Deutsche   Stimmen Beilage zur Deutscien Freiheit

Freitag, den 16. November 1934

Thomas Manns Josephs- Roman

Gedanken und Bemerkungen

Thomas Mann   wohnt nicht mehr in Deutschland  . Nicht grade, daß ihn sein Vaterland und sein Mutterland ver­trieben hätte. Das braune Schrifttum begnügt sich damit, den größten deutschen Romanschriftsteller und Nobel- Preisträger mit Geringschätzung zu behandeln. Für sie ist Thomas Mann  ein Bestandteil der liberalistischen und intellektuellen Aera, in der sich der Reichtum des Geistes mit der höchsten Ver­antwortung vor der Sprache verständigt hatten.

Grade in den letzten Jahren war Thomas Mann   vor den Braunen Aufbrechern besonders stark belastet. Er hatte im Chaos der Gedanken und der Ideen, in dem die Demagogen ihre Geschäfte zu treiben begonnen hatten, immer wieder seine Gläubigkeit zur heiligen und ewigen Vernunft bekannt. Wenige Monate vor dem Anfang des ,, dritten und tausend­jährigen Reiches" Adolf Hitlers   war er bekennerisch an die Seite der sozialistischen   Politiker getreten. Er hatte die Marotte beim Menschheitswert der Demokratie zu verharren, bei der Gleichheit alles dessen, was Menschenantlity trägt im Geiste der Klassiker Kant   und Fichte. Es scheint, daß er diesen erlebten und eroberten Standpunkt zeitlebens be­halten will, weil er ohne ihn nicht zu existieren vermag.

Die ersten zwei Bände seiner großen Josephs- Trilogie sind erschienen. ,, Die Geschichten Jakobs" und Joseph und seine Brüder  ". S. Fischer- Verlag, Berlin  . Es sind sehr umfangreiche Bücher. Man darf gestehen, daß es einige Anstrengungen kostet, um sich in der Wirrnis von heute in das Reich der biblischen Gleichnisse zu begeben. Thomas Mann   war selber auf diesen Einwand gefaßt. Er widerlegt ihn mit einem schönen Bilde. Man müsse, so sagt er. in den Brunnen der tiefsten Tiefe aller Zeiten hinab­steigen, um zu erkennen, daß die Wahrheit von einst immer. noch nach Erfüllung in den Wahrheiten von heute sucht, so sehr sie auch zertreten und geschändet würden.

Wir nehmen jedoch keine Rechtfertigung an, es sei denn, daß sie durch das Werk selber bestätigt wird. Wer endlich zu lesen begonnen hat, der trennt sich nicht wieder von diesen Büchern Thomas Mannns. Nicht etwa, daß Thomas Mann   die schlichten Sätze der Bibel zu einer prunkvollen Legende mit dramatischen Steigerungen erhebt. Es ist nur eine neue Gestaltung, gesehen mit einem großen Herzen in der Liebe zu den menschlichen Anfängen und den menschlichen Be­stimmungen

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Vielleicht werden die Bücher Thomas Manns   einmal in der Reihe der großen revolutionären Doku­mente stehen. Denn die allererste Revolution war der Auf­stand des Glaubens an den einen einig- einzigen und unsicht­baren Gott, der unter Israel   geboren wurde. Dieser Glaube

er hat nicht nur die Götzen und die Bildwerke vernichtet, sondern auch die Verantwortung der Menschen unter ihres­gleichen geschaffen, mit dem Gewissen zur Rechtfertigung für alle Handlungen der Güte und der Niedrigkeit. Von hier an resultiert das Bewußtsein des Menschenwesens, das seine Sprengkraft bewahrt und bewährt bis auf den heutigen Tag und immer wieder selbst die imaginären tausendjährigen Reiche erschüttern wird.

Kern der Dichtung von Thomas Man  . Sieht

Hier liegt der Kern der Dichtung von Thomas Mann  . Sieht man ihn so, dann schwinden die Bedenken, und niemand wird gegen den Schöpfer dieser großen Bücher den Vorwurf erheben können, daß er sich seiner Verpflichtung zum, Zeit­roman" entzogen habe. Diese Bücher wurden geschrieben über diese Zeit hinaus.

