JANUAR
Was ist Sozialismus?
Die deutsche Saarstunde sagt es
Da hat man nun bisher geglaubt, Sozialismus sei ein gemeinnüßiges planmäßig geordnetes Wirtschaftssystem, eine hochkultivierte flaffenlose Gesellschaftsordnung, ein nach höchsten Erziehungsidealen strebendes Menschentum.
Wie hat man sich geirrt! Wie schwer haben sich ein Jahrhundert Denker aller Wissenschaften, Ethiker und Religions philosophen das Leben gemacht, indem sie Wege und Ziele des Sozialismus zu erforschen trachteten. Adolf Hitler und die Seinen erfanden dafür den„ Sozialismus der Tat", den man in früheren liberalistischen, marxistischen oder auch christlichen Zeitaltern einfach Wohltätigkeit und Almosen nannte, und schon war der Sozialismus in Deutschland verwirklicht.
Verzerren wir? Uebertreiben wir? Nein!
Was bot uns zum Beispiel am Donnerstagabend die Saarstunde! Sie brachte irgend einen in jeder Beziehung ungeschulten Arbeiter von der Saar an das Mikrofon, und da mußte er erzählen, daß und wie er in Deutschland den Sozialismus gefunden habe, den es sonst in der Welt nicht gäbe, am wenigsten aber im Saargebiet.
Der gute Junge, von Suggestivfragen des Ansagers geführt, erzählte also, daß er mit einem Trupp saarländischer Erwerbsloser nach Deutschland eingeladen und dort bei einem„, besseren Beamten"( wörtlich) als Gast einquartiert worden sei, und das sei doch Sozialismus.
Für noch mehr Sozialismus aber hält es dieses Prachtexemplar eines saarländischen Arbeiters, daß dieser„ bessere Herr" sich sogar mit ihm unterhält, als wäre er seines= gleichen. Das ist dem guten Jungen, wie er stotternd vortrug, bisher nicht vorgekommen, und davon ist er so beglückt, daß er auf wiederholte dringende Frage bestätigt, in Deutschland sei der Klassenfampf abgeschafft, weil es feine Klassengegenfäße mehr gebe:
Nichts gegen diesen armseligen Burschen von der Saar , dem die hitlerdeutsche Propaganda nicht um seinetwillen, sondern um ihrer Saarangst willen ein paar gute Tage verschafft hat! Er steht aber unter dem geistigen und moralischen Niveau des kämpfenden Arbeiters auf der Stufe des Sklaven, der beglückt ist, wenn ihm sein Herr ein Trinkgeld reicht.
Was aber muß die Welt außerhalb Deutschlands von einem Lande halten, in dem die amtliche Propaganda noch tief unter die Traftätchenliteratur irgend einer Sekte sinkt. Ein Glück, daß die jetzt drüben Regierenden nicht wissen, welches Maß von kritischem und positivem Wissen die marristisch geschulten Arbeiter besitzen. So wirkt denn diese Sorte Propaganda gegen den„ Sozialismus der dummen Kerle" und für die Notwendigkeit einer ökonomischen und ethischen sozialistischen Revolution.
Dreiste Judenhetze an der Saar
Wo bleibt da die ehrliche, freie und Anhänger einer bestimmten Richtung gestempelt, wobei unbeeinflußte Abstimmung?
Das auf Veranlassung des Saarfommissars Bürckel von den Nazis gekaufte Westland" zeigt mit anerkennenswerter Offenheit die Pogromfraße des Nationalsozialis mus. Nazi- ,, Westland" hat Stürmer Niveau", das jagt alles. Zugleich wird wieder einmal der eremplarische Bweis dafür erbracht, daß die Nationalsozialisten sich um feinerlei Vereinbarungen und Zusicherungen fümmern. Das Blatt, für das verantwortlich ein gewisser Richard Adt zeichnet, zeigt nichts als eine üble schmutzige Heze gegen die Anhänger des Status quo, insbesondere gegen die jüdische Minderheit an der Saar . Das Blatt veröffentlicht u. a. eine Liste von angeblichen An= hängern des Status quo. Es handelt sich hierbei ausschließlich um saarländische Juden, die angeblich Geld für die Front des Status quo gezahlt hätten. Zunächst ist die Feststellung notwendig, daß diese Liste gefälscht ist. Sie enthält nicht nur falsche Adressen und Namen von Toten, sondern auch Namen von jaarländischen Juden, die infole ihrer schwieriaen materiellen Lage überhaupt keine Spenden geben konnten. Darüber hinaus aber enthält diese Liste zahlreiche Personen, bei denen das Naziblatt nicht angibt, ob sie überhaupt irgendeinen Betrag gezeichnet hätten. Ein Uneingeweihter muß sich deshalb die Frage stellen, wozu eigentlich diese Namen veröffentlicht wurden. Aber das Blatt verrät selbst seine Absicht. Es schreibt: „ Die meisten( von den in der Liste angegebenen Personen) waren von vornherein gar nicht in der Lage, ge= mäß ihrer Gesinnung für Deutschland einzutreten. Den Deutschen an der Saar sind diese Zeitgenossen( gemeint sind die Juden, d. Red.) im allgemeinen bekannt. Wir veröffentlichen aus der Liste die Namen der Anhänger des Status quo, die in einigen Orten des Saar: gebiets wohnen... Man wird wahrscheinlich über die Summen, aber nicht über die Namen erstaunt sein,
diese Richtung, vom Standpunkt des dritten Reichs", ein mit dem Tode bestrafter Landesverrat darstellt. Kein Mensch darf, nach den geltenden Bestimmungen, so weit er nicht selbst das tut, im voraus als Anhänger der einen oder anderen Richtung bei der Abstimmung öffentlich augeprangert werden.
