Den
Nr. 268 2. Jahrgang
Fretket
Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands
Saarbrücken, Samstag, 1. Dezember 1934 Chefredakteur: M. Braun
Amtliche Bekanntmachung
befr. die Ueberwachung des Verkehrs im Saargebiet
Regierungsfommission des Saargebietes.
Direktion des Innern.
J. C. II 558/34 H.
Saarbrücken, den 29. November 1934.
Au sämtliche Zeitungen des Saargebietes!
Gemäß Artikel 13 der Verordnung vom 20. Mai 1933 zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit ersuche ich uni unentgeltliche Aufnahme ohne Einschaltung oder Weglanung der bei liegenden amtlichen Befanntmachung.
Der Abdruck hat unverzüglich in der nach Eingang nächitfolgenden Numer Ihrer Zeitung auf der ersten Seite an erster Stelle ohne Unterbrechung zu erfolgen.
Die Ueberschrift hat zu lauten:„ Amtliche Bekanntmachung betref= fend die Neberwachung des Verkehre im Saargebiet."
Das Mitglied der Regierungsfommission für die Angelegenheiten des Innern:
J. A.
Der Direktor des Innern und des Kabinetts: S. Heimburger.
Amtliche Bekanntmachung
betreffend die Ueberwachung des Verkehrs im Saargebiet.
In ihrer Sizung vom heutigen Tage hat die Regierungsfom.. sion beschlossen, die Verordnung betreffend die Reglung des Verkehrs im Saargebiet vom 16. April 1925.( Amtsblatt 1925, Seite 81) mit sofortiger Wirkung dahin abzuändern, daß
1. die in Artifel 2 der vorgenannten. Verordnung vorgesehene Frist von 3 Tagen auf 24 Stunden herabgesetzt wird,
2. die in Artikel 4 vorgesehene Frist von 2 Wochen auf 7 Tage beschränkt wird.
Auf Grund dieses Beschlusses der Regierungsfommission hat die Direktion des Innern angeordnet, daß die bestehenden Einreisevorschriften vom heutigen Tage ab mit besonderer Genauigkeit und Strenge gehandhabt werden.
In das Saargebiet einreisen dürfen nur Personen, die im Besitze cines gültigen Passes oder eines Personalausweises find.
Perfonen, die nicht die Eigenschaft eines Saareinwohners beüßen, munjen sich 24 Stunden nach ihrer Ankunft bei der Ortspolizeibehörde melden. Wenn sie länger als 7 Tage im Saargebiet fich aufhalten wollen, müssen sie eine Aufenthaltserlaubnis bei der Baßabteilung der Regierungskommission beantragen.
Zu den in Artikel 2 und 4 der vorgenannten Verordnung vorgeschriebenen Anmeldungen sind gemäß Artikel 7 derselben Verordnung auch diejenigen Personen verpflichtet, die einem Nichtsaareinmohner gegen oder ohne Entgelt Unterkunft gewähren.
Sur Ueberwachung dieser Vorschriften wird bei den Grenzübergangsstellen ein Kontrollitempel in dem Paß oder Personalausweis angebracht. Außerdem werden alle Verfonen an diesen Stellen in eine Lifte eingetragen, die ihren Namen. Bornamen, Geburtstag und Wohnort enthält; in eine besondere Liste werden Führer und Insaisen von Kraftfahrzeugen aufgenommen.
In allen Hotels und Beherergbungsstätten wird ständig eine scharfe Kontrolle der eingereisten Nichtsaareinwohner durchgeführt werden. Diese Kontrolle wird sich auch auf alle diejenigen erstrecken, die unentgeltlich einem Nichtsaareinwohner( z. B. einer Person, die nur zu Besuchszwecken im Saargebiet weilt) Unterkunft gewähren, sie wird auch in Gaststätten und auf den Straßen stattfinden.
An alle Personen, die sich im Saargebiet aufhalten( Saareinwohner und Nichtsaareinwohner) ergeht daher die Aufforderung, ständig einen Personalausweis bei sich zu tragen, damit die kontrolle, die im Interesse der Ruhe und Sicherheit während der Abstimmungsperiode erfolgt, reibungslos verläuft.
