Bedingungslose Unterwerfung oder Krieg

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,, Eines Nachts..."

Gespräche mit Deutschen

Ich will versuchen, Ihnen in groben Strichen das Bild der Wirtschaftsentwicklung oder richtiger: Wirtschaftsführung zu scichnen", fuhr der Handelsredakteur weiter.

Beginnen wir mit dem böswilligen Kaufstreit des Aus­Iands. 1933, in dem Jahr, wo die Empörung im Judentum und in der ganzen liberalistischen" Welt am hellsten loderte, merkt die Statistik noch nichts davon; einzig der russische Boykott ist wirksam, wird aber durch erhöhte Ausfuhr nach einigen andern Ländern ausgeglichen. Schacht übertreibt auch den Nachteil Deutschlands gegenüber den Ländern mit entwerteter Währung; er vergißt seine Scrips und seinen Sperrmarkhandel. Allerdings, man hätte gern eine scharf ansteigende Ausfuhrkurve gehabt, denn schon setzten auf den ausländischen Märkten die deutschen Großfäufe für die Rüstung ein. Aber daß ein Rückgang der Ausfuhr die Autarkie erzwungen habe, ist Propagandamärchen.

Gerade umgefehrt! Die Stüßung der Landwirtschaft zuerst und dann die weitere Binnenkonjunktur freiben die Preise in die Höhe, die von deutschen Einfuhrbeschränkungen Betroffenen Länder bedanken fich für die deutschen Erzeug­risse, deren Ruf auch noch durch die Verwendung von Ersatz­stoffen leidet. Nun freilich beginnt die Ausfuhr zu sinken, von Monat zu Monat schneller..."

" Aber damit hat Schacht doch gewiß gerechnet, und es müßte ihm sogar willkommen sein, wenn er dem Offen­barungseid über Devisenbesitz zusteuerte."

Aber damit hat Schacht doch gewiß gerechnet, und es müßte ihm sogar willkommen sein, wenn er dem Offen­barungseid über Devisenbesitz zusteuerte."

,, Sie müssen da scharf unterscheiden: die Reichsbank durfte wegen der Verhandlungen mit den Gläubigergruppen feine Devisen mehr haben; darum zahlte Schacht gleich nach Amtsantritt als Reichsbankpräsident den BJ3.- Kredit von 400 Millionen Mark zurück, den man ihm gerne weiter ge= stundet häfte, ließ im Ausland die durch seine Politik ent­merteten deutschen Schuldtitel billig aufkaufen usw. Aber in der Handelsbilanz sollten sich Ausfuhr und Einfuhr knapp die Wage halten, ohne einen Devisenüberschuß entstehen zu lassen, auf den die Gläubiger hätten Anspruch erheben können. Wenigstens so lange, bis alles für die Kriegsrüstung Nötige im Lande läge. Aber da zeigten sich die ersten Löcher in der Rechnung.

Die Verschärfung der Beziehungen zu Frankreich hat die Herren in Berlin mit jedem Tag, um den die Saar­abstimmung näher rückt, nervöser gemacht. Dazu kam der schlechte Ernteertrag, besonders an Futtermitteln. Von der Forderung Sombarts, daß mindestens eine Jahresernte im Vorrat liegen müsse, ift man noch weit entfernt. Wer an der Binnenkonjunk­tur teilbat, verliert die Lust zum Erportgeschäft mit seinen Devisenscherereien.

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Es beginnt das dramatische Weftrennen zwischen der stän­dig steigenden Einfuhr und der schwindenden Ausfuhr, dem wir jett atemlos zuſeben. Als alleiniger Devisenverteiler schafft sich der Staat ein

Außenhandelsmonopol,

das dem russischen verzweifelt ähnlich sieht. Die Jmporteure entbehrlicher" Waren erhalten schließlich nur noch 5 Prozent ihres früheren Bedarfs zugeteilt, wer aber Lebensmittel und friegswichtige Rohstoffe ins Land bringt, bis zu 100 Prozent, wenn nicht mehr. Amtlich wird die Steigerung der Einfuhr mit dem Rohstoffbedarf für die Arbeits­beschaffung begründet. Das ist Geflunfer: für die Straßenbauten und Erdarbeiten braucht man so gut wie feine ausländischen Rohstoffe.

