13.
JANUAR
FürDEUTSCHLAND gegen HITLER
Schmutzige Propagandamethoden
Die Neue Zürcher Zeitung " bringt einen längeren Bericht über den„ Westland"-Berkauf. Das angesehene Schwei zer Blatt schreibt zum Schluß:
" So unbedeutend die Angelegenheit an sich ist, so wirft fie doch ein äußerst bedenkliches Licht auf die deutichen Propagandamethoden im Saarfamp 1. Wir haben an dieser Stelle niemals bezweifelt, daß das Saargebiet ferndeutsch ist und sicherlich am Abstimmungstag eine eindrucksvolle Mehrheit für die Rückgliederung ans Reich aufbringen wird; was wir aber niemals verstehen werden, das sind die zweifelhaften Propagandamethoden, deren sich die Rückgliederungsfreunde zur Erreichung ihres Zieles bedienen. Vor wenigen Wochen ist die„ deutsche Front" durch die Denkschrift des Präsidenten Knox im höchsten Maße und vor aller Welt bloßgestellt worden. Wer damals glaubte, die dunkeln Machenschaften gehörten der Vergangenheit an, sieht sich heute leider sehr enttäuscht. Angefichts dieses Vorfalls möchte man beinahe dem Argument der Antifaschisten Glauben schenken, die da behaupten, es müsse um die Sache der Rückgliederung sehr schlimm stehen, wenn sie nur auf solchen Wegen zum Sieg komme.
Fräulein Carsenius
Carsenius, mit Vornamen Maria- so heißt die frühere Maschinenschreiberin im Saarbrücker Polizeipräsidium, die sich als Spizzel der deutschen Front" das Vertrauen ihrer Vorgesetzten erschlich. Als die junge Dame ihre Arbeit ge leistet hatte, floh sie ins„ dritte Reich", so daß sie der Steckbrief der Regierungsfommission nicht mehr erreichte. Präfident Autor hat jetzt in einem Schreiben an den Völkerbundsrat, das auf eine Eingabe der deutschen Front" an den Völkerbundsrat vom 13. November 1934 Bezug nimmt, meitere interessante Details über diese junge Dame publiziert. Im Verlauf der Durchsuchungen der Geschäftsstelle der deutschen Front" wurden mehrere Schriftstücke mit der Bezeichnung„ Earsenius" entdeckt. Auf Grund der Vernehmungen der in der„ deutschen Front" beschuldigten Beamten wurde festgestellt, daß die dort enthaltenen Behauptungen über angebliche Pflichtverletzungen Beamten jeder Begründung entbehren. Die gegen Maria Carsenius angestellte lage beim Obersten Abstimmungsgerichtshof wegen Verleumdung wird freilich die Adresatin, die ihren Wohnsitz nach Neustadt a. d. Hardt verlegt hat, nicht erreichen.
der
Das Schreiben des Präsidenten Knox weist auch andere unwahre Behauptungen der deutschen Front" zurück. Die Angebliche affenbejchaffung durch den General Anzeiger " it ordnungsgemäß auf Grund von Waffenscheinen erfolgt, wobei es sich unt ganze drei Revolver gehan- n delt hat, die zum Schutze für das Personal der Geschäftsstelle des„ General- Anzeiger " bestimmt waren.
Die Volksfront stürmt
Jede Woche erweist es stärker und selbst der gehäffigste Gegner wagt es nicht mehr zu leugnen: Unsere anschwellende Versammlungswelle wälzt sich über das ganze Saargebiet und hat ständig wachsenden Zulauf. Am Samstag und Sonn tag bewiesen unsere Versammlungen in Merzig , Klein: Ottweiler, Güchenbach, Gersweiler , Saar :
Louis, Homburg , Sühnerfeld, Wemmets weiler, Clarenthal, Geislautern , Hangard , Landsweiler,& lein Blittersdorf, Jägers: freude und Scheidt, daß wir unaushaltsam im Vor
marsch sind.
1
Gonder,
Es sprachen in Merzig Diplomvolkswirt Frizz Pfordt und Mar Braun. Gonder verbreitete sich vor allem über die Wirtschaftslage an der Saar . Friz Pfordt wies anhand des jüngsten Gestapoüberfalls auf die ,, Arbeiterzeitung" den wachsenden Terror nach. Und dann
Sprach
" Zunächst mein Kompliment der sogenannten„ deutschen Front", die es fast nie und nirgendwo unterläßt, die Versammlungsräume, in denen wir tagen müssen, entsprechend zu dekorieren. Man muß ihr eigentlich dankbar dafür sein, daß sie uns damit immer wieder Gelegenheit gibt, unserem Publikum recht lebhaft zu demonstrieren, welch unüberbrückbarer Gegensatz zwischen ihrem Symbol, dem Krummfreuz, und ihrer etwas anmaßenden Firmenbezeichnung„ deutsch " besteht: Wenn Deutschland leben soll, dann muß das Hafenkreuz sterben!( Tosender Beifall.)
