Durdis Guckloci

Jedes ausgeprägte Staatswesen hat sein Symbol. Im Eng­

Der Boykott wächst

land des älteren und des jüngeren Pitt war das der Pfeffer. Eine Erklärung Untermyers

sack, im Frankreich   Dantons   die rote phrygische   Mütze, Der Zarenstaat lobte seine Nagaika. Das dritte Reich" hält es mit der Reitpeitsche.

Es mögen sich beträchtliche seelische Imponderabilien daran knüpfen, wenn schon in der ersten Biographie, die be. reits vor Jahr und Tag über jenen Mann erschien, der am 9. November 1918 im Lazarett zu Pasewalk  , mittags viertel vor zwölf nach Visite des Stabsarztes, den Entschluß faßte, von nun ab aber Staatsmann zu werden, ein Bild aus seiner Frühzeit wiedergegeben wird, das ihn eine solide, rinds­lederne Reitpeitsche in der nervigen Rechten tragen läßt. Wenn Herr Hitler   in den romantischen Tagen vor seiner Machtübernahme agitationshalber per Mercedes   durch die nordische Landschaft brauste, Wotans wilde Jagd in muselin­braun, wobei manchmal seine lieben Kommunisten am Straßengraben ein wenig gemault haben mochten, dann klatschten links und rechts vom Chauffeursit die Reitpeitsche seines Haremswächters hernieder. Woran übrigens wieder das gute Deutschland   als eine Republik  , die sich gewaschen hatte, zu erkennen war. Auch das kann man nachlesen an vielen Stellen, wo Adolfs Phöbusfahrt in die Macht in so manchem Buch aus seinem Verlag beschrieben wird. Sein Intimissimus Streicher hat Hitler   sogar eine Reitpeitsche mit gravierter Widmung geschenkt, was diesen wieder ermutigte, sie bei ordonnanzmäßiger Weise bei hohen Staatsvisiten, die er abstattet, zu gebrauchen.

So eine Reitpeitsche hat es, seelisch betrachtet, wohl zwie. fach an sich. Zunächst läßt sich damit auffällig beweisen, daß man einer höheren Kaste anzugehören gewillt, befähigt und beglaubigt ist. Es wird durch sie demonstriert, daß auch ein Zollaufseherssohn mit halber Bürgerschulreife doch zum

Aristokraten, Gent   und Kavalier sich entwickeln kann. Man soll da nichts vorhersagen, zu was hoffnungsvolle Sprößlinge aus Zichorienkaffee- und Schmalzbrot- Milieu sich schon hin­aufbugsieren können. Ein bligendes Uhrglas, das sich mit genau derselben psychischen Komponente der Handlungs­ gehilfe Meier   ins Adlerauge klemmt, tut es ja auch, um Hoch­adel zu markieren, und ist zudem billiger. Würde Herr Hitler   etwa nie den General von Ludendorff   in seinem Leben kennen gelernt haben, trüge er wahrscheinlich auch nur ein solches Uhrglas. So kam er aber wirklich an die Aristokratie; nun wurde er zu noch Höherem bestimmt. Da mußte die Reitpeitsche als das noch adligere Erkennungszeichen herbei! Sie ist noch beweiskräftiger als das Monokel. Geritten wird zwar nicht mehr viel in der Welt, weiß es Gott  . Die Kaval. lerien klabastern hinter den Schallmeẞtrupps nur noch so daher. Die Straßen stinken von Makadam, Standardoil und Teer. Ein Droschkengaul, der noch zu prügeln wäre, lebt höchstens noch im allerältesten Wien  , wohin Herr Hitler   so wie so nicht kann. Aber die große Erinnerung, was es mit so einer Karbatsche einst auf sich hatte, ist doch noch da und wirkt. Mit der Reitpeitsche hat Hitler   sicherlich geglaubt, allein so in höheren Kreisen als heiratsfähig zu erscheinen. Was für eine Psychologe!