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Wir verharren nur kurz beim Inhaltlichen und Formalen. Jizchak, Enkel des vorzeitlichen, schon sagenhaft fernen Mann aus Ur- Abrahams, des Mondwanderers, hat dem nach­geborenen Sohne Jacob seinen Segen auf den Weg vom Elternhaus fort gegeben. Jakob dient bei seinem Oheim Laban jahrzehntelang als Knecht. Er dient um die Hand der Rahel  ; aber unter dem zum Schicksal werdenden Braut­schleier der Geliebten schickt ihm der Vater die ältere Tochter Lea   ins Gemach. Wiederum muß sich Jakob ver­dingen, bis er endlich ,, die rechte" Rahel heimführen darf. Die Geburt Josephs und Benjamins, der Tod der geliebten Rahel  , Jacobs Trauer: damit beginnt der zweite Band..Joseph und seine Brüder  ". Joseph und die zehn wilden und ungebärdigen Söhne und Mägde, die den Stämmen Israels   den Namen ge­geben haben, werden durch die Kunst des Dichters vertraut und nahe. Bis zum tragischen Ende: jener Schleier Rahels entzündet den Neid der Brüder wider Joseph, bis sie ihn in den Brunnen werfen. Seine Rettung und die maßlose Trauer Jakobs um den scheinbar von Löwen Zerrissenen beschließen den zweiten Band.

Aber was bedeutet der Hergang, für jeden bekannt und nachzulesen im Alten Testament  ! In die legendären Ge­stalten versenkt sich ein Dichter, und es ist Thomas Manns  Zauber und sein Wunder, daß wir hingerissen sind von ihrer Einfachheit und ihrer Bedeutung. Um so schlicht und so klar zu schreiben; wie gründlich und wie lange muß Thomas Mann   dieses Werk geplant und vorbereitet haben, bis zum sehr exakten Studium der Kultur und der alltäg­lichen Gebräuche jener biblischen Epochen. Er zeigt seine Schätze jedoch nicht gleiẞnerisch einem bewundernden Leser. Sie sind in Handlung und in Leben aufgelöst, vor allem aber im Gespräche, die Thomas Mann   hier zu vollendeter Höhe führt.

Wirklich kein Zeitroman? In den Unterhaltungen zwischen Jakob und seinem alten geweihten Diener Eliezer ist das Ringen um Gottnähe enthalten, das heutige Menschen bewegt. Hören wie Josephs Klagerufe aus dem Brunnen wider die grausamen Brüder, seine Abkehr von leichter Gefallsucht, seine Ablösung vom körperlichen Schmerz zum großen und gerechten Erkennen der Aufgabe, so vernehmen wir in allem Thomas Mann   selber. Hier ist seine Stellungnahme zu den Ereignissen in seinem und in unserm Lande beschlossen. Der Geist steht auf wider die wilden Brüder. Wir ahnen und wir glauben an seinen Sieg. Das ist die Erhellung, mit der uns Thomas Mann   entläßt. Darum hat er recht daran getan, auf seinem großen Vor­satze dieser Bücher zu verharren und sie zu vollenden, als Deutschland   entstellt und geschändet wurde.

Pg. Wolkersdörfers Mixer

Met oder Cocktail?

Wie kommt Cocktail und Hakenkreuz zusammen? Cocktail riecht keineswegs nach Blut und Boden. Cock­tail riecht nach Laboratorium. Cocktail wird in Bars und Dielen gekippt, wo nicht ,, heldische blauäugige Arier" sitzen, sondern verdächtige liberalistische Nichtarier" um Frauen des dunklen( Mittelmeer  -) Typs gieren( nach der Berliner Wochenschrift für Rassenkunde": mit langem Oberkörper, kurzen Beinen, schwarzen Haaren, Hakennase, reichlichem Haarwuchs und Neigung zur Fettsucht). Cock­tail ist geradezu ine jüdische Erfindung, um das deutsche  Volk zu entsittlichen und zu verderben. Cocktail erscheint als das genaue Gegenteil dessen, was sich als zackige nationalsozialistische hupp! Weltanschauung gibt. Haben etwa die alten Germanen Cocktail getrunken? Sie haben Met aus Auerochsenhörnern in den Schlund ge­gossen, und die arischen Edelinge aus Hitlers Heerbann machen es ihnen nach. Eins, zwei, drei gsuffa! Ehedem einmal schwelgte Jüngstdeutschland in Cockta und Bar- Lyrik. Etwa:

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Geliebte, komm mit in die Bar!

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Der Mixer sagt uns den geheimsten Tip, und himmlisch, überirdisch steht dein Haar zur Rötlichkeit des Sherry- Brandy- Flip. Wer heute solche Verse verzapfte, verschwände im Kon­zentrationslager, und auch der Gilde der Bar- Mixer ist nicht anzuraten, sich im dritten Reich" allzu mausig zu machen. Aber wie wird uns? Frankfurt   a. M. erlebte dieser Tage einen Internationalen Barmixer- Kon. greß mit Cocktail- Turnier, bei dem 170 neuc

Hersbruck   von Juden frei Eine Denkmalinschrift

Hersbruck   in Franken ist der erste Kreis ,, der sich stolz rühmen kann, von Juden vollständig frei zu sein. Dieses historische Ereignis im Gau   Streicher muß natürlich nach gutem Nazibrauch gefeiert werden. Dieses Denkmal trägt die Inschrift: ,, Den gefallenen Freiheitskämpfern zur Chre! Den Lebenden zur steten Mahnung! Die Einheit und

voran!