Unser hochverehrter saarländischer Mitbürger, mein Busenfreund Jacob aus Bechhofen mit dem„ echt" deutschen Namen Pirro, hat seit den letzten 48 Stunden heftiges Leibweh, und er darf mit vollem Recht von sich sagen: Ein Unglück tommt selten allein!( Stürmischer Beifall.) Gestern hat Herr Laval , der Außenminister Frankreichs , auf die Anfrage unseres sozialistischen Parteifreundes Fonta nier erklärt, daß die Völkerbundssouveränität dem Status quo sowohl juristisch wie praktisch auf Wunsch der Bevölkerung die Möglichkeit eitter nenen Entscheidung uber die staatliche Lage des Gebietes, in sich schließe und daß granfreith degen eine solche spätere nochmalige Abstimmung feinerlei Widerspruch erheben und feinerlei Schwierigkeiten machen werde. Am Donnerstag dieser Woche wird die Ent
und scheidung des Völkerbundrates nicht anders lauten damit wird der Bürdelschen Behauptung, daß eine zweite, spätere Abstimmung dem Völkerrecht, der internationalen Moral und dem Versailler Vertrag widerspreche, jeder Boden entzogen. Die Abstimmung vom 13. Januar erhält damit klar und eindeutig den Charakter der Abstimmung für oder gegen den Nationalsozialismus, nicht aber für oder gegen Deutschland , Ja, sie wird damit zu einer Angelegenheit gestempelt, bei der jeder gute Deutsche der Saar geradezu die Pflicht hat, nunmehr zunächst gegen Hitler zu stimmen, um sich dann später mit der gleichen Verve für die Vereinigung mit einem befreiten Deutschland einzusetzen! ( Stürmische Zustimmung.)
Die überfüllte Versammlung in Saarlonis war eine machtvolle Kundgebung für den Status quo.
Mar Braun behandelte den Gegner mit scharfer Ironie, um dann zu den jüngsten Ereignissen Stellung zu nehmen. Klar stellte er heraus, daß unsere Veröffentlichungen über Clemenceaus Saarfranzosen sich nicht gegen jene richteten, die aus ehrlichem politischen Wollen gehandelt, sondern gegen die charakterlosen Elemente, die stets nur Konjunkturpolitif treiben, die heute links und morgen rechts, heute blau- weiß- rot und morgen schwarz- weiß- rot sind. Gegen jene Elemente, die sich 1919 in geradezu beschämender Art der französischen Besaßungsarmee in die Arme warfen, ihr Deutschtum verleugneten, die dann 1933 mit denselben verlogenen Phrasen Hitler zujubelten und nun die Stirne haben, die freien deutschen Saarländer , die unter Einsat von allem, für Deutschland gegen Hitler kämpfen, als Landesverräter und Separatisten zu beschimpfen. Braun wies auf die starke Wirkung unserer Veröffentlichungen über die Lisdorfer Saarfranzosen hin, die heute sämtlichst Mitglieder der Pirro- Front sind, und appellierte zum Schluß an alle deutschen Saareinwohner, am 13. Januar gegen Hitler für Deutschland zu stimmen. Brausender Beifall.
Als letzter Redner des Abends sprach sehr eindrucksvoll Frizz Pfordt. Er schilderte die ganze Verzweiflung der braunen Landesleitung und ihrer Presse und zeigte durch einige schlagende Beispiele, wie zerrüttet heute die braune Front im Saargebiet ist. Seine Rede klang aus mit den fiegesgewissen Worten: Am. 13. Januar wird das deutsche Saarvolf für ein freies deutsches Vaterland gegen Hitler stimmen und damit Hitler die große Niederlage beibringen. nicht enden wollender Beifall.
Noch eine furze, wirkungsvolle Rezitation von Theo Maret. Dann fand die eindrucksvolle Rundgebung hit dem gemeinsamen Gesang der Internationale ihren Abschluß.