Die Kontrolle tritt fofort in Tätigkeit an allen Stellen, an denen die technischen Einrichtungen bereits vorhanden sind und zwar sowohl auf der Eisenbahn als auf der Landstraße. An den Stellen, an denen die nötigen technischen Einrichtungen noch fehlen, werden sie mit größter Beschleunigung hergestellt, so daß also in einigen Tagen die Grenzkontrolle sich auf alle Uebergangsstellen des Saargebietes, eritredt.
Folgende Personen werden in die Listen nicht eingetragen und es in auch bei ihnen feine Eintragung in dem Paß oder Personalausweis zu machen:
1. alle Ginreifenden, die sich durch den Besitz eines der nachstehenden den Identitätsausmeije als im Saargebiet ansässig ausweisen fönnen:
roter jaarländischer Personalausweis,
meiße jaarländische Identitätskarte( Carte d'Identité ), gelber jaarländischer Personalausweis, von der ehemaligen Militärverwaltung erteilt.
saarländischer Reisepaß.
2. Inhaber von Legitimationskarten gemäß Regierungsverordnung vom 27. Januar 1932 betreffend die Arbeitszentrale für das Eaargebiet und von Grenzausweisen( sogenannte Grenzfarten) gemäß Protokoll über die Gebrauchsrechte an der jaarländischfranzösischen Grenze vom 13. November 1926.
3. Inhaber von Diplomatenpässen.
Rohstoffe für die Rüstungsindustrie
London , den 30. November. Reuter meldet aus Berlin , daß die deutsche Regierung den golffreien Import von 80000 To. naturreinem Chilejalpeter gestattet habe. Die Reinheit muß von den Lieferanten garantiert werden. Salpeter wird bekanntlich als Düngemittel. aber auch zur Pulverfabrikation benötigt.
Pacis über die UnterhausRüstungsdebatte
Dreiste
Seite 2
Seite 3
Judenhetze an der Saar
England und das indische Problem
Seite 7
Eine beispiellose Presseblamage des Propagandaministers
Seine Zeitungen bitte.: die Juden demütig um Verzeihung
Reunorf, 22. November,
Hier hat sich soeben vor den Augen der gesamten Oeffent: lichkeit eine Affäre abgeiptelt, deren Leidtragende die Nationalsozialisten unter den Deutschen der Vereinigten Staaten sind. Sie verdient es, als Erempel brauner Tapfer= feit und Mannestrene fern von der Heimat in allen Einzelheiten geschildert und überall bekannt zu werden.
Kräftig unterstützt von der metallischen Propaganda des Herrn Goebbels , wurde hier im Sommer 1933 ein Bund der Freunde des neuen Deutschland " gegründet, der sich begeistert zum Hafenfreuz bekannte. Deutiche im Ausland pilegen im politischen Ueberschwang bekanntlich die Heimat noch zu übertrumpfen. Man macht sich keine Vorstellung davon, mit welchem Saß alle Bekenner der republikanisch- freiheitlichen Idee, vor allem aber die Juden von diesen Freunden" bekämpft wurden. Am liebsten hätten die Herrschaften auf amerikanischem Boden für ihre widerspenstigen Landsleute und alle Nichtarier Konzentrationslager eingerichtet.
Bald besaßen sie auch ein eigenes Blatt, die„ Deutsche Zeitung", die in den wildesten Rassetrieg eintrat. Die eriorderlichen Zuschüsse wurden aus dem großen Topf des Propagandaministeriums bezahlt. Hier aber ist nun das große Malheur passiert, über das wir berichten müssen.
Im Juli 1934 veröffentlichte die„ Deutsche Zeitung" einen heftigen Schmähartifel gegen den ehemaligen Magiftrat und Richter Josef Goldstein. Der Beleidigte verklagte den Hauptschriftleiter der Deutichen Zeitung" 28illiam L. Mc La Laughlin, einen Mann nicht deutscher, aber echt arischer Abfunft, der begeistert im Gefolge des National: sozialismus marschierte. Goldstein flagte. Die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen brachen so fläglich zusammen, daß der Richter Franklin Tallor den Chefredakteur zu einem Jahre Gefängnis verurteilte. Das überstieg aber für Mister Laughlin den Fundus an Opferwilligkeit für die heilige braune Sache. In seiner„ Deutschen Zeitung"( Nr. 46 vom 7. November) veröffentlichte er, um der Strafe zu entgehen, eine Abbitte, die das Demütigendste und zu= gleich Erbärmlichste ist, was wir seit Jahr: zehnten in irgendeiner 3ettung der Welt erlebt haben.
