Lintzel,
Mittwoch, den 7. November 1934
ein kleiner Ketzer
Kampf um den ,, Sachsenschlächter"
Jeder richtige Nazi lerut es jetzt in der weltanschaulichen Instruktionsstunde, daß sich in der deutschen Geschichte ein besonders verabscheuungswürdiges kaiserliches Haupt befände. Es handelt sich um Karl den Großen, der im Zeichen der Christenfahne die wackeren Heiden und Sachsen unter Widukind..abgeschlachtet" habe. Karl wurde als Nationalhero entthront und Widukind gekrönt.
Merkwürdigerweise gibt es einige Gelehrte, die ohne Rücksicht auf braune Konizität diese These zu widersprechen wagen. Wir lesen in einem Bericht der„ Frankfurter Zeitung " ( 1. 11.) über die sogenannte Philologentagung in Trier :
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..Die größte Teilnahme rief in der Fachgruppe Geschichte ein Referat von Privatdozent Lingel- Halle hervor, der über die ,, Eroberung Sachsensdurch Karl den Großen" sprach. Ausgehend von einer Darstellung des Verhältnisses zwischen dem fränkischen Adel und dem Volk der Sachsen , erklärte Lintzel, daß eine einseitige Auffassung der Persönlichkeit Karls des Großen im Sinne eines Sachsenschlächters" oder„, Internationalisten" abgelehnt werden müsse. Man dürfe nicht den Sachsenherzog Widukind gegen Karl den Großen ausspielen oder umgekehrt; vielmehr habe die objektive Forschung das wechselseitige Verhältnis Karl- Widukind im Sinne eines Sowohl als auch zu werten. Es offenbare sich in ihm eine Zweiheit deutschen Wesens, das immer bestehen bleiben werde. Karl habe als Kaiser die deutschen Stämme geeint, und das gegenwärtige deutsche Volk sei wesentlich seine Schöpfung. Im Anschluß an die Forderung Lingels, die objektive Wissenschaftmüsse erhalten werden, weil sonst romanhafte Umdeutungen an die Stelle der Geschichte treten würden, ergab sich eine leidenschachtliche Diskussion, die von Ministerialrat Benze ( Berlin ), dem Reichsfachschaftsleiter des Nationalsozia listischen Lehrerbundes , geleitet wurde. Ein Teil der Diskussionsredner suchte die Forderung einer objektiven Wissenschaft anzugreifen und ihr gegenüber als neue Haltung die politische Subjektivität herauszustellen. Die Ausführungen Lingels wurden jedoch von der Mehrheit der Versammlung mit großem Beifall aufgenommen."
Hoffentlich führt diese Auseinandersetzung nicht dazu, daß Privatdozent Lintel auf diesem leidenschaftlichen Schlachtfelde verbluten muß. Man wittert hinter seinem Eintreten für die„ Objektivität" der Wissenschaft bereits den politischen Rebellen, der die arteigene Forderung der nationalsozialistischen Tendenzlehre nicht anerkennen will. Wenn der braune Ministerialrat Benze, der ihm entgegentrat, das Signal gibt, ist es mit einer Karriere für immer zu Ende.
Bluncks SOS.
Hilfe für das braune Buch
Die Verzweiflungsrufe hallen gen Himmel. Kein Mensch kauft die neue braune Literatur! Autoren, Verleger und Buchhändler sind in Verzweiflung und organisieren ,, Werbewochen".
Der Präsident der Reichsschrifttumskammer, Dr. h. c. Blunck , hatte Sonntag nachmittag zu einem Empfang anläßlich der bevorstehenden ,, Woche des deutschen Buches" in das Hotel Kaiserhof" die Vertreter all der Kreise eingeladen, die dem Schrifttum nahestehen und für die Verbreitung des deutschen Buches wirken wollen: ,, Wir haben die Aufgabe auf uns genommen, eine Schule des jungen Buchhandels vorzubereiten- es ist mein liebstes Werk, die zukünftig das ganze Jungvolk des Standes umfaßt und jeden in seinem Leben einmal aus seinem Geburtsort heraus und mit seinen Berufsgenossen und mit dem großen geistigen Ringen in Deutschland zusammen. bringt. Das Reich zu umraunen und die Wände singen zu lassen, die darüber hingehen, ist unsere, der Dichter Aufgabe."