Pressestimmen
über die Erhebung der Saar - Katholiken
Die Gründung des„ Deutschen Volksbundes für christlichsoziale Gemeinschaft" hat im Saargebiet ungeheures Aufsehen erregt. Man ist sich in weiten Kreisen der Saarbevölkerung darüber im klaren, daß mit dieser Gründung ein Wendepunkt im Abstimmungskampf eingetreten ist. Die Aussichten für die braune Front, den Saarkampf zu gewinnen, sind immer geringer geworden, während noch im Sommer die Dinge im Saargebiet tatsächlich so lagen, daß ein Erfolg der Status- quo- Anhänger aussichtslos erichten. Die„ aar Volts it imme" trifft das Richtige, wenn fie über die Erhebung der Saar- katholiken schreibt:
Was gestern im fatholischen Vereinshaus„ Concordia" zu Saarbrücken geschehen ist, ist mehr als Politik. Das ist Geichichte. Die Gründung der christlichen Saarfront ist, nicht nur ein Ereignis von allergrößter Bedeutung für den Abstimmungskampf an der Saar , es ist ein Wendepunkt in der Entwicklung des Kampfes um Deutschland überhaupt. Auf deutschem Boden des Saargebietes fritt zum ersten Male eine geschlossene Front auf, die mit dem Marrismus nichts zu tun hat und die trotzdem eine Rampffront gegen Hitler aufrichtet. Dieses Ereignis wird nicht nur im Saargebiet, sondern auch im„ dritten Reiche" einen ungeheuer starken Widerhall finden.
Zur Frage der Abstimmung am 13. Januar hat der Deutsche Volksbund vorerst eine abwartende Haltung eingenommen. Der erste Redner auf der Gründungsversammlung, Frizz Kuhnen, hat eine endgültige Stellungnahme von den Beschlüssen des Völkerbundes abhängig gemacht Er erklärte:„ Wir sind alle gegen eine Abtrenmung der Saar für immer von Deutschland ."
Das ist die Haltung, die wir immer gehabt haben. Da wir aber nicht überzeugt sind, sondern genau wissen, daß die Entscheidung für die Beibehaltung der bestehenden Rechtsordnung, also für den Status quo, keine Abtrennung für immer von Deutschland bedeuten kann und bedeuten wird,( bis zum 13. Januar wird diese Frage endgültig geflärt fein), deshalb treten wir schon heute für diese Entscheidung ein. Wir zweifeln deshalb nicht daran. daß am 13. Januar wir und die neue Front gemeinsam eine starke Mehrheit des Saarvolfes für die gleiche Parole in dem Kampf führen werden. Am 13. Januar werden wir vereint eine vernichtende Niederlage Hitlers an der Saar herbeiführen."
Das Organ der neuen Partei Neue Saar- Post" schreibt:
Die Gründung des Deutschen Volksbundes für christlich- soziale Gemeinschaft", die am vergangenen Freitag in Saarbrücken erfolgte. hat weit über die Grenzen des Saargebietes hinaus in der ganzen Welt stärkste Beachtung erfahren. Nur in Deutschland schweigt man sie bis zur Stunde tot, in der Presse wie im Rundfunk. Begreif
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lich, denn dieser Schlag kam Herrn Goebbels etwas überraschend und er hat ganz offensichtlich noch keine klaren Richtlinien für diesen Gegenstoß erteilt. Das erklärt auch, warum die Deutschfront- Presse an der Saar , die am Frei= tag doch einen Spizzel in die Versammlung geschickt hatte und also Bescheid wußte, erst am Sonntagmorgen den Atem wiedergefunden hat. Und selbst die ersten Antworten aus dem Lager der deutschen Front" find noch ziemlich unflar und verworren.
Die„ Landes- Zeitung", die natürlich mit der Tatsache, daß immerhin einige Personen, die ihr bisher sehr nage standen, an der Gründung des Deutschen Volfsbundes" beteiligt sind, noch nicht fertig geworden ist und sie deshalb totschweigt, stammelt in einem reichlich naiven Kommentar am Sonntagmorgen etwas von einem Bund ohne Volk". Na, das Echo, das die Gründungsversammlung in der Bevölkerung Saarbrückens und des ganzen Saargevietes gefunden hat, wird den Heren schon noch zeigen, wo das Volk steht Wenn weiter der Schreiber der Landes- Zeitung" von„ feiger Flucht" spricht, so kann ihm das wirklich niemand übelnehmen, denn man weiß ziemlich überall im Saargebiet, daß die Herren das Gegenteil von dem Schreiben, was sie denken. Und das ist doch wohl kein besonderer Mut!" Die Landes- Zeitung" vermißt iit dem Gründungsaufruf die Parole für den 13. Januar. Nun, sie darf beruhigt sein. Diese Parole wird schon noch rechtzeitig kommen. Die Herren wissen ja nur zu gut, daß sic selbst ihr Pulver zu früh verschossen haben, indem sie jetzt schon ein volles Jahr sich von der deutschen Front" in einen ununterbrochenen Wahl- und Abstimmungsrummel hineintreiben ließen. In der Kürze liegt die Würze". Und bis zum 13. Januar sinds bekanntlich immer noch 42 Tage Also nur Geduld, liebe Landestante!