Darüber hinaus wird in dem Blatt wiederholt die Anordnung der Abstimmungsfommission vom 12. November über das Verbot der Beschimpfung der gegne rischen Abstimmungspartei mißachtet. Auf Seite 5 des Blattes findet man u. a. ein großes Inserat:„ Die Saar will den Frieden ohne Verräter und Betrüger, ohne Status quo." Immer wieder werden in dem Blatte die Anhänger des Status quo als Separatisten und Landesverräter beschimpft.
Wir sind also schon so weit gekommen, daß hier an der Saar , vor den Augen des Völkerbundes, und trotz aller Verordnungen der Regierungskommission, ungestraft
eine Pogrombezze inszeniert, die jüdische Minderheit offen nach dem Vorbild von Streicher diffamiert, und das Wahlgeheimnis gebrochen werden fann. Kann man wirklich unter all diesen Umständen nach der Herausgabe eines solchen Hezblattes noch von einer freien und ehrlichen Abstimmung ohne Terror sprechen? Wir verlangen und erwarten, daß in diesem Falle den braunen Hezern gegenüber ein solches Erempel statuiert wird, daß den Herrschaften die Lust an der Pogromheze vergeht.
Ein Teil der Auflage des Schmutzblattes ist im übrigen bei Gebrüder Hofer, AG., Saarbrücken , gedruckt worden. Wir fragen: Welche Maßnahmen gedenkt man gegen diese Druckerei zu treffen, damit die Herren von Hofer freres" wissen, daß sie nicht ungestraft jedes Schmier-, Hetz- und Bogromblatt drucken und verbreiten dürfen?
woraus jich ergibt, daß die betreffenden Das Schicksal der Saar - Juden
Zeitgenossen wie bisher ohne Gefahr unter uns leben können."
Hier handelt es sich um eine nicht einmal versteckte Aufforderung zum Pogrom. Denn man kann diese Worte nicht anders verstehen, als daß im Falle der Rückgliederung die Zeitgenossen, d. h. die Juden, insbesondere die, deren Namen im Blatte veröffentlicht worden sind, nicht mehr „ phae Gefahr im Saargebiet" leben können. Wenn man dazu den Leitartikel dieses Schmutzblattes liest, der den Titel Hände ho ch" trägt, wenn man dort in bezug auf die Juden test:" tr rufen dem entgegen: Hände hoch", hier wird nicht einfach eine eilige Flucht nach Forbach , Straßburg oder Metz angetreten", so kann man an dem Sinn der oben zitierten Pogromdrohung nicht mehr zweifeln.
Die Veröffentlichung dieser Liste stellt ferner einen Bruch des Abstimmungsgeheimmisses dar. Eine bestimmte Kategorie von Menschen, die geheim abstimmen sollen, werden nach außen hin als
Dr. Nahum Goldmann , Vorsitzender des Comité des Délégations Juives und der Exekutive für den Jüdischen Weltkongreß, der vor kurzem in Paris mit dem französischen Außenminister Pierre Laval vor dessen Abreise nach Genf eine längere Unterredung hatte, traf während seines Aufenthaltes in Genf mit dem Vorsitzenden des Rates des Völkerbundes und Außenminister der tschechoslowakischen Republik Dr. Edouard Benesch, mit einem Mitglied der englischen Völkerbund - Delegation, mit dem Volkskommissar des Aeußern der Sowjetunion M. Litwinow, mit dem rumä nischen Außenminister Titulescu und mit einer Anzahl anderer Delegierter der Völkerbundversammlung zusammen. In allen diesen Unterredungen mit den Staatsmännern setzte Dr. Nahum Goldmann u. a. die Notwendigkeit eines internationalen garantierten Schutzes der Rechte der indi: schen Einwohner der Saar für den Fall der Rückgab Gebietes an Deutschland auseinander.