Aber die Reitpeitsche markiert nicht nur höheren Adel, sondern auch Kraft. Mark und Männlichkeit mit Ausrufe. zeichen! Wer eine Reitpeitsche trägt, ohne grade Fuhrknecht oder Trainsergeant beruflich dazu verpflichtet zu sein, will

London  , 29. November.  ( 3TA.) Der Führer der amerikanischen   Delegation, der zum Präsidenten der internationalen Boykottweltfon= ferenz ausersehen ist, Samuel Untermyer  , hat der Jüdischen   Telegraphen- Agentur folgendes erklärt:

3u der internationalen und unparteiischen Konferenz find Delegierte aus fast allen Enden der Welt, aus Nord­und Südamerika  , aus Aegypten  , aus Südafrika  , aus Groß­ britannien   und den Dominions, aus vielen europäischen  Ländern, Repräsentanten aller Rassen- und Glaubens­bekenntnisse in London   eingetroffen. Ziel der Konferenz ist es, den bereits bestehenden Weltboykott gegen deutsche Waren und Dienste fester zu organisieren, ihn zu erweitern und zu intensivieren, die Leitung zu zentralisieren und die verschiedenen Boykott- Tätigkeiten zu koordinieren. Der uns bisher zuteil gewordene Erfolg gibt uns die Ueberzeugung, daß unsere Aktion die Billigung der öffentlichen Meinung in der ganzen Welt gefunden hat. Wir erwarten aber von einer solchen Weltaktion, sobald sie auf einer gut durch­organisierten und stritte unparteiischen Basis aufgebaut ist, noch bedeutend mehr Erfolge. Die christlichen Kirchen und die organisierte Arbeiterschaft in der ganzen Welt sind durch die Vorgänge in Deutschland   vielleicht noch tiefer betroffen als die Juden; sie sehen in der Arbeit und in den Zielen der Nazis einen Vernichtungskrieg gegen die Zivilisation. Unbeschadet der fanatischen und hartnäckigen Anstrengungen des deutschen   Propaganda- Ministeriums, die Boykott­bewegung als eine jüdische Sache hinzustellen, geht es hier feineswegs um eine nur jüdische Frage; dies beweist schon der Umstand, daß ich das einzige jüdische Mitglied der

Dänemark  

Land ohne Antisemitismus

Kopenhagen  , den 28. November.

großen amerikanischen   Delegation bin, ausgenommen Frau Mark Harris, die aber in der unparteiischen Frauen­bewegung arbeitet. Der mit mir in London   eingetroffene Dr. Paul Hutchinson, Vorsitzender der Chifagoer Bontotta Liga, nimmt in der protestantischen Kirche Ameritas eine sehr hohe Position ein, er ist Herausgeber des Christian Century", der bedeutendsten protestantischen Publikation in Amerika  . Der ebenfalls in London   anwesende Hon. H. M. Beamish aus Philadelphia  , früher Staatssekretär von Pennsylvania  , ist einer der ersten Katholiken Amerikas  .

Ich habe gebeten, fuhr S. Untermyer fort, mich nicht zum Vorsitzenden der Weltkonferenz zu wählen; ich bin Jude, und ich möchte nicht, daß diese Tatsache von den Nazis aus­geschlachtet wird, um diese Konferenz fälschlich zu einer jüdischen zu stempeln. Nein, diese Konferenz ist nicht jüdisch, sie ist eine spontane Erhebung der gesamten Zivilisation gegen den Versuch, die Arbeit von Jahrhunderten zunichte zu machen. Zu den amerikanischen   Führern unserer Be­wegung gehören Männer wie Oberst Theodore Roose= velt, Botschafter a. D. James W. Gerrard, der Bürgermeister von Neuyork, F. La Guardia  , der frühere Kronanwalt der Vereinigten Staaten  , James M. Beck  , Oswald Garrison Villard, George Gordon Battle und andere.

Wir werden, schloß Untermyer  , auf der Konferenz Infor­mationen aus den verschiedenen Ländern austauschen und definitive Pläne ausarbeiten für eine zentrale Körperschaft, die in einem der Länder Sitz haben und in enger Be­rührung mit den Organisationen der verschiedenen Länder stehen wird. Wir gehen nicht auf Sensationen und auf theoretische Beschlußfassungen aus, unsere Konferenz wird durch streng sachliche Arbeit charakterisiert sein.

