Aktivität des Quai d'Orsay
Von unserem Korrespondenten.
Der Quai d'Orsay steht zur Zeit im Zeichen ganz besonders angespannter Arbeit. Zwischen dem rumänischen Außenminister und seinem französischen Kollegen Laval finden wichtige Unterhaltungen statt, der türkische Außenminister führt bedeutungsvolle Gespräche mit Laval, und dann wieder treffen sich beide ausländischen Gäste mit dem Leiter der französischen Außenpolitif, um gemeinsam alle die Fragen zu diskutieren, die den drei Staatsmannern und den von ihnen vertretenen Völkern ganz besonders am Herzen liegen. Die französische Presse begleitet alle dieje Konferenzen mit ihren Kommentaren, ohne daß sie jetzt schon auf ein bestimmtes Ergebnis hinweisen kann. Man will wissen, daß Tembik Ruschdi Bey nach Paris gekommen sei mit dem Vorschlag, einen französisch- tür= fischen Paft abzuschließen. Diese Absicht stößt nicht überall auf freundliches Verständnis. So jagt zum Beispiel a in: Brice im Journal", Frankreich würde Italien mißtrauisch machen, wenn es jetzt ein Einzelabkommen mit der Türkei abichließen würde. Es gäbe tatsächlich im Mittelmeer feine Sicherheit ohne die französischitalienische Verständigung, in Mitteleuropa ohne die Verständigung zwischen Italien und Jugoslawien im Often ohne die Verständigung zwischen Polen und der Tschecho slowakei .
Im Deuvre" hofft Genevieve Tabouis , daß zwischen der Kleinen Entente und den Mächten des Balkan= paktes, also Jugoslawien , Bulgarien , Griechenland und Türkei , bald die noch bestehenden Gegensätze beseitigt würden und dadurch ein wirklicher Balkanpaff zustande käme, dem alle Balfanmächte angehören. Italien habe vor kurzem in Genf der Kleinen Entente und insbesondere der Tichecho= slowaker und Jugoslawien ein Abkommen angeboten, in dem Desterreichs Unabhängigkeit garantiert werden sollte. Die Antwort habe gelaufet, daß beide Mächte mit den an= deren Balkanmächten solidarisch seien und nichts mehr wünschten, als mit Italien friedlich zusammen zu arbeiten, aber unter der Bedingung. daß Italien friedlich auf seine Politik auf dem Balkan des„ Divide et. Impera"( die Gegner voneinander trennen, um sie einzeln zu beherrschen) verzichte. Die französische Journalistin meint. daß dieses Biel jeßt erreichbar sei. Ein Abkommen mit der Türkei bestehe für Frankreich noch nicht. Es sei wünschenswert, dürfte aber erst dann verwirklicht werden, wenn Frank reichs Verhandlungen mit Italien günstige Gestalt an= genommen hätten.
Die italienisch- französische
Verhandlungen
Rom , 30. November. Infolge der Verschärfung des ungarisch jugoslawischen Konflikts ist in verschiedenen politischen Kreisen die Ansicht vertreten worden, daß die geplante Reise Lavals nach Rom neuerdings verschoben wird. Von unterrichteter Seite wird erklärt, daß die italienisch- französischen Verhandlungen feine Unterbrechung erfahren haben und daß angeblich der bisherige Verlauf sogar zu optimistischen Aussichten Anlaß gese. Nach wie vor wird angenommen, daß Laval voraus sichtlich am 20. Dezember hier erwartet werde.
