Dokumente zum Kirchenkampf

Wir veröffentlichen nachstehend zwei kirchenamtliche Dokumente zum Kirchenstreit, die uns von be­freundeter Seite übermittelt wurden. Sie beweisen zweierlei:

1. Die Reichsregierung unterdrückt gewaltsam alle Mitteilungen über innere Angelegenheiten der Evangelischen Kirche. Sie stellt sich erneut hinter den Reichsbischof Müller.

2. Die evangelische Bekenntnissynode wird nach wie vor von den höchsten kirchlichen Autoritäten aufs schärfste bekämpft, und zwar ausdrücklich unter Berufung auf den Willen der Reichs­regierung, die die Müllersche Reichskirchenregierung als einzige amtliche und handlungs­berechtigte Leitung der Deutschen Evangelischen Kirche " anerkennt.

Es handelt sich um Dokumente von grundlegender Bedeutung. Sie zeigen, daß jeder Versuch, die Gegensäge im Schoße der Evangelischen Kirche zu überbrücken, zum Scheitern verurteilt ist. Redaktion der Deutschen Freiheit"

Evangelisches Konsistorium

der Rheinprovinz

Nr. 13 617.

I.

Düsseldorf , 9. Nov. 1934.

Die Deutsche Evangelische Kirche als Rechtskirche und Kör­ perschaft des öffentlichen Rechts .

Der Herr Reichs- und preußische Minister des Innern Frick hat zum evangelischen Kirchenstreit in folgendem

Erlaß Stellung genommen:

,, Der Reichs. u. Preußische

Minister des Innern.

VI 7770/3014.

Berlin NW. 40, 6. 11. 1934. Königsplatz 6.

Schnellbrief.

An die Landesregierungen

( für Preußen: a) den Herrn Ministerpräsidenten

Geh. Staatspolizeiamt

-

b) den Herrn Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung,

c) die Oberpräsidenten und Regierungspräsidenten.

Nachrichtlich an

den Herrn Staatssekretär und Chef der Präsidialkanzlei, den Herrn Staatssekretär und Chef der Reichskanzlei , den Herrn Reichsminister f. Volksaufklärung u. Propaganda, die Herren Reichsstatthalter,

die Reichsleitung der NSDAP. , Abt. für kulturellen Frieden, in Berlin ,

den Herrn Reichsbischof, in Berlin - Charlotenburg. Betr.: Evangelischer Kirchenstreit.

In den legten Tagen mehren sich wieder die Fälle, in denen über Angelegenheiten der evangelischen Kirche unan gebrachte Berichte in die Oeffentlichkeit gelangen. Ich untersage daher bis auf weiteres alle Veröffent­lichungen in der Tagespresse, in Flugblättern und Flug­

gesetz über die Bestellung der Mitglieder der Nationalsynode und auf die Beschlüsse und Maßnahmen der nach diesem Gesetz berufenen Nationalsynode vom 9. 8. 1934. Außer jedem Rechtszweifel stehen, wie die Staatsstellen bestätigt haben, insbesondere die Wahlen zu den kirchlichen Körper­schaften der Kirchengemeinden und höheren Verbände vom Jahre 1933.

Nach der Auffassung der Staatsregierung, die hier aus dem auch von der Opposition nie bestrittenen, weil rund­herum unbestreitbaren Aufsichtsrechte des Staates handelt, ist die von der Reichskirchenregierung geleitete Deutsche Evangelische Kirche die einzig und alleinige Rechtskirche als die vom Staate ausschließlich anerkannte Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Nur in ihr haben unsere rheinischen Kirchengemeinden ihren öffentlich- rechtlichen Rechtsstand, der begründet ist: Reichs­rechtlich auf der Grundlage der Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche vom 11. 7. 1933, landesrechtlich auf der Grundlage der Verfassungsurkunde der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union vom 29. 9. 1922 und der Kirchenordnung für die Evangelischen Gemeinden der Provinz Westfalen und der Rheinprovinz vom 6. 11. 1923, sowie den zu diesen Grundgesetzen erlassenen weiteren Ver­fassungsgesetzen und Verordnungen.

