Pentjake

Nr. 269 2. Jahrgang

Rel

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Sonntag/ Montag, 2./3. Dezember 1934

Chefredakteur: M. Braun

Sensationelles

Interview mit Röchling

Lawals

Seite 3

entschiedene Haltung

Vechindect

Seite 4

den neuen Justizmord

Seite 7

Erhebung der Saar - Katholiken!

Gründung des Christlich - sozialen Volksbundes

Die Wendung

an der Spitze

In einem großen Saale Saarbrückens wurde am 30. November ein Bund gegründet, dessen Bedeutung weit über den Saarkampf hinausragt. Deutsche Katholiken wagten allem braunen Terror, allen Anschuldigungen des Separatismus und des Landes­verrats zum Trotz, im Namen ihres Deutschtums und des Glaubens zum Aufstand gegen das dritte Reich" zu rufen. Bor katholischen Arbeitern und Angestellten, vor katho lischen Beamten aller Grade, vor mehr als siebzig Priestern von der Saar wurde der Deutsche Volks bund für christlich soziale Kultur" unter be wegten Kundgebungen gegründet. Wir verweisen auf Bericht und Entschließung in unserer heutigen Ausgabe. Die Bedeutung dieser Erhebung: sechs Wochen vor der Saar - Abstimmung ist nicht hoch genug einzuschätzen. Liest

Geistliche, Beamte und Werktätige

Imbusch's und Kuhnens Appell an Genf

verständliche hinaus noch einige Worte gesagt, die un­mittelbar nach Genf gerichtet sind:

Wir sind alle, so wie wir sind, für Deutschland . Ja, ich gehe noch wetter und sage: wir sind alle gegen eine Ab­trennung der Saar für immer von Deutschland ! Wir haben wahrhaftig in den legten 14 Jahren oft genug be: wiesen, daß wir wahre Deutsche sind und das wollen wir bleiben. Doch wir wissen heute noch nicht, was in Genf vor: geht. Die Lage ist vollständig ungewiß. Die Mitteilungen der Presse sind direkt widersprechend. Deshalb müssen wir eine abwartende Stellung einnehmen. Viele Menschen sind überzeugt, daß sich der Völkerbund mit der dritten Lösung noch befassen wird."

Wir zweifeln nicht daran, daß man in Genf diese britte Lösung" auf Grund der Barthouschen Denkschrift klarer umreißen wird, als sie sich heute in vielen Köpfen ge­staltet. Sie wird die Aussichten der Anhänger des Status quo bis zur Gewißheit des Sieges steigern. Inzwischen darf man das Vorbild des nationalen" Sozialismus an der Saar , Herrn Kommerzienrat Röchling, belächeln. Er hat soeben in einem Interview die längst der Geschichte angehörende These von den 97 Prozent" vertreten

Wir stehen in der letzten Etappe des Saarkampfes. Vor ganz Europa , das diesen Kampf mit brennender Anteil­nahme verfolgt, sind nun alle Fronten klar: die braune, die freiheitliche der vereinigten Linksparteien, und nun diejenige, die das Banner des Christuskreuzes gegen das Hakenkreuz offen entfaltet!

man die von uns veröffentlichten Reden ber katholischen Aufruf an das katholische und evangelische Saarvolk

Sprecher, dann hat man Eindruck, als ob jäher Durchbruch, eine Erlösung von unerträglicher Span­nung erfolgt sei. In den Spalten der Deutschen Freiheit" haben wir immer wieder darauf hingewiesen, welchem Druck die katholische Kirche , welchen Gewaltakten katho­lische Menschen im Hitler- Reich ausgesetzt seien. Wir haben es getan, weil die freie Entfaltung geistiger und fachlicher Kräfte für uns zu den ursprünglichen freiheitlichen Rechten gehört. Es war also nicht Taktik", die uns unsere Haltung vorschrieb. Wir mußten sprechen, wo Katholiken, durch freien Entschluß oder durch Zwang, sich Schweigen auferlegten.