Gleichzeitig fördert der Staat die Ausfuhr mit allen Mit­teln versteckter und offener Subvention. Die Exportmüdig­feit der Industrie wird öffentlich gebrandmarft. Die gün­ftigen Clearing abkommen benußt man, um sich auf 11mwegen Güter zu beschaffen, deren Ursprungsland bereits verschlossen ist, und erzielt damit die feineswegs unerwünschte Nebenwirkung, den eigentlichen Zweck des Clearings, für die ausländischen Gläubiger etwas herauszuholen, ad absurdum zu führen. Es entstehen neue Handelsschulden, die man ebenso wenig bezahlt wie die alten. Die Verträge werden immer furzlebiger; schon warnen Frankreich und Hol= land ihre Exporteure, nach Deutschland zu verkaufen. Bei der allgemeinen Krise fällt es nicht schwer, die einzelnen Länder gegeneinander auszuspielen und immer wieder Gelegenheiten zu Tausch- und Kompensationsabkom­men zu finden. Ich würde mich nicht wundern, wenn man jogar mit Sowjetrußland diplomatisch wieder anzubandeln versuchte.( Ist inzwischen geschehen. Der Verfasser.) Um Amerita gefügiger zu machen, spielt man mit dem Gedanfen einer Beschlagnahme des ge= famten jüdischen Vermögens in Deutschland , als Antwort auf den jüdischen Bontott, Bis fich einmal alle Länder der deutschen Einfuhr versperren, geht es noch eine gute Weile, und bis dahin inuß das nötigste im Hause sein."

Und dann? Hofft man im Ernst, ein paar Jahre lang in fajt völliger Autarfie durchzuhalten?"

Ehe ich Ihnen auf diese Frage antworte, noch rasch die Ergänzung des Bildes nach innen. Ich sagte schon, dent Wolf fommt in allen Schichten mit jedem Tag deutlicher zum Bewußtsein, daß es in einer Kriegswirtschaft lebt und arbeitet. Ein paar Ausschnitte:

Die Hausfrauen geraten vor den steigenden Preisen in der Erinnerung an Kriegszeit und Inflation in eine Hamsterpanit. Ihre Ehemänner aber, die die Zeitung lesen, fragen sich, wieso Lebensmittel, die man in Mengen wie nie zuvor einführt, in einer Zeit sinkender Lebenshaltung durch Busäße gestreckt werden müssen. Sie denken einen Augenblick nach und wissen Bescheid.

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Der sonst so gebätschelte Bauer, der unter der Snappheit der Futtermittel( verschärft durch den Ausfall in der Kartoffelernte) leidet, treibt sein Vich zum Schlachthof und muß es es wieder heimnehmen. Er fragt verzweifelt, ob er warten solle, bis cs abgemagert sei und ihm nichts

mehr dafür bezahlt werde. Man bedeutet ihm, daß eine zu rasche Verringerung des Viehbestandes die Versorgung mit Milch und Fett gefährde, und er dem Gemeinwohl zuliebe die neue Marktreglung abzuwarten habe. Auch er ist im Bilde.

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Ebenso der Metallindustrielle, den man zwingt, seine Waren, soweit irgend möglich, aus einheimischen Metal­len, besonders Aluminium, herzustellen, und der doch gestern in der Zeitung gelesen hat, welche Mengen man im letzten Monat von seinen gewohnten Rohstoffen eingeführt hat. ( Die Handelsnachrichten sind das einzige in unserer Presse, was noch nicht genügend gleichgeschaltet werden konnte.)

