Luftabkommen der Generalstäbe?

Das offizielle Dementi

1934.

Paris  , den 14. November 1934. " Paris Midi" hat gestern einen aussehenerregenden Bericht über ein angebliches Geheimabkommen zwi­schen Frankreich  , Großbritannien   und Belgien   veröffentlicht. Es soll sich im Vereinbarungen zur gemeinsamen Aktion der Luftflotte der drei Länder im Kriegsfalle handeln. Nach der Mitteilung des Blattes sollen nach diesem Abkommen für die englischen Bombengeschwader Luftflottenstüßpunkte auf franzöfifchem und belgischem Boden errichtet werden.

insbesondere unter dem Eindruck der Ereigniffe des 25. Juli in Wien   erfolgt.

Es muß auch daran erinnert werden, daß vor dem Weltkriege ähnliche technische militärische Abmachungen zwischen England und Frankreich   bestanden haben, die dann zwangsläufig zum Eintritt Englands in den Weltkrieg ge­führt haben.

Wie Paris Midi" weiter zu melden weiß, sollen für den Zuspitzung durch die Saarirage

Fall, daß eines der drei Länder, die dieses militärische Luft­übereinkommen abgeschlossen haben, angegriffen wird, die beiden anderen Länder unverzüglich mit ihren Luftflotten das andere angegriffene Land unterstützen. Zu dem Zweck, eine schnelle Operation vieler Geschwader ohne Zeitverlust zu gewährleisten, seien Dellager und Ersagteile für Kriegss flugzeuge aller drei Staaten vorbereitet worden. Dieses " Luftverteidigungsbündnis" sei von dem verstorbenen Mini­ster des Auswärtigen Barthou im Juli d. J. vorbereitet worden, als er zu Besprechungen über den Abschluß eines Ostlocarnos in London   weilte. Die legten Punkte seien dann zwischen General Weygand und dem englischen Generalstab geregelt worden, als der Generalstabschef nach England hinüberfuhr, um den Rennen zu Ascot   beizu= wohnen. Damals wurde der Besuch als rein privat hinge­stellt. Der Erfolg sei jedoch der Abschluß dieses Luftvertei­digungsabkommens.

Von englischer und französischer Seite werden diese Ent­hüllungen des Pariser   Blattes fategorisch demen­tiert, wobei betont wird, daß ein derart wichtiges Ueber­einkommen zwischen den Generalstäben der drei Länder hätte unmöglich ohne Billigung der in Frage kommenden Regierungen abgeschlossen werden können. Troß dieses De­mentis muß hervorgehoben werden, daß die Enthüllungen des Paris Midi" eine gewisse Wahrscheinlichkeit haben. Man erinnert sich, daß unmittelbar vor dem bekannten Be­such Weygands in London   Stanley Baldwin   seine bekannte Erklärung im Unterhaus abgegeben hat, in der er in überraschender und sehr nachhaltig wirkender Formulie rung feststellte, daß angesichts der Entwicklung der Luftwaffe die Grenzen Englands heute nicht mehr an dem Kreidefelsen von Dover, sondern am Rhein   gelegen seien. Diese sensa­tionellen Erklärungen Baldwins, die er am 31. Juli abge­geben hat, sind, wie in verschiedenen maßgebenden europä­ ischen   Zeitungen hervorgehoben wird, vermutlich unter dem Eindruck der Ereignisse des 30. Juni in Deutschland   und

Zürich  , 14. Nov. Die Neue Zürcher Zeitung  " schreibt in einem Artikel zu den Enthüllungen des Paris­Midi" u. a. folgendes:

Der Standpunkt Frankreichs   in der Saarfrage ist jedoch von Laval unerschütterlich behauptet worden, und da in die­sem und vielleicht noch in weiteren Fällen von vornherein eine Uebereinstimmung über die Rechtslage zwischen Frank­ reich   und England und ein Gegensatz zu Deutschland   besteht, befindet sich England in diesen Fällen als Garant von An= fang an an der Seite Frankreichs  . Von deutscher   Seite ist daher in den letzten Tagen gegenüber England wiederholt der Vorwurf der Parteilichkeit erhoben und der Verdacht ausgesprochen worden, daß es sich Frankreich   politisch ver­bunden fühle in einem Grade, der sein normales Funktio­nieren als Garantiemacht im Rahmen des Locarnopaktes in Frage stelle oder unmöglich mache. Gerade solche deutschen  Beschwerden können die Vermutung über militärische Ab­machungen genährt haben, und wenn die konkreten Behaup­tungen des Paris- Soir" auch mit äußerster Stepsis auf­genommen werden müssen, so leisten sie doch heute der fran­ zösischen   Politik immerhin den einen Dienst, die deutsche  Diplomatie in dem Augenblick, in dem Ribbentrop   in Lon don einen neuen Vorftoß versucht, durch den Hinweis auf das weitgehende Einverständnis zwischen England und Frankreich   zu entmutigen. In diesem Zusammenhang er­scheint es als einer der größten Nachteile der auswärtigen Politik des dritten Reiches", daß Deutschland   zu allen Ver­trägen in einem negativen Verhältnis steht und damit den früheren Mittler" England immer mehr als Garanten an die Seite des in seinen Rechten angegriffenen" und die Ver­träge verteidigenden" Frankreichs   awingt. Wenn diese Kon­ſtellation und mit ihr der Locarnopaft allmählich erstarrt, besteht natürlich die Gefahr einer bündnismäßig einseitigen Entwicklung, für die das Gerücht über die militärischen Ab­machungen zwischen Frankreich  - Belgien   und Großbritannien  charakteristisch ist."

Ribbentrops Londoner Mission gescheitert

Die englische Regierung verweist auf den Völkerbund

London  , 14. Nov. Auf Grund der Unterredung zwischen Ribbentrop   und Lordsiegelbewahrer Eden ist der Presse fol­gendes Kommunique übergeben worden:

Infolge einer von der deutschen   Botschaft verlangten Audienz ist Ribbentrop   am Montagnachmittag von Eden empfangen worden. Die Unterredung dauerte drei Viertel­stunden. Im Laufe der Unterredung machte Ribbentrop  feinen neuen Vorschlag und die Besprechung hat feinen neuen Faktor ergeben."

Paris  , 14. Nov. Havas meldet aus London  : Troß allen vorherigen Gerüchten, die von einigen Zeitungen wieder­gegeben wurden, hat der Besuch Ribbentrops im Auswär­ tigen Amt   kein neues Element hinsichtlich der diplo­matischen Lage Deutschlands   gebracht.

Im Laufe der Unterredung mit Eden ist die Rückkehr Deutschlands   an die Abrüstungs- Konferenz vom Sonderbevollmächtigten Hitlers   in keiner Weise ins Auge gefaßt worden.

Es besteht Grund zu der Annahme, daß Ribbentrop   ver­sucht hat, die deutsche Wiederaufrüstung durch die Kriegsrüstungen der benachbarten Län der zu rechtfertigen; sein Unterredungspartner dürfte sich formell gegen eine solche Argumen= tation erhoben haben.

Dadurch, daß die britische   Regierung den Vertretern des Reiches von einem englischen Minister empfangen ließ, der in den Genfer   Fragen spezialisiert ist, wollte sie zeigen, daß jegliche Verhandlungen in bezug auf das mili= tärische Statut Deutschlands   nur im Rah­men des Völkerbundes stehen könnten. In englischen politischen Kreisen wurde am Montagabend erklärt, daß Ribbentrop   diese Frage nicht angeschnitten habe, weil er das offenbar fühlte.

Warnende französische Stimmen

"

Paris  , 13. Nov. ag.( Havas.) Einem Mitarbeiter der Zei tung' Ordre" sagte der ehemalige Ministerpräsident Doumergue  : Das dritte Reich  " bedeutet im Grund nichts anderes als den Anschluß. Hier liegt die große Gefahr. Deutschland   hat auf keine seiner Forderungen verzichtet. Es

Große Mehrheit für Flandin

423 gegen 118 Stimmen für die Regierung

Paris  , 13. Nov. Das Kabinett Flandin   stellt sich am Diens­tagnachmittag der Kammer vor. Ministerpräsident Flan= din erklärt u. a.: Der Burgfrieden hält an. Frankreich   will den Frieden. Der Frieden ist eine ständige Eroberung; er stützt sich auf die Stärke und die Gerechtigkeit. Wir wollen start jein gegenüber denjenigen, welche den äußeren oder inneren Frieden trüben möchten. Wir werden unsere Bünd­nisse und Freundschaften entwickeln. Wir werden die Landes­verteidigung stärken. Und wir werden im internationalen Recht die Gerechtigkeit durch den Völkerbund suchen, der für die tödlich getroffenen Kriegsteilnehmer die Hoffnung einer Kompensation für ihre Opfer bleibt.