Seit der Saarbrücker Proklamation ist eine neue Situation geschaffen. Die deutscher : Ratholiken sind unter der Verpflichtung des Kampfes mider Gewalt, Ungeist und Menschenschändung an unse­rer Seite erschienen. Nicht als Gesinnungsfreunde in Weltanschauungsfragen! Jst es nötig, es noch ausdrücklich zu betonen? Die Gründung des Volksbundes ist zum Teil erfolgt, weil man gläubige Ratholiken in der sozialistisch- kommunistischen Einheitsfront, also neben Margisten, im Glaubensbereich irrtümlich für gefährdet" hielt. Die jetzt geschaffene Organisation legt das Haupt­gewicht auf ihre christlich- soziale Tendenz. Sie geht also über den Bereich des Saar- Ratholizismus hinaus, und darum nahmen auch protestantische Ver­trauensleute an der denkwürdigen Gründungs­kundgebung teil.

In ihrem Aufruf gibt es, wovon sich jeder Leser über­zeugen mag, lange Partien, die von jedem freiheitlich Ge­Jinnten innerhalb oder außerhalb einer Kirche als Aus

Die Gründungsversammlung des Deutschen Volks­bundes für christlich- soziale Gemeinschaft", hat einstimmig mit begeistertem Beifall folgende Entschließung angenommen: In ernster, schicksalsschwerer Stunde haben sich heute in Saarbrücken Männer aus allen Teilen des Saargebietes, aus allen Schichten der Bevölkerung, Geistliche und Laien der beiden christlichen Konfessionen zusammengefunden, um die von einem engeren Arbeitsausschuß seit einiger Zeit vorbereitete Gründung des

Deutscher Volksbund

für christlich- soziale Gemeinschaft"

zu proflamieren.

Die Entwicklung der kirchlichen und politischen Verhält nisse in unserem deutschen Vaterlande wie in unserer engeren Heimat an der Saar haben zur Gründung dieser christlichen Einheitsfront geführt. Die Zusammen: fassung aller christlichen Kräfte unserer Saarheimat schien uns unerläßlich angesichts dieser Entwicklung.

Der Nationalsozialismus hat seit jetzt fast zwei Jahren in unserem deutschen Vaterlande ein System der brutalen Gewalt aufgerichtet, die persönliche Freiheit und die Presse: freiheit vernichtet, das innere und äußere Schicksal unseres deutschen Vaterlandes nahe an den Abgrund geführt. Mit schmerzlichem Bedauern erlebten wir die rohen Eingriffe

in das tirchliche Leben, die Verhaftung von Geistlichen, die Behinderung der Bischöfe in ihrer oberhirtlichen Tätigkeit, die Unterdrückung der Hirtenbriefe, die Belpigelung bis in die Kirche hinein, die Unterdrückung der firchlichen Vereine entgegen dem beschworenen Wortlaut des Konkordates, die Absetzung von Tausenden treuer fatholischer Beamten, die vollkommene Entrechtung der Arbeiter und Angestellten, den furchtbaren Massenmord des 30. Junt, die offene und geheime Propaganda für die heidnischen Lehren von Alfred Rosenberg und Bergmann, die Verseuchung der christuss gläubigen Jugend mit diesen Lehren in den Arbeits- und Führerbildungslagern, in den Zirkeln der HJ. und des BdM., in allen öffentlichen Schulbibliotheken.

Dies alles hat seit langem in unzähligen Katholiken und Protestanten an der Saar das Bedürfnis geweckt, eine christliche Einheitsfront zu bilden, die sich einfegen will für wahres Christentum und echtes Deutschtum. Dieser christliche und deutsche Bund ist heute von den aus dem ganzen Saargebiet zahlreich erschienenen Männern aus der Taufe gehoben worden. Wir richten an die gläubige katholische und protestantische Bevölkerung des Saargebietes den herz= lichen Appell, unbeirrt durch Drohungen und Vers leumdungen, die zweifellos kommen werden, diesem christlich deutschen Volksbund beizutreten

Ein Stoß ins Herz der braunen Front

bruck ihrer Gesinnung angenommen werden. Man hat Clemenceaus Saariranzosen mit Recht gesagt, daß die Freiheitsfront und die deutsche Front" an der Saar eine feste und überschaubare Einheit eines gesinnungsmäßig gebundenen Menschenkreises dar­stellen. Zwischen ihnen aber waren die anderen, an Zahl bermutlich viel stärkeren: diejenigen, die sich in keiner der beiden Fronten beheimatet fühlten. Es sind ganz über­wiegend die Katholiken an der Saar , die treu zu ihrer Kirche halten. Jetzt haben sie die ihnen gemäße Organi­sation gefunden, die ihnen Halt gewährt und klare Parolen gibt.