Nur in ihr gilt für die rheinische Kirche das Grundgesetz des Artikels III unserer Kirchenordnung:

,, Unbeschadet des verschiedenen Bekenntnisstandes pflegen sämtliche evangelischen Gemeinden, als Glieder einer evange­lischen Kirche, Gemeinschaft in Verkündigung des göttlichen Wortes und in der Feier der Sakramente und stehen mit

Die andere Scite

gleicher Berechtigung in einem Kreis- und Provinzial­verbande und unter derselben höheren kirchlichen Ver­waltung."

Nur dieser Rechtskirche und den in ihr und unter ihr stehenden Gemeinden besigen die auf Kirchen- und Staatsrecht beruhenden Rechte und Privilegien. Insbesondere des Eigen­tums und die Verfügungsgewalt über die kirchlichen Gebäude und Vermögensteile, das Recht auf Inanspruchnahme staat­licher Dotationen und Pfarrbesoldungszuschüsse, das Recht zur Erhebung von Kirchensteuern, das Recht zur Veranstal­tung privilegierter Sammlungen, das Recht zur Vorbildung und Verleihung der Anstellungsfähigkeit von Geistlichen, das Recht der Anstellung der Pfarrer mit den daraus fließenden öffentlich- rechtlichen Sicherungen für den Pfarrenstand, seine Angehörigen und Hinterbliebenen, das Recht zum Erlaß von Gesetzen und Verordnungen mit öffentlich- recht­licher Wirkung.

Pfarrer, Hilfsgeistliche oder Kandidaten, Beamte oder Körperschaften der Kirchengemeinden, die sich durch Unterordnung und Zugliederung zu einer Bekenntnis­synode der Deutschen Evangelischen Kirche " auf Grund. der sogenannten Dahlemer Botschaft vom 20. 10. 1934 aus dem Verwaltungsgefüge und Verfassungsgefüge der Deut­ schen Evangelischen Kirche , wie sie jetzt unter der Leitung der Reichskirchenregierung besteht, durch förmliche Er­klärung herauslösen, handeln pflichtwidrig. Sie brechen die Verfassung und stellen sich außerhalb der Rechtskirche. Sie begeben sich damit aller Rechte ihres Amtes und haben die Folgen zu tragen. Der einzelne verliert die öffentlich­rechtliche Stellung und wird zur Privatperson. Die Körper­schaft hört auf, rechtmäßiges Organ der Kirchengemeinde zu sein.

Wir sind verpflichtet und gewillt, diesen Rechtsgrundsatz mit den dazu gegebenen Rechtshandhaben aufrecht zu erhalten und durchzuführen.

Diese Verfügung ist sofort den Presbyterien und größeren Gemeindevertretungen sowie den Kirchengemeindebeamten bekanntzugeben.

Für die Richtigkeit:

G. Müller.

schriften, die sich mit der evangelischen Kirche befassen, Geschlossen in einheitlicher Front gegen Müller

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ausgenommen amtliche Kundgebungen der Reichskirchen­regierung. Meine Erlasse vom 17. August 1934- III 3033/ 3014 und vom 1. November 1934 III 7570/3014 treten insoweit außer Kraft.

II.

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gez. Frick."

Aus dieser Willensmeinung der Staatsregierung geht neben der eigentlichen Anordnung zweierlei unmißverständlich hervor:

1. Die Staatsregierung sieht mit äußerster Sorge auf die Wirkungen des evangelischen Kirchenstreites in der Oeffentlichkeit,

2. Die Staatsregierung sieht nach wie vor in der Reichs­kirchenregierung die einzige amtliche und handlungsberechtigte Leitung der Deutschen Evangelischen Kirche . Aus den uns zugegangenen amtlichen Informationen fügen wir hinzu, daß die zuständige Stelle der Staatsregierung er­klärt hat, die auf Grund der Dahlemer Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche " vom 20. 10. 1934 handelnden Kreise könnten nie auf eine staatliche Anerken­nung als Körperschaft des öffentlichen Rechts rechnen.

Das sogenannte Notrecht der Bekenntnissynode" ist damit erledigt. Es stellt sich als ein untauglicher Versuch mit untauglichen Mitteln dar, unter dem Vorgeben der Rechtsverlegung auf der Seite der Reichskirchenregierung durch eigenen Rechtsbruch und durch Verlassen der Grund­lage der Verfassung ein Recht nach eigenem Gutdünken und Machtdünken zu schaffen.

