Panjaže

Frethen

Nr. 2512. Jahrgang

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Samstag, den 10. November 1934 Chefredakteur: M. Braun

Die Judenhetze an der Saar

Die Zukunft

Seite 3

dec katholischen Kieche

Seite 4

Die Keuschheit dec Edelcasse

Seite 7

Europas Sorge um die Saar- Krisc

Die Verhandlungen in Rom

Vor entscheidenden Beschlüssen Klarheit

Die Problematik des 13. Januar

Rom , 9. Nov.( Eigener Bericht). Die Beratungen des Französische Forderungen Saarausschusses, zu denen auch der Präsident der Re gierungsfommission,& nog, eingetroffen ist, werden wahr: scheinlich erst am Sonnabend abgeschlossen werden. Soweit das Ergebnis der Abstimmung am 13. Jannar in Frage fommt, beschäftigte sich der Ausschuß praktisch nur mit zwei Entscheidu: gen: Sieg Hitlerdeutschlands oder Status quo. Im ersteren Falle sollen weitgehende Garantien für die Minderheit geschaffen werden, die für den Status quo gestimmt hat, und zwar sollen diese Garantien in dem internationalen Minderheitenrecht unter dem Schutze des Völkerbundes gesichert werden.

Sollte die Mehrheit der Abstimmungsberechtigten sich für den Status quo, also die bestehende Rechtsordnung ents scheider, so soll dies feineswegs ausschließen, daß später eine neue Abstimmung im Saargebiet statt: findet mit der Möglichkeit der Rückkehr zum Deutschen Reich. Die Initiative zu dieser neuen Abstimmung müßte dann von der stimmberechtigten Saar = bevölkerung ausgehen.

Der Saarausschuß scheint nicht geneigt zu sein, dem Völkerbundsrat für seine am 21. November stattfindende Saartagung einen Rechtsstandpunkt zu empfehlen, der die nach der Abstimmung im Völkerbundsrat entsprechend dem Saarstatut des Versailler Vertrages zu treffende end:

gültige" Entscheidung so auslegt, als mise das Saargebiet

für alle Zeiten durch seine Abstimmung am 13. Januar ge bunden bleiben.

In den Minderheitenschutz wird auch die jüdische Bevölkerung des Saargebietes einbegriffen werden. Die Zusicherungen in dieser Beziehung sollen so weitgehend sein, daß der Präsident des Jüdischen Weltbundes es nicht mehr für nötig gefunden hat, nach Rom abzureisen, um dort die Interessen seiner jüdischen Glaubensgenossen an der Saar zu vertreten.

Ueber Einzelheiten der politischen Fragen, so über eine Saarverfassung unter dem Status quo wird noch be­raten. Schwierigkeiten scheinen nur die politischen Lösungen zu machen, während man über die Fragen des Optionsrechts, der Sicherung der auslän= dischen Gläubiger und über die Ablösung der französischen Währung im Falle einer Rückgliede rung der Saarausschuß ziemlich einig zu sein scheint. Sier würden die Schwierigkeiten erst nach dem 13. Januar zwischen Deutschland und Frankreich erwachsen, falls die Entscheidung für Hitlerdeutschland fallen sollte.

Ueber die Beschlüsse des Saarausschusses wird erst nach dem Abschluß der Sigungen berichtet werden.

Nach dem Burgfrieden Burgfrieden-

Fortsetzung der Politik Doumergues Das Kabinett Flandin Die vorläufige Ministerliste

Paris , 9. Nov. Das Kabinett landin wird aus folgen­den Persönlichkeiten bestehen:

Ministerpräsident: Abg. landin; Staatsminister: Herriot und Marin; Aeußeres: Senator Laval; Inneres: Senator Regnier; Justiz: Abg. Pernot; Finanzen: Abg. Germain Martin; Krieg: Gene­ral Maurin; Luft: General Denain ; Marine: Abg. Pietri; Arbeit: Abg. Jacquier; Oeffentliche Arbeiten: Senator Roy; Unterricht: Abg. Md I- Iarme; Handel: Abg. Marchandean; Landwirt­schaft: Senator Gajicz; Rolonien: Abg. Rollin; Pensionen: Rivollet( Frontfämpfer); Post: Abg. Mandel; Gesundheit: Abg. ueuille; Handels­marine: Abg. Bertrand; Unterstaatssekretär beim Ministerpräsidenten: Abg. Perreau Pradier.