Es heißt hier wörtlich:
Ein Widerruf und eine Entschuldigung
Wir glauben nicht, daß irgend ein vernünftiger Leser weniger von uns denkt, wenn wir im Geist von Aufrichtig= feit und Selbstachtung ein öffentliches Geständnis eines Irrtums machen, den wir gemacht haben und wenn wir alle daran Beteiligten um Verzeihung bitten.
In unserer Nummer vom 7. Juli 1934 veröffentlichte unser Blatt eine beleidigende und sehr bedauerliche Aus: sage in welcher der Charakter und die legale Rechtschaffen: heit des Herrn Hon. Joseph Goldstein von Brooklyn an= gegriffen wurde. Nachdem wir diese Angelegenheit sorgfältig geprüft haben und uns der Schwerheit unserer Hand: lung klar geworden sind, möchten wir nun diese Behaup= tung zurückziehen und wir leisten Abbitte in demütiger Weise nicht nur Herrn Richter Goldstein und der Gemeinschaft von der er ein Mitglied ist. Wir gestehen ein, daß unser Angriff auf diesen Herrn und die Juden nicht gerechtfertigt, gewissenlos und grundlos war. Dies zeigt uns, wie besorgt man sein muß in der Herausgabe eines Blat: tes um nicht den Charakter einer Person oder eines Volfes zu verlegen.
Wir haben Herrn Richter Goldstein um Entschuldigung gebeten und er war großmütig genug, uns zu ver: sichern, daß er feinen Groll gegen uns hegte. Wir wissen ganz genau, daß unsere Aussagen ihn tief betrübt und verlegt haben und ihn in ein ganz falsches Licht gestellt haben durch diesen anstößigen Artikel und wir wissen seine freundliche Nachsicht hoch zu schäßen. Da wir wissen, daß in dieser Angelegenheit Herr Richter Goldstein viel Belästigung und Auslage von Zeit und Anstrengung durchmachen mußte, glaubten wir, daß es nur recht und billig wäre, ihm ein Anerbieten zu machen, für Schaden und Nachteil den wir ihm verursacht haben, und wir müssen zugeben, daß er stets verweigerte, Geldschaden von uns anzunehmen, so glaubten wir, daß es nur richtig und billig wäre, ihn schuldlos zu erhalten für all das Unrecht, was wir ihm verursacht haben, aber der Herr Richter sagte uns, daß dies nur einen moralischen Hintergrund habe, der nicht in Geldfachen zum Ausdrud gebracht werden könnte und daß das Un: recht, welches ihm getan wurde, wirklich mehr die jüdische Gemeinschaft beträfe als ihn persönlich. Es freut uns
einzugestehen, daß diese Stellungnahme des Herrn Richters Goldstein ein offena barer Zug des jüdischen Wolfes ist und daß er unsere Sochachtung verdient. Wir bitten auch unsere Leser um Vergebung und besonders unsere jüdischen Leser und wir hoffen, daß sie nach ihren glänzenden Ueberlieferungen und Vorschriften, Nachsicht zu üben und uns verzeihen werden und unsere Ueberschreitung übers sehen werden,
,, Dentsche Zeitung".
Nicht genug damit, daß wir diesem nationalsozialistischent Helden aus Furcht vor dem Gefängnis vor der gesamten Judenschaft auf den Knien rutschen sehen. Er teilt in der gleichen Nummer seiner Deutschen Zeitung" seinen Lesern mit, man habe sich entschlossen, eine drastische Aen= derung" der bisherigen politischen Taktik eintreten zu lassen. Denn, wiederum wörtlich:
„ Wir sind uns flar geworden, daß in diesem gesegneten Lande gewidmet den Idealen von Voltsregierung und Recht für alle, ohne Sinsicht auf Nasse und Glauben, alle Feindschaften und Vorurteile zwischen Rassen und Völkern verschiedenen Ursprungs, welche hier wohnen und welche alle gleich unter dem Schutz der Ge setze und Verordnungen dieses Landes stehen, durchaus unwürdig und unstatthaft sind.