Der Goebbels- Korruptionssumpf an der Saar
Die Saar Volksstimme" bringt einen Artikel über die Zusammenhänge des„ Westland"-Verkaufs, dem wir in Ergänzung zu unseren gestrigen Ausführungen folgendes entnehmen:
Weder der Verlag noch die Redaktion der„ Volksstimme" hat mit Verkauf von„ Westland" etwas zu tun gehabt. Wir mußten nichts von diesem streng geheim gehaltenen Geschäft, bis die Tatsache des Verkaufes vor 14 Tagen durch einen Zufall bekannt wurde. Da dieser Zufall in der Person des Bevollmächtigten der neuen Besizer, Herrn Mamelock, verkörpert war, so war es uns von vornherein flar, daß es sich um eine ganz dunkle Angelegenheit handelte, und wir haben von Anfang an die Ueberzeugung gehabt, daß die Käufer von„ Westland" mit hitlerdeutschem Geld gearbeitet haben. Aus dieser Sachlage ergab sich für uns eine doppelte Aufgabe: Erstens zu verhindern, daß ,, Westland" in irgendwelchem nichtgleichgeschalteten und erst recht nicht in unserem Verlage erscheint und zweitens zurückhaltend zu bleiben, bis unsere Ueberzeugung durch einwandfreie Beweise auch für die breiteste Oeffentlichkeit belegt wird.
Diese beiden Ziele sind jetzt erreicht. Das„ Westland" ist in einem Verlag der braunen Front erschienen. Die Agenten von Goebbels und Bürckel waren nicht im stande, ihren Auftrag durchzuführen und mußten sich jetzt schon demaskieren. Man braucht jetzt keine komplizierte Beweisführung mehr, die zwar für einen engeren Kreis, aber nicht für die breiteste Deffentlichkeit überzeugend wirken konnte. Jetzt sind die Tatsachen da, die absolut klar und eindeutig sind. Unser Ziel war, das niederträchtige und gefährliche Manöver zum Scheitern zu bringen, und das haben wir erreicht.
Die Herren Goebbels , Bürckel und Konsorten haben keine einzige von ihren Absichten verwirklichen fönnen. Sie haben einen rheinländischen Separatisten, Weißenberg , als Mittelsmann eingeschoben, um dann behaupten zu können, daß die Anhänger vom Status quo dasselbe sind, wie die rheinländischen Separatisten. Nun ist dieser rheinländische Separatist jetzt formell Be= fiber eines Organs der braunen Front und nicht einer hitlergegnerischen Zeitung. Es bestand die Absicht, den Eindruck entstehen zu lassen, daß das schmutzige Geschäft mit französischem Geld getätigt worden sei. Jetzt ist es offensichtlich geworden, daß kein französisches Geld, sondern das Goebbelsgeld als Korruptionsgeld an der Saar verwendet worden ist. Es bestand die Absicht,„ Westland" solange wie möglich mit seiner bisherigen politischen Richtung erscheinen zu lassen, um dann plößlich mit großem Krach unmittelbar vor der Abstimmung die angebliche Korruption der Hitlergegner zu enthüllen. Das ist nicht gelungen, dagegen ist der stinkende Sumpf der Goebbelsschen Korruption ans volle Licht des Tages gebracht worden,
Das Manöver ist mißlungen. Keine einzige Partei und feine einzige politische Persönlichkeit, die im Freiheitskampf an der Saar steht, ist durch das Geschäft fompromitiert worden. Der Verkauf von„ Westland" war feine politische Handlung, sondern eine rein persönliche Angelegenheit. Die Herren, die diesen Verkauf getätigt haben, haben zweifelsohne mit strafbarer Unvorsicht gehandelt. Die Verantwortung für diese unglaubliche Unvorsicht, für die ungeheuerliche Tatsache des Verfauses eines politischen Organs an dunkle Persönlichkeiten und ohne' ge= naue Kenntnis der Geldquellen, tragen die Herren, die das„ Westland" verkauft haben und sie allein. Nicht nur die Verhandlungen, sondern auch der Abschluß des Geschäftes wurde vor allen poli
..Noch fünfzig Tage"
Unter dieser Ueberschrift läßt sich die Basler„ National 3eitung" aus Berlin berichten:
Berlin , 26. November. Noch fünfzig Tage trennen uns vom 13. Januar, da das Volk an der Saar sich entscheiden muß, ob es wieder zu Deutschland geschlagen werden will. Die reichsdeutsche Propaganda für diesen Tag ist eine gewaltige. Ihr Echo in der deutschen Oeffentlichkeit ist jedoch nicht allzu groß. Das Publikum verhält sich dagegen meistenteils recht gleichgültig und resigniert. Diese Menschen bedrängt ja so manches, das ihnen viel wichtiger erscheint, als gerade die Frage, ob 700 000 Saarländer wieder deutsche Staatsbürger werden sollen oder nicht. Es ist nämlich nicht ganz so, wie der Pariser Korrespondent der„ Frankfurter Zeitung " schreibt, daß das deutsche Volk, sicher gemacht durch das Dritte Reich, den Ereignissen mit überlegener Ruhe zuschaue, während die andern vor Unruhe, Unsicherheit und Kriegspanif schier verzappelten. Gewiß sind die Franzosen unruhig. Als ob aber die Deutschen sich geborgen fühlten wie in Abrahams Schoß? Man mag nun in Berlin hinhören wo man will: wer raunt und flüstert nicht alles pon kommenden unaufhaltsamen Kataklismen und vom Krieg, den doch fast jeder verabschent; denn der seelische Zustand ist im Grund genan so, wie ihn der Korrespondent des Frankfurter Blattes in Frankreich sieht: ein Publikum, das sich ständig einreden läßt, der Krieg sei auf die Dauer doch nicht zu vermeiden, resigniert endlich, wenn schon, dann in Gottes Namen".
