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Nr. 253-2. Jahrgang

Frethel

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Dienstag, 13. November 1934 Chefredakteur: M. Braun

Propaganda Schiller

Knox bestätigt

Seite 2 und 7

den beaunen Teccoc

Organisierter Moed

in Dachau  

Seite 3

Seite 4

Ein echter ,, alter Kämpfer"

Seite 8

Rüstungswille und Rüstungsfreiheit

Dic Mission von Ribbentrops in London London  

, 12. November. Hitler- Deutschland gibt sich seit Wochen von neuem große Mühe, die Jiolierung Deutschlands   von England her zu durchbrechen. Man hat hier das weitgehende Zugeständnis chachts in dem deutsch  - englischen Wirtschaftsabkommen, das alles andere als eine Verbesserung der deutschen   De­visenlage bringen dürfte, als Einleitung zu einer Verbesse­rung der politischen Atmosphäre empfunden. Es folgte die Demarche des Botschafters v. Hoesch mit betoni friedlichen Erklärungen zur Reglung der Saarfrage, ein Schritt, der aber wenig Eindruck gemacht hat, da die Saarfrage nach bri­tischer Auffassung vor den Völkerbund gehört, aus dem sich Hitler Deutschland demonstrativ zurüdgezogen hat.

Nun folgte die Reise des Sonderbeauftragten Hitlers   in Rüstungsfragen, des Herrn v. Ribbentrop  . Daß Deutsch­ land   sich in voller Aufrüstung befindet, bezweifelt hier nie­mand mehr.

Man nimmt aber an, daß die diktatorischen Beherrscher Deutschlands   allmählich vor ihrer eigenen Kühnheit Angst bekommen, die durch die klare Verlegung der Rüstungs­paragrafen des Versailler Vertrages alle Signatare die: ses Dokumentes also einen sehr großen Teil der Erde herausfordert.

Difenbar liegt Deutschland   daran, den Rechtszustand mit dem faftischen Zustand in Uebereinstimmung zu bringen, also die einseitigen Abrüstungsbestimmungen des Versailles   Vertra­ges außer Kraft zu setzen und damit Deutschlands   Aufrüstung legitimiert zu sehen. Solange das nicht geschehen ist, besteht ia theoretisch immerhin noch die Möglichkeit, daß jeder einzelne Signatar die Maschinerie dieses Vertrages gegen das die Entwaffnungsbestimmungen verletzende Deutschland   in Bewegung setzen fann. Die deutsche   Reichs­regierung rechnet mit den derzeitigen innerpolitischen Schwie­rigfeiten Franfreichs und mit der außerordentlich paziti stischen Stimmung der englischen Bevölkerung, die mit ihrem Zustrom zu den Kandidaten der Labour- Party bei den jüng­sten Wahlen nicht zuletzt ihren Unwillen über die Erfolg­losigkeit der Friedenssicherungspolitik des Kabinetts Mac­donald zum Ausdruck gebracht hat.

Es ist zweifellos, daß von Ribbentrop dem englischen Außenminister, Sir John Simon, und dessen Staatssekre: tär und Rüstungsdelegierten Eden im Auftrage des deut schen Führers und Reichskanzlers Ideen und Borschläge für die Rückkehr Deutschlands   in den Völkerbund und in die Abrüstungskonferenz unterbreitet hat.

Die Reichsregierung geht davon aus, daß im Verlaufe der Genfer   Abrüstungsverhandlungen, und zwar im Dezember 1932 dem deutschen Reiche die von ihm angestrebte Gleich­berechtigung bereits theoretisch zugebilligt worden sei. Im Fünfmächte- Paft sei die Zusage noch einmal ausgesprochen, allerdings sei sie hier präzisiert und eingeschränkt durch die Definition: Gleichberechtigung im Rahmen

eines die allgemeine Sicherheit und den Frieden verbürgenden Systems.

Von diesen Zusagen ausgehend, behauptet Hitler  - Deutsch Goldverlust der Reichsbank

land, daß durch eine Reihe von Systemen, angefangen mit dem Locarno- Vertrag  , die allgemeine Sicherheit und der Frieden zwar eigentlich schon so ausreichend verbürgt sei, daß die Bedingungen für die Gewährung der praktischen Gleichberechtigung längst erfüllt seien, dennoch sei aber Deutschland   bereit, weitere Sicherheits- und Friedensgaran­tien im Austausch gegen die Einräumung und offene An­erfennung der praftischen Rüstungsgleichberechtigung zu ge währen:

einen Nichtangriffspakt mit England( nach dem Muster des deutsch  - polnischen), ein Abkommen mit England über die Luftrüstungen, wie Göring   es schon in einem Interview in Belgrad   vorgeschlagen hat, eine Art Ost- Locarno, das heißt eine Anerkennung und Garantie der jetzigen Grenzen im Osten Europas  , wie sie bisher von Frankreich   vergeb­lich angestrebt und von Deutschland   abgelehnt wurden, vor allem aber der Wiedereintritt Deutschlands   in den Völker: bund und die Wiederteilnahme Dentschlands an der Genfer Abrüstungskonferenz. Das zusammen sollen die Kompen: jationsobjekte für die ausdrückliche Preisgabe der Entwaff nungsbestimmungen des Versailler Vertrages fein.