BRIEFKASTEN
An mehrere. Auf Ihre Anfrage geben wir das von dem neuen Organ des Saarfömminars Bürcel Nazi- ,, Westland" in französischer Sprache abgedruckte Schreiben des früheren Herausgebers des ,, Westland", A. Thalheimer, in deutscher Uebersetzung wieder:„ Herrn Weißenberg, Paris . Ich bestätige unsere Vereinbarung und Unterhaltung von heute früh. Ich habe Ihnen die gegenwärtige Lage von ... Westland" und die Geschichte seiner Gründung auseinandergesetzt. Das Kapital der Gesellschaft in Höhe von 100 000 Fr., das ich aus meinen eigenen Mitteln und ohne Hilfe von dritten Personen eingezahlt hatte, ist infolge der enormen Schwierigkeiten, auf die ich an der Saar gestoßen, bin, ungenügend gewesen. Ich habe nicht gezögert, fortwährend bedeutende Summen einzuzahlen, die weit das Gründungskapital überschreiten. Es ist mir ein Leichtes, Ihnen dafür einen Beweis auf Grund meiner Bücher und Bankausweise zu liefern.
Ich habe Ihr Angebot, Ihnen die Gesellschaft für den Preis von 200 000 Fr. zu verkaufen, nur angenommen, um die Existenz der Zeitschrift zu sichern. Ich habe mit Genugtuung von Ihrem Bersprechen über die Möglichkeit einer Erhöhung des eingezahlten Kapitals Kenntnis genommen, was die Möglichkeit bieten würde, aus„ Westland" ein noch bedeutungsvolleres Blatt zu machen und so dazu beitragen würde, eine noch wirksamere antihitlerische und saarländische Propaganda in die Wege zu leiten..."
Die Rechtsstelle für deutsche Flüchtlinge in Paris schreibt uns: Seit etwa 6 Wochen hält sich in Paris ein gewisser Martin Ruder auf. Er wohnt jest 67, rue des Moines, Paris 17. Er gibt an, am 29. 10. 1902 in Frankfurt am Main geboren zu sein und zuletzt in Berlin- Tegel , Brunowstraße 56, gelebt zu haben. Nach seinen BeHauptungen ist er ab Februar 1933 bis September 1934 in ver schiedenen Konzentrationslagern festgehalten und angeblich schwer verstümmelt worden. Er zeigt seinen linken Arm vor und versichert, dieser sei im Lager gebrochen und. ausgeschnitten worden, so daß er jetzt nicht brauchbar ist. Kuder will auch Gerichtsassessor féin, aber in der letzten Zeit kaufmännisch gearbeitet haben. Kuder gibt an, durch die Leiden im Konzentrationslager einen nervösen Sprachfehler erhalten zu haben; er. hat beim Sprechen 3udungen im Gesicht und wirkt sehr nervös. Möglicherweise ist dies simuliert. Nach den letzten zuverlässigen Ermittlungen in Deutschland ist Ruder unzweifelhaft ein Hochstapler und Betrüger. Er hat niemals studiert, hat in Deutschland wegen krimineller Vergehen im Gefäng nis gesessen und hat es hier in Paris verstanden, sich bei allen nur erdenklichen Stellen Unterstüßungen und Empfehlungen zu verschaffen. Es erscheint zumindest höchst zweifelhaft, ob er überhaupt im Konzentrationslager gewesen ist; es besteht die Befürchtung, daß er von seinen hiesigen Erfahrungen meiteren unlauteren Gebrauch macht. Wir warnen dringend, sich in irgendeiner Weise mit ihm einzulassen und bitten, etwa bei ihm vorgefundene Empfehlungsschreiben einzubehalten.