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Rezepte, davon erwachtes Deutschland   in der Welt 80 von deutschen   Mixern ausgeknobelt wurden. All das unter innigster Anteilnahme der Nazi- Oberbonzen, die trotz der germanischen Erbmasse im Blut" nicht nach Met, sondern nach Cocktail riefen. Cocktail erschien ihnen als das einzig Wahre. Pg. Linder, Bürgermeister von Frankfurt  , begrüßte die Mixer aller Länder und schloß seine Ansprache ,, mit der Hoffnung, daß auch durch diese Veranstaltungen das wahre Gesicht Deutschlands   gerechter gewürdigt werde, um so mehr, als Deutschland  , wie jeder sich habe überzeugen können" beim Cocktail- Turnier!

..ja nur den Frieden wolle". In die gleiche Kerbe hieb Pg. und MdR. Wolkersdörfer, Reichsleiter der Betriebsgemeinschaft Nahrung und Genuß, und dann ant­worteten die ausländischen Mixer und sagten nach der gleichgeschalteten Presse, sie hätten auch vielfach Ge­legenheit gehabt, sich von der Unrichtigkeit dessen zu überzeugen, was sie in ihrer Heimat über Deutschland  gehört und gelesen hätten", nämlich daß die Nazi- Bonzen nur Met aus Auerochsenhörnern söffen. Zum Schluß stieg,

A

Ereignisse und Geschichten

Mit den Besiegten

Aus einer Waldbetrachtung der..Pommerschen Zeitung". Preist ihr den Heldenlauf der Sieger, schmückt

sie mit dem Ruhmeskranz, Euch dran zu weiden ich will indessen, in den Staub gebückt, Erniedrigung mit den Besiegten leiden. Geringstes Volk! verpönt, geschmäht, verheert und bis zur Knechtschaft in die Knie gezwungen du bist vor jedem stolzeren mir wert,

als wär mit dir ich einem Stamm entsprungen! Heiß brennt mich Scham, wenn das Triumpfgebraus dem Feinde Fall und Untergang verkündet, wenn über der Zerstörung tost Applaus und wilder noch die Machtgier sich entzündet. Weit lieber doch besiegt sein, als verführt von eitlem Glanz und wenn auch am Verschmachten, und ob man gleich den Fuß im Nacken spürt den Sieger und das Siegerglück verachten!

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Hedwig Lachmann  - Landauer f

Das dichtende Blut Es quillt aus der neuen Kunst

Auch in der Literatur des dritten Reiches" regiert die Urgroßmutter. Nicht nur, weil aus ihren Zeiten die Stoffe bezogen werden, sondern weil sich die Autoren mit ihr legitimieren müssen, namentlich wenn sie irgendwie ver­dächtig sind. Zu diesen gehört Gottfried Benn  , der expressionistische Lyriker, der sich einst vom linken Lager protegieren ließ. Nun möchte der Asphaltdichter völkisch lernen, aber er kanns nicht recht erdichten und man glaubt es ihm nicht. Also raus mit der Urgroßmutter! Er läßt ein kunsthistorisches Buch erscheinen, in dem er zunächst seine arischen Ahnen aufweist und sich um den Nachweis seiner rassichen Integrität bemüht", wie man in Kritiken der gleichgeschalteten Presse liest. Dann bekennt sich Benn  zum Expressionismus und bringt Namen bei, die beweisen sollen, wie völkisch diese verrufene Richtung sein könne. ,, Am Ende herrscht etwas wehe Stimmung in Benns Buch", was wir verstehen, denn die braune Konkurrenz will ihn nun mal nicht dulden, mag er seine Urahnen noch so de­monstrativ ausbuddeln.

Aber er steht nicht allein, auch andere,.Dichter" lassen die Ahnen noch einmal für den Urenkel zeugen. Die junge Bühne"( Theater am Nollendorfer Platz, Berlin  ) hat ein Blubostück von einem Matthiesen urauf­Erde", geführt:: ,, Heilige selbstverständlich. Marke: ..Echtes Brauchtum". Herr Diegenschmidt, der seine Dramen vor Jahren gern den unvölkischsten Verlagen und Theatern anbot, beschwert sich im Berliner Tageblatt als Rezensent über den unbäuerlichen Kitsch seines Kollegen und über sein unlauteres Geschäftsgebaren, denn wie Benn  , so wartet auch Matthiesen mit einer Ahnentafel auf und sagt von seinen Dichtungen aber lassen wir den Kritikus reden:

er habe sie ganz aus dem Tiefsten des deutschen Volkstums heraus" geschrieben, ganz aus Strom deut­schen Blutes", ,, aus dem Ahnenerbe". Er beruft sich darauf, daß seine Ahnen bis ins graue Mittelalter hinauf nordische Seefahrer und niederdeutsche Bauern"

waren.