Die Ergebung ins scheinbar Unvermeidliche läßt somit auch hierzulande nichts zu wünschen übrig; wohl die meisten sagen sich, mögen die Saarländer abstimmen, wie sie wollen, schließlich kommt alles doch nur schief heraus. Der ausländische Beobachter muß sich immer wieder fragen, wenn
tischen Persönlichkeiten des Sadigonis geheim gehalten.
Für uns war der monatelang hinterlistig geführte Angriff gegen unsere Presse eine Prüfung, und wir dürfen heute mit voller Befriedigung feststellen, daß wir diese cüfung überstanden haben. Nicht wir sind die Blamierten, sondern in erster Linie die Herren Goebbels , Bürckel und Konsorten. Diese Herren haben gezeigt, welche Angst sie vor uns haben. Sie haben feine Hoffnung mehr, in einem ehrlichen Kampf gegen uns den Sieg davonzutragen. Deshalb versuchen sie es mit der Niedertracht, Hinterlist und Korruption. Eine Sache, die mit solch widerwärtigen Mitteln vertreten wird und nur mit solchen Mitteln vertreten werden fann, ist eine verlorene Sache. Nicht Hinterlist und Korruption, sondern ehrlicher Kampfwille und sau= bere Gesinnung werden an der Saar siegen. Und das bedeutet, daß wir die Sieger von morgen sind!
schon die deutsche Presse unter der Diktatur steht, warum denn wird ihr nicht mehr Zurückhaltung diftiert, oder soll das Publikum am Ende gerade deswegen in Atem gehalten werden, weil die Unruhe höheren Orts gewünscht ist? Die deutschen Widersprüche nehmen kein Ende. Eine Artikelserie über das Saarland , die recht aggressiv zu werden verspricht, gibt z. B. der„ B. 3. am Mittag" Anlaß, den Teufel an die Wand zu malen. Das für alle Möglichkeiten zu Recht verfügte Bereitstellen einer französischen Division in ihrer Heimatgarnison nennt das Blatt provozierendes Säbelgerassel" und wirst die Frage auf, ob aus dem Saarplebiszit etwa das„ Serajewo eines neuen Weltkriegs" werden solle. Besonders die Provinzpresse stroßzt von antifranzösischen Verdächtigungen, in Hunderten von Varianten ist Frank reich dargestellt als der böse Geist, der Tag und Nacht nur darauf sinne, wie er deutsches Lebensrecht zu Schanden machen und sich an Deutschland vergreifen könnte. Der Verdacht gegen Frankreich wird übrigens gleich auf die ganze Welt ausgedehnt. Wenn das deutsche Volf alles glaubte ( leider glaubt es manches), was in der gleichgeschalteten Presse steht, dann müßte seine Vorstellung von der Welt eine fürchterliche sein. Oder ist es wirklich so, daß an allem Unglück, das Deutschland auch heute trifft, nur die eingeborene Bösartigkeit der andern schuld sei?
Die nationalsozialistischen Friedensbeteuerungen und Angebote sind zweifellos ehrlich gemeint, sie müssen es ja sein, denn wenn sie vielleicht auch feinem tiefen Herzensgrund entspringen so entstammen sie jedenfalls der Kenntnis der Wirklichkeit, und das ist die gegenwärtige eigene Schwäche. Aber warum dann die ganz anders lautende Bearbeitung des Volkes durch die Presse? Fordert die Taktik den Unglauben der andern nicht geradezu heraus?