Die englische   Regierung scheint die hitlerdeutschen Vorschläge sehr fühl aufzunehmen und auf der bedingungslosen Rüd­fehr in den Völkerbund und in die Abrüstungskonferenz zu beharren. Macdonald hat in seiner Rede in der Londoner Guild- Hall geradezu eine Scheidelinie zwischen den friedens­freundlichen Ländern im Völkerbund und Deutschland   ge­zrgen. Er hat bei dieser Gelegenheit zum ersten Male darauf hingewiesen, daß England, wenn ein Rüstungsabkommen nicht zu erreichen sei, den Erfordernissen der Landesver­teidigung Rechnung tragen müsse, was praftisch eine Rüstungs­vermehrung Englands bedeuten würde.

Fordjiegelbewahrer Eden hat in einer Rede in Stratford en- Avon ebenfalls start auf die Gefahren für England hin­gewiesen. England glaube nach wie vor an ein tollektives Friedenssystem. Er fürchte nicht, das unmittel bare Bevorstehen eines Krieges, aber man könne auch nicht die Schwierigkeiten und Gefahren der augenblick­lichen Zeit ableugnen. Eden sagte ferner, England könne den Weltfrieden nicht durch Jiolierung oder durch eine Ablehnung seiner Verantwortlichkeiten dienen. Er schloß mit cinem starten Befenntnis zum Bölferbund und einer Ab rüstungsfonvention, fligt aber hinzu, daß England in der Zwischenzeit, bis ein folleftives Friedenssystem erreicht sei, jeine eigene Verteidigung nicht vernachlässigen dürfe.

Irgendwelche Anzeichen dafür, daß der Schritt von Ribben­trops im Foreign Office einen Erfolg gehabt hat, liegen nicht vor.

,, Außerordentlich folgenschweres Ereignis"

Die Verwegenheit Berlins   und die Grenzen des Friedens

Paris  , 12. Nov. Die französische   Presse beschäftigt sich ein­gehend mit dem Besuche Ribbentrops in London  . Beluche Ni Der Temps"

schreibt in seinem heutigen Zeitaufsatz u. a.:

In London   versuchen die Deutschen  , auf dem Gebiet der Abrüstung zu manovrieren. Es ist bezeichnend genug, daß es gerade Lord Eden   ist, der morgen im Foreign Office Herrn v. Ribbentrop   empfängt, denn Eden hat die Aufgabe, im Namen der englischen   Regierung die Verhandlungen über die Abrüstung zu führen. Es ist also ganz natürlich, daß gerade Lord Eden die Mission erhalten hat, anzuhören. was Herr v. Ribbentrop   ihm in offizieller Form zu sagen hätte. Die Tatsache des Empfangs an sich genügt, um zu beweisen, daß es sich wohl um die Abrüstung oder vielmehr um die Wiederaufrüstung Deutschlands   bei dieser Be sprechung handeln fönnte. Man muß also die Demarche des Herrn v. Ribbentrop   in London   mit den Gerüchten zu sammentun, die schon seit einigen Tagen hartnäckig in Genf  umlaufen, nach denen die Reichsregierung vorhabe, nach der Bolfsabstimmung im Saargebiet Europa   vor die vollendete Tatsache einer formellen Kündigung der militärischen Klausel dez Bersailler Vertrags zu stellen. Gleichzeitig würde Deutschland   die Militärpflicht wiederherstellen und dann würde das Reich seine Absicht fundtun, seinen Play im

Völkerbundsrat und sogar an der Tafel der Abrüstungs­fonferenz wieder aufzunehmen.

Dieses Ereignis wäre außerordentlich folgenschwer, denn, wie groß auch immer die Berwegenheit sein mag, mit der man in Berlin   auf den Willen aller Regierungen speku liert, den Frieden aufrechtzuerhalten, so fann doch heute niemand voraussehen, welche Reaktion die anderen Mächte angesichts einer derart florliegenden Verlegung des Ver­sailler Vertrages zeigen würden, zumal ja alle Unter: zeichnermächte die Pflicht haben, diesen Vertrag aufrecht: zuerhalten und ihm Achtung zu verschaffen. Es würde sich auch die Frage stellen, ob für die Reichsregie­rung die einfache Formalität des Rückzuges seines Aus­trittes aus dem Völkerbund genügen könnte, damit es seinen Platz im Völkerbundsrat unter derartigen Umständen wieder einnehmen könnte. Die Präambel des Völkerbundspaktes figiert nämlich als Regel für alle Völkerbundsmächte, ge­wisse Verpflichtungen, nicht zum Krieg zu schreiten"," trift die Vorschriften des internationalen Rechts zu beachten", der Gerechtigkeit Geltung zu verschaffen und aufs genaueste alle Verpflichtungen des Vertrages in den gegenseitigen Beziehungen der organisierten Völker zu achten".