Deutscher   Klub

Am heutigen Freitag um 21 Uhr spricht der Dramatiker Julius Hay  , dessen Stück ,, Gott, Kaiser und Bauer" Ende 1932 vom Spielplan des Deutschen Theaters wegen der Stö rungen der Nazis wieder abgesetzt werden mußte, über ,, Eigene Gedanken über die neuen Wege und neuen Rich Gäste will tungen der deutschen Nachkriegsdramatik". kommen. Eintritt für Mitglieder frei, für Gäste 2, Fr. Die Adresse des Deutschen   Klubs lautet: Salons Le Péristyle  , 31bis, Rue Vivienne, Paris   2°( Métro: Bourse  ).

Der Kopenhagener jüdische Verein von 1930" hat eine und gebung unter dem Motto: ,, Antisemitismus und Kultur" veranstaltet, in welcher Abgeordnete der vier dänischen politischen Parteien sprachen: der Führer der Konservativen Partei Christmas Möller  , der Liberale Bro, der Radikale Rager und der Sozialdemokrat Rasmussen. Sämtliche vier Redner haben ihrer Verblüffung Ausdruck gegeben, daß sie als Redner zut dieser Versammlung eingeladen wurden, da ja Antisemi­nicht denken könne, daß dieses Uebel jemals in Dänemark  Wurzel fassen könnte. Der Konservative Christmas Möller bemerkte zwar, daß eine Inforporation von 100 000 Fremdstämmigen für Dänemart unerträglich wäre, die dänischen Juden werden aber nicht als Fremde betrachtet und fein anderer als der Jude Georg Brandes   war der beste Verteidiger der dänischen Nation und der glän­zendste Stilist der dänischen Sprache. Der Radikale Rager unterstrich die Kulturfeindlichkeit des Antisemitismus. Der Sozialdemokrat Rasmussen bemerkte, daß es zwar in Dänemark   feinen Antisemitismus gäbe, daß aber gewisse antisemitische Gefühle in gewissen Kreisen existieren, die man energisch bekämpfen müsse; sie entspringen hauptsäch= lich der Konkurrenzsucht und dem Neid gegen jüdischen Initiativgeist und gegen jüdische Tüchtigkeit.

tismus in Dänemark   überhaupt nicht existiere und man sich BRIEFKASTEN

damit dokumentieren, daß er im höchsten Grade und auf Urteil im Bombenschmuggelprozeß

allen in Frage kommenden Gebieten potent ist. Wenn du zum Weibe gehst, vergiß die Reitpeitsche nicht! Nun ist es zwar so, daß die wirklich Potenten es gar nicht nötig zu haben scheinen, ihr Können auch noch symbolisch dokumen­tieren zu müssen. Don Juan hat eine Reitpeitsche nicht in seinem sonst so angenehmen Leben gebraucht; in Bocaccios Dekamerone und Casanowas Memoiren wird sie auch nicht erwähnt. Immerhin: Wer weniger hat, muß es um so lauter und sichtbarer bekräftigen. Das aber tut die Peitsche!

Ja! So ist sie in der Tat ein wahrhaftes Symbol des dritten Reiches"! Aile Hochstapelei und alle sadistische Nervenschwäche, die sich hier zu einem politischen System zusammentut, läßt sich durch sie geradezu knallend beweisen. Hitler   ohne Reit peitsche, Streicher ohne sie das wäre ein Wilhelm der Zweite ohne Schnurrzwirbel, Napoleon   ohne Stirnlocke. Das wäre einfach stillos und eine jüdische Fäl­schung der Weltgeschichte,

Nun ist freilich dem ,, dritten Reich" in dieser prächtigen Symphonie von Tatbestand und Symbol ein Malör passiert: Ein pommerscher Rittergutsbesiger( hah- Stahlhelm war der Kerl!) hat einen seiner armen Kulis mit der Reitpeitsche geschlagen. Dafür erkannte man ihm jetzt seine Bauernfähig. keit für drei Monate ab und brummte ihm auch noch 500 Mark auf. Im Urteil wurde wörtlich vermerkt, daß mitten unter dem Gutspersonal ,, das Auftreten mit der Reitpeitsche allein schon provozierend haben wirken müssen"

