Straßburger Wochenberichte Stadtkommandant von

Kongreß der Sozialisten des Bas- Rhin

Straßburg , den 26. November 1934. In Straßburg hielten am vergangenen Sonntag die Sozialisten des Departments Bas- Rhin einen Förderations­kongreß ab, auf dem der Deputé Georg Weill über ver­schiedene aktuelle Tagesfragen sprach. Es wurden zwei Resolutionen angenommen, in denen der Sturz des Kabi­netts Doumergue mit Genugtuung begrüßt und von der neuen Regierung eine scharfe antifaschistische Politik ge­fordert wird. Außerdem wendet sich der Kongreß an die kommunistische Partei, die bekanntlich die Autonomie des Elsasses bis zur evtl. Lostrennung von Frankreich vertritt, und bedauert diese Haltung, die jetzt angesichts der Ent­wicklung in Deutschland völlig unhaltbar geworden ist. Dieser Gedanke in der sozialistischen Resolution hat in der Presse des Bas- Rhin einen lebhaften Widerhall gefunden. In einzelnen Zeitungen wird sogar die Frage aufgeworfen, ob die Stellungnahme des sozialistischen Kongresses nicht einer Auflösung des Einheitspaktes zwischen Kommunisten und Sozialisten gleichkomme. Diese Absicht scheint jedoch bei den Veranlassern der Resolution nicht vorgelegen zu haben. Denn schließlich war man sich bei Abschluß des Paktes in beiden Lagern darüber einig, daß der Pakt die Selbständigkeit der beiden Parteien in keiner Weise be­rühren dürfe. Die da und dort ausgesprochenen Hoff­nungen, daß die Stellungnahme der Sozialisten den Pakt zerstöre, dürften wohl nicht in Erfüllung gehen. So wichtig die elsaẞ - lothringische Frage auch ist, so wird ihre Er­örterung doch kaum dazu beitragen, die beiden Pakt­partner, die sich zum Kampfe gegen den Faschismus zu­sammengeschlossen haben, zu trennen. Der Parteitag der Sozialisten verlangte in seiner zweiten Resolution noch, daß sich der Generalrat der Gesamtpartei während seiner demnächst stattfindenden Tagung auch mit dem Problem der Verteidigung eines freiheitlichen Staates gegen den etwaigen Angriff eines faschistischen Staates befasse. In anbetracht der Wichtigkeit der Frage verlangt der Förde­rationskongreß, daß sie auch auf dem demnächst einzu­berufenden Nationalkongreß behandelt wird.

Keine Saarkundgebung mit Max Braun und Fritz Pfordt

Das Komitee Thälmann hatte für den 30. November eine Versammlung mit den saarländischen Einheitsfrontführern Max Braun und Fritz P fordi angesagt, in der auch örtliche Vertreter der verschiedenen antifaschistischen Gruppen sprechen sollten. Nun wurde den beiden saar­ländischen Rednern mitgeteilt, daß sie in Straßburg nicht sprechen können, weshalb die Kundgebung vorerst unter­bleibt. Eine Kundgebung der Kommunisten, in der der Deputé Thorez über die els aẞ- lothringische Frage und den Kampf gegen den Faschismus sprechen sollte, wurde eben­falls untersagt. Sie kann im Aubette- Saal nicht stattfinden.