Nom, den 9. November. Bevor der Präsident der Regierungsfommission, knox, von der Dreierkommission gehört wurde, hat der Vertreter der französischen Regierung der Dreierfommission noch einmal den französischen Standpunkt dargelegt. Frankreich hat im Gegensatz zum deutschen Bertreter vorgeschlagen. daß vom Dreierausschuß die Rückwirkungen jeder der drei Möglichkeiten der Lösung der Saarfrage behandelt werden. Frankreich verlangt deshalb eine flare Definition des Satuts- quo- Statuts. Dieses Statut soll vor der Ab­ſtimmung bekanntgegeben werden, damit die Saarbevölke: rung über die fünftige Gestaltung des Saargebietes im Falle des Sieges der Gegner der Rückgliederung durchaus Bölkerbund haben ferner die wichtigsten Fragen zu prüfen, im flaren ist. Der Dreierausschuß und dann später der die mit einer eventuellen Rückgliederung verbunden sind. Es handelt sich hierbei um die Modalitäten des Rück- faufs der& hlengruben durch Deutschland, um das Schidial des französischen Geldes, das gegenwärtig an der Saar im Umlauf ist und auf anderthalb Milliarden Franfen geschätzt wird sowie um die aus= ländischen Kredite, die den Saarländern vor der Ab­stimmung gewährt wurden.

Eine kleine Fälschung Sicherheit und Ordnung im Saargebiet

Die gleichgeschaltete Presse Saarbrückens bringt über den Bericht des Präsidenten Knog in Rom dicke Balken­überschriften Sicherheit und Ordnung nicht gefährdet". In Wirklichkeit geht aus ihren eigenen Berichten hervor, daß Knox nur gejagt hat,

daß bis zum heutigen Tage die öffentliche Ord= nung nicht gestört worden sei, jedoch beschäftigte sich die Regierungsfommission gegenwärtig aftin mit der Verstärkung der Polizei, wobei sie von der ihr hierzu gegebenen Möglichkeit Gebrauch m a cht".

Da Herr Knor wie jeder vernünftige Mensch im Saar­gebiet befürchtet, daß es bei den sehr ungewissen Abstim mungsaussichten für die sogenannte deutsche Front" mit der Ruhe und Ordnung nicht so bleibt, wie es bis zum heutigen Tage" war, bemüht sich die Regierungs­kommission um neutrale Polizei und hat sie sich durch Frankreich bestätigen lassen, daß sie nötigenfalls auf französische Polizeitruppen zurückgreifen darf.

Zur Sicherung der freien und unbeeinflußten Abstim­mung und das ist es, was die deutsche Front" zu fürchten hat.

der

der Burgfrieden ohne Doumer gue

Erste Erklärung Flandins

Paris, 9. November 1934. Mit Ausnahme der äußersten Rechten und der sozialistisch­fommunistischen Presse begrüßen die Zeitungen das Kabinett Flaudin und treten für die Aufrechterhaltung des Burg­friedens ein. Der sozialistische Populaire" feiert das Aus­scheiden Toumergues als einen ersten Sieg über den Faschismus. Die Sozialisten würden nicht ruhen, bis die Endentscheidung zugunsten der Republif und der Demokratie gefallen wäre.

70 Jahre Kerker!

Der Zuchthausstaat

Effen, 9. Nov. Im Essener Hochverratsprozeß wurden von den 51 Angeklagten, unter denen fich 6 Frauen befanden, 9 freigesprochen, 5 wurden wegen Vergehens gegen die Not­verordnung des Reichspräsidenten zum Schuß des deutschen Volfes vom 4. Februar 1933, die übrigen wegen Vorberei= tung zum Hochverrat zu Zuchthaus und Gefängnisstrafen verurteilt. Insgesamt wurden 15 Jahre und ein Mo= 11 at 3uchthaus und 52 Jahre 9 Monate und eine Woche Gefängnis verhängt. Die Zuchthaus­strafen bewegen sich zwischen 2 Jahren 8 Monaten und

einem Jahr 6 Monaten, die Gefängnisstrafen zwischen 2 Jahren 6 Monaten und einer Woche.