Wir werden die Republik   gegen alle revolutionären oder diktatorischen Unterfangen verteidigen.

Das Staatsorgan ist ein umfassendes und notwendiges Werk, von dem das Schicksal des Regimes abhängt. Die Or­ganisation der Dienste der Ministerpräsidentschaft wird in wenigen Tagen eine vollendete Tatsache sein, wenn Sie darin einwilligen, die notwendigen Kredite zu bewilligen. Damit wird dann die unbedingt notwendige Befehlseinheit in der Regierung gewährleistet werden.

Wir ersuchen Sie alle aber hauptsächlich, den Burgfrieden zu respektieren. Gewiß erscheint uns der Wetteifer der Par­teien bei der Suche nach dem Staatswohl normal in einer freien Demokratie; doch sind die Verhältnisse zur Zeit anormal.

Nach einer langen Debatte verlas der Kammerpräsident eine von dem Abgeordneten Laurent- Eynac  , Delbos und Barety eingebrachte Tagesordnung, die die Erklärungen der Regierung billigt und ihr das Vertrauen ausspricht. Die Redner der verschiedenen Fraktionen nehmen zu dieser Tà­gesordnung Stellung, wobei Leon Blum   im Namen der Sozialisten, die sich während einer Sigungspause entschlossen hatten, gegen die Regierung zu stimmen, erklärte, die So= zialisten seien stolz darauf, den Versuch persönlicher Macht­haberei aufgedeckt zu haben. Jezt at me die Republik wieder auf. Man sei wieder auf dem Boden des parla­mentarischen Regimes angelangt, aber auf diesem Boden werde die Regierung auf den Widerstand der Sozialisten stoßen, weil diese der Ansicht seien, daß die Regierung gegen die unistürzlerischen Verbände der Rechten nicht neutral sein dürfe.

Der Neosozialist Renaudel erklärte im Namen seiner Partei sowie der Sozialrepublikaner, daß sie sich der Stimme enthalten würden.

Mit der riesigen Mehrheit von 423 gegen 118 Stimmen sprach sich die Kammer für die Regierung aus. Gegen die Regierung stimmten die Sozialisten und ein Teil der äußer sten Rechten.

Der Fall des Elsässers Küstner

Berlin, 13. Nov. Wir haben bereits berichtet, daß der französische   Staatsangehörige elsässischer Abstammung, Franz Küstner, von dem Sondergericht in Germersheim   zu schwerer Gefängnisstrafe verureitlt wurde, weil er angeblich nach Deutschland   illegale Schriften hinübergebracht hat. Die fran­ zösische   Botschaft in Berlin   gibt nunmehr bekannt, daß sie bei den deutschen   Behörden schon seit einiger Zeit Schritte zur Befreiung Küftners unternommen habe.

lauert auf den Augenblick, wo es Desterreich und damit ganz Europa   unter seine Gewalt bringen kann. Beim ersten Schwächezeichen wäre der Anschluß da. Unsere italienischen Freunde verstehen das sehr gut. Ich wiederhole noch ein­mal, der Anschluß ist die große Gefahr."

" Petit Parisien" schreibt zu den Besprechungen zwischen Lordsiegelbewahrer Eden und Ribbentrop n. a.: In England weiß man sehr gut, daß Deutschland   sich bereits von den militärischen Klauseln des Versailler Vers trages freigemacht hat, aber man scheint nicht gewillt zu sein, diese anormale Lage gleichsam zu legalisieren. Deutschland  hat den Völkerbund wegen der Frage der Rüstungsgleichheit verlassen. Wenn es die Diskussion über die Angelegenheit erneut aufnehmen will, muß es vorher wieder in den Böl­kerbund zurückkehren.

Plarrer Niemöller Ein offener Brief

Rings um den Kirchenstreit

Seit einer Woche hat es den Anschein, als bemühe sich die Bekenntniskirche, den Deutschen Christen  " den Rang abzulaufen in der Gunst der Reichsregierung. In Ueberein­stimmung damit heißt es, daß Sie ersehen seien, im Auftrag der Reichsregierung auf die Saarländer   zu Hitlers  Gunsten einzuwirken.