Ein Vortrag von Jules Romain

Der französische Schriftsteller Jules Romain sprach vor einer zahlreichen Zuhörerschaft, unter der man u. a. auch den Herrn Präfekt bemerkte, über das Thema: ..Frankreichs Neugestaltung". Der Redner, der erst vor einigen Tagen in der Berliner Universität über ..Deutschland und Latinität" sprach, erörterte auch die Versöhnung der deutschen und französischen Jugend. Auch die Reformarbeit in Frankreich , die sich ohne Bürgerkrieg vollziehen müsse, sei in erster Linie eine Aufgabe der Jugend. Der Redner erklärte, daß es ihm bereits gelungen sei, ein Einvernehmen zwischen den Jungen der verschiedensten politischen Schattierung her­zustellen. Die junge Generation wolle eine klassenlose Ge­sellschaft. Es ist nicht unsere Aufgabe, zu den innen­politischen Thesen des Herrn Romain Stellung zu nehmen, zu der Frage der Aussöhnung der französischen und deut­ schen Jugend jedoch dürfen wir mahnend bemerken, daß kein Regierungssystem einer solchen Aussöhnung mehr Schwierigkeiten bereitet, als der Hitlerfaschismus. Denn schließlich muß eine Jugend, von der man diese grandiose Friedensarbeit verlangen darf, frei sein, sie darf aber nicht, wie das jetzt in Deutschland geschieht, in den Ge­dankengängen preußischer Weltherrschaft erzogen werden. Wer an die Aussöhnung der jungen Generation glaubt, der muß dem Hitlerfaschismus in Deutschland erklären, daß mit den ethoden seiner Jugenderziehung nicht der Friede, sondern der Krieg vorbereitet wird. Es gab einmal in Deutschland rine Jugend, die den Frieden wollte. Diese Jurend aber t heute samt ih.en Lehrern in den Kon­zentrationsleder wird im freiwilligen Arbeitsdienst unter Zwang und Druck im Haß gegen Frankreich erzogen. Diese Jugend wird ihre historische Aufgabe, den Frieden zu garantieren, nicht sehen und erfüllen können, solange in Deutschland blindwütige Feinde einer internationalen Verständigung die Macht ausüben. Wir hätten uns sehr ge­freut, wenn Herr Romain dieses Problem etwas deutlicher aufgezeigt hätt..

15 Millionen für den Ausbau des Haupt­bahnhofs

Durch den Plan Marquet, der in erster Linie der Be schaffung von Arbeitsgelegenheit dieuen soll, wurden nach Straßburg 15 Millionen Mark zum Ausbau des Bahnhofs und verschiedener Veränderungen der Gleisaulagen über­wiesen. Es wird ein fünfter Bahnsteig angelegt, die Tunnels am Nord- und am Südausgang sollen verschwinden, außerdem wird die direkte Verbindung Neudorf- Königs­hofen in Erwägung gezogen, so daß die Güterzüge aus der Richtung Schlettstadt nicht mehr den Bahnhof zu berühren brauchen. Aus Anlaß der Eröffnung der Arbeiten fand eine kleine Feier statt, wobei der Herr Präfekt den ersten Spatenstich vollzog.

16. Jahrestag des Einzugs der französischen Truppen

Aus Anlaß der 16. Wiederkehr des Tages, an dem die französischen Truppen in Straßburg eingezogen sind, fand am Donnerstag, 22. November, auf dem Kleberplatz eine Prise d'armes statt, zu der auch General Gouraud,

Paris . damals General gouverneur vou Straßburg , gekommen war. Nach einer kurzen Besichtigung der Truppen in Anwesenheit des Prä­

fekten und verschiedener hoher ziviler und militärischer Beamten fand ein Vorbeimarsch statt. Eine große Menschenmenge verfolgte das miltärische Schauspiel mit lebhaftem Interesse.

ver­

Die ,, Schloßherrin" von Fröschweiler verhaftet Vor einigen. Wochen berichteten wir von einer geheim­nisvollen Marquise, die in Wörth aufgetaucht war, dort unter der Vorgabe, das Schloß Fröschweiler kaufen zu wollen, große Gaunereien verübt und dann plötzlich unter Hinterlassung einer ansehnlichen Schuldensumme schwunden war. Nun konnte die Polizei die Spur der ge­heimnisvollen Fremden ausfindig machen und die Marquise in Chalamont bei Lyon , als sie gerade wieder eine ähn liche Gaunerei begangen hatte, hinter Schloß und Riegel setzen. Die beiden jungen Leute, die sie als ihre Söhne auf ihren Reisen mitnahm, konnten zwar ausreißen, wurden aber von der Polizei ebenfalls später festgenommen. Bei cer Betrügerin soll es sich tatsächlich um eine echte Gräfin handeln. Weiter hört man, daß sie die Schwester der Mörderin des Präfekten Causeret sei. Insgesamt soll sich die raffinierte Schwindlerin 12 Millionen Franken er­gaunert haben. Nun ist das Märchen aus, der Staatsanwalt wird die Wege aufzeigen, auf denen die fantasiebegabte Frau wieder in die etwas realere Wirklichkeit zurück­kehren kann.

Die Ausländerkontrolle

Nach einer Mitteilung des Herrn Commissair Central, Surville, erfolgt die Ausländerkontrolle vom 19. November, an nur noch in der Blauwolkengasse 11, Zimmer Nr. 4. Diese Dienststelle ist jetzt noch allein zu­ständig zur Reglung aller die Ausländer betreffenden. For­malitäten. Das Büro ist tagsüber von 9 bis 17 Uhr ge­öffnet.