Es kann schlechterdings von niemanden behauptet werden, daß für unsere Rheinische Kirche etwa der Bruderrat der Rheinischen Bekenntnisynode" ein kirchliches Organ dar­stellt, das auf der Grundlage und in den Rechtsformen der geltenden Kirchenordnung für die evangelischen Gemeinden der Provinz Westfalen und der Rheinprovinz vom 6. 11. 1923 ( K.G. u. V.O.Bl. 1924 S. 165) gebildet worden ist. Es ist ein höchst verwunderliches Beginnen, dem amtierenden Organ der Rheinischen Kirche die Rechtsungültigkeit vorzuwerfen und selbst in der Anmaßung der Kirchenleitung auf völlig rechtsungültigem Boden zu stehen.

Die Reichskirchenregierung ist in diesen Tagen, wie ange­kündigt, auf das ernstlichste damit beschäftigt, die Rechts­grundlage ihrer Gesege, Verordnungen und Maßnahmen nach­zuprüfen. Sie hat sich sofort dazu bereit gefunden, als maẞ­gebliche Staatsstellen die Frage nach der Rechtsgültigkeit an sie herangebracht haben. Dabei ist festzustellen, daß der Rechtszweifel, soweit er von den Staatsstellen erhoben wird. sich beschränkt auf das am 7. Juli 1934 erlassene Kirchen­

Im Reiche wird soeben ein vierseitiges Flugblatt mit der Ueberschrift verbreitet: Die deutsche evangelische Kirche in gejchlossener Einheit."!

Das Blatt beginnt mit der Feststellung: Das Gewaltregi­ment der Deutschen Christen ist zerbrochen. Es ist wie ein Geschenk Gottes, daß in dieser Notstunde auch die großen freien Verbände unserer kirchlichen Arbeit- bis auf eine bedeutungslos gewordene Gruppe und die Lehrer unserer theologischen Jugend in einem Willen sich zusammengefunden haben. Unabhängig voneinander haben sie folgendes Schrei= ben und Telegramme an den Reichsbischof der Deutschen Christen, Ludwig Müller , gerichtet und seinen sofortigen Rücktritt gefordert."

Die Briefe und Telegramme sind sämtlich vom 5. oder 6. November datiert.

Der Bruderrat der Deutschen Evangelischen Kirche , gezeichnet D. Koch, fordert, daß der gegenwärtige Inhaber des Reichsbischofsamtes unverzüglich seinen Platz räumt und die Bahn frei gibt für den Mann, den die Be­fenntnissynode und die großen Verbände evangelischer Ar­beit durch ihr Vertrauen zu unterstützen bereit sind.

Die Landesbischöfe Meiser, Wurm, Marah­rens, 3änker werfen in einem Brief an den Reichs­bischof diesem vor, daß er sich der politischen Diffamierung, der Gewalt und des Rechtsbruchs schuldig gemacht habe. Da wir uns aber des Eindrucks nicht erwehren können, als ob Sie sich des Ernstes der Lage nicht voll bewußt waren, sehen wir uns genötigt, Sie auf das dringendste zu bitten, dem Staat und der Kirche wenigstens den Dienst zu tun, daß Sie die Möglichkeit für einen Neuanfang und eine Befriedung der Kirche durch Ihren Rücktritt schaffen." Der Verband der deutschen evangelischen Pfarrervereine, gez. D. Dr. Schäfer Remscheid ,

Wir werden sie niederwerfen"

Zum Abschluß des ersten achttägigen Presseschulungskurses veranstaltete die Reichsjugendführung der Hitler- Jugend am Montag, dem 5. November, im Preußenbaus eine Kultur­fundgebung der HJ.- Presse, in der Reichsleiter Alfred Ro­ senberg und Reichsjugendführer Baldur von Schirach sprachen.