A. M., Neuyork. Wir danken Ihnen für die wertvolle Zeitungssendung. U. a. schreiben Sie:„ Der Bund der Freunde des neuen Deutschland " hatte einer seiner regulären Versammlungen im „ Ebling Casino", 156, Street und St.- Ann- Avenue, an welcher etwa tausend Personen teilnahmen. Im selben Gebäude hatte der„ Gler mont- Club" in einem Saale, welcher gerade über dem Nazijaal gelegen ist, eine Versammlung, welche von ungefähr sechzig Personen besucht war. Als Dave Wallach, ein Mitglied des Clermont- Clubs", den Lift besteigen wollte, wurde er von einem Razisten mit einem Knüppel über den Kopf geschlagen. Wallach teilte dies seinen Klubfameraden mit, diese stürmten dann in die Naziversammlung, eine Prügelei entstand und die Polizei wurde von den Nazis alarmiert. Die Polizei drang mit gezogenen Revolvern in die Versammlung und verhaftete den Nazisten Siebert, welcher Wallach angegriffen hatte. Inzwischen demolierten die Mitglieder des„ Clermont- Clubs" die vor dem Gebäude stehenden Naziautos. Die Nazis wurden dann
von der Polizei im Gilmarsch nach der nächsten Sochbahnitation ges leitet, begleitet vom Clermont- Club", die Milchflaschen, Steine und andere Wurfgeschone in die Nazireihen schleuderten. Auf der Hochbahnstation tam es noch einmal zu einer lustigen Prügelei, in welcher es viele blaue Augen und verbeulte Köpfe gab." Alles in allem: die Nazis scheinen bei Euch so beliebt zu sein, wie sie es verdienen.
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Freund in Budapest . Sie übersenden uns den„ Pester Lloyd" mit 5 Uhr veranstalteten folgender Notiz:„ Der Geburtstag Erbfönig Ottos. Heute nachmittag wie aus Wien telegrafisch gemeldet wird die jüdischen Frontsoldaten in der Synagoge der Inneren Stadt einen Otto- Gottesdienst, zu dem auch Erzherzog Eugen in Marschalluniform erschienen war. Der Erzherzog wurde vom Führer der jüdischen Frontsoldaten, General Sommer, begrüßt. Erzherzog Eugen drückte seine Freude darüber aus, daß er an diesem Gottes dienst erscheinen und sich von der dynastischen Treue der südischen Frontkämpfer überzeugen könne. 203 ist Geist vom Geiste des Hitlerjuden Naumann im dritten Reiche". Ins Land der Franken fahren." Bei Ihrem Besuche im Reiche Streichers haben Sie das dortige„ Achtuhrblatt" in die Hand bekommen. Es bringt das Bild einer Judenverbrennung in Nürnberg mit folgenden gemütvollen Zeilen darunter: So faßte man die Juden im Mittelalter an. Unter der Zustimmung der erbitterten Bolksmenge wurden die schlimmsten dieser wuchernden Fremdlinge verbrannt. Wieviel humaner ist dagegen der nationalsozialistische Staat, der diesen Volksfeinden, wenn sie sich auch nur ein wenig anständig benehmen, nicht nur Gastrecht gewährt, sondern ihnen sogar die freie Ausübung des Berufes gestattet. Unser Bild zeigt
eine Judenverbrennung in Berlin auf dem Neuen Markt."- Man spürt das Bedauern, daß Juden im„ dritten Reich" einstweilen nur in Konzentrationslagern und in SA.- Kellern nichtöffentlich tot geschlagen werden, statt daß man sie öffentlich verbrennt.