Université Populaire

Die Université Populaire ( Volkshochschule ) beginnt am Montag, 26. November, im Universitätsgebäude ihre Winterarbeit. Die Volkshochschule ist jedermann kosten­los zugänglich, Hörerkarten werden in der Brandgasse: 15 ausgestellt.

Konzertveranstaltungen

Am Dienstag, 27. November, werden die Straßburger Musikfreunde zum ersten Male Gelegenheit haben, einen der größten Pianovirtuosen unserer Zeit, Wladimir Horomit, in Straßburg zu hören. Das Konzert findet um 20.30 Uhr im Sängerhaus statt. Am darauffolgenden Mittwoch veranstaltet der Lehrergesangverein im gleichen Saal ein großes Konzert, das Werke des Straßburgers Erb bringt und am Donnerstag kommt das berühmte Jazzorchester Armstrong ins Sänger­haus. Am kommenden Freitag findet das erste Konzert der Kammermusikgesellschaft statt. Vorver­kauf bei Wolf, Meisengasse.

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Am Mittwoch, dem 28. d. M., abends 8.45 Uhr pünkt­lich, findet im Festsaal 15, Avenue Hoche in Paris bei freiem Eintritt ein Konzertabend statt. Mitwirkende: Madame Tina Manteuffel( Violine), Solistin der Conzerts de Pasdeloup", Robert Spiombi- Rom( Bariton), am Flügel Karl Elsky. Werke von Bach, Vitali, Beethoven , Paganini , Cui sowie eine Suite jüdischer Melodien" von Elsky. Saalöffnung 8 Uhr.

Wer hilft mit?

Am Mittwoch, dem 5. Dezember( Näheres wird noch mitgeteilt) veranstaltet die Association des Emigrés d'Allemagne en France" in Paris zwei Israélites Chanukkah( Makkabäer )-Feiern für Erwachsene und Kinder, anläßlich deren bedürftige Emigranten beschenkt werden sollen. Aufrufe in der Deutschen Freiheit" haben den Erfolg gehabt, daß Kleidungsstücke, Wäsche, Schuhe, Spielzeug und auch Geldspenden zur Verfügung gestellt wurden. Aber die Not ist groß, und viele warten auf Hilfe. Darum ergeht an jeden die Bitte, zur Steuerung der Not beizutragen. Geld- und Sachspenden sind an Martin Dosmar, Paris 15, Rue de Danzig Nummer 35( Telefon: Lecourbe 8543) zu senden, Auf Wunsch erfolgt gern Ab­holung. Eile ist geboten.

MRIEFKASTEN

H. R., Jerusalem . Wie Sie uns mitteilen, steigen die Einwan= derungszahlen nach Palästina noch immer. Jm Oftober 1934 sind 6188 Juden, von welchen 934 der sogenannten Rapitalistenklasse mit einem Mindesteigenbesitz von je 1000 Pfund angehören, nach Palästina gefommen. In der offiziellen Mitteilung wird hervorgehoben, daß diese Einwanderungsziffer einen Reford in der jüdischen Eins wanderung darstellt.

Erika R., Amsterdam . Nicht vermirren und nicht entmutigen lassen? Sie fennen ja Rilfe. Denfen Sie über eines seiner späten Gedichte nach:

Glaubt nicht, daß die längsten Transmissionen Schon des Künftigen Räder drehn. Denn Aeonen reden mit Aeonen. Mehr, als wir erfuhren, ist geschehn. Und die Zukunft faßt das Allerfernste ganz in cins mit unserm innern Ernste.

Literatur

Die AJZ." widmet ihre neueste Nummer dem Thema Frauen gestern, heute und morgen beschäftigt". Aus dem reichen Juhalt: Wem gehört der Hausschlüssel?";" Die Frau als Geschlechtswesen";" Käufliche Liebe";" Ich füsse Ihre Hand, Madame";" Ich möchte begehrenswert sein!";" Lurus­weibchen, Magd und Dienerin";" Liebe in der Kaserne"; Ehe oder freie Liebe?"" Unter die Haube gebracht; Die gufe Kameradin";" Befreite Frau befreiter Mann".

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Für den Gesamtinhalt verantwortlich: Johann Biz in Dud. weiler; für Inferate: Ctto Kuhn in Caerbrüden. Rotation@ drud und Verlag: Verlag der Volksstimme GmbH., Saarbrüden 3, Schützenstraße 5. Schließfach 776 Saarbrüden.

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