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Hohe Zuchthausstrafen

St. Gallen  , 28. November 1934. 1nter stärkstem Publikumsandrang erfolgte furz nach 17 Uhr die Urteilsverkündung. Das Gericht sprach sämtliche sechs Angeflagte schuldig wegen Vergehens gegen Art. 2 des Gesetzes über den Gebrauch von Sprengstoffen und giftigen Gafen. Collitz wurde zu drei Jahren Zucht= haus, Kfilbl zu zwei Jahren und die Angeklagten Matt, Hämmerle, Kalb und Wirth zu vierzehn Monaten Zuchthaus   verurteilt. Bei den verhafteten Angeklagten Matt, Hämmerle und Kalb   werden vier Monate Unter­suchungshaft angerechnet. Sämtliche Angeklagten werden des Landes verwiesen, und zwar Collitz und Kölbl lebenslänglich, die übrigen auf zehn Jahre. Die Verurteilung gegen Collis, Kölbl und Wirth erfolgt in contumaciam. Die Kosten werden den Angeklagten unter solidarischer Haftbar­feit auferlegt. Der Kanton St. Gallen wird mit dem Vollzug der Freiheitsstrafen beauftragt. Die beschlagnahmten Spreng­stoffe, Waffen und Propagandamaterial sowie das Motor­boot Seelöwe" werden fonfisziert.

Die ,, Deutsche Freiheit"

muk man regelmäßig lesen

Diese Richter! Am heiligen Symbol der gleichgeschalteten Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands Deutschen   haben sie sich vergriffen! Man sollte sie ihrem Kollegen, dem Jörns, schleunigst ausliefern! Was werden nun sämtliche Postsekretäre, Obermedizinalräte, Dachdecker. meister, Superintendenten   und Bahnwärter Deutschlands be. ginnen, da sie die Peitsche, die sie schlägt, nicht mehr küssen dürfen, weil sie angeblich im dritten Reich" provokant wirkt? Und IH M doch auch ihm haben sie sein Seelen­adäquat geklaut!

Der General von Liebert ist tot. Er war der berühmt­berüchtigte Vorsitzende des weiland ,, Reichsverbandes zur Bekämpfung der Sozialdemokratie", der sich bei Kriegs­beginn( Ich kenne keine Parteien mehr, nur noch Deutsche  !") sanft auflöste. Der General war seit dieser Zeit so gut wie mergessen, obschon er einmal ein besonders schmucker Palla­din der Kaiserzeit gewesen war. Kaum, daß seinem Tod die gleichgeschaltete Pressé, der er es doch gelehrt hat, wie man die Marxisten" ein bißchen bedreckert, drei Zeilchen widmet!

Herr von Liebert hat das alles schon vorgelebt, was später die Nazis an Weinflaschen in der Reichstagsfraktion der SPD.  , an Austernessen in den Gewerkschaftssekretariaten, an ge. füllten Kaviarbottichen in den sozialdemokratischen Jugend­heimen entdeckten. Wo ist sein Ruhm geblieben? Immerhin wurde der Reichslügenverband noch von einem leibhaftigen General geführt. Was wird man von dem in die Regiments.

Bestellschein

Amerikanischer Freund. Sie schiden uns folgende Notiz aus Ihrer " New York Herald Tribune"( 4. November):

Hittler Is Wrong Name For Jew, Court Agrees

Morris Hittler, twenty- three years old, of 2991- Ripple Street, Brooklyn  , will be known as Morris Hilton on and after December 14. Permission to change his name, effec­tive on that date, was granted yesterday by Justice Peter P. Smith, of the Supreme Court   in Brooklyn  .

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Hittler, petitioning forthe right to change his name, said he was a member of the Jewish faith and that his present name had been continually subjected to scorn, ridicule and embarrassment". There was not mention in the petition of Adolf Hitler  , leader of the German Reich  . Sier fühlt sich also ein junger Jude tief gekränft und in seiner Ehre benachteiligt, weil er Hittler heißt. Er will einen anderen Namen und bittet um die Erlaubnis, sich Morris Hilton nennen zu dürfen. Vornehmerweise sagt er in der Eingabe nichts über den Grund seines Antrags.

Für den Gesamtinhalt verantwortlich: Johann Pis in Dude weiler; für Inserate: Ctto Rubn in Saarbrüden. Notationsdrud und Berlag: Verlag der Volksstimme GmbH, Saarbrüden 3, Schüßenstraße 5. Schließfach 776 Saarbrüden.

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