Die Lawine rolit

Es ist bitterer Ernst!" Mit diesen Worten überschreibt die Berliner Börjen- Zeitung" einen Leitartikel, der dem jüng­sten Erlaß Görings über Betämpfung der ungerechtfertigten" Preissteigerungen gewidmet ist. Während die Parteileitung, wie wir berichtet haben, zur Beruhigung der Bevölkerung in einem längeren Kommunique befanntgegeben hat, daß ichlagartig" eine Untersuchung über die Preisgestal­tung in ganz Deutschland vorgenommen werden soll, sah sich bereits einige Tage nachher Göring genötigt, seinen Erlaß herauszugeben, der schwerste Strafen für ungerechtfertigte Preissteigerung" vorsicht, und, wie die Berliner Börsen­Zeitung" erflärt, als eine legte Warnung in zwölfter Stunde anzusehen ist." Jit der Zwischenzeit hat sich nämlich herausgestellt, daß die Preissteigerungen und die Angst fäuse der Bevölkerung einen derartigen Umfang angenommen haben, daß die Staatsgewalt nicht mehr auf die Untersuchung der Parteileitung warten fonnte und eingreifen mußte.

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Aber polizeiliche Eingriffe allein können das verstehent selbst die Naziführer eine Teuerungswelle nicht beseitigen. Deshalb ist der Leipziger Oberbürgermeister Gördeler nenerdings zum Reichsfommissar für Preisüberwachung er­nannt worden, nachdem er bereits unter Brüning den gleichen Posten bekleidet hat. Gördeler soll auf Grund seiner Erfahrungen ungerechtfertigte" Preissteigerungen verhin­dern, während er seinerzeit den Auftrag hatte, die Preise herunterzusetzen. Die große Frage ist nun: was ist ein un­gerechtfertigter Preis und was ist ein gerechter Preis? So­lange die Löhne unter dem Regime des deutschen Sozialis­mus" nicht nur nicht erhöht, sondern durch verschiedene Ab­gaben und Arbeitsstreckung praktisch herabgesetzt wurden, müßte jede Preissteigerung als ungerechtfertigt angesehen werden. Zu Brünings Zeiten, als eine Lohnsenkung vor­genommen wurde, ging zum Ausgleich der Versuch nebenher, im Zuge der Krise und des Deflationsprozesses die Mieten herunterzuseßen und die Preise, insbesondere bei Martens waren, zu ermäßigen. Der betrügerische Hitlersozialismus hat es aber fertiggebracht, nach Zerschlagung der Gewerf­schaften die Löhne praktisch zu senken, gleichzeitig aber bewußt eine Erhöhung des Preisniveaus herbeizuführen.

Trotz aller Ableugungen haben nämlich die Nationals sozialisten eine autarkische Politik betrieben, und zwar er­strebten sie die Ernährung des deutschen Volkes durch die eigene Landwirtschaft sicherzustellen sowie für die Industrie die erforderlichen Rohstoffe auf Vorrat anzusammeln. Diese Politik entsprang dem Grundgedanken, sich wirtschaftlich für den kommenden Krieg vorzubereiten, den der National­sozialismus zur Schaffung der Weltherrschaft der germani­schen Nasse" entfachen will. Um die Landwirtschaft aus ihrem chronischen Krankheitszustand zu befreien, ist eine Zoll- und Preispolitik betrieben worden, die im Gegensatz zum Gesamt­volksinteresse sind. Darré hat es mit seiner Blubopolitik erreicht, daß die landwirtschaftlichen Produkte von Staats­wegen in die Höhe getrieben wurden. Während im Frühjahr 1983 der Inder für landwirtschaftliche Gr aengniffe feinen Tiefstand erreicht hatte und ungefähr auf 82 lag, ist er jetzt auf 101,6, also um rund 24 Pro sent gestiegen( bei gleichzeitig finfendem Einkommen). Aber selbst diese offiziellen Zahlen geben kein richtiges Bild über die wirkliche Preiserhöhung, die in einzelnen Waren­( Fortsetzung stehe nächste Seite!) gruppen, wie z. B. in Futtermitteln und Kartoffeln, weit

Das Echo de Paris" meint, daß das neue Kabinett infolge des Eintritts von Pernot und Mandel etwas weiter rechts gerichtet sei als die Regierung Doumergue. Es set aber nur ein politisch- strategisches Mannöver. Das Blatt wirst den Radikalsozialisten vor, sie hätten durch den Dolch­stoß gegen Toumergue die nationale Einigung zerstört. Tardieu, der Marschall Petain und der Neosozialist Marquet hätten abgelehnt, weiterhin gemeinsam mit den Leuten zu regieren, die Doumergue erdrosselt hätten.