Deshalb möchten wir ernstlich irgend welche Anreizung zu Rassen und Relis gions Erbitterung ablengnen, obwohl unser Blatt dafür beschuldigt worden ist. In Zukunft wird in unserm Blatt nichts erscheinen, was in irgend einem Grade entweder als direkte Redensart, oder mittelbar, Folgerung oder als Wink oder einen Angriff auf den Charakter einer Rasse oder eines Boltes oder einer Per: son angesehen werden könnte, durch Namen oder anders: wie einer solchen Rasse oder eines Volkes."
Auf hitlerdeutsche Kosten war über Nacht aus einem wild tobenden Naziblatt eine Flamme der Freiheit und der Toleranz geworden, nur weil es in Amerika noch Richter gibt. W. L. Mc. Laughlin, dem die Juden verziehen, ging jogar noch viel weiter. Es gelangte plötzlich zu der Ueberzeugung, daß für Leute, welche noch aufrichtig fühlen, der Boyfott von Waren eines fremden Landes ihr einziges friedliches Mittel ist, um die Inhumanität dieses Landes zu bekämpfen, sich dieser Waffe be= dienen können". Mit Goebbels ' Geld hat die Waffe des Boykotts gegen Hitler- Deutschland einen seltsamen und unerwarteten Mithelfer erhalten.
Man wird aber nun fragen: Was tut nach diesen Ereignissen der„ Bund der Freunde des neuen Deutschland "? Schreit er wild nach Verrat seiner heiligsten Prinzipien, schleudert er dem gefängnisscheuen Pg. seine Verachtung entgegen? Zwar hat er sich sofort ein neues Publikationsorgan geschaffen, den Deutschen Beobachter", das gleichfalls Berlin finanziert. Man darf aber dieses nationalsozialistische Blatt nicht mit seinen gleichnamigen Vettern im Reiche vergleichen. Der amerika nische Deutsche Beobachter" schreibt über den Volks genossen Mc. Laughlin, der sich vor einem Juden beugte, unter anderem: Man habe sich von der Deutschen Zeituna" allerdings trennen müssen. Das sei in Anbetracht der Umstände verständlich, denn wer geht gerne ins Gefängnis. Selbstverständlich müsse auch Amerika in Kürze erwachen. Aber doch nicht so wild wie Deutschland :
Die Leitung des Bundes legt Wert darauf, an dieser Stelle zum anderen Male öffentlich zu erklären, daß ihr jegliche Ausreizung zum Rassenhas fern liegt, daß sie sich grundsäßlich nicht in Religionss fragen mischt, daß sie jedoch die Bekämpfung der Sets und Lügenkampagne gegen Deutschland , das deutsche Volk und die deutsche Regierung sowie die Befämpfung des unamerikanischen, gesezwidrigen und den Interessen der Vereinigten Staaten zuwiderlaufenden Boykotts deutscher Waren für die Pflicht des gesamten Deutschtums Amerikas hält."
Das ist die feierliche Verleugnung des Rassenfampfes, des Herzstückes der nationalsozialistischen Weltanschauung. In der ganzen Nummer des „ Deutschen Beobachters" liest man nicht ein einziges Wort über oder gegen die Juden. Die Spuren schrecken. Man hat Angst vor neuen Prozessen und läßt Rasse, Blut und Boden lieber im Köcher, um sich der goldenen Freiheit Amerikas erfreuen zu dürfen.
Die Bekenner des Rechts und der Menschenliebe in Amerika lachen nicht nur auf Kosten Hitler- Deutschlands und besonders des Herrn Goebbels . Sie empfinden zugleich ethische Genugtuung über diese tragikomische Selbst= entlarvung, bezahlt aus dem Fonds der deutschen Ausa landspropaganda...