Baldur von Schirach " so berichtete das Berliner Ta­geblatt" ,, erntete stürmischen Beifall, als er im Namen der Jugend die Versicherung gab, der Weg Ro= senbergs sei auch der Weg der deutschen Jugend. Ueber die Hitler- Jugend äußerte sich Schirach , man tue ihr Unrecht, wenn man sie als die von oben angeordnete Staatsingend" bezeichne. Die historische Aufgabe der HJ. bestehe ganz ein­fach im Zusammenschluß der gesamten jungen Generation. Es geht", erklärte der Redner, um die Totalität. Ich vermag nicht einzusehen, warum es neben der Hitler- Jugend noch konfessionelle Sonderbünde geben soll( Beifall). Reli­giöse Ueberzeugung und Dienst in der Hitlerjugend lassen sich sehr wohl miteinander verbinden." Das hätten die pro­testantischen Jugendorganisationen, die in der HJ. aufge­gangen seien, bewiesen, und das hätten auch die Zehntan­sende bestätigt, die aus der fatholischen Jugend zur HJ. ge­tommen seien. Wir lönnen", so schloß Baldur von Schirach ,

gez. Siebert.

fördert den Reichsbischof auf, auf sein Amt zu ver zichtet.

118 theologische Hochschullehrer haben den Reichsbischof aufgefordert, fofort zurückzutreten. Die Leipziger Fakultät der Theologen ging besonders vor und hat die Rücktrittsforderung am Schwarzen Brett der theologischen Seminarinstitute veröffentlicht.

Die Innere und die Aeußere Mission, zusam mengeschlossen in der Arbeitsgemeinschaft der missionarischen und diakonischen Verbände und Werke der deutschen evange= lischen Kirche, gez. Bodelschwingh, Rnat, 2üt= tichau, haben dem Reichsbischof geschrieben, daß eine Be­friedung und Gesundung unserer Kirche nicht möglich ist, ,, solange Sie das Amt des Reichsbischofs bekleiden".

Der Zentralvorstand des evangelischen Ver= eins der Gustav Adolf Stiftung, gez. Dr. Ger­ber, Professor an der Universität Leipzig, erbittet vom Reichsbischof das Opfer Ihres Rücktritts", denn nur eine völlige Aenderung des von der Heimatkirche bis jetzt gesteuerten Kurses Fönne die evangelische Auslands diaspora vor dem Untergang retten.

Der Martin- Luther- Bund für die lutherische Diaspora hält in einem Telegramm den Rücktritt des derzeitigen Reichsbischofs für unerläßlich. Gezeichnet ist das Telegramm von D. Ulmer.

Der lutherische Rat, gez. Dr. Meiser, schließt seine Aufforderung mit den Worten: Wir sehen einen Aus­weg aus der furchtbaren inneren und äußeren Not, in die durch Ihre Führung die Kirche gestürzt ist, nur darin, daß Sie die Folgerungen aus der von Ihnen geschaffenen Lage ziehen und freiwillig von Ihrem Amt zurücktreten.

Das Flugblatt ist gedruckt bei der Effener Gemeinwohl G. m. b. H. in Essen .

von dem Prinzip nicht abgehen, daß alle Jugend uns gehört! Dieses Ziel werden wir unerbittlich im Auge behalten und wir werden jeden Widerstand. nie= derwerfen."

Dazu bemerkt das Berliner Kath. Kirchenblatt" vom 11. November:

Bezüglich der fatholischen fonfeffionellen Verbände gift bis auf weiteres unseres Wissens§ 31 des Reichston fordates:

,, Diejenigen katholischen Organisationen und Verbände die ausschließlich religiösen, rein fulturellen und karita tiven Zwecken dienen und als solche der kirchlichen Be­hörde unterstellt sind, werden in ihren Einrichtungen und in ihrer Tätigkeit geschützt.

" Diejenigen katholischen Organisationen, die außer reli­giösen, kulturellen und faritativen Zwecken auch anderet darunter auch sozialen oder berufsständigen Aufgaben di nen, sollen, unbeschadet einer etwaigen Einordnung it staatliche Verbände, den Schutz des Artikels 31, Abiazz 1, genießen, sofern sie Gewähr dafür bieten, ihre Tätigkeit außerhalb jeder politischen Partei zu entfalten.

Die Feststellung der Organisationen und Verbände, dit unter die Bestimmungen dieses Artikels fallen, bleibt ver­einbarlicher Abmachung zwischen der Reichsregierung und dem deutschen Epiftopal vorbehalten.*