Mann Gottes, wissen Sie denn, wohin Sie die Saarländer  führen sollen? Werden Sie in der Tat einen solchen Auftrag annehmen? Soll das Ansehen, das die Bekenntnisbewegung genießt, dazu mißbraucht werden, die Sache des Antichrist zu stärken, kurz gesagt? Jits nicht genug, daß ihr alle schweigt, schmählich schweigt, da wo zu reden nötig wäre, noch nötiger als in Sachen der Konfession? Oder glauben Sie wirklich, daß der Herr Jesus   so sehr viel Wert legt auf die Ronfession seiner Göttlichkeit und der ihm allein zustehenden Leitung der Gewissen, wo es an der Menschlichkeit fehlt?

Ihren Bekennermut in allen Ehren, antworten Sie mir als ein Christ dem Christen der seinen Namen verschwei­gen muß, um auch nur die Möglichkeit zu diesen Zeilen zu haben, angesichts der von Ihrem Führer" geschaffenen Zustände antworten Sie mir, wie es sich mit Jesu Evange­lium von der Feindesliebe verträgt, daß die deutsche Kirche, ob evangelisch oder katholisch, schweigt zu den allen bekannten Morden, Grausamkeiten und Gemeinheiten an Juden, Halb­inden, Sozialisten, Kommunisten und Pazifisten, denen nie­mand eine andere Schuld vorwerfen fann als ihre Abstam mung oder Gesinnung? Sind das feine Märtyrer, bloß weil cs feine Christen sind? Nicht zu reden von den ermordeten Katholikenführern! Mögen gleich Pfarrer verhaftet und entsetzt worden sein, so ist doch nichts bekannt geworden,

Die ganze Welt flagt die Reichsregierung der Brandstif= tung und des Mordes an, sie hat sich von diesen Anklagen nicht gereinigt und kann es nicht. Mögen die andern Regie­rungen schweigen und durch ihr Schweigen sich mitschuldig machen an der nahenden Barbarisierung ganz Europas  die Kirche kann und darf da nicht zusehen. Sie muß reden. Sie ist von Christus eingesetzt als das moralische Gewissen der Welt. Aber sie schweigt, schweigt keineswegs nur in Deutschland  , oder begnügt sich mit einer gewissen Rücken­deckung für die bekennenden evangelischen Brüder. Verein­zelte Kundgebungen sind nicht die Stimme der Kirche oder, da diese ja keine Einheit ist, der großen firchlichen Gemein­schaften. So könnte auch sie der Fluch Gottes treffen, der die Klagen der Gemarterten hört, troß allen Bekennertums. Und eher wird sich Gott   eine ganz neue Kirche auferbauen, als mit dieser lau gewordenen noch weiterarbeiten, wenn sie so bleibt.

Noch einmal: Wollen Sie wirklich der Hitlerei Dienste tun? Wissen Sie nicht, was nach einem Siege Hitlers   an der Saar   der Kirche droht? Heute hält er sich noch zurück aus Taktik und läßt die entzweiten evange= lischen Brüder sich gegenseitig mürbe machen. Aber der Gegensaß der Weltanschauungen bleibt. Noch immer ist Rosenberg der geistige Leiter der Hitlerpartei. Mag Müller gehen, da er seine Sache so schlecht gemacht hat, mag der Staat sich eine Weile an der Kirchenfrage desinteressieren, er wird dann um so schärfer zufassen, sobald die Dinge reif geworden sind. Und sie müssen reif werden, weil die Jugend bewußt heidnisch erzogen wird, traft Staatsbefehls.

Nein, Bekennertum ist anders. Wenn die Kirche si wirf­lich Bekennen will, dann gibt es für fie, für alle, nur eins: wider Hitler  !

was an das Martyrium iener Nichtchriften oder Laien Militärpfarrer Müller

christen heranreichte. Und wenn die Bolschewisten noch ärger mit den russischen Christen verfuhren, entbindet das die deutsche Kirche, sich der von der deutschen   Ticheka Verfolgten anzunehmen? Warum zeigt sie nur Bekennermut, wo es sich um ihr Bekenntnis handelt? Ist das Leben, die Ehre und die Arbeit der Unschuldigen nicht höher zu achten als aller Preis der Lippen und alle Dogmatik? Heißt das Gott ehren, an der Augsburger   oder welcher Konfession immer festhalten, aber zusehn, wie das Reich der Ungerechtigkeit wächst, Tag für Tan, ein ganzes Volf moralisch versucht wird, zur Gleichgültigkeit gegenüber dem Unrecht und zur Brutalität. zum Menschenhaß und aur Lüge erzogen?