Es folgte eine Ansprache des stellvertretenden Präsidenten der Reichsschrifttumskammer Dr. Wismann, der u. a. ausführte:„ Es war eine tragische Notwendigkeit, daß all die heroischen Versuche, vom Werke her die in der Wurzel kranke Volksgemeinschaft wiederherzustellen- ich nenne nur drei große Namen: Wagner, in seiner Gefolgschaft - scheiterten. der junge Nietzsche und Stefan George Die Gemeinschaft, die, ein Gebilde von Individuen als existierende Gesellschaft auseinandergefallen war, konnte kein noch so glühendes künstlerisches Wollen als Gemeinschaft wieder zusammenführen. Stefan George wandte sich mit seinem Schaffen bewußt an einen kleinen Kreis Menschen. Aber ist das nicht das ungewollte Schicksal aller Schaffenden gewesen, die auch im sinkenden Licht sich nicht dem Dunkel verschreiben wollten, während ringsum die Unrast und der Unrat der Kreaturen sich breitmachten, die die Luft mit lärmendem Marktgeschrei und mit
Worte Mirabeaus
von
Es ist wichtig, daß es ein Mittel gibt, welches verhindert, daß die Regierung nicht das Recht mißbraucht, über die nationale Verteidigung zu wachen;
daß sie nicht ungeheure Summen für nutzlose Rüstungen verschwendet;
daß sie nicht Truppen für sich selber aufstellt, indem sie vorgibt, daß sie gegen einen Feind gerichtet sind;
daß sie nicht durch einen zu großen Verteidigungsapparat die Eifersucht und die Furcht ihrer Nachbarn erregt.
Ich wünsche, daß man erklären würde, daß die französische Nation auf jede Art von Eroberung verzichtet, und daß sie
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Wissenschaft des Herzens"
Ereignisse und Geschichten
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Ballade vom belohnten Emigranten
Von Fritz Hoff
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Die rechtsliberale ,, Neue Züricher Zeitung" berichtet zu dieser interessanten Debatte aus Trier :
waren.
Dr. Lingel antwortete selbst auf die teilweise heftigen Vorwürfe, die in der Diskussion gegen ihn erhoben worden Er blieb dabei, daß die gegenwärtige Strömung in der Geschichtsauffassung dem umfassenden Charakter der nationalen Geschichte Deutschlands nie gerecht werden könne und daß die objektive Wissenschaft erhalten werden müsse, weil sonst keine Geschichte, sondern romanhafte Um. deutungen zustande kämen. Die Mehrheit der Versammlung nahm die Antwort Lintels nach dem Bericht der ..Kölnischen Zeitung " mit großem, spontan einsetzenden Beifall auf und entschied sich damit nicht nur für Karl den Großen, sondern auch die weitere Objektivitätsidee der klassischen Wissenschaft. Der Leiter der Diskussion. Ministerialrat Benze, der anscheinend auch in der Eigenschaft als Vertreter der Regierung anwesend war, stellte sich dann aber in seinem Schlußwort auf die Seite der Redner, die Lintzel angegriffen hatten, und lehnte selbst die Voraussetzungslosigkeit der Wissenschaft ab. Die Wissenschaft müsse jubjektiv werten, weil sie nicht nur Sache des Verstandes, sondern auch des Herzens sein müsse.
Diese und andere allgemeine Redewendungen, denen letzten Endes eine bedingte Richtigkeit nicht abzustreiten ist. hatten in der Unbedingtheit, in der sie von den Vertretern der neuen Richtung proklamiert wurden, nur den einen Zweck, jeden Zweifel und jede wissenschaftliche Kritik an der in zahlreichen Einzelheiten und wesentlichen Grundzügen nicht stichhaltigen Geschichtsauffassung Rosenbergs von vornherein auszuschließen. Das Verfahren auf der Trierer Philologentagung war ebenso politisch. wie der von Rosenberg gegen die bisherige Geschichtsschreibung angestrebte Revisionsprozeß politisch ist, der mit Aufmärschen zum Niedersachsentag, mit Volkskundgebungen für Widukind und mit ad hoc errichteten Findlingsmonumenten geführt wird und schließlich von der mit politischen Schlagworten und Propaganda aufgeputschten Masse der Zeitgenossen entschieden werden soll. Wer eine derartige..Wissenschaft des Herzens" treibt, der kann allerdings nur ein Interesse daran haben, Möglichkeit. Berechtigung und Sinn der nach Objektivität strebenden Forschung von vornherein zu bestreiten oder sie selbst so leidenschaftlich wie Göring einst die verfluchte Objektivität" in der Politik zu verdammen. Tatsache scheint nach den Erfahrungen der Philologentagung in Trier zu sein, daß die Vertreter der neuen" Richtung sich in der Oeffentlichkeit als Wortführer behaupten wollen und der amtliche Vertreter sich auf ihre Seite stellt: abre immerhin wagte die Mehrheit doch durch ihren Beifall zu bekennen, daß sie innerlich an der Tradition der objektiven Wissenschaft festhält.
