. Juli 1934 Sterlingbeträge zum Ankauf solcher Zinsscheine der 7proz. Deutschen   Aeußeren Anleihe von 1924 und der 5'2proz. Anleihe des Deutschen Reiches 1930 bereitstellen, die nach­weislich am 15. Juni 1934 zum materiellen Eigentum der britischen Inhaber gehört haben.

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Die Hitlerregierung hat also zunächst einmal sich bereit erklärt, einen Betrag von fast 5 Millionen Mark der eng­ lischen   Regierung zur Begleichung der außenstehenden Warenforderung, die aus den jüngsten englischen Waren­lieferungen entstammen, zur Verfügung zu stellen. Damit sind die bekannten Forderungen der englischen Kohlen­und Garnlieferungen weitgehendst berücksichtigt worden Darüber hinaus hat sich die Reichsregierung verpflichtet, den Rest der Warenschulden in beschleunigter Weise zu be. gleichen. Wie Runciman   im Unterhaus erklärte, werde die Reichsregierung, soweit die Maßnahmen zur Liquidie­rung dieser Warenschulden nicht ausreichen sollten, einen weiteren, auf 10 Prozent des Wertes der englischen Ex­porte nach Deutschland   festgesetzten Betrag bereithalten, die Zahlung aller Verbindlichkeiten innerhalb von 12 Monaten restlos vorzunehmen.

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Ferner zahlt Deutschland   ab 1. Januar die vollen Zinsen für die Young. und Dawes- Anleihe. Diese Verpflichtungen bedeuten einen Abfluß von einigen Millionen Mark an Devi­sen und Gold aus den mageren Beständen der Reichsbank. In Zukunft wird nach diesem Abkommen 55 Prozent des Wertes der deutschen   Gesamtausfuhr nach England für die Bezahlung der deutschen   Einfuhr aus England für die Be­zahlung der deutschen   Einfuhr aus England zur Verfügung gestellt. Damit wird die volle Bezahlung des englischen Ex­ports nach Deutschland   gesichert.

Das dritte Reich" hat sich außerdem verpflichtet, im Gegensatz zu dem Neuen Plan grundsätzlich die Devisenbe­scheinigung für die Einfuhr englischer Waren nach Deutsch­ land   ohne Einschränkung zur Verfügung zu stellen. Solite sie eine Einschränkung für notwendig halten, so bedarf sie der Zustimmung der englischen   Regierung. Auf jeden Fall aber wird der englische   Export von Kohle, Garnen, Textil­waren und Heringen in keiner Weise eingeschränkt.

Alle diese Konzessionen bedeuten eine starke Durchlöche­rung des Neuen Planes und damit eine F: schwerung für die betrügerischen Manipulationen des Dr. Schacht zur Rettung der Mark.

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Die Bijouteriefabrik Rodi u. Wienenberger AG., Pforz heim. teilt in ihrem Geschäftsbericht mit, daß sich die Schwierigkeiten im Auslandsgeschäft wei­ter verstärkt haben und daß dadurch das Gesch if: sergebnis, trot kleiner Besserung der inländischen Umsäge ungünstig beeinflußt worden sei.

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