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Warum soll er nicht? Wenn Rassenprofessor Wirth aus seinem Erbinnern schließt, daß seine Urlinda richtig geht und die Wissenschaft falsch, warum soll nicht auch in der Kunst das Ahnenerbe an Stelle der Gestaltung ausschlag­gebend sein? Die Abstammung entscheidet und die, denen ein Blubo- Schmarrn mißfällt, leiden eben an minder­wertigstem Mischblut. Diesen schwachen Punkt entdeckt auch Dietzenschmidt, der den Wikingersproẞ Matthiesen an­donnert, seine alten Seefahrer müßten sich eben dieses der Kritiker muß sich Theaterstückes schämen, wie sich legitimieren ,, wie sich das Blut meiner Vor fahren, die väterlicherseits allesamt bis in die Vorzeit hin Bauern waren, zornig gegen die Verfälschung der deut­schen Bauerngestalt aufbäumte..." Womit er sich unauf­dringlich und zart dem Wohlwollen des Hakenkreuzes empfiehlt. Die Konkurrenz aber wird fragen, warum Diegenschmidts Stimme des Blutes nicht aufschrie, als er sich einst von Juden und Marxisten protegieren, von Linksblättern drucken und dem linken Lager zuzählen ließ. Die fluchwürdigen liberalistischen Honorare hatten offen­bar selbst für ein urwüchsiges Erberinnern etwas Be­täubendes.

Und all dieser Mumpit, diese Dispute aus dem Irren­haus das wird jetzt in Deutschland   gedruckt, gespielt, diskutiert und bezahlt. Man würde es nicht glauben, läse Gregor. mans nicht schwarz auf weiß.

wie es sich gehört, das Horst- Wessel- Lied. Horst Wessel   Sozialismus der Tat

und Bar- Mixer gesellt sich gern.

Halt, fast hätten wir vergessen: Pg. und MdR. Wolkers­dörfer, der Mann von Betrieb, Nahrung und Genuß, wurde auch zum Ehrenmitglied der Internationalen Bar- Mixer­Union" ernannt; das ist die Internationale, die dem Nazi wohlgefällt. Aber warum in aller Welt hat man es ver­säumt, den Führer" feierlich zum Ober- Ehren- und Ur­Mixer auszurufen? Er ist ja im Hauptberuf. Was Deutschland   kredenzte, war der Cocktail der Cocktaile; aus allen Giftküchen zusammengegossen, geschüttelt und ge­mischt bis zur Unkenntlichkeit, den Kritiklosen mundend und besoffen machend. Der Katzenjammer, der schon im Anzug ist, wird entsprechend sein.

er

Ehre zu wahren. Den Künftigen zum dauernden Gedenken an den Sieg der Wahrheit über die Lüge, an Deutschlands  Erhebung unter dem Führer und Kanzler Adolf Hitler  . Errichtet vom Kreis Herbruck der NSDAP  . im 2. Jahre des Dritten Reiches  , als Gauleiter Julius Streicher   seinen Titanenkampf gegen den Juden führte und unter der kraft­vollen Führung des Kreisleiters Georg Sperber   der Kreis Hersbruck  , die alte nationalsozialistische Hochburg, sich restlos zum Führer bekannte,"

Er marschiert mit Riesenschritten trotz aller marxistischen  Verleumdungen!

,, Denkt nur an, was bei uns im Betriebe sich ereignet hat: Bei einem Rundgang verliert der Direktor sein Taschentuch. Betriebszellenobmann Schleim bückt sich so­fort, aber der Direktor lächelt leutselig: Lassen Sie nur, mein Lieber!" und hebt sein Taschentuch allein auf. Sozialismus der Tat!"

..O, ist gar nichts! Da sollst Du mal in unsern Betrieb kommen! Bei uns hat der Prokurist im Zuge der bevölke rungspolitischen Maßnahmen den drei Kontoristinnen erb­gesunden Nachwuchs besorgt. Um sie nicht in der Aus­übung ihrer Mutterpflichten zu behindern, hat er dann allen dreien die Entlassung verschafft. Sozialismus der Tat!"

,, Imponiert mir nicht. Bei uns hat die Frau Direktor auf dem Kraft- durch- Freude"-Festabend mit dem Vorarbeiter getanzt. Und hinterher ist sie gleich gegangen und hat ein Bad genommen. Sozialismus der Tat!"

..Auf unserm Festabend ist es noch viel großartiger ge­wesen. Unser Chef war zwar persönlich am Erscheinen ver­hindert, aber die ganze Zeit über hat sein Einheits­Festanzug, Extraqualität, über den Garderobeständer gehängt, auf dera Ehrenplay gestanden," Muck&