Willy Schäferdied. Sie haben ein Hörspiel geschrieben, das Sie aus Ihrem Zimmer im Reichssender Köln nach Berlin schickten. Von hier aus ging es in diesen Tagen über fast alle deutschen Sender, und es hieß:„ Jakob Johannes". Das ist nämlich der Name des neuen Schlageter von der Saar . Jakob Johannes war ein Saararbeiter, der im Jahre 1919 vom französischen Militärgericht zum Tode verurteilt und erschossen wurde. Man hatte ihn eines Mordversuchs beschuldigt. Wir prüfen nicht, ob das Urteil zu Recht erfolgte, aber immerhin hatte man ihn mit der Waffe in der Hand verhaftet. Ihr Hörspiel zu dieser Episode ist pompös und knallig, voll schwelender Tendenz gegen die französische Rachejuſtiz, nicht ganz ohne Talent. Damals, als Sie unter der Protektion des heuter unter Anklage stehenden früheren Intendanten und Dichters Ernst Hardt von einem kleinen Angestelltenposten in den Weftdeutschen Rundfunk einrückten, da waren Sie gut Freund mit allen Sozialisten und Marristen im nahen und weiten Umfreise. Sie drückten ihnen gesinnungstreu die Hand und machten hinter Ihren Brillengläsern traurige Augen, wenn sich Strömungen von rechts her im Rundfunkhause durchzusetzen suchten. Sie schrieben sozialradikale Verse und spotteten mit anderen Spöttern über die Nazis. Als Jhre Kollegen der Reihe nach im Frühjahr 1933 herausgeworfen wurden und Ihr Protektor, der Intendant, gefangen gefeßt wurde: Sie blieben. Heut stehen Sie vermutlich bereits im Geruch eines alten& ämpfers" mit den feinsten braunen Beziehungen. Vielleicht tommet Jhresgleichen wieder angefrochen, wenn es anders herum geht. Vielleicht bereiten Sie sogar schon ein Heldenepos vor über Ihre einstigen Brüder, die erschossenen, geföpften und erschlagenen Proleten. In Ihrem Rundfunkdrama Hallte es wider von der unsterblichen deutschen Idee, verkörpert durch Johannes.
Für den Gesamtinhalt verantwortlich: Johann Pig in Dud. weiler; für Inserate: Otto Rubn in Sacrbrücken. Rotationsdruck und Verlag: Verlag der Rolfsstimme GmbH. Saarbrüden 3, Schüßenstraße 5. Schließfach 776 Saarbrüden.
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Es kommen zu Wort: Der Großindustrielle Hermann Röchling . Der Führer der Deutschen Front, Pirro. Der Pfarrer Wilhelm. Der Vorsitzende der Handwerkskammer , Schmelzer. Gräfin von Roedern. Der Propagandaleiter der Deutschen Front, Peter Kiefer. Minister Zoricic., Drouard, Vorsitzender der französisch - saarländischen Handelskammer. Raspail , Direktor der Mines Domaniales. Dr. Velleman, Generalsekretär der Abstimmungskommission. Exzellenz Galli, Vorsitzender des Obersten Abstimmungsgerichtes. Dr. Martiner, GeneralAdvokat beim Obersten Abstimmungsgericht. Landgerichtsdirektor Steinfels. Johannes Hoffmann , Führer der katholischen Front. Max Braun , Vorsitzender der Sozialdemokraten. Fritz Pfordt und Philipp Daub, führende Funktionäre der Kommunisten. Julius Schwarz , Vorsitzender des Bergarbeiterverbandes. Arbeiter und Bauern, Geistliche und Handwerker, Hausfrauen und Schulkinder, Kaufleute und Lehrer.
Inhaltsangabe: Mitten in Europa 1934. Deutsch sein. Hitler vor den Toren. Hier regiert der Völkerbund . Die toten Seelen. Kommt die Wirtschaftskatastrophe? Gleichschaltung der Sklaverei?. Die Front der Schwankenden. Die katholische Fronde. Die Einheitsfront. Das andere Deutschland . Ein Würfel fällt an der Saar
Das Reportagebuch für jedermann!
180 Seiten, zweifarbiger Umschlag, bessere Ausgabe Fr. 12,-( Sfr. 2,40), billige Volksausgabe Fr. 6,-( Sfr. 1,20).
Buchhandlung der Volksstimme G.m. b. H.
Saarbrücken 2, Trierer Stratze 24 Postscheckkonto Saarbrücken 619
H
Wilhelm Schmelzer
Pfarrer Nold
Minister Zoricic Exzellenz Galli
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Fr. 1
QUBE
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SUREN
Ein Land wird interviewt von THEODOR BALK
Dr. Martina Direktor Raspail
Dr. Vellema Johann Hoffmann
Max Braun
Fritz Plordt Philipp Daub Julius Schwarz Bergarbeiter
Hausfrauen
Hüttenarbeiter
Landwirte
Geistliche
Schulkinder
und viele andere