Vielleicht geht manchem auch ein Licht auf, warum man die Reichsautobahnen nicht durch Gegenden mit dürftigem Ver kehrsnes, sondern nach dem Westen führt und an die öster­reichische Grenze, die für Handel und Verkehr verriegelt ist! Anbau-, Förder-, Verhüttungsprämien spornen die Er­zeugung einheimischer Rohstoffe an; sieht man genauer hin, so erkennt man auf den ersten Blick: Kriegsbedarf. Wie fieberhaft und teilweise wirklich erfolgreich die chemische Industrie die Herstellung der Ersatzstoffe aufnimmt, wissen Sie. 3um Holzfaserstoff und dem Benzin aus hydrierter Braunkohle kommt nächstens noch das Fischer- Benzin aus Koks und der synthetische Kautschuf." ,, Da scheint man sogar an spätere Ausfuhr zu denken?" Das ist einstweilen noch Illusion, aber wer weiß! Schon jezt stört man damit die Kreise des Welthandels- auch ein Kampfmittel!"

Ein Fußtritt, mehr nicht. Die Amerikaner werden ihn faum mit einer Einladung an den grünen Tisch beantworten, um über Schuldenstreichung zu verhandeln. Wenn sie auch etwas weniger Baumwolle, Del und Gummi verkaufen, fön­nen sie doch erheblich leichter durchhalten als Deutschland , vor allem auch finanziell."

Sie wissen doch, man nennt Schacht das Veilchen ", das im Verblühen borgt. Unter der Anmut dieses Scherzwortes verbirgt sich ein fürchterlicher Ernst. Die Stüßung der Land­wirtschaft dürfte teine Kostenfrage sein; die Arbeits= beschaffung, sozusagen der Prüfstein des Regimes, wurde nicht der Wirtschaft, sondern der Landesver= teidigung dienstbar gemacht; mit den Kartellen der Rüstungsindustrie wurde erst recht nicht um Preise ge­feilscht; dazu kommen die Subventionen für den Export, seit die Scrips verschwunden sind. Ueberhaupt hat man sich die eiserne Sparsamkeit, die Preußen nach 1807 instand setzte, sein Krümpersystem" aufzubauen, nicht zum Vorbild ge­nommen. Die Beförderung von Volksmassen aus allen Gauen zu den großen Festen, die Aufmärsche usw. fosten nicht nur unzählige Arbeitstage, son= dern auch Unsummen an barem Geld. Von den fantastischen Bauplänen des Herrn Len haben Sie wohl ge­hört. Obwohl das Steueraufkommen dank der Binnenkon= junktur befriedigt, wächst die innere Schuld des Reichs, in Form von Staatswechseln. Steuergutschreiben und furzfristigen Darlehen, und die der Länder, Provinzen und Gemeinden lawinenartig an. Im Portefeuille der Reichs­bank liegen für einige Milliarden Arbeitsbeschaffungswechsel. Was die Industrie an der Binnenkonjunktur verdient, muß sie in Anleihen und Schaßscheinen des Reichs anlegen, oder für die Finanzierung der Ersaßstofferzeugung hergeben. Der Braunfohlenindustrie hat man so ziemlich alles, was sie an flüffigen Mitteln besaß, etwa eine Viertelmilliarde, für die Gründung der neuen Kunstbenzingesellschaft entzogen. Das sind aber Fehlleitungen des Kapitals, wenn sich der autarkische Kurs nicht durchhalten läßt.

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Die Schlange beißt sich in den Schro a n 3. Händeringend kommen die Exportindustriellen ins Reichs­wirtschaftsministerium gelaufen und flehen um die Rohstoffe, die sie nicht einführen dürfen. Wo die Entlassung zu vieler Arbeiter droht, greift man in die mühsam gefüllten Lager. Der Preisindex im Einzelhandel ist seit dem Vorjahr um rund 10 Prozent gestiegen, für wichtige Lebensmittel noch weit mehr, und das Schwinden des Exports, das Fernhalten von Einfuhr, die Streckung der Arbeit lassen die Lebenshaltung weiter absinken. Die Rüstungsfonjunktur, in die wir auch die Arbeitsbeschaffung zum größten Teil einzubeziehen haben, vermag also die übrige Wirtschaft nicht anzufurbeln."