Salander schreibt in der Basler National- Zeitung". Der Reichsbischof Ludwig Müller hat nach ernster innerer Prüfung" erkannt, daß er nicht von seinem Amte zurück­treten könne, weil sein Ausscheiden aus der Kirche nicht den Frieden, sondern neue Unruhen bringen würde. Er hat sich mit seinen treu gebliebenen Landesbischöfen und Bischöfen beraten, und diese tetlen seine Gewissensbedenken.

Dies der Inhalt des in seiner Art erschütternden Schrei­bens, das der sonderbare geistliche Würdenträger nach all den für seine Autorität und sein Anschen tödlichen Greig­nissen der letzten Woche als Antwort an die angesehenen

kirchlichen und religiösen Körperschaften gerichtet hat, die einstimmig seinen Rücktritt forderten.

Ob man diesen Brief als fast sympathisches Zeichen der ahnungslosen Naivität des Reichsbischofs ansehen will oder als Ausdruck eines zähen und von keinerlei Be­denken der Wahrheitsliebe gehemmten Geltungswillens, ist weniger wichtig als die nunmehr unzweifelhafte Tatsache, daß ohne ein langwieriges Prozeßverfahren die Entfernung dieses verhängnisvollen Menschen aus der Kirchenleitung nicht mehr erreichbar erscheint. Es bestätigt sich damit, daß die Kirchenfrage, über deren staatskluge Entscheidung durch Hit­ ler   schon gewagteste historische Vergleiche bemüht worden sind, noch sehr weit von ihrer Lösung entfernt ist.

Es ist schade, daß der Reichsbischof erst so spät sich über Frieden und Unruhe der Kirche sorgenvolle Gedanken macht. Wenn das geschehen wäre, bevor er sich von der Staats­leitung gegen den Willen aller religiös lebenden Elemente der Kirche hatte aufdrängen lassen, jo hätte viel Unheil ver­hindert werden können. Daß er sich für seine heutigen Be­denken gegen den Rücktritt noch ausdrücklich auf die 3u= stimmung jener Bischöfe beruft, die er als Gesinnungsge­nossen von derselben mehr stramm unbeschwerten als prie= sterliche Haltung seinerseits so rücksichtslos der widerstre­benden Kirche aufgezwungen hat, ist bezeichnend. Diese Zu­stimmung ist nicht weiter erstaunlich.

Man wird dem Reichsbischof freilich zubilligen müssen, daß er nach seiner ganzen Geistesart kaum empfinden kann, wie fehler am Plate ist. Seine Aeußerungen verraten in jedem Wort ein vollkommenes Fehlen tieferen religiösen Gefühls. Wer wie er seinen Gläubigen verkünden kann: Am Karfreitag hat sich die schonungslose Sachlichkeit un feres Gotten geoffenbart", offenbart feinerseits ein derartig völliges Unverständnis der Sehnsucht des religiösen Men= schen und gleichzeitig eine solche rein sachliche Gefühlsstumpf­heit, daß er sich selbst das Urteil spricht.

Die Einigkeit der Kirche, wie sie sich ein alter Militär­pfarrer vorstellt, haben die religiösen Deutschen   nun unter Schmerzen und Staunen kennen lernen können und werden, wie es scheint, noch graume Zeit sich damit ausein­andersetzen müssen. Daß es darüber noch eine höhere und echtere Einigkeit gibt. und daß jene hohle, äußere Zwangs­einheit gerade die Sehnsucht nach fener höheren wecken kann, beweist die eigenartig ergreifende Nachricht aus Berlin  , daß in den dortigen katholischen Kirchen für unsere evangelischen Brüder in ihrem schweren Kampf" priesterliche Fürbitte getan wird.

Ter unsinnige Totalitätsanspruch erweist fich am Ende auch hier als zugehörig zum Bereich jener Straft die stets das Böse will und stets das Gute schafft".