( Bortsetzung fiehe nächste Seite!)

Berlin  , 12. November. Die Deutsche Freiheit" hat anläßlich der Unterzeichnung des neuen deutsch  - englischen Zahlungsabkommens erklärt, daß durch die Verpflichtung der sofortigen Zahlung eines Betrages in Höhe von 400 000 Pfund Sterling an England, der nächste Reichsbanfausweis ungünstig beeinflußt wird. Der socben veröffentlichte nene Reichsbankausweis bestätigt unsere Voraussage. Schacht muß berichten, daß durch die England- Zahlung die sichtbaren Währungsreserven der Reichsbank von 86,5 Millionen auf 82 Millionen gesunken seien und er fügt kleinlaut hinzu:

" In Anbetracht der bereits übermäßig geschwächten Gold: und Devisenbestände der Reichsbank bedeutet diese erneute Schmälerung ein schweres Opfer, das nur in Erwartung eines Rückflusses der jetzt aufgewendeten Summe auf Grund einer Steigerung des deutsch  - englischen Warenverkehrs verantwortet werden kann."

Mit der Ueberweisung von 5 Millionen Mart an England ist der größte Teil des seit Infrafttretens des Nenen Plans" erfolgten mühseligen Zugangs von Gold- und Des visen wieder verschwunden.

Aus dem Reiche

Zum neuen Stimmungsumschwung

Man schreibt uns aus Nordwestdeutschland  : Nimmt man den Schein für Wirklichkeit, dann sieht es so aus, als sei das faschistische System stabilisiert. Der gewöhnliche Alltag ist eingezogen. Es ist alles so alltäg­lich geworden, daß weder Feste einen erhebenden, noch Terrorakte einen abschreckenden Eindruck machen. Auf die Dauer stumpft eben alles ab, besonders dann, wenn die Skala der Abwechslungen ganz eng begrenzt ist. Man kommt immer mehr dahinter, daß die Feste gar keine Freudenfeste, sondern Ablenkungsfeste sind. Dennoch be­dient sich ihrer des Regime immer noch in großem Um fange. Aber es ist auch hier alles ganz anders geworden. Die Beteiligung läßt gewaltig nach, obwohl nach wie vor ein starker Druck ausgeübt wird. Was noch gut funktio­niert, sind die Aufmärsche der militärischen und militär­ähnlichen Organisationen.

Die allgemeinen Feste sind ein willkommener Anlaß, durch Verkauf von Abzeichen die Bevölkerung zu schröpfen. Bei Veranstaltungen wie dem Erntefest auf dem Bückeberg werden Millionen solcher Abzeichen ver­kauft. Die Herstellung segelt unter dem Namen ,, Arbeits­beschaffung". In der Tat schafft man auf diese Weise in bestimmten Heimarbeiterbezirken einigen tausend Fa milien für einige Wochen Arbeit. Es wird zur Bedingung gemacht, daß es sich um Handarbeit handeln muß, damit eine größere Zahl von Personen beschäftigt werden kann. Das Material der Abzeichen wechselt. Papier  , Stoff, Glas und so weiter werden als Rohstoff gewählt, damit die ver schiedensten Heimarbeitergegenden berücksichtigt werden können.

Die Stimmung unter den Bauern ist im allgemeinen weiter schlecht, besonders schlecht jedoch in Niedersachsen  . Das kam nach den Wahlen sehr deutlich zum Ausdruck. Es wird uns von Orten berichtet, wo die Landbevölke rung durch Sammlung von Unterschriften öffentlich gegen die Wahlfälschungen protestierte. Als eine Art Warnung hat man in diesen Bezirk einen Brigade  - Aufmarsch der SA. verlegt. Jn Uelzen  , einer Stadt pon 12 000 Ein­wohnern, marschierten am 7. Oktober 15 000 GSA.­Männer auf.

Für den inneren Zersehungsprozeß des Naziregimes ist die ungeheure Enttäuschung, die sich der sogenannten " alten Kämpfer" bemächtigt hat. Diese Beobachtung ist so einheitlich aus allen Berichtsorten, daß nicht eine ein­zige andere Stimme laut geworden ist. Eine ständige Redensart dieser alten Kämpfer ist: So haben wir uns den nationalen Sozialismus nicht vorgestellt." So ist die SA. ein großes Sorgenkind der Nazibewegung geworden