,, Und wie will Herr Schacht dieser Gefahren Herr werden?" ,, Bei seiner hochkapitalistischen Denkweise wahrscheinlich cher durch verschärftes Sparen unter als durch rücksichtsloses Beschneiden der Kapitalrente. Er wird die Kreditausweitung beseitigen, also das Arbeitsbeschaffungsprogramm fürzen und die Arbeiter weiter strecken, um die neue Arbeitslosigkeit nicht in die Erscheinung treten zu lassen. Wo die Binnen­konjunktur Vollbeschäftigung sichert, wird er Abbau der Löhne und Gehälter anempfehlen. Vom Bauern wird er wieder Opfer verlangen. Den Kampf gegen die überhöhten Preise wird er auf dem Rücken der Zwischen und Kleinhändler austragen. Kurz, sein bewährtes Rezept: Deflation nach der Inflation." Aber Hitler , Goebbels , der eben erst das Winterhilfs­werf mit einem Nasenstüber an die Besitzenden eröffnet hat, Heß, der eine Abwertung der Mark befürworten soll, Lev, der den Koloß von Arbeitsfront hinter sich hat, der Mittel­stand und das Handwerf, denen man die wirtschaftliche Wiedergeburt versprochen hat, vom Bauern, dem geborenen Ehrenbürger des dritten Reichs", gar nicht zu reden- die alle sollen das schlucken?"

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Man hat Hitler heftig zugesezt, Schacht gehen zu lassen und die Marf mit dem englischen Pfund in Pari­tät zu seßen. Aber Hitler flammert sich abergläubisch an den Retter Schacht, zu dem auch Göring steht. Sie werden sehen, daß Schacht sich immer offener auf die deutschnationale Schwerindustrie stützen wird.( Ist inzwischen durch die Be­rufung des ihr nahestehenden Dr. Goerdeler zum Preis­fommissar bestätigt worden. Der Verfasser.) Schacht ist die Rüstungswirtschaft. Sie führt schneller, als Hit­ler ahnt und ihm lieb ist, in die Sackgasse, aus der es nur zwei Auswege gibt: bedingungslose unterwer­jung unter die Weltmeinung oder Krieg. Hat das dritte Reich" aber diese Wahl?" Das wäre also Ihre Antwort auf meine Frage, wie lange der heutige Wirtschaftskurs dauern kann?"

,, Ueberlegen Sie bitte rubig. Die Autartie fant nie und nimmer das Ziel eines industriell so hoch­entwickelten Landes wie Deutschland sein. Sie läßt sich hin= schleppen, aber der Deutsche wird in ihr wie im Armenhaus leben. Schon im nächsten Frühjahr kann die Grenze des Er­träglichen erreicht sein. Irgendein blißartiges Ereignis- denken Sie an Marseille und alle Hoffnungen lodern mit einem Schlag auf: neue Machtstellung auf dem Kontinent, erweiterter Wirtschaftsraum, endgültige Abschüttelung der Auslandsschulden, Befreiung aus den Banden der Zwangs­wirtschaft, der Hamburger Kaufmann sieht seine Schiffe wieder vollbefrachtet ausfahren, Gold fließt zurück, che die Riesenwechsel fällig werden. Glauben Sie mir, nie und nimmer hätte der Nationalsozialismus seine sozialen Forde­rungen so entschlossen zurückgestellt, hätte die Wirtschaft diese irrsinnigen Aufwendungen für die Ersatzstoffindustrie ge= macht, wenn nicht allen der Krieg in den Grie dern läge und solche Hoffnung auf eine nahe Wende halbbewußt die Herzen erfüllte. Die Not mag bis zum äußersten steigen das Volk wird nicht die Bringer des dritten Reichs" dafür anfla­gen, sondern das Ausland und die Juden. Eines Nachts..." W. im Berner Bund".

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Schacht: Unsere Gläubiger werden eben den Riemen etwas enger ziehen müssen"