dem Pesthauch der Verwesung erfüllten? Das Narrenspiel des Wahnsinns ist zu Ende. Das Ge witter der Revolution hat die Luft gereinigt.
Sie wissen, daß wir das Volk in allen seinen Kreisen und Schichten auffordern wollen, in der Woche vom 4. bis 11. November Bücher zu kaufen und Bücher zu schenken. Darüber
,, Der emigrierte Student T. F. wurde Looz et Coswarem vom Herzog von adoptiert." ( Zeitungsmeldung.)
Hört, was einem Emigranten kann geschehen: Ohne Arbeit, matt,
Niemals richtig satt,
Im Hotel, wo Wanzen komm'n und gehen, Sitt ein Emigrant,
Kopf gestützt auf Hand,
Fern dem Vaterland.
Höit, was einem Emigranten kann geschehen!
Armut ist ein großer Glanz von innen!
Und von solchem Glanz
Lebt er völlig ganz,
Braucht sich nicht auf seine Not hesinnen. ..Brauch nicht Gut noch Geld," Denkt sich unser Held,
,.Schön ist doch die Welt,
Armut ist ein großer Glanz von innen!"
Einmal wird das große Glück schon kommen! Wenn auch fast krepiert-
Nur nicht kritisiert!
Glück kommt nur zu Guten, Reinen, Frommen! Denn dem armen Schaf,
Ist es nur recht brav. Gibts der Herr im Schlaf!
Einmal wird das große Glück schon kommen!
Denn das Glück kommt wirklich ganz alleine: Auf tut sich die Tür,
Glück spaziert herfür,
( Jetzt bekommt den Leidenslohn der Reine!!) ' s kommt ein Millionär
( Wie bei Kot- Malhör!) Und er spricht...Schau her,
Denn das Glück kommt wirklich ganz alleine!
Alle Leidenszeit hat jetzt ein Ende! Deine Prüfung ist
Jetzt bestanden. Bist
Nunmehr an der großen Schicksalswende! Komm und sei mein Sohn, Armer kleiner Kohn!" Sprach der Herr Baron .
,, Alle Leidenszeit hat jetzt ein Ende!" Das ist die Moral von der Geschichte: Seid nur immer fromm, Daß Euch's auch so komm', Sonst beschäftigt Ihr nur die Gerichte! Wenn Ihr nur nicht denkt, Kriegt Ihr was geschenkt Von dem Herrn, der lenkt! Das ist die Moral von der Geschichte!
Emigranten, laßt Euch adoptieren! Dann ist aus die Not!
Ihr eßt golden Brot,
Was viel besser ist als kritisieren! Flüchtlingskommissar
Sagt, die Sach ist wahr! Darum auf! Fürwahr, Emigranten, laßt Euch adoptieren!
hinaus aber soll diese Buchwoche den Auftakt bilden zu einer» Anti- Rosenberg« beschlagnahmt
weit über ihre praktische Zielsetzung hinausreichenden gedanklichen Auseinandersetzung mit dem Schrifttum als Werk und Mittel der Gemeinschaft und als Waffe im geistigen Ringen der Völker. Wir haben nichts gewonnen, wenn wir ewig bei jenen vagen, verfließenden, nie klar zu Ende gedachten Reden und Redensarten stehen bleiben, die noch immer fällig sind, wenn vom Schrifttum und seiner Bedeutung gesprochen wird. Lassen wir doch die gutwillige, aber leere Phrase hinter uns, wie wir die liberale Zeit hinter uns gelassen haben, zu der sie gehört. Wir brauchen mehr. Wir brauchen jenseits aller sich ad hoc entzündenden flüchtigen Begeisterung das stille klare Wissen um das Buch."