Bei den Blättern der braunen Front herrscht Kazenjammerstimmung. Der Chefredakteur der„ Saar brüder 3eitung", die im gleichen Verlag gedruckt wird, indem auch das Pogromblatt Bürckel - ,, Westland" ge= druckt wurde, faselt etwas vom„ mißbrauchten Christentum". Er will seinen Refern weismachen, daß die nationalsozia= listische Regierung sich bemüht, eine klare Scheidung zwischen Religion und Politik durchzusetzen, und daß dieses Be mühen von einem ernsthaften Willen getragen sei". Der Chefredakteur, der„ Saarbrücker Zeitung " hat wie es scheint, weder etwas von der Weltanschauung des Herrn Alfred Rosenberg , noch von Deutschen Christen, noch von dem Bemühen der Nationalsozialisten,„ von einem ernsthaften
Willen getragen" die evangelische Kirche von innen zu sprengen und sie in den Dienst der nationalsozialistischen Hezideologie zu stellen.
Ueber die politische Bedeutung der Gründung des„ Deutschen Volksbundes für christlich- soziale Gemeinschaft" schreibt der Chefredakteur der Saarbrücker Zeitung " folgendes:
„ Es hat eine guten Gründe, wenn man gerade jetzt mit diesem Volksbund vor die Oeffentlichkeit tritt. Es gehört zum Störungsfeuer", mit dem man die„ deutsche Front" im Schlußstadium des Saarkampfes beunruhigen möchte. Ganz klar ist zwar die politische Losung nicht ausgesprochen. Aber wenn der eine Redner erklärt:„ feiner von uns stimmt jemals für Frankreich " und der andere: „ ein bedingungsloses Zurück können wir nicht verantworten", und wenn dazu die„ Neue Saar- Post" zum Organ der Organisation erklärt wird dann dürfte wohl klar sein, daß der Marsch in Richtung auf den Status quo geht. Etwaige Zweifel beseitigt zudem das Echo in der marristischen Presse.
„ Nicht für Frankreich ", Herr Kuhnen? Nicht bedingungslos zurück". Herr Imbusch? Also für den Status quo unter Vorausießung einer nochmaligen späteren Abstimurung? Die neueste Antwort des Herrn Laval auf eine diesbezügliche Frage in der Kammer ist nicht geeignet, besondere Hoffnungen auf diese zweite Abstimmung zu erweden In vorsichtigster Form schiebt er die Frage in das Kompetenzgebiet des Völferbundes ab. Man kennt doch die Schmerzen die diese Frage der französischen Regierung bereitet. Jedesmal taucht das Gespenst der Generalrevision von Versailles auf, zugleich mit einer Revision, d. h. einer Wiederholung der bisherigen Abstimmungen ( Eupen- Malmedy , Schleswig u. a. m.). Wird Frankreich es wagen? Wir glauben es nicht. Und nichts scheint uns so sicher wie die Tatsache, daß die Abstimmung am 13. Januar eine endgültige sein wird.
Dann wäre der Status quo doch eine Abstimmung für Frankreich . Dann wäre weder eine bedingte noch eine bedingungsloje Rückkehr möglich. Dann wäre das Saargebiet Frankreich überantwortet."
Nachdem er auf diese Weise die Status- quo- Anhänger und damit auch die Anhänger der neuen katholischen Partei dls Landesverräter diffamiert, geht der Chefredakteur zu einer offenen Drohung über. Denn es ist nichts als Drohung gegen die Katholiken im Reiche, die als Geisel be= trachtet werden. wenn er schreibt: Gerade aus Rücksicht auf die Entwicklungsmöglichkeiten des Katholizismus in Deutsch land werden die Katholiken des Saargebietes sich von diesem Volksbund nicht einfangen lassen."
Und zum Schluß weiß er bereits eine Sensation zu melden:„ Die Bischöfe von Trier und Speyer und wahrscheinlich auch der deutsche Gesamtepiskopat werden sich ,, deutlichst gegen diesen" Volfsbund für chriftlich- soziale Gemeinschaft aussprechen."
Es ist immerhin bezeichnend für die Lage des Katholizismus in Deutschland , wenn der Chefredakteur der„ Saar brücker Zeitung " schon im voraus weiß, daß sich die Bischöfe gegen die neue Gründung aussprechen merden. Man wird fie eben auf einer solchen Stellungnahme zwingen.