Mehr als siebzig Priester haben an der Gründung des ,, Volksbundes" teilgenommen. Sie taten es in rich tiger Auslegung der Wünsche ihrer Oberhirten, die ihnen die Liebe zum Vaterlande als jittliche Pflicht auferlegte. Denn diese Liebe verpflichtet sie zum Kampf gegen das undeutsche freiheitsfeindliche, Menschen mißbrauchende dritte Reich". Ihre Teilnahme und ihre Zustimmung ist von höchster moralischer Bedeutung und wird auf die Gläubigen tiefen Eindruck machen.

Jeder wußte, worum es ging. Jeder wird es wissen, wenn er diese Beschlüsse liest. Sie gehen in dieser Stunde wie ein Lauffeuer durch das Saargebiet. Sie bringen die lange erwartete Entscheidung auch im Hin blick auf den Abstimmungskampf. Der Kampf wider Neuheidentum, Rechtlosigkeit und soziale Bedrückung verpflichtet alle deutschen Katholiken, um ihres Deutsch tums willen, sich gegen die Rückgliederung an das braune dritte Reich" zu entscheiden. Der frühere Reichstags abgeordnete und Revierleiter des Chriftlichen Berg­arbeiterverbandes,& riz Kuhnen, hat über das Selbst

Saarbrücken , 1. Dezember 1934.

Die von der Saar- Boltsstimme" angefündigte Lifte der: jenigen Saarländer , die heute führende Funktionäre der ,, deutschen Front" sind, früher aber für den Anschluß an Frankreich waren und ihre Naturalisation nach Frankreich in Eingaben an die französische Regierung beantragten, ist in der heutigen Aus­gabe der Saar- Volksstimme" veröffentlicht worden und er: regt ungeheures Aufsehen. Die Saar- Voltsstimme" kündigt an, daß sie außer den augenblicklichen Veröffent: lichungen fortlaufend weiter die Mitglieder der Deutschen Front" und die Prominenten aus der Hitlerfront, die sich für die Angliederung an Frankreich eingesetzt haben, bekannts geben wird. Dabei wird ausdrücklich hervorgehoben, daß die Unterlagen für diese sensationellen Veröffentlichungen das Originalmaterial darstellt, das seiner Zeit den Beauftragten der französischen Republik überreicht worden ist.

Die erste Veröffentlichung stellt einen Auszug aus der Bürgerliste der Gemeinde Lisdorf dar, bekanntlich der Gemeinde des Staatsrats Spaniol, des früheren Leiters der deutschen Front". Unter Führung der Spitzen der heutigen Hitlerfront wurde damals dem französischen Mili: tärverwalter des Kreises Saarlouis folgende Eingabe über: reicht:

Lisdorf , den 19. Jannar 1919. Wir unterzeichnete artseingesessene Bürger des Dorfes

Lisdorf , Kreis Saarlouis , erklären hierdurch und tun unseren Willen fund, daß wir wünschen, mit der Pro­vinz Lothringen , von der wir vor hundert Jahren getrennt wurden, wieder vereinigt zu werden. Wir bitten den französischen Militärver= walter des Kreises Saarlonis, diesen unseren Willen der französischen Regierung gefl. unterbreiten zu wollen. Die Saar- Bolfsstimme" bringt die Unterschriften der Unterzeichner. Es handelt sich dabei um den national= sozialistischen Gemeindevorsteher von Liss dorf, um den Ortsgruppenleiter der NSDAP . Ferner haben unterzeichnet sämtliche nationalsozialistischen Gemeinderäte von Lisdorf , der nationalsozialisti= sche SA. Führer, überhaupt sämtliche führenden Nas tionalsozialisten von Lisdorf , darunter auch der Onkel des Staatsrats Spaniol und die Verwandten des Hitler - Saardichters/ Ecker.

Staatsrat Spaniol befindet sich nicht darunter, weil er damals noch minderjährig war. Die Liste wird fortgesetzt. In der deutschen Front" herrscht ungeheure Aufregung und lähmendes Entsetzen. Der Landesleiter Pirro hat bereits einen Aufruf erlassen, in dem er allen Landesverrätern" Absolution gewährt... In seiner Ratlosigkeit wußte er leinen anderen Ausweg. Unzählige Amtswalter der braunen Front zittern, daß auch ihr Name bald auf der Liste der Glemenceau- Franzosen" erscheint,