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Also der Stellvertreter Wismann. Die bankerotten Verleger und Buchhändler bestaunten den werkfrohen Optileger und Buchhändler bestaunten den werkfrohen Optimisten. Man muß ihm nachsagen, daß er für seine Person die gut willigen, aber leeren Phrasen" verschmäht. Dieser saftige Schimpfbold macht als literarischer Wegbahner des ..dritten Reichs" die allerbeste Figur.
Er hat, auch das darf man von ihm sagen, in einer Gesellschaft gesprochen, die den einstigen Pesthauch der Verwesung" noch in guter Erinnerung hat. Da saß noch etwas Unrat aus der liberalen Zeit da Leute, die von Herzen freiheitlich- liberal waren und sich von Demokraten und Sozialdemokraten gern die Stufen zum Aufstieg schlagen
Vor kurzem, schon einige Zeit, nachdem die römische Kurie Rosenberg., Mythos des 20. Jahrhundert" uf den Index der für die Katholiken verbotenen Bücher gesetzt hatte, erschien in Deutschland aus der Feder einer Reihe ungenannter katholischer Schriftsteller und Theologen ein Buch„ Anti- Rosenberg", das vom Glaubensstandpunkt der Kirche, aber auch aus wissenschaftlich- kritischem Bezirk heraus die Pointen des Bluts- und Rassewahns des Herrn ,, Reichskulturwarts", wie sie in seinem Buch provokatorisch- polemisch vorgetragen werden, unter die Lupe nahm und dem Anathema der Kirche das Unerhört" der gläubigen Wissenschaft hinzufügte. Es ist gelungen, etwa 4000 Stück dieses Buches in Deutschland zu verbreiten. Den bei weitem größeren Rest der Auflage aber hat jetzt Hitlers Polizei offiziell beschlagnahmt. Diese Maßnahme ist nicht ohne prinzipielle Bedeutung in der Auseinandersetzung der römischen Kirche mit dem ,, dritten Reich":
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Denn Rosenbergs Schmöker, der mittlerweile als das andere Standardwerk des Nationalsozialismus neben Hitlers ..Mein Kampf " schon ziemlich 30 Auflagen erlebt und seinem Verfasser also eine ganze Stange Gold eingebracht hat, ist in allen Schülerbibliotheken Deutschlands zwangsweise eingeführt und zur Grundlage des weltanschaulichen Unterrichts bei SA., Hitlerjugend und Arbeitsdienst gemacht worden. In der Einleitung der ersten Auflagen redet der Verfasser zwar von persönlichen Bekenntnissen", die er mit Niederschrift seiner Schwarte habe ablegen wollen. Schon in den letzten Auflagen fehlt diese Einschränkung, da Rosenberg mittlerweile ja hoher Reichswürdenträger, nämlich eben., Kulturwart" des Deutschen Reiches, geworden ist. Wenn nun also die Staatsgewalt selbst für die Thesen des Buches eingesetzt wird, jene Thesen, die bereits das niemals ihre Truppen gegen die Freiheit irgendeines Volkes Zensurkollegium der Kirche feierlich verurteilt hat dann verwenden wird. gibt das doch dem unlösbaren Weltanschauungsgegensat zwischen Rom und dem Nationalsozialismus eine wesentlich verschärfte Nuancierung.
ließen.
Einer hörte den Reden mit niedergeschlagenen blauen Augen zu: Herr Hans Friedrich Blunck . Er wußte warum. Und wir alle.
Ich schlage ihnen im Gegenteil vor, die Minister und Agenten, welche einen Angriffskrieg unternommen haben, als Schuldige zu verfolgen.
Vielleicht ist der Augenblick nicht fern, wo die auf den Voll Ecdgerich
beiden Hemisphären herrschende Freiheit die Wünsche der Philosophie verwirklichen, das Menschengeschlecht vom Verbrechen des Krieges erlösen und den allgemeinen Frieden verkünden wird.
Dann wird das Glück der Völker das einzige Ziel der Ge setzgeber, das einzige Recht der Gesetze und der einzige Ruhm der Nationen sein, ( 1791)
,, Verleger gesucht für zwei niederrheinisch- bergische Erbhof- Romane, sehr volkstümlich, lebendig, spannend. voll Erdgeruch und Volkshumor Peter J. Thiel, VolksheitSchriftsteller.( Ein Inserat im., Börsenblatt für den deutschen Buchhandel".)
Voll Erdgeruch und doch noch keinen Verleger?! Daran sind sicher wieder die Juden schuld!